\documentclass{book} \usepackage[latin1]{inputenc} \usepackage[T1]{fontenc} \usepackage[german]{babel}[2005/05/21 v3.8g] \usepackage[pagestyles,outermarks,clearempty]{titlesec}[2005/01/22 v2.6] \usepackage[repeat]{poetry} \usepackage{drama} \usepackage{example} \hyphenation {Emp-fin-dung ge-richtet er-stau-nen ge-sicht nie-der-schrei-bend} \TextHeight* {42} \TextWidth {4.45in} \hfuzz 1pt %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% \newcommand {\DerAuftritt}{\ordinal {\subsectiontitle}\theordinal} \newpagestyle {MainMatterPage} { \sethead [\oldstylenums{\thepage}] [\textsc{don carlos}] [] {} {\scshape \bottitlemarks \ordinal {\sectiontitle}\theordinal\ akt. % \DerAuftritt\ auftritt} {\oldstylenums{\thepage}} \Capita {section}{subsection} } %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% %%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%%% \Facies \personae {\textsc{#1}{#2}. \\ \textit{#1}} \Forma {\hangindent 1em\hangafter 1} \Forma \[ {\centeredfinal} \Facies {(\textit{#1})} \SpatiumAnte {.33em plus .11em minus .11em} \SpatiumPost {.33em minus .11em} \SpatiumInfra {.5\leading plus .25\leading} \Modus {\option{w}} \Forma \( {\centeredfinal} \Facies {\it} \SpatiumInfra {.5\leading plus .25\leading} \Facies \numeri {\RelSize{-1}\oldstylenums{#1#2}} \Locus {\leftmargin - 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Eure königliche Hoheit Verlassen es nicht heiterer. Wir sind Vergebens hier gewesen. Brechen Sie Dies räthselhafte Schweigen. Oeffnen Sie Ihr Herz dem Vaterherzen, Prinz. Zu theuer Kann der Monarch die Ruhe seines Sohns -- Des einz'gen Sohns -- zu theuer nie erkaufen. \[Carlos sieht zur Erde und schweigt\] Wär' noch ein Wunsch zurücke, den der Himmel Dem liebsten seiner Söhne weigerte? Ich stand dabei, als in Toledos Mauern Der stolze Carl die Huldigung empfing, Als Fürsten sich zu seinem Handkuß drängten Und jetzt in \textit{einem -- einem Niederfall} Sechs Königreiche ihm zu Füßen lagen -- Ich stand und sah das junge stolze Blut In seine Wangen steigen, seinen Busen Von fürstlichen Entschlüssen wallen, sah Sein trunknes Aug durch die Versammlung fliegen, In Wonne brechen -- Prinz, und dieses Auge Gestand: ich bin gesättigt. \\ \[Carlos wendet sich weg\] Dieser stille Und feierliche Kummer, Prinz, den wir Acht Monde schon in Ihrem Blicke lesen, Das Räthsel dieses ganzen Hofs, die Angst Des Königreichs, hat Seiner Majestät Schon manche sorgenvolle Nacht gekostet, Schon manche Thräne Ihrer Mutter. \\ \3 \[dreht sich rasch um\] Mutter? -- O Himmel, gib, daß ich es dem vergesse, Der sie zu meiner Mutter machte! \\ \16 Prinz? \3 \[besinnt sich und fährt mit der Hand über die Stirne\] Hochwürd'ger Herr -- ich habe sehr viel Unglück Mit meinen Müttern. Meine erste Handlung, Als ich das Licht der Welt erblickte, war Ein Muttermord. \\ \16 Ist's möglich, gnäd'ger Prinz? Kann dieser Vorwurf Ihr Gewissen drücken? \3 Und meine neue Mutter -- hat sie mir Nicht meines Vaters Liebe schon gekostet? Mein Vater hat mich kaum geliebt. Mein ganzes Verdienst war noch, sein Einziger zu sein. Sie gab ihm eine Tochter -- O, wer weiß, Was in der Zeiten Hintergrunde schlummert? \16 Sie spotten meiner, Prinz. Ganz Spanien Vergöttert seine Königin. Sie sollten Nur mit des Hasses Auge sie betrachten? Bei ihrem Anblick nur die Klugheit hören? Wie, Prinz? Die schönste Frau auf dieser Welt Und Königin -- und ehmals Ihre Braut? Unmöglich, Prinz! Unglaublich! Nimmermehr! Wo Alles liebt, kann Carl allein nicht hassen; So seltsam widerspricht sich Carlos nicht. Verwahren Sie sich, Prinz, daß sie es nie, Wie sehr sie ihrem Sohn mißfällt, erfahre; Die Nachricht würde schmerzen.\\ \3 Glauben Sie? \16 Wenn Eure Hoheit sich des letzteren Turniers zu Saragossa noch entsinnen, Wo unsern Herrn ein Lanzensplitter streifte -- Die Königin mit ihren Damen saß Auf des Palastes mittlerer Tribune Und sah dem Kampfe zu. Auf einmal rief's: »Der König blutet!« -- Man rennt durch einander, Ein dumpfes Murmeln dringt bis zu dem Ohr Der Königin. »Der Prinz?« ruft sie und will -- Und will sich von dem obersten Geländer Herunter werfen. -- »Nein, der König selbst!« Gibt man zur Antwort -- »So laßt Aerzte holen!« Erwiedert sie, indem sie Athem schöpfte. \[Nach einigem Stillschweigen\] Sie stehen in Gedanken? \\ \3 Ich bewundre Des Königs lust'gen Beichtiger, der so Bewandert ist in witzigen Geschichten. \[Ernsthaft und finster\] Doch hab' ich immer sagen hören, daß Geberdenspäher und Geschichtenträger Des Uebels mehr auf dieser Welt gethan, Als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht konnten. Die Mühe, Herr, war zu ersparen. Wenn Sie Dank erwarten, gehen Sie zum König. \16 Sie thun sehr wohl, mein Prinz, sich vorzusehn Mit Menschen -- nur mit Unterscheidung. Stoßen Sie mit dem Heuchler nicht den Freund zurück. Ich mein' es gut mit Ihnen. \\ \3 Lassen Sie Das meinen Vater ja nicht merken. Sonst Sind Sie um Ihren Purpur. \\ \16 \[stutzt\] Wie? \\ \3 Nun ja. Versprach er Ihnen nicht den ersten Purpur, Den Spanien vergeben würde? \\ \16 Prinz, Sie spotten meiner. \\ \3 Das verhüte Gott, Daß ich des fürchterlichen Mannes spotte, Der meinen Vater selig sprechen und Verdammen kann! \\ \16 Ich will mich nicht Vermessen, Prinz, in das ehrwürdige Geheimniß Ihre Kummers einzudringen. Nur bitt' ich Eure Hoheit, eingedenk Zu sein, daß dem beängstigten Gewissen Die Kirche eine Zuflucht aufgethan, Wozu Monarchen keinen Schlüssel haben, Wo selber Missethaten unterm Siegel Des Sacramentes aufgehoben liegen -- Sie wissen, was ich meine, Prinz. Ich habe Genug gesagt. \\ \3 Nein, das soll ferne von mir sein, Daß ich den Siegelführer so versuchte! \16 Prinz, dieses Mißtraun -- Sie verkennen Ihren Getreusten Diener. \\ \3 \[faßt ihn bei der Hand\] Also geben Sie Mich lieber auf. Sie sind ein heil'ger Mann, Das weiß die Welt -- doch, frei heraus -- für mich Sind Sie bereits zu überhäuft. Ihr Weg, Hochwürd'ger Vater, ist der weiteste, Bis Sie auf Peters Stuhle niedersitzen. Viel Wissen möchte Sie beschweren. Melden Sie das dem König, der Sie hergesandt. \16 Mich hergesandt? \\ \3 So sagt' ich. O, zu gut Zu gut weiß ich, daß ich an diesem Hof Verrathen bin -- ich weiß, daß hundert Augen Gedungen sind, mich zu bewachen, weiß, Daß König Philipp seinen einz'gen Sohn An seiner Knechte schlechtesten verkaufte Und jede von mir aufgefangne Sylbe Dem Hinterbringer fürstlicher bezahlt, Als er noch keine gute That bezahlte. Ich weiß -- O, still! Nichts mehr davon! Mein Herz Will überströmen, und ich habe schon Zu viel gesagt. \\ \16 Der König ist gesonnen, Vor Abend in Madrid noch einzutreffen. Bereits versammelt ist der Hof. Hab' ich Die Gnade, Prinz -- \\ \3 Schon gut. Ich werde folgen. \[Domingo geht ab. Nach einigem Stillschweigen\] Beweinenswerther Philipp, wie dein Sohn Beweinenswerth! -- Schon seh' ich deine Seele Vom gift'gen Schlangenbiß des Argwohns bluten; Dein unglücksel'ger Vorwitz übereilt Die fürchterlichste der Entdeckungen, Und rasen wirst du, wenn du sie gemacht. \Auftritt % 1.2 \(\3. \10\) \3 Wer kommt? -- Was seh' ich? O ihr guten Geister! Mein Roderich! \\ \10 Mein Carlos! \\ \3 Ist es möglich? Ist's wahr? Ist's wirklich? Bist du's? -- O, du bist's! Ich drück' an meine Seele dich, ich fühle Die deinige allmächtig an mir schlagen. O, jetzt ist Alles wieder gut. In dieser Umarmung heilt mein krankes Herz. Ich liege Am Halse meines Roderich. \\ \10 Ihr krankes, Ihr krankes Herz? Und was ist wieder gut? Was ist's, das wieder gut zu werden brauchte? Sie hören, was mich stutzen macht. \\ \3 Und was Bringt dich so unverhofft aus Brüssel wieder? Wem dank' ich diese Ueberraschung? wem? Ich frage noch? Verzeih dem Freudetrunknen, Erhabne Vorsicht, diese Lästerung! Wem sonst als dir, Allgütigste? Du wußtest, Daß Carlos ohne Engel war, du sandtest Mir diesen, und ich frage noch? \\ \10 Vergebung, Mein theurer Prinz, wenn ich dies stürmische Entzücken mit Bestürzung nur erwiedre. So war es nicht, wie ich Don Philipps Sohn Erwartete. Ein unnatürlich Roth Entzündet sich auf Ihren blassen Wangen, Und Ihre Lippen zittern fieberhaft. Was muß ich glauben, theurer Prinz? -- Das ist Der löwenkühne Jüngling nicht, zu dem Ein unterdrücktes Heldenvolk mich sendet -- Denn jetzt steh' ich als Roderich nicht hier, Nicht als des Knaben Carlos Spielgeselle -- Ein Abgeordneter der ganzen Menschheit Umarm' ich Sie -- es sind die flandrischen Provinzen, die an Ihrem Halse weinen Und feierlich um Rettung Sie bestürmen. Gethan ist's um Ihr theures Land, wenn Alba, Des Fanatismus rauher Henkersknecht, Vor Brüssel rückt mit spanischen Gesetzen. Auf Kaiser Carls glorwürd'gem Enkel ruht Die letzte Hoffnung dieser edeln Lande. Sie stürzt dahin, wenn sein erhabnes Herz Vergessen hat, für Menschlichkeit zu schlagen. \3 Sie stürzt dahin. \\ \10 Weh mir! Was muß ich hören! \3 Du sprichst von Zeiten, die vergangen sind. Auch mir hat einst von einem Carl geträumt, Dem's feurig durch die Wangen lief, wenn man Von Freiheit sprach -- doch der ist lang begraben. Den du hier siehst, das ist der Carl nicht mehr, Der in Alcala von dir Abschied nahm, Der sich vermaß in süßer Trunkenheit, Der Schöpfer eines neuen goldnen Alters In Spanien zu werden -- O, der Einfall War kindisch, aber göttlich schön! Vorbei Sind diese Träume. -- \\ \10 Träume, Prinz? -- So wären Es Träume nur gewesen? \\ \3 Laß mich weinen, An deinem Herzen heiße Thränen weinen, Du einz'ger Freund. Ich habe Niemand -- Niemand -- Auf dieser großen weiten Erde Niemand. So weit das Scepter meines Vaters reicht, So weit die Schifffahrt unsre Flaggen sendet, Ist keine Stelle -- keine -- keine, wo Ich meiner Thränen mich entlasten darf, Als diese. O, bei Allem, Roderich, Was du und ich dereinst im Himmel hoffen, Verjage mich von dieser Stelle nicht. \10 \[neigt sich über ihn mit sprachloser Rührung\] \3 Berede dich, ich wär' ein Waisenkind, Das du am Thron mitleidig aufgelesen. Ich weiß ja nicht, was Vater heißt -- ich bin Ein Königssohn -- O, wenn es eintrifft, was Mein Herz mir sagt, wenn du aus Millionen Herausgefunden bist, mich zu verstehn, Wenn's wahr ist, daß die schaffende Natur Den Roderich im Carlos wiederholte Und unsrer Seelen zartes Saitenspiel Am Morgen unsers Lebens gleich bezog, Wenn eine Thräne, die mir Lindrung gibt, Dir theurer ist als meines Vaters Gnade -- \10 O theurer als die ganze Welt. \\ \3 So tief Bin ich gefallen -- bin so arm geworden, Daß ich an unsre frühen Kinderjahre Dich mahnen muß -- daß ich dich bitten muß, Die lang vergeßnen Schulden abzutragen, Die du noch im Matrosenkleide machtest -- Als du und ich, zween Knaben wilder Art, So brüderlich zusammen aufgewachsen, Kein Schmerz mich drückte, als von deinem Geiste So sehr verdunkelt mich zu sehn -- ich endlich Mich kühn entschloß, dich grenzenlos zu lieben, Weil mich der Muth verließ, dir gleich zu sein. Da fing ich an, mit tausend Zärtlichkeiten Und treuer Bruderliebe dich zu quälen; Du, stolzes Herz, gabst sie mir kalt zurück. Oft stand ich da, und -- doch das sahst du nie! Und heiße, schwere Thränentropfen hingen In meinem Aug, wenn du, mich überhüpfend, Geringre Kinder in die Arme drücktest. Warum nur diese? rief ich trauernd aus: Bin ich dir nicht auch herzlich gut? -- Du aber, Du knietest kalt und ernsthaft vor mir nieder: Das, sagtest du, gebührt dem Königssohn. \10 O stille, Prinz, von diesen kindischen Geschichten, die mich jetzt noch schamroth machen. \3 Ich hatt' es nicht um dich verdient. Verschmähen, Zerreißen konntest du mein Herz, doch nie Von dir entfernen. Dreimal wiesest du Den Fürsten von dir, dreimal kam er wieder Als Bittender, um Liebe dich zu flehn Und dir gewaltsam Liebe aufzudringen. Ein Zufall that, was Carlos nie gekonnt. Einmal geschah's bei unsern Spielen, daß Der Königin von Böhmen, meiner Tante, Der Federball ins Auge flog. Sie glaubte, Daß es mit Vorbedacht geschehn, und klagt' es Dem Könige mit thränendem Gesicht. Die ganze Jugend des Palastes muß Erscheinen, ihm den Schuldigen zu nennen. Der König schwört, die hinterlist'ge That, Und wär' es auch an seinem eignen Kinde, Aufs schrecklichste zu ahnden. -- Damals sah ich Dich zitternd in der Ferne stehn, und jetzt, Jetzt trat ich vor und warf mich zu den Füßen Des Königs. Ich, ich that es, rief ich aus: An deinem Sohn erfülle deine Rache. \10 Ach, woran mahnen Sie mich, Prinz! \\ \3 Sie ward's! Im Angesicht des ganzen Hofgesindes, Das mitleidsvoll im Kreise stand, ward sie Auf Sklavenart an deinem Carl vollzogen. Ich sah auf dich und weinte nicht. Der Schmerz Schlug meine Zähne knirschend an einander; Ich weinte nicht. Mein königliches Blut Floß schändlich unter unbarmherz'gen Streichen; Ich sah auf dich und weinte nicht. -- Du kamst; Laut weinend sankst du mir zu Füßen. Ja, Ja, riefst du aus, mein Stolz ist überwunden, Ich will bezahlen, wenn du König bist. \10 \[reicht ihm die Hand\] Ich will es, Carl. Das kindische Gelübde Erneur' ich jetzt als Mann. Ich will bezahlen. Auch meine Stunde schlägt vielleicht. \\ \3 Jetzt, jetzt -- O, zögre nicht -- jetzt hat sie ja geschlagen. Die Zeit ist da, wo du es lösen kannst. Ich brauche Liebe. -- Ein entsetzliches Geheimniß brennt in meiner Brust. Es soll, Es soll heraus. In deinen blassen Mienen Will ich das Urtheil meines Todes lesen. Hör' an -- erstarre -- doch erwiedre nichts -- Ich liebe meine Mutter. \\ \10 O mein Gott! \3 Nein! Diese Schonung will ich nicht. Sprich's aus, Sprich, daß auf diesem großen Rund der Erde Kein Elend an das meine grenze -- sprich -- Was du mir sagen kannst, errath' ich schon. Der Sohn liebt seine Mutter. Weltgebräuche, Die Ordnung der Natur und Roms Gesetze Verdammen diese Leidenschaft. Mein Anspruch Stößt fürchterlich auf meines Vaters Rechte. Ich fühl's, und dennoch lieb' ich. Dieser Weg Führt nur zum Wahnsinn oder Blutgerüste. Ich liebe ohne Hoffnung -- lasterhaft -- Mit Todesangst und mit Gefahr des Lebens -- Das seh' ich ja, und dennoch lieb' ich. \\ \10 Weiß Die Königin um diese Neigung? \\ \3 Konnt' ich Mich ihr entdecken? Sie ist Philipps Frau Und Königin, und das ist span'scher Boden. Von meines Vaters Eifersucht bewacht, Von Etikette ringsum eingeschlossen, Wie konnt' ich ohne Zeugen mich ihr nahn? Acht höllenbange Monde sind es schon, Daß von der hohen Schule mich der König Zurückberief, daß ich sie täglich anzuschaun Verurtheilt bin und, wie das Grab, zu schweigen. Acht höllenbange Monde, Roderich, Daß dieses Feu'r in meinem Busen wüthet, Daß tausendmal sich das entsetzliche Geständniß schon auf meinen Lippen meldet, Doch scheu und feig zurück zum Herzen kriecht. O Roderich -- nur wen'ge Augenblicke \textit{Allein} mit ihr -- \\ \10 Ach! Und Ihr Vater, Prinz -- \3 Unglücklicher! Warum an den mich mahnen? Sprich mir von all den Schrecken des Gewissens, Von meinem Vater sprich mir nicht. \3 Sie hassen Ihren Vater! \\ \10 Nein! Ach, nein! Ich hasse meinen Vater nicht -- Doch Schauer Und Missethäters-Bangigkeit ergreifen Bei diesem fürchterlichen Namen mich. Kann ich dafür, wenn eine knechtische Erziehung schon in meinem jungen Herzen Der Liebe zarten Keim zertrat? Sechs Jahre Hatt' ich gelebt, als mir zum ersten Mal Der Fürchterliche, der wie sie mir sagten, Mein Vater war, vor Augen kam. Es war An einem Morgen, wo er stehnden Fußes Vier Bluturtheile unterschrieb. Nach diesem Sah ich ihn nur, wenn mir für ein Vergehn Bestrafung angekündigt ward. -- O Gott! Hier fühl' ich, daß ich bitter werde -- Weg -- Weg, weg von dieser Stelle! \\ \10 Nein, Sie sollen, Jetzt sollen Sie sich öffnen, Prinz. In Worten Erleichtert sich der schwer beladne Busen. \3 Oft hab' ich mit mir selbst gerungen, oft Um Mitternacht, wenn meine Wachen schliefen, Mit heißen Thränengüssen vor das Bild Der Hochgebenedeiten mich geworfen, Sie um ein kindlich Herz gefleht -- doch ohne Erhörung stand ich auf. Ach, Roderich! Enthülle du dies wunderbare Räthsel Der Vorsicht mir -- Warum von tausend Vätern Just eben diesen Vater mir? Und ihm Just diesen Sohn von tausend bessern Söhnen? Zwei unverträglichere Gegentheile Fand die Natur in ihrem Umkreis nicht. Wie mochte sie die beiden letzten Enden Des menschlichen Geschlechtes -- mich und ihn -- Durch ein so heilig Band zusammen zwingen? Furchtbares Loos! Warum mußt' es geschehn? Warum zwei Menschen, die sich ewig meiden, In \textit{einem} Wunsche schrecklich sich begegnen? Hier, Roderich, siehst du zwei feindliche Gestirne, die im ganzen Lauf der Zeiten Ein einzig Mal in scheitelrechter Bahn Zerschmetternd sich berühren, dann auf immer Und ewig aus einander fliehn. \\ \10 Mir ahnet Ein unglücksvoller Augenblick. \\ \3 Mir selbst. Wie Furien des Abgrunds folgen mir Die schauerlichsten Träume. Zweifelnd ringt Mein guter Geist mit gräßlichen Entwürfen; Durch labyrinthische Sophismen kriecht Mein unglücksel'ger Scharfsinn, bis er endlich Vor eines Abgrunds gähem Rachen stutzt -- O Roderich, wenn ich den Vater je In ihm verlernte -- Roderich -- ich sehe, Dein todtenblasser Blick hat mich verstanden -- Wenn ich den Vater je in ihm verlernte, Was würde mir der König sein? \\ \10 \[nach einigem Stillschweigen\] Darf ich An meinen Carlos eine Bitte wagen? Was Sie auch Willens sind zu thun, versprechen Sie Nichts ohne Ihren Freund zu unternehmen. Versprechen Sie mir dieses? \\ \3 Alles, Alles, Was deine Liebe mir gebeut. Ich werfe Mich ganz in deine Arme. \\ \10 Wie man sagt, Will der Monarch zur Stadt zurückekehren. Die Zeit ist kurz. Wenn Sie die Königin Geheim zu sprechen wünschen, kann es nirgends Als in Aranjuez geschehn. Die Stille Des Orts -- des Landes ungezwungne Sitte Begünstigen -- \\ \3 Das war auch meine Hoffnung. Doch, ach, sie war vergebens! \\ \10 Nicht so ganz. Ich gehe, mich sogleich ihr vorzustellen. Ist sie in Spanien Dieselbe noch, Die sie vordem an Heinrichs Hof gewesen, So find' ich Offenherzigkeit. Kann ich In ihren Blicken Carlos' Hoffnung lesen, Find' ich zu dieser Unterredung sie Gestimmt -- sind ihre Damen zu entfernen -- \3 Die meisten sind mir zugethan. Besonders Die Mondecar hab' ich durch ihren Sohn, Der mir als Page dient, gewonnen. -- \\ \10 Desto besser. So sind Sie in der Nähe, Prinz, sogleich Auf mein gegebnes Zeichen zu erscheinen. \3 Das will ich -- will ich -- also eile nur. \10 Ich will nun keinen Augenblick verlieren. Dort also, Prinz, auf Wiedersehn! \[Beide gehen ab zu verschiedenen Seiten\] \Szene{Die Hofhaltung der Königin in Aranjuez\\ Eine einfache ländliche Gegend, von einer Allee durchschnitten,\\ vom Landhause der Königin begrenzt} \Auftritt % 1.3 \(Die Königin. Die Herzogin von Olivarez. Die Prinzessin von Eboli und die Marquisin von Mondecar, welche die Allee heraufkommen\) \2 \[zur Marquisin\] \textit{Sie} will ich um mich haben, Mondecar. Die muntern Augen der Prinzessin quälen Mich schon den ganzen Morgen. Sehen Sie, Kaum weiß sie ihre Freude zu verbergen, Weil sie vom Lande Abschied nimmt. \\ \8 Ich will es Nicht leugnen, meine Königin, daß ich Madrid mit großer Freude wieder sehe. \7 Und Ihre Majestät nicht auch? Sie sollten So ungern von Aranjuez sich trennen? \2 Von -- dieser schönen Gegend wenigstens. Hier bin ich wie in meiner Welt. Dies Plätzchen Hab' ich mir längst zum Liebling auserlesen. Hier grüßt mich meine ländliche Natur, Die Busenfreundin meiner jungen Jahre. Hier find' ich meine Kinderspiele wieder, Und meines Frankreichs Lüfte wehen hier. Verargen Sie mir's nicht. Uns alle zieht Das Herz zum Vaterland. \\ \8 Wie einsam aber, Wie todt und traurig ist es hier! Man glaubt Sich in la Trappe. \\ \2 Das Gegentheil vielmehr. Todt find' ich es nur in Madrid. -- Doch, was Spricht unsre Herzogin dazu? \\ \6 Ich bin Der Meinung, Ihre Majestät, daß es So Sitte war, den einen Monat hier, Den andern in dem Pardo auszuhalten, Den Winter in der Residenz, so lange Es Könige in Spanien gegeben. \2 Ja, Herzogin, das wissen Sie; mit Ihnen Hab' ich auf immer mich des Streits begeben. \7 Und wie lebendig selbst mit Nächstem in Madrid sein wird! Zu einem Stiergefechte Wird schon die Plaza Mayor zugerichtet, Und ein Auto da Fe hat man uns auch Versprochen -- \\ \2 Uns versprochen! Hör' ich das Von meiner sanften Mondecar? \\ \7 Warum nicht? Es sind ja Ketzer, die man brennen sieht. \2 Ich hoffe, meine Eboli denkt anders. \8 Ich? Ihre Majestät, ich bitte sehr, Für keine schlechtre Christin mich zu halten, Als die Marquisin Mondecar. \\ \2 Ach! Ich Vergesse, wo ich bin. -- Zu etwas Anderm. -- Vom Lande, glaub' ich, sprachen wir. Der Monat Ist, däucht mir, auch erstaunlich schnell vorüber. Ich habe mir der Freude viel, sehr viel Von diesem Aufenthalt versprochen, und Ich habe nicht gefunden, was ich hoffte. Geht es mit jeder Hoffnung so? Ich kann Den Wunsch nicht finden, der mir fehlgeschlagen. \6 Prinzessin Eboli, Sie haben uns Noch nicht gesagt, ob Gomez hoffen darf? Ob wir sie bald als seine Braut begrüßen? \2 Ja! Gut, daß Sie mich mahnen, Herzogin. \[Zur Prinzessin\] Man bittet mich, bei Ihnen fürzusprechen. Wie aber kann ich das? Der Mann, den ich Mit meiner Eboli belohne, muß Ein würd'ger Mann sein. \\ \6 Ihre Majestät, Das ist er, ein sehr würd'ger Mann, ein Mann Den unser gnädigster Monarch bekanntlich Mit ihrer königlichen Gunst beehren. \2 Das wird den Mann sehr glücklich machen. -- Doch Wir wollen wissen, ob er lieben kann Und Liebe kann verdienen. -- Eboli, Das frag' ich Sie. \\ \8 \[steht stumm und verwirrt, die Augen zur Erde geschlagen, endlich fällt sie der Königin zu Füßen\] Großmüth'ge Königin, Erbarmen \textit{Sie} sich meiner. Lassen Sie -- Um Gottes willen, lassen Sie mich nicht -- Nicht aufgeopfert werden. \\ \2 Aufgeopfert? Ich brauche nichts mehr. Stehn Sie auf. Es ist Ein hartes Schicksal, aufgeopfert werden. Ich glaube Ihnen. Stehn Sie auf. -- Ist es Schon lang, daß Sie den Grafen ausgeschlagen? \8 \[aufstehend\] O, viele Monate. Prinz Carlos war Noch auf der hohen Schule. \\ \2 \[stutzt und sieht sie mit forschenden Augen an\] Haben Sie Sich auch geprüft, aus welchen Gründen? \\ \8 \[mit einiger Heftigkeit\] Niemals Kann es geschehen, meine Königin, Aus tausend Gründen niemals. \\ \2 \[sehr ernsthaft\] Mehr als einer ist Zu viel. Sie können ihn nicht schätzen -- Das Ist mir genug. Nichts mehr davon. \\ \[Zu den andern Damen\] Ich habe Ja die Infanten heut noch nicht gesehen. Marquisin, bringen Sie sie mir. \\ \6 \[sieht auf die Uhr\] Es ist Noch nicht die Stunde, Ihre Majestät. \2 Noch nicht die Stunde, wo ich Mutter sein darf? Das ist doch schlimm. Vergessen Sie es ja nicht, Mich zu erinnern, wenn sie kommt. \\ \[Ein Page tritt auf und spricht leise mit der Oberhofmeisterin, welche sich darauf zur Königin wendet\] \6 Der Marquis Von Posa, Ihre Majestät -- \\ \2 Von Posa? \6 Er kommt aus Frankreich und den Niederlanden Und wünscht die Gnade zu erhalten, Briefe Von der Regentin Mutter übergeben Zu dürfen. \\ \2 Und ist das erlaubt? \\ \6 In meiner Vorschrift Ist des besondern Falles nicht gedacht, Wenn ein castilian'scher Grande Briefe Von einem fremden Hof der Königin Von Spanien in ihrem Gartenwäldchen Zu überreichen kommt. \\ \2 So will ich denn Auf meine eigene Gefahr es wagen. \6 Doch mir vergönne Ihro Majestät, Mich so lang zu entfernen. -- \\ \2 Halten Sie Das, wie Sie wollen, Herzogin. \\ \[Die Oberhofmeisterin geht ab, und die Königin gibt dem Pagen einen Wink, welcher sogleich hinausgeht\] \Auftritt % 1.4 \(\2. \8. \7 \\und \10\) \2 Ich heiße Sie Willkommen, Chevalier, auf span'schem Boden. \10 Den ich noch nie mit so gerechtem Stolze Mein Vaterland genannt, als jetzt. -- \\ \2 \[zu den beiden Damen\] Der Marquis Von Posa, der im Ritterspiel zu Rheims Mit meinem Vater eine Lanze brach Und meine Farbe dreimal siegen machte -- Der Erste seiner Nation, der mich Den Ruhm empfinden lehrte, Königin Der Spanier zu sein. \\ \[Zum Marquis sich wendend\] Als wir im Louvre Zum letzten Mal uns sahen, Chevalier, Da träumt' es Ihnen wohl noch nicht, daß Sie Mein Gast sein würden in Castilien. \10 Nein, große Königin -- denn damals träumte Mir nicht, daß Frankreich noch das Einzige An uns verlieren würde, was wir ihm Beneidet hatten. \\ \2 Stolzer Spanier! Das Einzige? -- Und das zu einer Tochter Vom Hause Valois? \\ \10 Jetzt darf ich es Ja sagen, Ihre Majestät -- denn jetzt Sind Sie ja unser. \\ \2 Ihre Reise, hör' ich, Hat auch durch Frankreich Sie geführt. -- Was bringen Sie mir von meiner hochverehrten Mutter Und meinen vielgeliebten Brüdern? \10 \[überreicht ihr die Briefe\] Die Königin Mutter fand ich krank, geschieden Von jeder andern Freude dieser Welt, Als ihre königliche Tochter glücklich Zu wissen auf dem span'schen Thron. \\ \2 Muß sie Es nicht sein bei dem theuern Angedenken So zärtlicher Verwandten? bei der süßen Erinnrung an -- Sie haben viele Höfe Besucht auf Ihren Reisen, Chevalier, Und viele Länder, vieler Menschen Sitte Gesehn -- und jetzt, sagt man, sind Sie gesonnen, Ich Ihrem Vaterland sich selbst zu leben? Ein größrer Fürst in Ihren stillen Mauern, Als König Philipp auf dem Thron -- ein Freier! Ein Philosoph! -- Ich zweifle sehr, ob Sie Sich werden können in Madrid gefallen. Man ist sehr -- ruhig in Madrid. \\ \10 Und das Ist mehr, als sich das ganze übrige Europa zu erfreuen hat. \\ \2 So hör' ich. Ich habe alle Händel dieser Erde Bis fast auf die Erinnerung verlernt. \[Zur Prinzessin von Eboli\] Mir däucht, Prinzessin Eboli, ich sehe Dort eine Hyacinthe blühen -- Wollen Sie mir sie bringen? \\ \[Die Prinzessin geht nach dem Platze. Die Königin etwas leiser zum Marquis\] Chevalier, ich müßte Mich sehr betrügen, oder Ihre Ankunft Hat einen frohen Menschen mehr gemacht An diesem Hofe. \\ \10 Einen Traurigen Hab' ich gefunden -- den auf dieser Welt Nur etwas fröhlich --\\ \[Die Prinzessin kommt mit der Blume zurück\] \8 Da der Chevalier So viele Länder hat gesehen, wird Er ohne Zweifel viel Merkwürdiges Uns zu erzählen wissen. \\ \10 Allerdings. Und Abenteuer suchen, ist bekanntlich Der Ritter Pflicht -- die heiligste von allen, Die Damen zu beschützen. \\ \7 Gegen Riesen! Jetzt gibt es keine Riesen mehr. \\ \10 Gewalt Ist für den Schwachen jederzeit ein Riese. \2 Der Chevalier hat Recht. Es gibt noch Riesen, Doch keine Ritter gibt es mehr. \\ \10 Noch jüngst, Auf meinem Rückzug von Neapel, war Ich Zeuge einer rührenden Geschichte, Die mir der Freundschaft heiliges Legat Zu meiner eigenen gemacht. -- Wenn ich Nicht fürchten müßte, Ihre Majestät Durch die Erzählung zu ermüden -- \\ \2 Bleibt Mir eine Wahl? Die Neugier der Prinzessin Läßt sich nichts unterschlagen. Nur zur Sache. Auch ich bin eine Freundin von Geschichten. \10 Zwei edle Häuser in Mirandola, Der Eifersucht, der langen Feindschaft müde, Die von den Ghibellinen und den Guelfen Jahrhunderte schon fortgeerbt, beschlossen, Durch der Verwandtschaft zarte Bande sich In einem ew'gen Frieden zu vereinen. Des mächtigen Pietro Schwestersohn, Fernando, und die göttliche Mathilde, Colonnas Tochter, waren ausersehn, Dies schöne Band der Einigkeit zu knüpfen. Nie hat zwei schönre Herzen die Natur Gebildet für einander -- nie die Welt, Nie eine Wahl so glücklich noch gepriesen. Noch hatte seine liebenswürd'ge Braut Fernando nur im Bildniß angebetet -- Wie zitterte Fernando, wahr zu finden, Was seine feurigsten Erwartungen Dem Bilde nicht zu glauben sich getrauten! In Padua, wo seine Studien Ihn fesselten, erwartete Fernando Des frohen Augenblickes nur, der ihm Vergönnen sollte, zu Mathildens Füßen Der Liebe erste Huldigung zu stammeln. \[Die Königin wird aufmerksamer. Der Marquis fährt nach einem kurzen Stillschweigen fort, die Erzählung, soweit es die Gegenwart der Königin erlaubt, mehr an die Prinzessin Eboli gerichtet\] Indessen macht der Gattin Tod die Hand Pietros frei -- Mit jugendlicher Gluth Verschlingt der Greis die Stimmen des Gerüchtes, Das in dem Ruhm Mathildens sich ergoß. Er kommt! Er sieht! -- Er liebt! Die neue Regung Erstickt die leisre Stimme der Natur, Der Oheim wirbt um seines Neffens Braut Und heiligt seinen Raub vor dem Altare. \2 Und was beschließt Fernando? \\ \10 Auf der Liebe Flügeln, Des fürchterlichen Wechsels unbewußt, Eilt nach Mirandola der Trunkene. Mit Sternenschein erreicht sein schnelles Roß Die Thore -- ein bacchantisches Getön Von Reigen und von Pauken donnert ihm Aus dem erleuchteten Palast entgegen. Er bebt die Stufen scheu hinauf und sieht Sich unerkannt im lauten Hochzeitsaale, Wo in der Gäste taumelndem Gelag Pietro saß -- ein Engel ihm zur Seite, Ein Engel, den Fernando kennt, der ihm In Träumen selbst so glänzend nie erschienen. Ein einz'ger Blick zeigt ihm, was er besessen, Zeigt ihm, was er auf immerdar verloren. \8 Unglücklicher Fernando! \\ \2 Die Geschichte Ist doch zu Ende, Chevalier? -- Sie muß Zu Ende sein. \\ \10 Noch nicht ganz. \\ \2 Sagten Sie Uns nicht, Fernando sei Ihr Freund gewesen? \10 Ich habe keinen theurern. \\ \8 Fahren Sie Doch fort in der Geschichte, Chevalier. \10 Sie wird sehr traurig -- und das Angedenken Erneuert meinen Schmerz. Erlassen Sie Mir den Beschluß. -- \\ \[Ein allgemeines Stillschweigen\] \2 \[wendet sich zur Prinzessin von Eboli\] Nun wird mir endlich doch Vergönnt sein, meine Tochter zu umarmen? -- Prinzessin, bringen Sie sie mir. \\ \[Diese entfernt sich. Der Marquis winkt einem Pagen, der sich im Hintergrunde zeigt und sogleich verschwindet. Die Königin erbricht die Briefe, die der Marquis ihr gegeben, und scheint überrascht zu werden. In dieser Zeit spricht der Marquis geheim und sehr angelegentlich mit der Marquisin von Mondecar. -- Die Königin hat die Briefe gelesen und wendet sich mit einem ausforschenden Blicke zum Marquis\] Sie haben Uns von Mathilden nichts gesagt? Vielleicht Weiß sie es nicht, wie viel Fernando leidet? \10 Mathildens Herz hat Niemand noch ergründet -- Doch große Seelen dulden still. \2 Sie sehn sich um? Wen suchen Ihre Augen? \10 Ich denke nach, wie glücklich ein Gewisser, Den ich nicht nennen darf, an meinem Platze Sein müßte. \\ \2 Wessen Schuld ist es, daß er Es nicht ist? \\ \10 \[lebhaft einfallend\] Wie? Darf ich mich unterstehen, Dies zu erklären, wie ich will? -- Er würde Vergebung finden, wenn er jetzt erschiene? \2 \[erschrocken\] Jetzt, Marquis, jetzt? Was meinen Sie damit? \10 Er dürfte hoffen -- dürft' er? \\ \2 \[mit wachsender Verwirrung\] Sie erschrecken mich, Marquis -- er wird doch nicht -- \\ \10 Hier ist er schon. \Auftritt %1.5 \(i)\2. \3\) \[dsc]\10 und die Marquisin von Mondekar\\treten nach dem Hintergrunde zurück\] \3 \[vor der Königin niedergeworfen\] So ist er endlich da, der Augenblick, Und Carl darf diese theure Hand berühren! -- \2 Was für ein Schritt -- welch eine strafbare, Tollkühne Ueberraschung! Stehn Sie auf! Wir sind entdeckt. Mein Hof ist in der Nähe. \3 Ich steh' nicht auf -- hier will ich ewig knien, Auf diesem Platz will ich verzaubert liegen, In dieser Stellung angewurzelt -- \\ \2 Rasender! Zu welcher Kühnheit führt Sie meine Gnade? Wie? Wissen Sie, daß es die Königin, Daß es die Mutter ist, an die sich diese Verwegne Sprache richtet? Wissen Sie, Daß ich -- ich selbst von diesem Ueberfalle Dem Könige -- \\ \3 Und daß ich sterben muß! Man reiße mich von hier aufs Blutgerüste! \textit{Ein} Augenblick, gelebt im Paradiese, Wird nicht zu theuer mit dem Tod gebüßt. \2 Und Ihre Königin? \\ \3 \[steht auf\] Gott, Gott! ich gehe -- Ich will Sie ja verlassen -- Muß ich nicht, Wenn Sie es \textit{also} fordern? Mutter, Mutter, Wie schrecklich spielen Sie mit mir! Ein Wink, Ein halber Blick, ein Laut aus Ihrem Munde Gebietet mir, zu sein und zu vergehen. Was wollen Sie, daß noch geschehen soll? Was unter dieser Sonne kann es geben, Das ich nicht hinzuopfern eilen will, Wenn Sie es wünschen? \\ \2 Fliehen Sie. \\ \3 O Gott! \2 Das Einz'ge, Carl, warum ich Sie mit Thränen Beschwöre -- fliehen Sie! -- eh meine Damen -- Eh meine Kerkermeister Sie und mich Beisammen finden und die große Zeitung Vor Ihres Vaters Ohren bringen -- \\ \3 Ich erwarte Mein Schicksal -- es sei Leben oder Tod. Wie? Hab' ich darum meine Hoffnungen Auf diesen einz'gen Augenblick verwiesen, Der Sie mir endlich ohne Zeugen schenkt, Daß falsche Schrecken mich am Ziele täuschten? Nein, Königin! Die Welt kann hundertmal, Kann tausendmal um ihre Pole treiben, Eh diese Gunst der Zufall wiederholt. \2 Auch soll er das in Ewigkeit nicht wieder. Unglücklicher! was wollen Sie von mir? \3 O Königin, daß ich gerungen habe, Gerungen, wie kein Sterblicher noch rang, Ist Gott mein Zeuge -- Königin, umsonst! Hin ist mein Heldenmuth. Ich unterliege. \2 Nichts mehr davon -- um meiner Ruhe willen -- \3 Sie waren mein -- im Angesicht der Welt Mir zugesprochen von zwei großen Thronen, Mir zuerkannt von Himmel und Natur, Und Philipp, Philipp hat mir Sie geraubt. \2 Er ist Ihr Vater. \\ \3 Ihr Gemahl. \\ \2 Der Ihnen Das größte Reich der Welt zum Erbe gibt. \3 Und \textit{Sie} zur Mutter. \\ \2 Großer Gott! Sie rasen -- \3 Und weiß er auch, wie reich er ist? Hat er Ein fühlend Herz, das Ihrige zu schätzen? Ich will nicht klagen, nein, ich will vergessen, Wie unaussprechlich glücklich \textit{ich} mit ihr Geworden wäre -- wenn nur \textit{er} es ist. Er ist es nicht -- Das, das ist Höllenqual! Er ist es nicht und wird es niemals werden. Du nahmst mir meinen Himmel nur, um ihn In König Philipps Armen zu vertilgen. \2 Abscheulicher Gedanke! \\ \3 O, ich weiß, Wer dieser Ehe Stifter war -- ich weiß, Wie Philipp lieben kann, und wie er freite. Wer sind Sie denn in diesem Reich? Laß hören. Regentin etwa? Nimmermehr! Wie könnten, Wo \textit{Sie} Regentin sind, die Alba würgen? Wie könnte Flandern für den Glauben bluten? Wie, oder sind Sie Philipps Frau? Unmöglich! Ich kann's nicht glauben. Eine Frau besitzt Des Mannes Herz, und wem gehört das seine? Und bittet er nicht jede Zärtlichkeit, Die ihm vielleicht in Fiebergluth entwischte, Dem Scepter ab und seinen grauen Haaren? \2 Wer sagte Ihnen, daß an Philipps Seite Mein Loos beweinenswürdig sei? \\ \3 Mein Herz, Das feurig fühlt, wie es an meiner Seite Beneidenswürdig wäre. \\ \2 Eitler Mann! Wenn \textit{mein} Herz nun das Gegentheil mir sagte? Wenn Philipps ehrerbiet'ge Zärtlichkeit Weit inniger, als seines stolzen Sohns Verwegene Beredsamkeit, mich rührten? Wenn eines Greisen überlegte Achtung -- \3 Das ist was andres -- Dann -- ja, dann -- Vergebung. Das wußt' ich nicht, daß Sie den König lieben. \2 Ihn ehren ist mein Wunsch und mein Vergnügen. \3 Sie haben nie geliebt? \\ \2 Seltsame Frage! \3 Sie haben nie geliebt? \\ \2 -- Ich liebe nicht mehr. \3 Weil es Ihr Herz, weil es Ihr Eid verbietet? \2 Verlassen Sie mich, Prinz, und kommen Sie Zu keiner solchen Unterredung wieder. \3 Weil es Ihr Eid, weil es Ihr Herz verbietet? \2 Weil meine Pflicht -- -- Unglücklicher, wozu Die traurige Zergliederung des Schicksals, Dem Sie und ich gehorchen müssen? \\ \3 Müssen? Gehorchen müssen? \\ \2 Wie? Was wollen Sie Mit diesem feierlichen Ton? \\ \3 So viel, Daß Carlos nicht gesonnen ist, zu müssen, Wo er zu wollen hat; daß Carlos nicht Gesonnen ist, der Unglückseligste In diesem Reich zu bleiben, wenn es ihm Nichts als den Umsturz der Gesetze kostet, Der Glücklichste zu sein. \\ \2 Versteh' ich Sie? Sie hoffen noch? Sie wagen es, zu hoffen, Wo Alles, Alles schon verloren ist? \3 Ich gebe nichts verloren, als die Todten. \2 Auf mich, auf Ihre Mutter, hoffen Sie? \[Sie sieht ihn lange und durchdringend an -- dann mit Würde und\\ Ernst\] Warum nicht? O, der neu erwählte König Kann mehr als das -- kann die Verordnungen Des abgeschiednen durch das Feu'r vertilgen, Kann seine Bilder stürzen, kann sogar -- Wer hindert ihn? -- die Mumie des todten Aus ihrer Ruhe zu Escurial Hervor ans Licht der Sonne reißen, seinen Entweihten Staub in die vier Winde streun Und dann zuletzt, um würdig zu vollenden -- \3 Um Gottes willen, reden Sie nicht aus. \2 Zuletzt noch mit der Mutter sich vermählen. \3 Verfluchter Sohn!\\ \[Er steht einen Augenblick starr und sprachlos\] Ja, es ist aus. Jetzt ist Es aus -- Ich fühle klar und helle, was Mir ewig, ewig dunkel bleiben sollte. Sie sind für mich dahin -- dahin -- dahin -- Auf immerdar! -- Jetzt ist der Wurf gefallen. Sie sind für mich verloren -- O, in diesem Gefühl liegt Hölle -- Hölle liegt im andern, Sie zu besitzen. -- Weh'! ich fass' es nicht, Und meine Nerven fangen an zu reißen. \2 Beklagenswerther, theurer Carl! Ich fühle -- Ganz fühl' ich sie, die namenlose Pein, Die jetzt in Ihrem Busen tobt. Unendlich, Wie Ihre Liebe, ist Ihr Schmerz. Unendlich, Wie er, ist auch der Ruhm, ihn zu besiegen. Erringen Sie ihn, junger Held. Der Preis Ist dieses hohen, starken Kämpfers werth, Des Jünglings werth, durch dessen Herz die Tugend So vieler königlicher Ahnen rollt. Ermannen Sie sich, edler Prinz. -- Der Enkel Des großen Carls fängt frisch zu ringen an, Wo andrer Menschen Kinder muthlos enden. \3 Zu spät! O Gott, es ist zu spät! \\ \2 Ein Mann Zu sein? O Carl! wie groß wird unsre Tugend, Wenn unser Herz bei ihrer Uebung bricht! Hoch stellte Sie die Vorsicht -- höher, Prinz, Als Millionen Ihrer andern Brüder. Parteilich gab sie ihrem Liebling, was Sie andern nahm, und Millionen fragen: Verdiente Der im Mutterleibe schon, Mehr als wir andern Sterblichen zu gelten? Auf, retten Sie des Himmels Billigkeit! \textit{Verdienen} Sie, der Welt voran zu gehn, Und opfern Sie, was Keiner opferte! \3 Das kann ich auch. -- Sie zu erkämpfen, hab' Ich Riesenkraft; Sie zu verlieren, keine. \2 Gestehen Sie es, Carlos -- Trotz ist es Und Bitterkeit und Stolz, was Ihre Wünsche So wüthend nach der Mutter zieht. Die Liebe, Das Herz, das Sie verschwenderisch mir opfern, Gehört den Reichen an, die Sie dereinst Regieren sollen. Sehen Sie, Sie prassen Von Ihres Mündels anvertrautem Gut. Die Liebe ist Ihr großes Amt. Bis jetzt Verirrte sie zur Mutter. -- Bringen Sie O, bringen Sie sie Ihren künft'gen Reichen Und fühlen Sie, statt Dolchen des Gewissens, Die Wollust, Gott zu sein. Elisabeth War Ihre erste Liebe; Ihre zweite Sei Spanien. Wie gerne, guter Carl, Will ich der besseren Geliebten weichen! \3 \[wirft sich, von Empfindung überwältigt, zu ihren Füßen\] Wie groß sind Sie, o Himmlische! -- Ja, Alles, Was Sie verlangen, will ich thun. -- Es sei! \[Er steht auf\] Hier steh' ich in der Allmacht Hand und schwöre Und schwöre Ihnen, schwöre ewiges -- O Himmel, nein! nur ewiges Verstummen, Doch ewiges Vergessen nicht. \\ \2 Wie könnt' ich Von Carlos fordern, was ich selbst zu leisten Nicht Willens bin? \\ \10 \[eilt aus der Allee\] Der König! \\ \2 Gott! \\ \10 Hinweg, Hinweg aus dieser Gegend, Prinz! \\ \2 Sein Argwohn Ist fürchterlich, erblickt er Sie -- \\ \3 Ich bleibe. \2 Und wer wird dann das Opfer sein? \\ \3 \[zieht den Marquis am Arme\] Fort, fort! Komm, Roderich! \\ \[Er geht und kommt noch einmal zurück\] Was darf ich mit mir nehmen? \2 Die Freundschaft Ihrer Mutter. \\ \3 Freundschaft! Mutter! \2 Und diese Thränen aus den Niederlanden. \[Sie gibt ihm einige Briefe. Carl und der Marquis gehen ab. Die Königin sieht sich unruhig nach ihren Damen um, welche sich nirgends erblicken lassen. Wie sie nach dem Hintergrunde zurückgehen will, erscheint der König\] \Auftritt % 1.6 \(\1. \2. Herzog Alba. Graf Lerma. Domingo. Einige Damen und Granden, welche in der Entfernung zurückbleiben\) \1 \[sieht mit Befremdung umher und schweigt eine Zeitlang\] Was seh' ich? Sie hier? So allein, Madame? Und auch nicht \textit{eine} Dame zur Begleitung? Das wundert mich -- wo blieben Ihre Frauen? \2 Mein gnädigster Gemahl -- \\ \1 Warum allein? \[Zum Gefolge\] Von diesem unverzeihlichen Versehn Soll man die strengste Rechenschaft mir geben. Wer hat das Hofamt bei der Königin? Wen traf der Rang, sie heute zu bedienen? \2 O, zürnen Sie nicht, mein Gemahl -- ich selbst, Ich bin die Schuldige -- -- auf mein Geheiß Entfernte sich die Fürstin Eboli. \1 Auf Ihr Geheiß? \\ \2 Die Kammerfrau zu rufen, Weil ich nach der Infantin mich gesehnt. \1 Und darum die Begleitung weggeschickt? Doch dies entschuldigt nur die erste Dame. Wo war die zweite? \\ \7 \[welche indes zurückgekommen ist und sich unter die übrigen Damen gemischt hat, tritt hervor\] Ihre Majestät, Ich fühle, daß ich strafbar bin -- \\ \1 Deßwegen Vergönn' ich Ihnen zehen Jahre Zeit, Fern von Madrid darüber nachzudenken. \[Die Marquisin tritt mit weinenden Augen zurück. Allgemeines Stillschweigen. Alle Umstehenden sehen bestürzt auf die Königin\] \2 Marquisin, \textit{wen} beweinen Sie? \\ \[Zum König\] Hab' ich Gefehlt, mein gnädigster Gemahl, so sollte Die Königskrone dieses Reichs, wornach Ich selber nie gegriffen habe, mich Zum mindesten vor dem Erröthen schützen. Gibt's ein Gesetz in diesem Königreich, Das vor Gericht Monarchentöchter fordert? Bloß Zwang bewacht die Frauen Spaniens? Schützt sie ein Zeuge mehr als ihre Tugend? Und jetzt Vergebung, mein Gemahl. -- Ich bin Es nicht gewohnt, die mir mit Freude dienten, In Thränen zu entlassen. -- Mondecar! \[Sie nimmt ihren Gürtel ab und überreicht ihn der Marquisin\] Den König haben Sie erzürnt -- nicht mich -- Drum nehmen Sie dies Denkmal meiner Gnade In dieser Stunde. -- Meiden Sie das Reich -- Sie haben nur in Spanien gesündigt; In meinem Frankreich wischt man solche Thränen Mit Freuden ab. -- O, muß mich's ewig mahnen? \[Sie lehnt sich an die Oberhofmeisterin und bedeckt das Gesicht\] In meinem Frankreich war's doch anders. \\ \1 \[in einiger Bewegung\] Konnte Ein Vorwurf meiner Liebe Sie betrüben? Ein Wort betrüben, das die zärtlichste Bekümmerniß auf meine Lippen legte? \[Er wendet sich gegen die Grandezza\] Hier stehen die Vasallen meines Throns: Sank je ein Schlaf auf meine Augenlieder, Ich hätte denn am Abend jedes Tags Berechnet, wie die Herzen meiner Völker In meinen fernsten Himmelsstrichen schlagen? -- Und sollt' ich ängstlicher für meinen Thron Als für die Gattin meines Herzens beben? -- Für meine Völker haftet mir mein Schwert Dies Auge nur Für meines Weibes Liebe. \2 Verdien ich diesen Argwohn, Sire? \\ \1 Ich heiße Der reichste Mann in der getauften Welt; Die Sonne geht in meinem Staat nicht unter -- Doch alles Das besaß ein Andrer schon, Wird nach mir mancher Andre noch besitzen. \textit{Das} ist mein eigen. Was der König hat, Gehört dem Glück. -- Elisabeth dem Philipp. Hier ist die Stelle, wo ich sterblich bin. \2 Sie fürchten, Sire? \\ \1 Dies graue Haar doch nicht? Wenn ich einmal zu fürchten angefangen, Hab' ich zu fürchten aufgehört -- \\ \[Zu den Granden\] Ich zähle Die Großen meines Hofs -- der erste fehlt. Wo ist Don Carlos, mein Infant? \\ \[Niemand antwortet\] Der Knabe Don Carl fängt an mir fürchterlich zu werden. Er meidet meine Gegenwart, seitdem Er von Alcalas hoher Schule kam. Sein Blut ist heiß, warum sein Blick so kalt? So abgemessen festlich sein Betragen? Seid wachsam. Ich empfehl' es euch. \\ \11 Ich bin's. So lang' ein Herz an diesen Panzer schlägt, Mag sich Don Philipp ruhig schlafen legen. Wie Gottes Cherub vor dem Paradies, Steht Herzog Alba vor dem Thron. \\ \12 Darf ich Dem weisesten der Könige in Demuth Zu widersprechen wagen? -- Allzu tief Verehr' ich meines Königs Majestät, Als seinen Sohn so rasch und streng zu richten. Ich fürchte viel von Carlos' heißem Blut, Doch nichts von seinem Herzen. \\ \1 Graf von Lerma, Ihr redet gut, den Vater zu bestechen; Des Königs Stütze wird der Herzog sein -- Nichts mehr davon -- \\ \[Er wendet sich gegen sein Gefolge\] Jetzt eil' ich nach Madrid. Mich ruft mein königliches Amt. Die Pest Der Ketzerei steckt meine Völker an, Der Aufruhr wächst in meinen Niederlanden. Es ist die höchste Zeit. Ein schauerndes Exempel soll die Irrenden bekehren. Den großen Eid, den alle Könige Der Christenheit geloben, lös' ich morgen. Dies Blutgericht soll ohne Beispiel sein; Mein ganzer Hof ist feierlich geladen. \[Er führt die Königin hinweg, die Uebrigen folgen\] \Auftritt % 1.7 \(\1, mit Briefen in der Hand, \10 kommen von der entgegengesetzten Seite\) \3 Ich bin entschlossen. Flandern sei gerettet. Sie will es -- Das ist mir genug. \\ \10 Auch ist Kein Augenblick mehr zu verlieren. Herzog Von Alba, sagt, man, ist im Kabinet Bereits zum Gouverneur ernannt. \\ \3 Gleich morgen Verlang' ich Audienz bei meinem Vater. Ich fordre dieses Amt für mich. Es ist Die erste Bitte, die ich an ihn wage. Er kann sie mir nicht weigern. Lange schon Sieht er mich ungern in Madrid. Welch ein Willkommner Vorwand, mich entfernt zu halten! Und -- soll ich dir's gestehen, Roderich? -- Ich hoffe mehr -- Vielleicht gelingt es mir, Von Angesicht zu Angesicht mit ihm In seiner Gunst mich wieder herzustellen. Er hat noch nie die Stimme der Natur Gehört -- laß mich versuchen, Roderich, Was sie auf meinen Lippen wird vermögen. \10 Jetzt endlich hör' ich meinen Carlos wieder, Jetzt sind Sie wieder ganz Sie selbst. \\ \Auftritt % 1.8 \(Vorige. Graf Lerma\) \12 So eben Hat der Monarch Aranjuez verlassen. Ich habe den Befehl -- \\ \3 Schon gut, Graf Lerma, Ich treffe mit dem König ein. \\ \10 \[macht Miene, sich zu entfernen. Mit einigem Ceremoniell\] Sonst haben Mir Eure Hoheit nichts mehr aufzutragen? \3 Nichts, Chevalier. Ich wünsche Ihnen Glück Zu Ihrer Ankunft in Madrid. Sie werden Noch Mehreres von Flandern mir erzählen. \[Zu Lerma, welcher noch wartet\] Ich folge gleich. \\ \[Graf Lerma geht ab\] \Auftritt % 1.9 \(Don Carlos. Der Marquis\) \3 Ich habe dich verstanden. Ich danke dir. Doch diesen Zwang entschuldigt Nur eines Dritten Gegenwart. Sind wir Nicht Brüder? -- Dieses Possenspiel des Ranges Sei künftighin aus unserm Bund verwiesen! Berede dich, wir Beide hätten uns Auf einem Ball mit Masken eingefunden, In Sklavenkleidern du, und ich aus Laune In einen Purpur eingemummt. So lange Der Fasching währt, verehren wir die Lüge, Der Rolle treu, mit lächerlichem Ernst, Den süßen Rausch des Haufens nicht zu stören. Doch durch die Larve winkt dein Carl dir zu, Du drückst mir im Vorübergehn die Hände, Und wir verstehen uns. \\ \10 Der Traum ist göttlich. Doch wird er nie verfliegen? Ist mein Carl Auch seiner so gewiß, den Reizungen Der unumschränkten Majestät zu trotzen? Noch ist ein großer Tag zurück -- ein Tag -- Wo dieser Heldensinn -- ich will Sie mahnen -- In einer schweren Probe sinken wird. Don Philipp stirbt. Carl erbt das größte Reich Der Christenheit. -- Ein ungeheurer Spalt Reißt vom Geschlecht der Sterblichen ihn los, Und Gott ist heut, wer gestern Mensch noch war. Jetzt hat er keine Schwächen mehr. Die Pflichten Der Ewigkeit verstummen ihm. Die Menschheit -- Noch heut ein großes Wort in seinem Ohr -- Verkauft sich selbst und kriecht um ihren Götzen. Sein Mitgefühl löscht mit dem Leiden aus, In Wollüsten ermattet seine Tugend, Für seine Thorheit schickt ihm Peru Gold, Für seine Laster zieht sein Hof ihm Teufel. Er schläft berauscht in diesem Himmel ein, Den seine Sklaven listig um ihn schufen. Lang, wie sein Traum, währt seine Gottheit. -- Wehe Dem Rasenden, der ihn mitleidig weckte. Was aber würde Roderich? -- Die Freundschaft Ist wahr und kühn -- die kranke Majestät Hält ihren fürchterlichen Strahl nicht aus. Den Trotz des Bürgers würden Sie nicht dulden, Ich nicht den Stolz des Fürsten. \\ \3 Wahr und schrecklich Ist dein Gemälde von Monarchen. Ja, Ich glaube dir. -- Doch nur die Wollust schloß Dem Laster ihre Herzen auf. Ich bin Noch rein, ein dreiundzwanzigjähr'ger Jüngling. Was vor mir Tausende gewissenlos In schwelgenden Umarmungen verpraßten, Des Geistes beste Hälfte, Männerkraft, Hab' ich dem künft'gen Herrscher aufgehoben. Was könnte dich aus meinem Herzen drängen, Wenn es nicht Weiber thun? \\ \10 Ich selbst. Könnt' ich So innig Sie noch lieben, Carl, wenn ich Sie fürchten müßte? \\ \3 Das wird nie geschehen. Bedarfst du meiner? Hast du Leidenschaften, Die von dem Throne betteln? Reizt dich Gold? Du bist ein reichrer Unterthan, als ich Ein König je sein werde. -- Geizest du Nach Ehre? Schon als Jüngling hattest du Ihr Maß erschöpft -- du hast sie ausgeschlagen. Wer von uns wird der Gläubiger des Andern, Und wer der Schuldner sein? -- Du schweigst? Du zitterst Vor der Versuchung? Nicht gewisser bist Du deiner selbst? \\ \10 Wohlan. Ich weiche. Hier meine Hand. \\ \3 Der Meinige? \\ \10 Auf ewig Und in des Worts verwegenster Bedeutung. \3 So treu und warm, wie heute dem Infanten, Auch dermaleinst dem König zugethan? \10 Das schwör' ich Ihnen. \\ \3 Dann auch, wenn der Wurm Der Schmeichelei mein unbewachtes Herz Umklammerte -- wenn dieses Auge Thränen Verlernte, die es sonst geweint -- dies Ohr Dem Flehen sich verriegelte, willst du, Ein schreckenloser Hüter meiner Tugend, Mich kräftig fassen, meinen Genius Bei seinem großen Namen rufen? \\ \10 Ja. \3 Und jetzt noch eine Bitte! Nenn' mich Du. Ich habe deines Gleichen stets beneidet Um dieses Vorrecht der Vertraulichkeit. Dies brüderliche \textit{Du} betrügt mein Ohr, Mein Herz mit süßen Ahnungen von Gleichheit. -- Keinen Einwurf -- Was du sagen willst, errath' ich. Dir ist es Kleinigkeit, ich weiß -- doch mir, Dem Königssohne, ist es viel. Willst du Mein Bruder sein? \\ \10 Dein Bruder! \\ \3 Jetzt zum König. Ich fürchte nichts mehr -- Arm in Arm mit dir, So fordr' ich mein Jahrhundert in die Schranken. \[Sie gehen ab\] \Akt % 2 \(Im königlichen Palast zu Madrid\) \Auftritt % 2.1 \(König Philipp unter einem Thronhimmel. Herzog Alba in einiger Entfernung von dem König, mit bedecktem Haupt. Carlos \) \3 Den Vortritt hat das Königreich. Sehr gerne Steht Carlos dem Minister nach. Er spricht Für Spanien -- ich bin der Sohn des Hauses. \[Er tritt mit einer Verbeugung zurück\] \01 Der Herzog bleibt, und der Infant mag reden. \3 \[sich gegen Alba wendend\] So muß ich denn von \textit{Ihrer} Großmuth, Herzog, Den König mir als ein Geschenk erbitten. Ein Kind -- Sie wissen ja -- kann Mancherlei An seinen Vater auf dem Herzen tragen, Das nicht für einen Dritten taugt. Der König Soll Ihnen unbenommen sein -- ich will Den Vater nur für diese kurze Stunde. \01 Hier steht sein Freund. \\ \3 Hab' ich es auch verdient, Den meinigen im Herzog zu vermuthen? \01 Auch je verdienen mögen? -- Mir gefallen Die Söhne nicht, die beßre Wahlen treffen, Als ihre Väter. \\ \3 Kann der Ritterstolz Des Herzogs Alba diesen Auftritt hören? So wahr ich lebe, den Zudringlichen, Der zwischen Sohn und Vater unberufen Sich einzudringen nicht erröthet, der In seines Nichts durchbohrendem Gefühle So dazustehen sich verdammt, möcht' ich Bei Gott -- und gält's ein Diadem -- nicht spielen. \01 \[verläßt seinen Sitz mit einem zornigen Blick auf den Prinzen\] Entfernt Euch, Herzog! \\ \[Dieser geht nach der Hauptthüre, durch welche Carlos gekommen war; der König winkt ihm nach einer andern\] Nein, ins Kabinet, Bis ich Euch rufe. \\ \Auftritt % 2.2 \(König Philipp. Don Carlos\) \3 \[geht, sobald der Herzog das Zimmer verlassen hat, auf den König zu und fällt vor ihm nieder, im Ausdruck der höchsten Empfindung\] Jetzt mein Vater wieder, Jetzt wieder mein, und meinen besten Dank Für diese Gnade. -- Ihre Hand, mein Vater. -- O süßer Tag! -- Die Wonne dieses Kusses War Ihrem Kinde lange nicht gegönnt. Warum von Ihrem Herzen mich so lange Verstoßen, Vater? Was hab' ich gethan? \01 Infant, dein Herz weiß nichts von diesen Künsten. Erspare sie, ich mag sie nicht. \\ \3 \[aufstehend\] Das war es! Da hör' ich Ihre Höflinge -- Mein Vater! Es ist nicht gut, bei Gott! nicht Alles gut, Nicht Alles, was ein Priester sagt, nicht Alles, Was eines Priesters Creaturen sagen. Ich bin nicht schlimm, mein Vater -- heißes Blut Ist meine Bosheit, mein Verbrechen Jugend. Schlimm bin ich nicht, schlimm wahrlich nicht -- wenn auch Oft wilde Wallungen mein Herz verklagen, Mein Herz ist gut -- \\ \01 Dein Herz ist rein, ich weiß es, Wie dein Gebet. \\ \3 Jetzt oder nie! -- Wir sind allein. Der Etikette bange Scheidewand Ist zwischen Sohn und Vater eingesunken. Jetzt oder nie! Ein Sonnenstrahl der Hoffnung Glänzt in mir auf, und eine süße Ahnung Fliegt durch mein Herz -- Der ganze Himmel beugt Mit Schaaren froher Engel sich herunter, Voll Rührung sieht der Dreimalheilige Dem großen schönen Auftritt zu! -- Mein Vater! Versöhnung! \\\[Er fällt ihm zu Füßen\] \01 Laß mich und steh auf! \\ \3 Versöhnung! \01 \[will sich von ihm losreißen\] Zu kühn wird mir dies Gaukelspiel -- \\ \3 Zu kühn Die Liebe deines Kindes? \\ \01 Vollends Thränen? Unwürd'ger Anblick! -- Geh aus meinen Augen. \3 Jetzt oder nie! -- Versöhnung, Vater! \\ \01 Weg Aus meinen Augen! Komm mit Schmach bedeckt Aus meinen Schlachten, meine Arme sollen Geöffnet sein, dich zu empfangen -- So Verwerf' ich dich. -- Die feige Schuld allein Wird sich in solchen Quellen schimpflich waschen. Wer zu bereuen nicht erröthet, wird Sich Reue nie ersparen. \\ \3 Wer ist das? Durch welchen Mißverstand hat dieser Fremdling Zu Menschen sich verirrt? -- Die ewige Beglaubigung der Menschheit sind ja Thränen, Sein Aug' ist trocken, ihn gebar kein Weib -- O, zwingen Sie die nie benetzten Augen, Noch zeitig Thränen einzulernen, sonst, Sonst möchten Sie's in einer harten Stunde Noch nachzuholen haben. \01 Denkst du den schweren Zweifel deines Vaters Mit schönen Worten zu erschüttern? \\ \3 Zweifel? Ich will ihn tilgen, diesen Zweifel -- will Mich hängen an das Vaterherz, will reißen, Will mächtig reißen an dem Vaterherzen, Bis dieses Zweifels felsenfeste Rinde Von diesem Herzen niederfällt. -- Wer sind sie, Die mich aus meines Königs Gunst vertrieben? Was bot der Mönch dem Vater für den Sohn? Was wird ihm Alba für ein kinderlos Verscherztes Leben zur Vergütung geben? Sie wollen Liebe? -- Hier in diesem Busen Springt eine Quelle, frischer, feuriger, Als in den trüben, sumpfigsten Behältern, Die Philipps Gold erst öffnen muß. \\ \01 Vermeßner, Halt ein! -- Die Männer, die du wagst zu schmähn, Sind die geprüften Diener meiner Wahl, Und du wirst sie verehren. \\ \3 Nimmermehr. Ich fühle mich. Was Ihre Alba leisten, Das kann auch Carl, und Carl kann mehr. Was fragt Ein Miethling nach dem Königreich, das nie Sein eigen sein wird? -- Was bekümmert's \textit{den}, Wenn Philipps graue Haare weiß sich färben? Ihr Carlos hätte Sie geliebt. -- Mir graut Vor dem Gedanken, einsam und allein, Auf einem \textit{Thron} allein zu sein. -- \\ \01 \[von diesen Worten ergriffen, steht nachdenkend und in sich gekehrt. Nach einer Pause\] Ich \textit{bin} allein. \3 \[mit Lebhaftigkeit und Wärme auf ihn zugehend\] Sie sind's gewesen. Hassen Sie mich nicht mehr, Ich will Sie kindlich, will Sie feurig lieben, Nur hassen Sie mich nicht mehr. -- Wie entzückend Und süß ist es, in einer schönen Seele Verherrlicht uns zu fühlen, es zu wissen, Daß unsre Freude fremde Wangen röthet, Daß unsre Angst in fremdem Busen zittert, Daß unsre Leiden fremde Augen wässern! Wie schön ist es und herrlich, Hand in Hand Mit einem theuern, vielgeliebten Sohn Der Jugend Rosenbahn zurück zu eilen, Des Lebens Traum noch einmal durchzuträumen! Wie groß und süß, in seines Kindes Tugend Unsterblich, unvergänglich fortzudauern, Wohlthätig für Jahrhunderte! -- Wie schön, Zu pflanzen, was ein lieber Sohn einst erntet, Zu sammeln, was ihm wuchern wird, zu ahnen, Wo hoch sein Dank einst flammen wird! -- Mein Vater, Von diesem Erdenparadiese schwiegen Sehr weislich ihre Mönche. \\ \01 \[nicht ohne Rührung\] O, mein Sohn, Mein Sohn! du brichst dir selbst den Stab. Sehr reizend Malst du ein Glück, das -- du mir nie gewährtest. \3 Das richte der Allwissende! -- Sie selbst, \textit{Sie} schlossen mich, wie aus dem Vaterherzen, Von Ihres Scepters Anteil aus. Bis jetzt, Bis diesen Tag -- o, war das gut, war's billig? -- Bis jetzt mußt' ich, der Erbprinz Spaniens, In Spanien ein Fremdling sein, Gefangner Auf diesem Grund, wo ich einst Herr sein werde. War das gerecht, war's gütig? -- O, wie oft, Wie oft, mein Vater, sah ich schamroth nieder, Wenn die Gesandten fremder Potentaten, Wenn Zeitungsblätter mir das Neueste Vom Hofe zu Aranjuez erzählten! \01 Zu heftig braust das Blut in deinen Adern. Du würdest nur zerstören. \\ \3 Geben Sie Mir zu zerstören, Vater. -- Heftig braust's In meine Adern -- Dreiundzwanzig Jahre, Und nichts für die Unsterblichkeit gethan! Ich bin erwacht, ich fühle mich. -- Mein Ruf Zum Königsthron pocht, wie ein Gläubiger, Aus meinem Schlummer mich empor, und alle Verlornen Stunden meiner Jugend mahnen Mich laut wie Ehrenschulden. Er ist da, Der große, schöne Augenblick, der endlich Des hohen Pfundes Zinsen von mir fordert: Mich ruft die Weltgeschichte, Ahnenruhm Und des Gerüchtes donnernde Posaune. Nun ist die Zeit gekommen, mir des Ruhmes Glorreiche Schranken aufzuthun. -- Mein König, Darf ich die Bitte auszusprechen wagen, Die mich hieher geführt? \\ \01 Noch eine Bitte? Entdecke sie. \\ \3 Der Aufruhr in Brabant Wächst drohend an. Der Starrsinn der Rebellen Heischt starke, kluge Gegenwehr. Die Wuth Der Schwärmer zu bezähmen, soll der Herzog Ein Heer nach Flandern führen, von dem König Mit souveräner Vollmacht ausgestattet. Wie ehrenvoll ist dieses Amt, wie ganz Dazu geeignet, Ihren Sohn im Tempel Des Ruhmes einzuführen! -- Mir, mein König, Mir übergeben Sie das Heer. Mich lieben Die Niederländer; ich erkühne mich, Mein Blut für ihre Treue zu verbürgen. \01 Du redest, wie ein Träumender. Dies Amt Will einen Mann und keinen Jüngling -- \\ \3 Will Nur einen Menschen, Vater, und das ist Das Einzige, was Alba nie gewesen. \01 Und Schrecken bändigt die Empörung nur. Erbarmung hieße Wahnsinn. -- Deine Seele Ist weich, mein Sohn, der Herzog wird gefürchtet -- Steh ab von deiner Bitte. \\ \3 Schicken Sie Mich mit dem Heer nach Flandern, wagen Sie's Auf meine weiche Seele. Schon der Name Des königlichen Sohnes, der voraus Vor meinen Fahnen fliegen wird, erobert, Wo Herzog Albas Henker nur verheeren. Aus meinen Knieen bitt' ich drum. Es ist Die erste Bitte meines Lebens -- Vater, Vertrauen Sie mir Flandern -- \\ \01 \[den Infanten mit einem durchdringenden Blick betrachtend\] Und zugleich Mein bestes Kriegsheer deiner Herrschbegierde? Das Messer meinem Mörder? \\ \3 O mein Gott! Bin ich nicht weiter, und ist das die Frucht Von dieser längst erbetnen großen Stunde? \[Nach einigem Nachdenken, mit gemildertem Ernst\] Antworten Sie mir sanfter! Schicken Sie Mich so nicht weg! Mit dieser übeln Antwort Möcht' ich nicht gern entlassen sein, nicht gern Entlassen sein mit diesem schweren Herzen. Behandeln Sie mich gnädiger. Es ist Mein dringendes Bedürfniß, ist mein letzter, Verzweifelter Versuch -- ich kann's nicht fassen, Nicht standhaft tragen wie ein Mann, daß Sie Mir Alles, Alles, Alles so verweigern. Jetzt lassen Sie mich von sich. Unerhört, Von tausend süßen Ahnungen betrogen, Geh' ich aus Ihrem Angesicht. -- Ihr Alba Und Ihr Domingo werden siegreich thronen, Wo jetzt Ihr Kind im Staub geweint. Die Schaar Der Höflinge, die bebende Grandezza, Der Mönche sünderbleiche Zunft war Zeuge, Als Sie mir feierlich Gehör geschenkt. Beschämen Sie mich nicht! So tödtlich, Vater, Verwunden Sie mich nicht, dem frechen Hohn Des Hofgesindes schimpflich mich zu opfern, Daß Fremdlinge von Ihrer Gnade schwelgen, Ihr Carlos nichts erbitten kann. Zum Pfande, Daß Sie mich ehren wollen, schicken Sie Mich mit dem Heer nach Flandern. \\ \01 Wiederhole Dies Wort nicht mehr, bei deines Königs Zorn. \3 Ich wage meines Königs Zorn und bitte Zum letzten Mal -- Vertrauen Sie mir Flandern. Ich soll und muß aus Spanien. Mein Hiersein Ist Athemholen unter Henkershand -- Schwer liegt der Himmel zu Madrid auf mir, Wie das Bewußtsein eines Mords. Nur schnelle Veränderung des Himmels kann mich heilen. Wenn Sie mich retten wollen -- schicken Sie Mich ungesäumt nach Flandern. \\ \01 \[mit erzwungener Gelassenheit\] \textit{Solche} Kranke Wie du, mein Sohn, verlangen gute Pflege Und wohnen unterm Aug' des Arzts. Du bleibst In Spanien; der Herzog geht nach Flandern. \3 \[außer sich\] O, jetzt umringt mich, gute Geister -- \\ \01 \[der einen Schritt zurücktritt\] Halt! Was wollen diese Mienen sagen? \\ \3 \[mit schwankender Stimme\] Vater, Unwiderruflich bleibt's bei \textit{der} Entscheidung? \01 Sie kam vom König. \\ \3 Mein Geschäft ist aus. \[Geht ab in heftiger Bewegung\] \Auftritt % 2.3 \(Philipp bleibt eine Zeitlang in düstres Nachdenken versunken stehen -- endlich geht er einige Schritte im Saal auf und nieder. Alba nähert sich verlegen\) \01 Seid jede Stunde des Befehls gewärtig, Nach Brüssel abzugehen. \\ \11 Alles steht Bereit, mein König. \\ \01 Eure Vollmacht liegt Versiegelt schon im Kabinet. Indessen Nehmt Euren Urlaub von der Königin Und zeiget Euch zum Abschied dem Infanten. \11 Mit den Geberden eines Wüthenden Sah ich ihn eben diesen Saal verlassen. Auch Eure königliche Majestät Sind außer sich und scheinen tief bewegt - Vielleicht der Inhalt des Gesprächs? \\ \01 \[nach einigem Auf- und Niedergehen\] Der Inhalt War Herzog Alba.\\ \[Der König bleibt mit dem Aug' auf ihm haften, finster\] -- Gerne mag ich hören, Daß Carlos meine Räthe \textit{haßt}, doch mit Verdruß entdeck' ich, daß er sie \textit{verachtet}. \11 \[entfärbt sich und will auffahren\] \01 Jetzt keine Antwort. Ich erlaube Euch, Den Prinzen zu versöhnen. \\ \11 Sire! \\ \01 Sagt an: Wer war es doch, der mich zum ersten Mal Vor meines Sohnes schwarzem Anschlag warnte? Da hört' ich \textit{Euch} und nicht auch \textit{ihn}. Ich will Die Probe wagen, Herzog. Künftighin Steht Carlos meinem Throne näher. Geht. \[Der König begibt sich in das Kabinet. Der Herzog entfernt sich durch eine andere Thüre\] \Szene{Ein Vorsaal vor dem Zimmer der Königin} \Auftritt % 2.4 \(Don Carlos kommt im Gespräch mit einem Pagen durch die Mittelthüre. Die Hofleute, welche sich im Vorsaal befinden, zerstreuen sich bei seiner Ankunft in den angrenzenden Zimmern\) \3 Ein Brief an mich? -- Wozu denn dieser Schlüssel? Und Beides mir so heimlich überliefert? Komm näher. -- Wo empfingst du das? \\ \19 \[geheimnißvoll\] Wie mich Die Dame merken lassen, will sie lieber Errathen, als beschrieben sein -- \\ \3 \[zurückfahrend\] Die Dame? \[Indem er den Pagen genauer betrachtet\] Was? -- Wie? -- Wer bist du denn? \\ \19 Ein Edelknabe Von Ihrer Majestät der Königin -- \3 \[erschrocken auf ihn zugehend und ihm die Hand auf den Mund drückend\] % Du bist des Todes. Halt! Ich weiß genug. \[Er reißt hastig das Siegel auf und tritt an das äußerste Ende des Saals, den Brief zu lesen. Unterdessen kommt der Herzog von Alba und geht, ohne von dem Prinzen bemerkt zu werden, an ihm vorbei in der Königin Zimmer. Carlos fängt an heftig zu zittern und wechselweise zu erblassen und zu erröthen. Nachdem er gelesen hat, steht er lange sprachlos, die Augen starr auf den Brief geheftet. -- Endlich wendet er sich zu dem Pagen\] Sie gab dir selbst den Brief? \\ \19 Mit eignen Händen. \3 Sie gab dir selbst den Brief? -- O, spotte nicht. Noch hab' ich nichts von ihrer Hand gelesen, Ich muß dir glauben, wenn du schwören kannst. Wenn's Lüge war, gesteh' mir's offenherzig Und treibe keinen Spott mit mir. \\ \19 Mit \textit{wem}? \3 \[sieht wieder in den Brief und betrachtet den Pagen mit zweifelhafter, forschender Miene. Nachdem er einen Gang durch den Saal gemacht hat\] Du hast noch Eltern? Ja? Dein Vater dient Dem Könige und ist ein Kind des Landes? \19 Er fiel bei St. Quentin, ein Oberster Der Reiterei des Herzogs von Savoyen, Und hieß Alonzo Graf von Henarez. \3 \[indem er ihn bei der Hand nimmt und die Augen bedeutend auf ihn heftet\] Den Brief gab dir der König? \\ \19 \[empfindlich\] Gnäd'ger Prinz, Verdien' ich diesen Argwohn? \\ \3 \[liest den Brief\] »Dieser Schlüssel öffnet Die hintern Zimmer im Pavillon Der Königin. Das äußerste von allen Stößt seitwärts an ein Kabinet, wohin Noch keines Horchers Fußtritt sich verloren. Hier darf die Liebe frei und laut gestehn, Was sie so lange Winken nur vertraute. Erhörung wartet auf den Furchtsamen, Und schöner Lohn auf den bescheidnen Dulder.« \[Wie aus einer Betäubung erwachend\] Ich träume nicht -- ich rase nicht -- Das ist Mein rechter Arm -- Das ist mein Schwert -- Das sind Geschriebne Silben. Es ist wahr und wirklich, Ich bin geliebt -- ich bin es -- ja, ich bin, Ich bin geliebt! \[Außer Fassung durchs Zimmer stürzend und die Arme zum Himmel emporgeworfen\] \19 So kommen Sie, mein Prinz, ich führe Sie. \3 Erst laß mich zu mir selber kommen. -- Zittern Nicht alle Schrecken dieses Glücks noch in mir? Hab' ich so stolz gehofft? Hab' ich das je Zu träumen mir getraut? Wo ist der Mensch, Der sich so schnell gewöhnte, Gott zu sein? - Wer war ich, und wer bin ich nun? Das ist Ein andrer Himmel, eine andre Sonne, Als vorhin da gewesen war -- Sie liebt mich! \19 \[will ihn fortführen\] Prinz, Prinz, hier ist der Ort nicht -- Sie vergessen -- \3 \[von einer plötzlichen Erstarrung ergriffen\] Den König, meinen Vater!\\ \[Er läßt den Arm sinken, blickt scheu umher und fängt an sich zu\\sammeln\]% Das ist schrecklich - Ja, ganz recht, Freund. Ich danke dir, ich war So eben nicht ganz bei mir. -- Daß ich das Verschweigen soll, der Seligkeit so viel In diese Brust vermauern soll, ist schrecklich. \[Den Pagen bei der Hand fassend und bei Seite führend\] Was du gesehn -- hörst du? und nicht gesehen, Sei wie ein Sarg in deiner Brust versunken. Jetzt geh. Ich will mich finden. Geh! Man darf Uns hier nicht treffen. Geh -- \\ \19 \[will fort\] \3 Doch halt! doch höre! - \[Der Page kommt zurück. Carlos legt ihm die Hand auf die Schulter und sieht ihm ernst und feierlich ins Gesicht\] Du nimmst ein schreckliches Geheimniß mit, Das, jenen starken Giften gleich, die Schale, Worin es aufgefangen wird, zersprengt. - Beherrsche deine Mienen gut. Dein Kopf Erfahre niemals, was dein Busen hütet. Sei wie das todte Sprachrohr, das den Schall Empfängt und wiedergibt und selbst nicht höret. Du bist ein Knabe -- sei es immerhin Und fahre fort, den Fröhlichen zu spielen - Wie gut verstand's die kluge Schreiberin, Der Liebe einen Boten auszulesen! \textit{Hier} sucht der König seine Nattern nicht. \19 Und ich, mein Prinz, ich werde stolz drauf sein, Um ein Geheimniß reicher mich zu wissen, Als selbst der König -- \\ \3 Eitler junger Thor, \textit{Das} ist's, wovor du zittern mußt. -- Geschieht's, Daß wir uns öffentlich begegnen, schüchtern, Mit Unterwerfung nahst du mir. Laß nie Die Eitelkeit zu Winken dich verführen, Wie gnädig der Infant dir sei. Du kannst Nicht schwerer sündigen, mein Sohn, als wenn Du \textit{mir} gefällst. -- Was du mir künftig magst Zu hinterbringen haben, sprich es nie Mit Silben aus, vertrau' es nie den Lippen; Den allgemeinen Fahrweg der Gedanken Betrete deine Zeitung nicht. Du sprichst Mit deinen Wimpern, deinem Zeigefinger; Ich höre dir mit Blicken zu. Die Luft, Das Licht um uns ist Philipps Creatur, Die tauben Wände stehn in seinem Solde -- Man kommt -- \[Das Zimmer der Königin öffnet sich, und der Herzog von Alba tritt heraus\] Hinweg! Auf Wiedersehen! \\ \19 Prinz, Daß Sie das rechte Zimmer nur nicht fehlen! \[Ab\] \3 Es ist der Herzog. -- Nein doch, nein! Schon gut! Ich finde mich. \\ \Auftritt % 2.5 \(Don Carlos. Herzog von Alba\) \11 \[ihm in den Weg tretend\] Zwei Worte, gnäd'ger Prinz. \3 Ganz recht -- schon gut -- ein andermal. \[Er will gehen\] \\ \11 Der Ort Scheint freilich nicht der schicklichste. Vielleicht Gefällt es Eurer königlichen Hoheit, Auf Ihrem Zimmer mir Gehör zu geben? \3 Wozu? Das kann hier auch geschehn. -- Nur schnell, Nur kurz -- \\ \11 Was eigentlich hierbei mich führt, Ist, Eurer Hoheit unterthän'gen Dank Für das Bewußte abzutragen -- \\ \3 Dank? Mir Dank? Wofür? -- Und Dank von Herzog Alba? \11 Denn kaum, daß Sie das Zimmer des Monarchen Verlassen hatten, ward mir angekündigt, Nach Brüssel abzugehen. \\ \3 Brüssel! So! \11 Wem sonst, mein Prinz, als Ihrer gnädigen Verwendung bei des Königs Majestät, Kann ich es zuzuschreiben haben? -- \\ \3 Mir? Mir ganz und gar nicht -- mir wahrhaftig nicht. Sie reisen -- reisen Sie mit Gott! \\ \11 Sonst nichts? Das nimmt mich Wunder -- Eure Hoheit hätten Mir weiter nichts nach Flandern aufzutragen? \3 Was sonst? was dort? \\ \11 Dort schien es noch vor Kurzem, Als forderte das Schicksal dieser Länder Don Carlos' eigne Gegenwart. \\ \3 Wie so? Doch ja -- ja recht -- Das war vorhin -- das ist Auch so ganz gut, recht gut, um so viel besser -- \11 Ich höre mit Verwunderung -- \\ \3 \[nicht mit Ironie\] Sie sind Ein großer General -- wer weiß das nicht? Der Neid muß es beschwören. Ich -- ich bin Ein junger Mensch. So hat es auch der König Gemeint. Der König hat ganz Recht, ganz Recht. Ich seh's jetzt ein, ich bin vergnügt, und also Genug davon. Glück auf den Weg. Ich kann Jetzt, wie Sie sehen, schlechterdings -- ich bin So eben etwas überhäuft -- das Weitere Auf morgen, oder wenn Sie wollen, oder Wenn Sie von Brüssel wiederkommen -- \\ \11 Wie? \3 \[nach einigem Stillschweigen, wie er sieht, daß der Herzog noch immer bleibt\] Sie nehmen gute Jahrszeit mit. -- Die Reise Geht über Mailand, Lothringen, Burgund Und Deutschland -- Deutschland? -- Recht, in Deutschland war es! Da kenn man Sie! -- Wir haben jetzt April; Mai -- Junius -- im Julius, ganz recht, Und spätestens zu Anfang des Augusts Sind Sie in Brüssel. O, ich zweifle nicht, Man wird sehr bald von Ihren Siegen hören. Sie werden unsers gnädigen Vertrauens Sich werth zu machen wissen. \\ \11 \[mit Bedeutung\] Werd' ich das In meines Nichts durchbohrendem Gefühle? \3 \[nach einigem Stillschweigen, mit Würde und Stolz\] Sie sind empfindlich, Herzog -- und mit Recht. Es war, ich muß bekennen, wenig Schonung Von meiner Seite, Waffen gegen Sie Zu führen, die Sie nicht im Stande sind Mir zu erwiedern. \\ \11 Nicht im Stande? -- \\ \3 \[ihm lächelnd die Hand reichend\] Schade, Daß mir's gerade jetzt an Zeit gebricht, Den würd'gen Kampf mit Alba auszufechten. Ein andermal -- \\ \11 Prinz, wir verrechnen uns Auf ganz verschiedne Weise. Sie zum Beispiel, Sie sehen sich um zwanzig Jahre später, Ich Sie um eben so viel früher. \\ \3 Nun? \11 Und dabei fällt mir ein, wie viele Nächte Bei seiner schönen portugiesischen Gemahlin, Ihrer Mutter, der Monarch Wohl drum gegeben hätte, einen Arm, Wie \textit{diesen}, seiner Krone zu erkaufen! Ihm mocht' es wohl bekannt sein, wie viel leichter Die Sache sei, Monarchen fortzupflanzen, Als Monarchieen -- wie viel schneller man Die Welt mit einem Könige versorge, Als Könige mit einer Welt. \\ \3 Sehr wahr! Doch, Herzog Alba? doch -- \\ \11 Und wie viel Blut, Blut \textit{ihres} Volkes fließen mußte, bis Zwei Tropfen \textit{Sie} zum König machen konnten. \3 Sehr wahr, bei Gott -- und in zwei Worte Alles Gepreßt, was des Verdienstes Stolz dem Stolze Des Glücks entgegensetzen kann. -- Doch nun Die Anwendung? doch, Herzog Alba? \\ \11 Wehe Dem zarten Wiegenkinde Majestät, Das seiner Amme spotten kann! Wie sanft Mag's auf dem weichen Kissen unsrer Siege Sich schlafen lassen! An der Krone funkeln Die Perlen nur, und freilich nicht die Wunden, Mit denen sie errungen ward. -- Dies Schwert Schrieb fremden Völkern spanische Gesetze, Es blitzte dem Gekreuzigten voran Und zeichnete dem Samenkorn des Glaubens Auf diesem Welttheil blut'ge Furchen vor: Gott richtete im Himmel, ich auf Erden -- \3 Gott oder Teufel, gilt gleich viel! Sie waren Sein rechter Arm. Ich weiß das wohl -- und jetzt Nichts mehr davon. Ich bitte. Vor gewissen Erinnerungen möcht' ich gern mich hüten. Ich ehre meines Vaters Wahl. Mein Vater Braucht einen Alba; \textit{daß} er diesen braucht, Das ist es nicht, warum ich ihn beneide. Sie sind ein großer Mann. -- Auch das mag sein -- Ich glaub' es fast. Nur, fürcht' ich, kamen Sie Um wenige Jahrtausende zu zeitig. Ein Alba, sollt' ich meinen, war der Mann, Am Ende aller Tage zu erscheinen! Dann, wann des Lasters Riesentrotz die Langmuth Des Himmels aufgezehrt, die reichte Ernte Der Missethat in vollen Halmen steht Und einen Schnitter sonder Beispiel fordert, Dann stehen \textit{Sie} an Ihrem Platz. -- O Gott, Mein Paradies! mein Flandern! -- Doch ich soll Es jetzt nicht denken. Still davon. Man spricht, Sie führten einen Vorrath Blutsentenzen, Im Voraus unterzeichnet, mit? Die Vorsicht Ist lobenswerth. So braucht man sich vor keiner Chicane mehr zu fürchten. -- O mein Vater, Wie schlecht verstand ich deine Meinung! Härte Gab ich dir Schuld, weil du mir ein Geschäft Verweigertest, wo deine Alba glänzen? -- Es war der Anfang deiner Achtung. \\ \11 Prinz, Dies Wort verdiente -- \\ \3 \[auffahrend\] Was? \\ \11 Doch \textit{davor} schützt Sie Der Königssohn. \\ \3 \[nach dem Schwert greifend\] Das fordert Blut! -- Das Schwert Gezogen, Herzog! \\ \11 \[kalt\] Gegen wen? \\ \3 \[heftig auf ihn eindringend\] Das Schwert Gezogen, ich durchstoße Sie. \\ \11 \[zieht\] Wenn es Denn sein muß -- \\ \[Sie fechten\] \Auftritt % 2.6 \(Die Königin. Don Carlos. Herzog von Alba\) \2 \[welche erschrocken aus ihrem Zimmer tritt\] Bloße Schwerter!\\ \[Zum Prinzen, unwillig und mit gebietender Stimme\] Carlos! \3 \[vom Anblick der Königin außer sich gesetzt, läßt den Arm sinken, steht ohne Bewegung und sinnlos, dann eilt er auf den Herzog zu und küßt ihn\] Versöhnung, Herzog! Alles sei vergeben! \[Er wirft sich stumm zu der Königin Füßen, steht dann rasch auf und eilt außer Fassung fort\] \11 \[der voll Erstaunen dasteht und kein Auge von ihnen verwendet\] Bei Gott, das ist doch seltsam! -- \\ \2 \[steht einige Augenblicke beunruhigt und zweifelhaft, dann geht sie langsam nach ihrem Zimmer, an der Thüre dreht sie sich um\] Herzog Alba! \\ \[Der Herzog folgt ihr in das Zimmer\] \Szene{Ein Kabinet der Prinzessin von Eboli} \Auftritt % 2.7 \(Die Prinzessin, in einem idealischen Geschmack, schön, aber einfach gekleidet, spielt die Laute und singt. Darauf der Page der Königin\) \08 \[springt schnell auf\] Er kommt! \19 \[eilfertig\] Sind Sie allein? Mich wundert sehr, Ihn noch nicht hier zu finden; doch er muß Im Augenblick erscheinen. \\ \08 \textit{Muß} er? Nun, So \textit{will} er auch -- so ist es ja entschieden -- \19 Er folgt mir auf den Fersen. -- Gnäd'ge Fürstin, Sie sind geliebt -- geliebt, geliebt wie Sie Kann's Niemand sein und Niemand sein gewesen. Welche eine Scene sah ich an! \\ \08 \[zieht ihn voll Ungeduld an sich\] Geschwind! Du sprachst mit ihm? Heraus damit! Was sprach er? Wie nahm er sich? Was waren seine Worte? Er schien verlegen, schien bestürzt? Errieth Er die Person, die ihm den Schlüssel schickte? Geschwinde -- oder rieth er nicht? Er rieth Wohl gar nicht? rieth auf eine falsche? -- Nun? Antwortest du mir denn kein Wort? O pfui, Pfui, schäme dich: so hölzern bist du nie, So unerträglich langsam nie gewesen. \19 Kann ich zu Worte kommen, Gnädigste? Ich übergab ihm Schlüssel und Billet Im Vorsaal bei der Königin. Er stutzte Und sah mich an, da mir das Wort entwischte, Ein Frauenzimmer sende mich. \\ \08 Er stutzte? Sehr gut! sehr brav! Nur fort, erzähle weiter. \19 Ich wollte mehr noch sagen, da erblaßt' er Und riß den Brief mir aus der Hand und sah Mich drohend an und sagt', er wisse Alles. Den Brief durchlas er mit Bestürzung, fing Auf einmal an zu zittern. \\ \08 Wisse Alles? Er wisse Alles? Sagt' er das? \\ \19 Und fragte Mich dreimal, viermal, ob Sie selber, wirklich Sie selber mir den Brief gegeben? \\ \08 Ob Ich selbst? Und also nannt' er meinen Namen? \19 Den Namen -- nein, den nannt' er nicht. -- Es möchten Kundschafter, sagt' er, in der Gegend horchen Und es dem König plaudern. \\ \08 \[befremdet\] Sagt' er das? \19 Dem König, sagt' er, liege ganz erstaunlich, Gar mächtig viel daran, besonders viel, Von diesem Briefe Kundschaft zu erhalten. \08 Dem König? Hast du recht gehört? Dem König? War das der Ausdruck, den er brauchte? \\ \19 Ja! Er nannt' es ein gefährliches Geheimniß Und warnte ich, mit Worten und mit Winken Gar sehr auf meiner Hut zu sein, daß ja Der König keinen Argwohn schöpfe. \\ \08 \[nach einigem Nachsinnen, voll Verwunderung\] Alles Trifft zu. -- Es kann nicht anders sein -- er muß Um die Geschichte wissen. -- Unbegreiflich! Wer mag ihm wohl verrathen haben? -- Wer? Ich frage noch -- Wer sieht so scharf, so tief, Wer anders, als der Falkenblick der Liebe? Doch weiter, fahre weiter fort: er las Das Billet -- \\ \19 Das Billet enthalte Ein Glück, sagt' er, vor dem er zittern müsse; Das hab' er nie zu träumen sich getraut. Zum Unglück trat der Herzog in den Saal, Dies zwang uns -- \\ \08 \[ärgerlich\] Aber was in aller Welt Hat jetzt der Herzog dort zu thun? Wo aber, Wo bleibt er denn? Was zögert er? Warum Erscheint er nicht? -- Siehst du, wie falsch man dich Berichtet hat? Wie glücklich wär' er schon In so viel Zeit gewesen, als du brauchtest, Mir zu erzählen, daß er's werden wollte! \19 Der Herzog, fürcht' ich -- \\ \08 Wiederum der Herzog? Was will der \textit{hier}? Was hat der tapfre Mann Mit meiner stillen Seligkeit zu schaffen? Den könnt' er stehen lassen, weiter schicken, Wen auf der Welt kann man das nicht? -- O, wahrlich, Dein Prinz versteht sich auf die Liebe selbst So schlecht, als, wie es schien, auf Damenherzen. Er weiß nicht, was Minuten sind -- Still, still! Ich höre kommen. Fort! Es ist der Prinz. \[Page eilt hinaus\] Hinweg, hinweg! -- Wo hab' ich meine Laute? Er soll mich überraschen. -- Mein Gesang Soll ihm das Zeichen geben. -- \\ \Auftritt % 2.8 \(Die Prinzessin und bald nachher Don Carlos\) \08 \[hat sich in eine Ottomane geworfen und spielt\] \3 \[stürzt herein. Er erkennt die Prinzessin und steht da, wie vom Donner gerührt\] Gott! Wo bin ich? \\ \08 \[läßt die Laute fallen. Ihm entgegen\] Ach, Prinz Carlos? Ja, wahrhaftig! \3 Wo bin ich? Rasender Betrug -- ich habe Das rechte Kabinet verfehlt. \\ \08 Wie gut Versteht es Carl, die Zimmer sich zu merken, Wo Damen ohne Zeugen sind. \\ \3 Prinzessin -- Verzeihen Sie, Prinzessin -- ich -- ich fand Den Vorsaal offen. \\ \08 Kann das möglich sein? Mich däucht ja doch, daß ich ihn selbst verschloß. \3 Das däucht Sie nur, das däucht Sie -- doch, versichert! Sie irren sich. Verschließen wollen, ja, Das geb' ich zu, das glaub' ich -- doch verschlossen? Verschlossen nicht, wahrhaftig nicht! Ich höre Auf einer -- Laute Jemand spielen -- war's Nicht eine Laute? \\ \[Indem er sich zweifelnd umsieht\] Recht! dort liegt sie noch -- Und Laute -- Das weiß Gott im Himmel! -- Laute, Die lieb' ich bis zur Raserei. Ich bin Ganz Ohr, ich weiß nichts von mir selber, stürze Ins Kabinet, der süßen Künstlerin, Die mich so himmlisch rührte, mich so mächtig Bezauberte, ins schöne Aug' zu sehen. \08 Ein liebenswürd'ger Vorwitz, den Sie doch Sehr bald gestillt, wie ich beweisen könnte. \[Nach einigem Stillschweigen, mit Bedeutung\] O, schätzen muß ich den bescheidnen Mann, Der, einem Weib Beschämung zu ersparen, In solchen Lügen sich verstrickt. \\ \3 \[treuherzig\] Prinzessin, Ich fühle selber, daß ich nur verschlimmre, Wo ich verbessern will. Erlassen Sie Mir eine Rolle, die ich durchzuführen So ganz und gar verdorben bin. Sie suchten Auf diesem Zimmer Zuflucht vor der Welt. Hier wollten Sie, von Menschen unbehorcht, Den stillen Wünschen Ihres Herzens leben. Ich Sohn des Unglücks zeige mich; sogleich Ist dieser schöne Traum gestört. -- Dafür Soll mich die schleunigste Entfernung --\\ \[Er will gehen\] \08 \[überrascht und betroffen, doch sogleich wieder gefaßt\] Prinz -- O, das war boshaft. \\ \3 Fürstin -- ich verstehe, Was \textit{dieser} Blick in diesem Kabinet Bedeuten soll, und diese tugendhafte Verlegenheit verehr' ich. Weh dem Manne, Den weibliches Erröthen muthig macht! Ich bin verzagt, wenn Weiber vor mir zittern. \08 Ist's möglich? -- Ein Gewissen ohne Beispiel Für einen jungen Mann und Königssohn! Ja, Prinz -- jetzt vollends müssen Sie mir bleiben, Jetzt bitt' ich selbst darum: bei so viel Tugend Erholt sich jedes Mädchens Angst. Doch wissen Sie, Daß Ihre plötzliche Erscheinung mich Bei meiner liebsten Arie erschreckte? \[Sie führt ihn zum Sopha und nimmt ihre Laute wieder\] Die Arie, Prinz Carlos, werd' ich wohl Noch einmal spielen müssen; Ihre Strafe Soll sein, mir zuzuhören. \\ \3 \[er setzt sich, nicht ganz ohne Zwang, neben die Fürstin\] Eine Strafe, So wünschenswerth, als mein Vergehen -- und, wahrlich! Der Inhalt war mir so willkommen, war So göttlich schön, daß ich zum -- dritten Mal Sie hören könnte. \\ \08 Was? Sie haben Alles Gehört? Das ist abscheulich, Prinz. -- Es war, Ich glaube gar, die Rede von der Liebe? \3 Und, irr' ich nicht, von einer glücklichen -- Der schönste Text in diesem schönen Munde; Doch freilich nicht so wahr gesagt, als schön. \08 Nicht? nicht so wahr? -- Und also zweifeln Sie? \3 \[ernsthaft\] Ich zweifle fast, ob Carlos und die Fürstin Von Eboli sich je verstehen können, Wenn Liebe abgehandelt wird.\\ \[Die Prinzessin stutzt; er bemerkt es und fährt mit einer leichten Galanterie fort\] Denn wer, Wer wird es diesen Rosenwangen glauben, Daß Leidenschaft in dieser Brust gewühlt? Läuft eine Fürstin Eboli Gefahr, Umsonst und unerhört zu seufzen? Liebe Kennt Der allein, der ohne Hoffnung liebt. \08 \[mit ihrer ganzen vorigen Munterkeit\] O, still! Das klingt ja fürchterlich. -- Und freilich Scheint dieses Schicksal \textit{Sie} vor allen Andern, Und vollends heute -- heute zu verfolgen. \[Ihn bei der Hand fassend, mit einschmeichelndem Interesse\] Sie sind nicht fröhlich, guter Prinz. -- Sie leiden -- Bei Gott, Sie leiden ja wohl gar. -- Ist's möglich? Und warum leiden, Prinz? bei diesem lauten Berufe zum Genuß der Welt, bei allen Geschenken der verschwendrischen Natur Und allem Anspruch auf des Lebens Freuden? \textit{Sie} -- eines großen Königs Sohn und \textit{mehr}, Weit mehr, als das, schon in der Fürstenwiege Mit Gaben ausgestattet, die sogar Auch Ihres Ranges Sonnenglanz verdunkeln? \textit{Sie} -- der im ganzen strengen Rath der Weiber Bestochne Richter sitzen hat, der Weiber, Die über Männerwerth und Männerruhm Ausschließend ohne Widerspruch entscheiden? \textit{Der}, wo er nur \textit{bemerkte}, schon erobert, Entzündet, wo er kalt geblieben, wo Er glühen will, mit Paradiesen spielen Und Götterglück verschenken muß -- der Mann, Den die Natur zum Glück von Tausenden Und \textit{Wenigen} mit gleichen Gaben schmückte, Er selber sollte elend sein? -- O Himmel! Der du ihm Alles, Alles gabst, warum, Warum denn nur die Augen ihm versagen, Womit er seine Siege sieht? \\ \3 \[der die ganze Zeit über in die tiefste Zerstreuung versunken war, wird durch das Stillschweigen der Prinzessin plötzlich zu sich selbst gebracht und fährt in die Höhe\] Vortrefflich! Ganz unvergleichlich, Fürstin! Singen Sie Mir diese Stelle noch einmal. \\ \08 \[sieht ihn erstaunt an\] Carlos, Wo waren Sie indessen? \\ \3 \[springt auf\] Ja, bei Gott! Sie mahnen mich zur rechten Zeit. -- Ich muß, Muß fort -- muß eilends fort. \\ \08 \[hält ihn zurück\] Wohin? \\ \3 \[in schrecklicher Beängstigung\] Hinunter Ins Freie. -- Lassen Sie mich los, Prinzessin, Mir wird, als rauchte hinter mir die Welt In Flammen auf -- \\ \08 \[hält ihn mit Gewalt zurück\] Was haben Sie? Woher Dies fremde, unnatürliche Betragen? \[Carlos bleibt stehen und wird nachdenkend. Sie ergreift diesen Augenblick, ihn zu sich auf den Sopha zu ziehen\] Sie brauchen Ruhe, lieber Carl -- Ihr Blut Ist jetzt in Aufruhr -- setzen Sie sich zu mir -- Weg mit den schwarzen Fieberphantasien! Wenn Sie sich selber offenherzig fragen, Weiß dieser Kopf, was dieses Herz beschwert? Und wenn er's nun auch wüßte -- sollte denn Von allen Rittern dieses Hofs nicht einer, Von allen Damen keine -- Sie zu heilen, Sie zu verstehen, wollt' ich sagen -- keine Von allen würdig sein? \\ \3 \[flüchtig, gedankenlos\] Vielleicht die Fürstin Von Eboli -- \\ \08 \[freudig, rasch\] Wahrhaftig? \\ \3 Geben Sie Mir eine Bittschrift -- ein Empfehlungsschreiben An meinen Vater. Geben Sie! Man spricht, Sie gelten viel. \\ \08 Wer spricht das? (Ha, so war es \textit{Der} Argwohn, der dich stumm gemacht!) \\ \3 Wahrscheinlich Ist die Geschichte schon herum. Ich habe Den schnellen Einfall, nach Brabant zu gehn, Um -- bloß um meine Sporen zu verdienen. Das will mein Vater nicht. -- Der gute Vater Besorgt, wenn ich Armeen commandierte -- Mein Singen könne drunter leiden. \\ \08 Carlos, Sie spielen falsch. Gestehen Sie, Sie wollen In dieser Schlangenwindung mir entgehn. Hieher gesehen, Heuchler! Aug' in Auge! Wer nur von Ritterthaten träumt -- wird \textit{Der}, Gestehen Sie -- wird \textit{Der} auch wohl so tief Herab sich lassen, Bänder, die den Damen Entfallen sind, begierig wegzustehlen Und -- Sie verzeihn -- \\ \[Indem sie mit einer leichten Fingerbewegung seine Hemdkrause wegschnellt und eine Bandschleife, die da verborgen war, wegnimmt\] so kostbar zu verwahren? \3 \[mit Befremdung zurücktretend\] Prinzessin -- Nein, das geht zu weit. -- Ich bin Verrrathen. Sie betrügt man nicht. -- Sie sind Mit Geistern, mit Dämonen einverstanden. \08 Darüber scheinen Sie erstaunt? Darüber? Was soll die Wette gelten, Prinz, ich rufe Geschichten in Ihr Herz zurück, Geschichten -- Versuchen Sie es, fragen Sie mich aus. Wenn selbst der Laube Gaukelei'n, ein Laut, Verstümmelt in die Luft gehaucht, ein Lächeln, Von schnellem Ernste wieder ausgelöscht, Wenn selber schon Erscheinungen, Geberden, Wieder Ihre Seele ferne war, mir nicht Entgangen sind, urtheilen Sie, ob ich Verstand, wo Sie verstanden werden wollten? \3 Nun, das ist wahrlich viel gewagt. -- Die Wette Soll gelten, Fürstin. Sie versprechen mir Entdeckungen in meinem eignen Herzen, Um die ich selber nie gewußt. \\ \08 \[etwas empfindlich und ernsthaft\] Nie, Prinz? Besinnen Sie sich besser. Sehn Sie um sich. Dies Cabinet ist keines von den Zimmern Der Königin, wo man das Bischen Maske Noch allenfalls zu loben fand. -- Sie stutzen? Sie werden plötzlich lauter Gluth? -- O freilich, Wer sollte wohl so scharfklug, so vermessen, So müßig sein, den Carlos zu belauschen, Wenn Carlos unbelauscht sich glaubt? -- Wer sah's, Wie er beim letzten Hofball seine Dame, Die Königin, im Tanze stehen ließ Und mit Gewalt ins nächste Paar sich drängte, Statt seiner königlichen Tänzerin Der Fürstin Eboli die Hand zu reichen? Ein Irrthum, Prinz, den der Monarch sogar, Der eben jetzt erschienen war, bemerkte! \3 \[mit ironischem Lächeln\] Auch sogar \textit{Der}? Ja freilich, gute Fürstin, Für Den besonders war das nicht. \\ \08 So wenig, Als jener Auftritt in der Schloßkapelle, Worauf sich wohl Prinz Carlos selbst nicht mehr Besinnen wird. Sie lagen zu den Füßen Der heil'gen Jungfrau, in Gebet ergossen, Als plötzlich -- konnten Sie dafür? -- die Kleider Gewisser Damen hinter Ihnen rauschten. Da fing Don Philipps heldenmüth'ger Sohn, Gleich einem Ketzer vor dem heil'gen Amte, Zu zittern an; auf seinen bleichen Lippen Starb das vergiftete Gebet -- im Taumel Der Leidenschaft -- es war ein Possenspiel Zum Rühren, Prinz -- ergreifen Sie die Hand, Der Mutter Gottes heil'ge kalte Hand, Und Feuerküsse regnen auf den Marmor. \3 Sie thun mir Unrecht, Fürstin. Das war Andacht. \08 Ja, dann ist's etwas andres, Prinz -- dann freilich War's damals auch nur Furcht vor dem Verluste, Als Carlos mit der Königin und mir Beim Spielen saß und mit bewundernswerther Geschicklichkeit mir diesen Handschuh stahl -- \[Carlos springt bestürzt auf\] Den er zwar gleich nachher so artig war -- Statt einer Karte wieder auszuspielen. \3 O Gott -- Gott -- Gott! Was hab' ich da gemacht? \08 Nichts, was Sie widerrufen werden, hoff' ich. Wie froh erschrak ich, als mir unvermuthet Ein Briefchen in die Finger kam, das Sie In diesen Handschuh zu verstecken wußten. Es war die rührendste Romanze, Prinz, Die -- \\ \3 \[ihr rasch ins Wort fallend\] Poesie! -- Nichts weiter. -- Mein Gehirn Treibt öfters wunderbare Blasen auf, Die schnell, wie sie entstanden sind, zerspringen. Das war es Alles. Schweigen wir davon. \08 \[vor Erstaunen von ihm weggehend und ihn eine Zeit lang aus der Entfernung beobachtend\] Ich bin erschöpft -- all meine Proben gleiten Von diesem schlangenglatten Sonderling. \[Sie schweigt einige Augenblicke\] Doch wie? -- Wär's ungeheurer Männerstolz, Der nur, sich desto süßer zu ergötzen, Die Blödigkeit als Larve brauchte? -- Ja? \[Sie nähert sich dem Prinzen wieder und betrachtet ihn zweifelhaft\] Belehren \textit{Sie} mich endlich, Prinz -- Ich stehe Vor einem rauberisch verschloßnen Schrank, Wo alle meine Schlüssel mich betrügen. \3 Wie ich vor Ihnen. \\ \08 \[Sie verläßt ihn schnell, geht einigemal stillschweigend im Kabinet auf und nieder und scheint über etwas Wichtiges nachzudenken. Endlich nach einer großen Pause ernsthaft und feierlich\] Endlich sei es denn -- Ich muß einmal zu reden mich entschließen. Zu meinem Richter wähl' ich Sie. Sie sind Ein edler Mensch -- ein Mann, sind Fürst und Ritter. An Ihren Busen werf' ich mich. Sie werden Mich retten, Prinz, und, wo ich ohne Rettung Verloren bin, theilnehmend um mich weinen. \[Der Prinz rückt näher, mit erwartungsvollem, teilnehmendem Er\-stau\-nen\] Ein frecher Günstling des Monarchen buhlt Um meine Hand -- Ruy Gomez, Graf von Silva -- Der König will, schon ist man Handels einig, Ich bin der Creatur verkauft. \\ \3 \[heftig ergriffen\] Verkauft? Und wiederum verkauft? und wiederum Von dem berühmten Handelsmann in Süden? \08 Nein, hören Sie erst Alles. Nicht genug, Daß man der Politik mich hingeopfert, Auch meiner Unschuld stellt man nach -- Da hier! Dies Blatt kann diesen Heiligen entlarven. \[Carlos nimmt das Papier und hängt voll Ungeduld an ihrer Erzählung, ohne sich Zeit zu nehmen, es zu lesen\] Wo soll ich Rettung finden, Prinz? Bis jetzt War es mein Stolz, der meine Tugend schützte; Doch endlich -- \\ \3 Endlich fielen Sie? Sie fielen? Nein, nein! um Gottes willen, nein! \\ \08 \[stolz und edel\] Durch \textit{wen}? Armselige Vernünftelei! Wie schwach Von diesen starken Geistern! Weibergunst, Der Liebe Glück der Waare gleich zu achten, Worauf geboten werden kann! Sie ist Das Einzige auf diesem Rund der Erde, Was keinen Käufer leidet, als sich selbst. Die Liebe ist der Liebe Preis. Sie ist Der unschätzbare Diamant, den ich \textit{Verschenken} oder, ewig ungenossen, \textit{Verscharren} muß -- dem großen Kaufmann gleich, Der, ungerührt von des Rialto Gold Und Königen zum Schimpfe, seine Perle Dem reichen Meere wiedergab, zu stolz, Sie \textit{unter} ihrem Werthe loszuschlagen. \3 (Beim wunderbaren Gott -- das Weib ist schön!) \08 Man nenn' es Grille -- Eitelkeit: gleichviel. Ich \textit{theile} meine Freuden nicht. Dem Mann, Dem Einzigen, den ich mir auserlesen, Geb' ich für Alles Alles hin. Ich schenke Nur einmal, aber ewig. Einen nur Wird meine Liebe glücklich machen -- Einen -- Doch diesen Einzigen zum Gott. Der Seelen Entzückender Zusammenklang -- ein Kuß -- Der Schäferstunde schwelgerische Freuden -- Der Schönheit hohe, himmlische Magie Sind \textit{eines} Strahles schwesterliche Farben, Sind \textit{einer} Blume Blätter nur. Ich sollte, Ich Rasende! ein abgerißnes Blatt Aus dieser Blume schönem Kelch verschenken? Ich selbst des Weibes hohe Majestät, Der Gottheit großes Meisterstück, verstümmeln, Den Abend eines Prassers zu versüßen? \3 (Unglaublich! Wie? ein solches Mädchen hatte Madrid, und ich -- und ich erfahr' es heute Zum ersten Mal?) \\ \08 Längst hätt' ich diesen Hof Verlassen, diese Welt verlassen, hätte In heil'gen Mauern mich begraben; doch Ein einzig Band ist noch zurück, ein Band, Das mich an diese Welt allmächtig bindet. Ach, ein Phantom vielleicht! doch mir so werth! Ich liebe und bin -- nicht geliebt. \\ \3 \[voll Feuer auf sie zugehend\] Sie sind's! So wahr ein Gott im Himmel wohnt, ich schwör' es. Sie sind's, und unaussprechlich. \\ \08 Sie? Sie schwören's? Ich, das war meines Engels Stimme! Ja, Wenn freilich Sie es schwören, Carl, dann glaub' ich's, Dann bin ich's. \\ \3 \[der sie voll Zärtlichkeit in die Arme schließt\] Süßes, seelenvolles Mädchen! Anbetungswürdiges Geschöpf! -- Ich stehe Ganz Ohr -- ganz Auge -- ganz Entzücken -- ganz Bewunderung. -- Wer hätte dich gesehn, Wer unter diesem Himmel dich gesehn Und rühmte sich -- er habe nie geliebt? -- Doch hier an König Philipps Hof? Was hier? Was, schöner Engel, willst du hier? bei Pfaffen Und Pfaffenzucht? Das ist kein Himmelsstrich Für solche Blumen. -- Möchten sie sie brechen? Sie möchten -- o, ich glaub' es gern. -- Doch nein! So wahr ich Leben athme, nein! -- Ich schlinge Den Arm um dich, auch meinen Armen trag' ich Durch eine teufelvolle Hölle dich! Ja -- laß mich deinen Engel sein. -- \\ \08\[mit dem vollen Blick der Liebe\] O Carlos! Wie wenig hab' ich Sie gekannt! Wie reich Und grenzenlos belohnt Ihr schönes Herz Die schwere Müh', es zu begreifen!\\ \[Sie nimmt seine Hand und will sie küssen\] \3 \[der sie zurückzieht\] Fürstin, Wie sind Sie jetzt? \\ \08 \[mit Feinheit und Grazie, indem sie starr in seine Hand\\sieht\]% Wie schön ist diese Hand! Wie reich ist sie! -- Prinz, diese Hand hat noch Zwei kostbare Geschenke zu vergeben -- Ein Diadem und Carlos' Herz -- und Beides Vielleicht an \textit{eine} Sterbliche? -- An \textit{eine}? Ein großes, göttliches Geschenk! -- Beinahe Für \textit{eine} Sterbliche zu groß! -- Wie? Prinz, Wenn Sie zu einer Theilung sich entschlössen? Die Königinnen lieben schlecht -- ein Weib, Das lieben kann, versteht sich schlecht auf Kronen: Drum besser, Prinz, Sie theilen, und gleich jetzt, Gleich jetzt -- Wie? Oder hätten Sie wohl schon? Sie hätten wirklich? O, dann um so besser! Und kenn' ich diese Glückliche? \\ \3 Du sollst. Dir, Mädchen, dir entdeck' ich mich -- der Unschuld, Der lautern, unentheiligten Natur Entdeck' ich mich. An diesem Hof bist du Die Würdigste, die Einzigste, die Erste, Die meine Seele ganz versteht. -- Ja denn! Ich leugn' es nicht -- ich liebe! \\ \08 Böser Mensch! So schwer ist das Geständniß dir geworden? Beweinenswürdig mußt' ich sein, wenn du Mich liebenswürdig finden solltest? \\ \3 \[stutzt\] Was? Was ist das? \\ \08 Solches Spiel mit mir zu treiben! O wahrlich, Prinz, es war nicht schön. Sogar Den Schlüssel zu verleugnen! \\ \3 Schlüssel! Schlüssel! \[Nach einem dumpfen Besinnen\] Ja so -- so war's. -- Nun merk' ich -- -- O mein Gott! \[Seine Kniee wanken, er hält sich an einen Stuhl und verhüllt das Ge\-sicht\] \08 \[Eine lange Stille von beiden Seiten. Die Fürstin schreit laut und fällt\] Abscheulich! Was hab' ich gethan! \\ \3 \[sich aufrichtend, im Ausbruch des heftigsten Schmerzes\] So tief Herabgestürzt von allen meinen Himmeln! -- O, das ist schrecklich! \\ \08 \[das Gesicht in das Kissen verbergend\] Was entdeck' ich? Gott! \3 \[vor ihr niedergeworfen\] Ich bin nicht schuldig, Fürstin -- Leidenschaft -- Ein unglücksel'ger Mißverstand -- Bei Gott! Ich bin nicht schuldig. \\ \08 \[stößt ihn von sich\] Weg aus meinen Augen, Um Gottes willen -- \\ \3 Nimmermehr! In dieser Entsetzlichen Erschüttrung Sie verlassen? \08 \[ihn mit Gewalt wegdrängend\] Aus Großmuth, aus Barmherzigkeit, hinaus Von meinen Augen! -- Wollen Sie mich morden? Ich hasse Ihren Anblick!\\ \[Carlos will gehen\] Meinen Brief Und meinen Schlüssel geben Sie mir wieder. Wo haben Sie den andern Brief? \\ \3 Den andern? Was denn für einen andern? \\ \08 Den vom König. \3 \[zusammenschreckend\] Von \textit{wem}?\\ \08 Den Sie vorhin von mir bekamen. \3 Vom König? und an wen? an Sie? \\ \08 O Himmel! Wie schrecklich hab' ich mich verstrickt! Den Brief! Heraus damit! ich muß ihn wieder haben. \3 Vom König Briefe, und an Sie? \\ \08 Den Brief! Im Namen aller Heiligen! \\ \3 Der einen Gewissen mir entlarven sollte -- diesen? \08 Ich bin des Todes! -- Geben Sie! \\ \3 Der Brief -- \08 \[in Verzweiflung die Hände ringend\] Was hab' ich Unbesonnene gewagt! \3 Der Brief -- der kam vom König? -- Ja, Prinzessin, Das ändert freilich Alles schnell -- \textit{Das} ist \[den Brief frohlockend emporhaltend\] Ein unschätzbarer -- schwerer -- theurer Brief, Den alle Kronen Philipps einzulösen Zu leicht, zu nichtsbedeutend sind. -- \textit{Den} Brief Behalt' ich \\ \[Er geht\] \08 \[wirft sich ihm in den Weg\] Großer Gott, ich bin verloren! \Auftritt % 2.9 \(Die Prinzessin allein\) \[Sie steht noch betäubt, außer Fassung; nachdem er hinaus ist, eilt sie ihm nach und will ihn zurückrufen\] \08 Prinz, noch ein Wort. Prinz, hören Sie -- Er geht! Auch das noch! Er verachtet mich -- Da steh' ich In fürchterlicher Einsamkeit -- verstoßen, Verworfen -- \\ \[Sie sinkt auf einen Sessel. Nach einer Pause\] Nein! Verdrungen nur, verdrungen Von einer Nebenbuhlerin. Er liebt. Kein Zweifel mehr. Er hat es selbst bekannt. Doch \textit{wer} ist diese Glückliche? -- So viel Ist offenbar -- er liebt, was er nicht sollte. Er fürchtet die Entdeckung. Vor dem König Verkriecht sich seine Leidenschaft -- Warum Vor diesem, der sie wünschte? -- Oder ist's Der Vater nicht, was er im Vater fürchtet? Als ihm des Königs buhlerische Absicht Verrathen war -- da jauchzten seine Mienen, Frohlockt' er, wie ein Glücklicher... Wie kam es, Daß seine strenge Tugend hier verstummte? Hier? eben hier? Was kann denn er dabei, Er zu gewinnen haben, wenn der König Der Königin die -- \\ \[Sie hält plötzlich ein, von einem Gedanken überrascht -- Zu gleicher Zeit reißt sie die Schleife, die ihr Carlos gegeben hat, von dem Busen, betrachtet sie schnell und erkennt sie\] O, ich rasende ! Jetzt endlich, jetzt -- Wo waren meine Sinne? Jetzt gehen mir die Augen auf -- Sie hatten Sich lang geliebt, eh der Monarch sie wählte. Nie ohne \textit{sie} sah mich der Prinz. -- Sie also, \textit{Sie} war gemeint, wo ich so grenzenlos, So warm, so wahr mich angebetet glaubte? O, ein Betrug, der ohne Beispiel ist! Und meine Schwäche hab' ich ihr verrathen -- \[Stillschweigen\] Daß er ganz ohne Hoffnung lieben sollte! Ich kann's nicht glauben -- Hoffnungslose Liebe Besteht in diesem Kampfe nicht. Zu schwelgen, Wo unerhört der glänzendste Monarch Der Erde schmachtet -- Wahrlich! solche Opfer Bringt hoffnungslose Liebe nicht. Wie feurig War nicht sein Kuß! Wie zärtlich drückt' er mich, Wie zärtlich an sein schlagend Herz! -- Die Probe War fast zu kühn für die romant'sche Treue, Die nicht erwiedert werden soll -- Er nimmt Den Schlüssel an, den, wie er sich beredet, Die Königin ihm zugeschickt -- er glaubt An diesen Riesenschritt der Liebe -- kommt, Kommt wahrlich, kommt! -- So traut er Philipps Frau Die rasende Entschließung zu. -- Wie kann er, Wenn hier nicht große Proben ihn ermuntern? Es ist am Tag. Er wird erhört. Sie liebt! Beim Himmel, diese Heilige empfindet! Wie fein ist sie!... Ich zitterte ich selbst, Vor dem erhabnen Schreckbild dieser Tugend. Ein höhres Wesen ragt sie neben mir. In ihrem Glanz erlösch' ich. Ihrer Schönheit Mißgönnt' ich diese hohe Ruhe, frei Von jeder Wallung sterblicher Naturen. Und diese Ruhe war nur Schein? Sie hätte An beiden Tafeln schwelgen wollen? -- Hätte Den Götterschein der Tugend schaugetragen, Und doch zugleich des Lasters heimliche Entzückungen zu naschen sich erdreistet? Das durfte sie? Das sollte ungerochen Der Gauklerin gelungen sein? Gelungen, Weil sich kein Rächer meldet? -- Nein, bei Gott! Ich betete sie an -- Das fordert Rache! Der König wisse den Betrug -- der König? \[Nach einigem Besinnen\] Ja, recht -- das ist ein Weg zu seinem Ohre. \[Sie geht ab\] \Szene{Ein Zimmer im königlichen Palaste} \Auftritt % 2.10 \(Herzog von Alba. Pater Domingo\) \16 Was wollten Sie mir sagen? \\ \11 Eine wicht'ge Entdeckung, die ich heut gemacht, worüber Ich einen Aufschluß haben möchte. \\ \16 Welche Entdeckung? Wovon reden Sie? \\ \11 Prinz Carlos Und ich begegnen diesen Mittag uns Im Vorgemach der Königin. Ich werde Beleidigt. Wir erhitzen uns. Der Streit Wird etwas laut. Wir greifen zu den Schwertern. Die Königin auf das Getöse öffnet Das Zimmer, wirft sich zwischen uns und sieht Mit einem Blick despotischer Vertrautheit Den Prinzen an. -- Es war ein einz'ger Blick. -- Sein Arm erstarrt -- er fliegt an meinen Hals -- Ich fühle einen heißen Kuß -- er ist Verschwunden. \\ \16 \[nach einigem Stillschweigen\] Das ist sehr verdächtig. -- Herzog, Sie mahnen mich an etwas. -- -- Aehnliche Gedanken, ich gesteh' es, keimten längst In meiner Brust. -- Ich flohe diese Träume -- Noch hab' ich Niemand sie vertraut. Es gibt Zweischneid'ge Klingen, ungewisse Freunde -- Ich fürchte diese. Schwer zu unterscheiden, Noch schwerer zu ergründen sind die Menschen. Entwischte Worte sind beleidigte Vertraute -- drum begrub ich mein Geheimniß, Bis es die Zeit ans Licht hervorgewälzt. Gewisse Dienste Königen zu leisten, Ist mißlich, Herzog -- ein gewagter Wurf, Der, fehlt er seine Beute, auf den Schützen Zurücke prallt. -- Ich wollte, was ich sage, Auf eine Hostie beschwören -- doch Ein Augenzeugniß, ein erhaschtes Wort, Ein Blatt Papier fällt schwerer in die Wage, Als mein lebendigstes Gefühl. -- Verwünscht, Daß wir auf span'schem Boden stehn! \\ \11 Warum Auf diesem nicht? \\ \16 An jedem andern Hofe Kann sich die Leidenschaft vergessen. Hier Wird sie gewarnt von ängstlichen Gesetzen. Die span'schen Königinnen haben Müh, Zu sündigen -- ich glaub' es -- doch zum Unglück \textit{Nur} da -- gerade \textit{da} nur, wo es uns Am besten glückte, sie zu überraschen. \11 Hören Sie weiter -- Carlos hatte heut' Gehör beim König. Eine Stunde währte Die Audienz. Er bat um die Verwaltung Der Niederlande. Laut und heftig bat er; Ich hört' es in dem Kabinet. Sein Auge War roth geweint, als ich ihm an der Thüre Begegnete. Den Mittag drauf erscheint er Mit einer Miene des Triumphs. Er ist Entzückt, daß mich der König vorgezogen. Er dankt es ihm. Die Sachen stehen anders, Sagt er, und besser. Heucheln konnt' er nie. Wie soll ich diese Widersprüche reimen? Der Prinz frohlockt, hintangesetzt zu sein, Und mir ertheilt der König eine Gnade Mit allen Zeichen seines Zorns! -- Was muß Ich glauben? Wahrlich, diese neue Würde Sieht einer Landsverweisung ähnlicher Als einer Gnade. \\ \16 Dahin also wär' es Gekommen? Dahin? Und ein Augenblick Zertrümmerte, was wieder in Jahren bauten? Und Sie so ruhig? so gelassen? -- Kennen Sie diesen Jüngling? Ahnen Sie, was uns Erwartet, wenn er mächtig wird? -- Der Prinz -- -- Ich bin sein Feind nicht. Andre Sorgen nagen An meiner Ruhe, Sorgen für den Thron, Für Gott und seine Kirche. Der Infant (Ich kenn' ihn -- ich durchdringe seine Seele) Hegt einen schrecklichen Entwurf -- Toledo -- Den rasenden Entwurf, Regent zu sein Und unsern heil'gen Glauben zu entbehren. -- Sein Herz entglüht für einen neue Tugend, Die, stolz und sicher und sich selbst genug, Von keinem Glauben betteln will. -- Er \textit{denkt}! Sein Kopf entbrennt von einer seltsamen Chimäre -- er verehrt den Menschen -- Herzog, Ob er zu unserm König taugt? \\ \11 Phantome! Was sonst? Vielleicht auch jugendlicher Stolz, Der eine Rolle spielen möchte. -- Bleibt Ihm eine andre Wahl? Das geht vorbei, Trifft ihn einmal die Reihe, zu befehlen. \16 Ich zweifle. Er ist stolz auf seine Freiheit, Des Zwanges ungewohnt, womit man Zwang Zu kaufen sich bequemen muß. -- Taugt er Auf unsern Thron? Der kühne Riesengeist Wird unsrer Staatskunst Linien durchreißen. Umsonst versucht' ich's, diesen trotz'gen Muth In dieser Zeiten Wollust abzumatten; Er überstand die Probe -- Schrecklich ist In diesem Körper dieser Geist -- und Philipp Wird sechzig Jahr' alt. \\ \11 Ihre Blicke reichen Sehr weit. \\ \16 Er und die Königin sind Eins. Schon schleicht, verborgen zwar, in Beider Brust Das Gift der Neuerer; doch bald genug, Gewinnt es Raum, wird es den Thron ergreifen. Ich kenne diese Valois. -- Fürchten wir Die ganze Rache dieser stillen Feindin, Wenn Philipp Schwächen sich erlaubt. Noch ist Das Glück uns günstig. Kommen wir zuvor. In \textit{eine} Schlinge stürzen Beide. -- Jetzt Ein solcher Wink dem Könige gegeben, Bewiesen oder nicht bewiesen -- viel Ist schon gewonnen, wenn er wankt. Wir selbst, Wir zweifeln Beide nicht. Zu überzeugen Fällt keine Ueberzeugten schwer. Es kann Nicht fehlen, wir entdecken mehr, sind wir Vorher gewiß, daß wir entdecken müssen. \11 Doch nun die wichtigste von allen Fragen: Wer nimmt's auf sich, den König zu belehren? \16 Noch Sie, noch ich. Erfahren Sie also, Was lange schon, des großen Planes voll, Mein stiller Fleiß dem Ziele zugetrieben. Noch mangelt, unser Bündniß zu vollenden, Die dritte, wichtigste Person. -- Der König Liebt die Prinzessin Eboli. Ich nähre Die Leidenschaft, die meinen Wünschen wuchert. Ich bin sein Abgesandter -- unserm Plane Erzieh' ich sie. -- In dieser jungen Dame, Gelingt mein Werk, soll eine Blutsverwandtin, Soll eine Königin uns blühn. Sie selbst Hat jetzt in dieses Zimmer mich berufen. Ich hoffe Alles. -- Jene Lilien Von Valois zerknickt ein span'sches Mädchen Vielleicht in \textit{einer} Mitternacht. \\ \11 Was hör' ich? Ist's Wahrheit, was ich jetzt gehört? -- Beim Himmel! Das überrascht mich! Ja, \textit{der} Streich vollendet! Dominicaner, ich bewundre dich, Jetzt haben wir gewonnen -- \\ \16 Still! Wer kommt? Sie ist's -- sie selbst. \\ \11 Ich bin im nächsten Zimmer, Wenn man -- \\ \16 Schon recht. Ich rufe Sie. \\ \[Der Herzog von Alba geht ab\] \Auftritt % 2.11 \(Die Prinzessin. Domingo\) \16 Zu Ihren Befehlen, gnäd'ge Fürstin. \\ \08 \[dem Herzog neugierig nachsehend\] Sind wir etwa Nicht ganz allein? Sie haben, wie ich sehe, Noch einen Zeugen bei sich? \\ \16 Wie? \\ \08 Wer war es, Der eben jetzt von Ihnen ging? \\ \16 Der Herzog Von Alba, gnäd'ge Fürstin, der nach mir Um die Erlaubniß bittet, vorgelassen zu werden. \\ \08 Herzog Alba? Was will der? Was kann er wollen? Wissen Sie vielleicht Es mir zu sagen? \\ \16 Ich? und eh' ich weiß, Was für ein Vorfall von Bedeutung mir Das lang' entbehrte Glück verschafft, der Fürstin Von Eboli mich wiederum zu nähern? \[Pause, worin er ihre Antwort erwartet\] Ob sich ein Umstand endlich vorgefunden, Der für des Königs Wünsche spricht? ob ich Mit Grund gehofft, daß beßre Ueberlegung Mit einem Anerbieten Sie versöhnt, Das Eigensinn, das Laune bloß verworfen? Ich komme voll Erwartung -- \\ \08 Brachten Sie Dem König meine letzte Antwort? \\ \16 Noch Verschob ich's, ihn so tödtlich zu verwunden. Noch, gnäd'ge Fürstin, ist es Zeit. Es steht Bei Ihnen, sie zu mildern. \\ \08 Melden Sie Dem König, daß ich ihn erwarte. \\ \16 Darf Ich das für Wahrheit nehmen, schöne Fürstin? \08 Für Scherz doch nicht? Bei Gott, Sie machen mir Ganz bange. -- Wie? Was hab' ich denn gethan, Wenn sogar Sie -- Sie selber sich entfärben? \16 Prinzessin, diese Ueberraschung -- kaum Kann ich es fassen -- \\ \08 Ja, hochwürd'ger Herr, Das sollen Sie auch nicht. Um alle Güter Der Welt möcht' ich nicht haben, daß Sie's faßten. Genug für Sie, daß es so ist. Ersparen Sie sich die Mühe, zu ergrübeln, wessen Beredsamkeit Sie diese Wendung danken. Zu Ihrem Trost setz' ich hinzu: Sie haben Nicht Theil an dieser Sünde. Auch wahrhaftig Die Kirche nicht; obschon Sie mir bewiesen, Daß Fälle möglich wären, wo die Kirche Sogar die \textit{Körper} ihrer jungen Töchter Für höhre Zwecke zu gebrauchen wüßte. Auch diese nicht. -- Dergleichen fromme Gründe, Ehrwürd'ger Herr, sind mir zu hoch -- \\ \16 Sehr gerne, Prinzessin, nehm' ich sie zurück, sobald Sie überflüssig waren. \\ \08 Bitten Sie Von meinetwegen den Monarchen, ja In dieser Haltung mich nicht zu verkennen. Was ich gewesen, bin ich noch. Die Lage Der Dinge nur hat seitdem sich verwandelt. Als ich sein Anerbieten mit Entrüstung Zurücke stieß, da glaubt' ich im Besitze Der schönsten Königin ihn \textit{glücklich} -- glaubte Die treue Gattin meines Opfers werth. Das glaubt' ich damals -- damals. Freilich jetzt, Jetzt weiß ich's besser. \\ \16 Fürstin, weiter, weiter. Ich hör' es, wir verstehen uns. \\ \08 Genug, Sie ist erhascht. Ich schone sie nicht länger. Die schlaue Diebin ist erhascht. Den König, Ganz Spanien und mich hat sie betrogen. Sie liebt. Ich weiß es, daß sie liebt. Ich bringe Beweise, die sie zittern machen sollen. Der König ist betrogen -- doch, bei Gott, Er sei es ungerochen nicht! Die Larve Erhabner, übermenschlicher Entsagung Reiß' ich ihr ab, daß alle Welt die Stirne Der Sünderin erkennen soll. Es kostet Mir einen ungeheuren Preis, doch -- das Entzückt mich, das ist mein Triumph -- doch \textit{ihr} Noch einen größern. \\ \16 Nun ist Alles reif. Erlauben Sie, daß ich den Herzog rufe. \[Er geht hinaus\] \08 \[erstaunt\] Was wird das? \\ \Auftritt % 2.12 \(Die Prinzessin. Herzog Alba. Domingo\) \16 \[der den Herzog hereinführt\] Unsre Nachricht, Herzog Alba, Kommt hier zu spät. Die Fürstin Eboli Entdeckt uns ein Geheimniß, das sie eben Von uns erfahren sollte. \\ \11 Mein Besuch Wird dann um so viel minder sie befremden. Ich traue \textit{meinen} Augen nicht. Dergleichen Entdeckungen verlangen Weiberblicke. \08 Sie sprechen von Entdeckungen? \\ \16 Wir wünschten Zu wissen, gnäd'ge Fürstin, welchen Ort Und welche beßre Stunde Sie -- \\ \08 Auch das! So will ich morgen Mittag Sie erwarten. Ich habe Gründe, dieses strafbare Geheimniß länger nicht zu bergen -- es Nicht länger mehr dem König zu entziehn. \11 Das war es, was mich hergeführt. Sogleich Muß der Monarch es wissen. Und durch Sie, Durch \textit{Sie}, Prinzessin, muß er das. Wem sonst, Wem sollt' er lieber glauben, als der strengen, Der wachsamen Gespielin seines Weibes? \16 Wem mehr, als Ihnen, die, sobald sie will, Ihn unumschränkt beherrschen kann? \\ \11 Ich bin Erklärter Feind des Prinzen. \\ \16 Eben das Ist man gewohnt von mir vorauszusetzen. Die Fürstin Eboli ist frei. Wo \textit{wir} Verstummen müssen, zwingen Pflichten Sie, Zu reden, Pflichten Ihres Amts. Der König Entflieht uns nicht, wenn Ihre Winke wirken, Und dann vollenden wir das Werk. \\ \11 Doch bald, Gleich jetzt muß das geschehn. Die Augenblicke Sind kostbar. Jede nächste Stunde kann Mir den Befehl zum Abmarsch bringen. -- \\ \16 \[sich nach einigem Ueberlegen zur Fürstin wendend\] Ob Sich Briefe finden ließen? Briefe freilich, Von dem Infanten aufgefangen, müßten Hier Wirkung thun. -- Laß sehen. -- Nicht wahr? -- Ja. Sie schlafen doch -- so däucht mir -- in demselben Gemache mir der Königin. \\ \08 Zunächst An diesem. -- Doch was soll mir das? \\ \16 Wer sich Auf Schlösser gut verstände! Haben Sie Bemerkt, wo sie den Schlüssel zur Schatulle Gewöhnlich zu bewahren pflegt? \\ \08 \[nachdenkend\] Das könnte Zu etwas führen. -- Ja -- der Schlüssel wäre Zu finden, denk' ich. -- \\ \16 Briefe wollen Boten -- -- Der Königin Gefolg' ist groß. -- -- Wer hier Auf eine Spur gerathen könnte! -- -- Gold Vermag zwar viel -- \\ \11 Hat Niemand wahrgenommen, Ob er Infant Vertraute hat? \\ \16 Nicht \textit{einen}, In ganz Madrid nicht \textit{einen}. \\ \11 Das ist seltsam. \16 Das dürfen Sie mir glauben. Er verachtet Den ganzen Hof; ich habe meine Proben. \11 Doch wie? Hier eben fällt mir ein, als ich Von dem Gemach der Königin heraus kam, Stand der Infant bei einem ihrer Pagen; Sie sprachen heimlich -- \\ \08 \[rasch einfallend\] Nicht doch, nein! Das war -- Das war von etwas Anderm. \\ \16 Können \textit{wir} Das wissen? -- Nein, der Umstand ist verdächtig. -- \[Zum Herzog\] Und kannten Sie den Pagen? \\ \08 Kinderpossen! Was wird's auch sonst gewesen sein? Genug, Ich kenne das. -- Wir sehn uns also wieder, Eh' ich den König spreche. -- Unterdessen Entdeckt sich viel. \\ \16 \[sie auf die Seite führend\] Und der Monarch darf hoffen? Ich darf es ihm verkündigen? Gewiß? Und welche schöne Stunde seinen Wünschen Erfüllung endlich bringen wird? Auch dies? \08 In ein'gen Tagen werd' ich krank; man trennt mich Von der Person der Königin -- das ist An unserm Hofe Sitte, wie Sie wissen. Ich bleibe dann auf meinem Zimmer. \\ \16 Glücklich! Gewonnen ist das große Spiel. Trotz sei Geboten allen Königinnen -- \\ \08 Horch! Man fragt nach mir -- die Königin verlangt mich. Auf Wiedersehen. \\ \[Sie eilt ab\] \Auftritt % 2.13 \(Alba. Domingo\) \16 \[nach einer Pause, worin er die Prinzessin mit den Augen begleitet hat\] Herzog, diese Rosen Und Ihre Schlachten -- \\ \11 Und dein Gott -- so will ich Den Blitz erwarten, der uns stürzen soll! \[Sie gehen ab\] \Szene{In einem Karthäuserkloster} \Auftritt % 2.14 \(Don Carlos. Der Prior\) \3 \[zum Prior, indem er hereintritt\] Schon da gewesen also? -- Das beklag' ich. \18 Seit heute Morgen schon das dritte Mal. Vor einer Stunde ging er weg -- \\ \3 Er will Doch wiederkommen? Hinterließ er nicht? \18 Vor Mittag noch, versprach er. \\ \3 \[an ein Fenster und sich in der Gegend umsehend\] Euer Kloster Liegt weit ab von der Straße. -- Dorthin zu Sieht man noch Thürme von Madrid. -- Ganz recht, Und hier fließt der Manzanares -- Die Landschaft Ist, wie ich sie mir wünsche. Alles ist Hier still, wie ein Geheimniß. \\ \18 Wie der Eintritt Ins andre Leben. \\ \3 Eurer Redlichkeit, Hochwürd'ger Herr, hab' ich mein Kostbarstes, Mein Heiligstes vertraut. Kein Sterblicher Darf wissen oder nur vermuthen, \textit{wen} Ich hier gesprochen und \textit{geheim}. Ich habe Sehr wicht'ge Gründe, vor der ganzen Welt Den Mann, den ich erwarte, zu verleugnen: Drum wählt' ich dieses Kloster. Vor Verräthern, Vor Ueberfall sind wir doch sicher? Ihr Besinnt Euch doch, was Ihr mir zugeschworen? \18 Vertrauen Sie uns, gnäd'ger Herr. Der Argwohn Der Könige wird \textit{Gräber} nicht durchsuchen. Das Ohr der Neugier liegt nur an den Thüren Des Glückes und der Leidenschaft. Die Welt Hört auf in diesen Mauern. \\ \3 Denkt Ihr etwa, Daß hinter diese Vorsicht, diese Furcht Ein schuldiges Gewissen sich verkrieche? \18 Ich denke nichts. \\ \3 Ihr irrt Euch, frommer Vater, Ihr irrt Euch wahrlich. Mein Geheimniß zittert Vor Menschen, aber nicht vor Gott. \\ \18 Mein Sohn, Das kümmert \textit{uns} sehr wenig. Diese Freistatt Steht dem Verbrechen offen, wie der Unschuld. Ob, was du vorhast, gut ist oder übel, Rechtschaffen oder lasterhaft -- das mache Mit deinem Herzen aus. \\ \3 \[mit Wärme\] Was wir Verheimlichen, kann Euren Gott nicht schänden. Es ist sein eignes, schönstes Werk. -- Zwar Euch, Euch kann ich's wohl entdecken. \\ \18 Zu was Ende? Erlassen Sie mir's lieber, Prinz. Die Welt Und ihr Geräthe liegt schon lange Zeit Versiegelt da auf jene große Reise. Wozu die kurze Frist vor meinem Abschied Noch einmal es erbrechen? -- Es ist wenig, Was man zur Seligkeit bedarf. -- Die Glocke Zur Hora läutet. Ich muß beten gehn. \[Der Prior geht ab\] \Auftritt % 2.15 \(Don Carlos. Der Marquis von Posa tritt ein\) \3 Ach, endlich einmal, endlich -- \\ \10 Welche Prüfung Für eines Freundes Ungeduld! Die Sonne Ging zweimal auf und zweimal unter, seit Das Schicksal meines Carlos sich entschieden, Und jetzt, erst jetzt werd' ich es hören. -- Sprich, Ihr seid versöhnt? \\ \3 Wer? \\ \10 Du und König Philipp; Und auch mit Flandern ist's entschieden? \\ \3 Daß Der Herzog morgen dahin reist? -- Das ist Entschieden, ja. \\ \10 Das kann nicht sein. Das ist nicht. Soll ganz Madrid belogen sein? Du hattest Geheime Audienz, sagt man. Der König -- \3 Blieb unbewegt. Wir sind getrennt auf immer, Und mehr, als wir's schon waren -- \\ \10 Du gehst \textit{nicht} Nach Flandern? \\ \3 Nein! Nein! Nein! \\ \10 O meine Hoffnung! \3 Das nebenbei. O Roderich, seitdem Wir uns verließen, was hab' ich erlebt! Doch jetzt vor Allem deinen Rath! Ich muß Sie sprechen -- \\ \10 Deine Mutter? -- Nein! -- Wozu? \3 Ich habe Hoffnung. -- Du wirst blaß? Sei ruhig. Ich soll und werde glücklich sein. -- Doch davon Ein ander Mal. Jetzt schaffe Rath, wie ich Sie sprechen kann. -- \\ \10 Was soll das? Worauf gründet Sich dieser neue Fiebertraum? \\ \3 Nicht Traum! Beim wundervollen Gotte nicht! -- Wahrheit, Wahrheit! \[den Brief des Königs an die Fürstin von Eboli hervorziehend\] In diesem wichtigen Papier enthalten! Die Königin ist \textit{frei}, vor Menschenaugen, Wie vor des Himmels Augen, frei. Da lies Und höre auf, dich zu verwundern. \\ \10 \[den Brief öffnend\] Was? Was seh' ich? Eigenhändig vom Monarchen? \[Nachdem er es gelesen\] An wen ist dieser Brief? \\ \3 An die Prinzessin Von Eboli. -- Vorgestern bringt ein Page Der Königin von unbekannten Händen Mir einen Brief und einen Schlüssel. Man Bezeichnet mir im linken Flügel des Palastes, den die Königin bewohnet, Ein Kabinet, wo eine Dame mich Erwarte, die ich längst geliebt. Ich folge Sogleich dem Winke -- \\ \10 Rasender, du folgst? \3 Ich kenne ja die Handschrift nicht -- ich kenne Nur \textit{eine} solche Dame. Wer, als \textit{sie}, Wird sich von Carlos angebetet wähnen? Voll süßen Schwindels flieg' ich nach dem Platze; Ein göttlicher Gesang, der aus dem Innern Des Zimmers mir entgegen schallt, dient mir Zum Führer -- ich eröffne das Gemach -- Und wen entdeck' ich? -- Fühle mein Entsetzen! \10 O, ich errathe Alles. \\ \3 Ohne Rettung War ich verloren, Roderich, wär' ich In eines Engels Hände nicht gefallen. Welch unglücksel'ger Zufall! Hintergangen Von meiner Blicke unvorsicht'ger Sprache, Gab sie der süßen Täuschung sich dahin, Sie selber sei der Abgott dieser Blicke. Gerührt von meiner Seele stillen Leiden, Beredet sich großmüthig-unbesonnen Ihr weiches Herz, mir Liebe zu erwiedern. Die Ehrfurcht schien mir Schweigen zu gebieten; Sie hat die Kühnheit, es zu brechen -- offen Liegt ihre schöne Seele mir -- \\ \10 So ruhig Erzählst du das? -- Die Fürstin Eboli Durchschaute dich. Kein Zweifel mehr, sie drang In deiner Liebe innerstes Geheimniß. Du hast sie schwer beleidigt. Sie beherrscht Den König. \\ \3 \[zuversichtlich\] Sie ist tugendhaft. \\ \10 Sie ist's Aus Eigennutz der Liebe. -- Diese Tugend, Ich fürchte sehr, ich kenne sie -- wie wenig Reicht sie empor zu jenem Ideale, Das aus der Seele mütterlichem Boden, In stolzer, schöner Grazie empfangen, Freiwillig sproßt und ohne Gärtners Hilfe Verschwenderische Blüthen treibt! Es ist Ein fremder Zweig, mit nachgeahmtem Süd In einem rauhern Himmelsstrich getrieben, Erziehung, Grundsatz, nenn' es, wie du willst, \textit{Erworbne Unschuld}, dem erhitzten Blut Durch List und schwere Kämpfe abgerungen, Dem Himmel, der sie fordert und bezahlt, Gewissenhaft, sorgfältig angeschrieben. Erwäge selbst! Wird sie der Königin Es je vergeben können, daß ein Mann An ihrer eignen, schwer erkämpften Tugend Vorüberging, sich für Don Philipps Frau In hoffnungslosen Flammen zu verzehren? \3 Kennst du die Fürstin so genau? \\ \10 Gewiß nicht. Kaum daß ich zweimal sie gesehn. Doch nur Ein Wort laß mich noch sagen: mir kam vor, Daß sie geschickt des Lasters Blößen mied, Daß sie sehr gut um ihre Tugend \textit{wußte}. Dann sah ich auch die Königin. O Carl, Wie anders Alles, was ich hier bemerkte! In angeborner stiller Glorie, Mit sorgenlosem Leichtsinn, mit des Anstands Schulmäßiger Berechnung unbekannt, Gleich ferne von Verwegenheit und Furcht, Mit festem Heldenschritte wandelt sie Die schmale Mittelbahn des \textit{Schicklichen}, Unwissend, daß sie Anbetung erzwungen, Wo sie von eignem Beifall nie geträumt. Erkennt mein Carl auch hier in diesem Spiegel, Auch jetzt noch seine Eboli? -- Die Fürstin Blieb standhaft, weil sie liebte; Liebe war In ihre Tugend wörtlich einbedungen. Du hast sie nicht belohnt -- sie fällt. \\ \3 \[mit einiger Heftigkeit\] Nein! Nein! \[Nachdem er heftig auf und nieder gegangen\] Nein, sag' ich dir. -- Ich, wüßte Roderich, Wie trefflich es ihn kleidet, seinem Carl Der Seligkeiten göttlichste, den Glauben An menschliche Vortrefflichkeit, zu stehlen! \10 Verdien' ich das? -- Nein, Liebling meiner Seele, Das wollt' ich nicht, bei Gott im Himmel nicht! -- O, diese Eboli -- sie wär' ein Engel, Und ehrerbietig, wie du selbst, stürzt' ich Vor ihrer Glorie mich nieder, hätte Sie -- dein Geheimniß nicht erfahren. \\ \3 Sieh, Wie eitel deine Furcht ist! Hat sie andre Beweise wohl, als die sie selbst beschämen? Wird sie der Rache trauriges Vergnügen Mit ihrer Ehre kaufen? \\ \10 Ein Erröthen Zurückzunehmen, haben Manche schon Der Schande sich geopfert. \\ \3 \[mit Heftigkeit aufstehend\] Nein, das ist Zu hart, zu grausam! Sie ist stolz und edel; Ich kenne sie und fürchte nichts. Umsonst Versuchst du, meine Hoffnungen zu schrecken. Ich spreche meine Mutter. \\ \10 Jetzt? Wozu? \3 Ich habe nun nichts mehr zu schonen -- muß Mein Schicksal wissen. Sorge nur, wie ich Sie sprechen kann. \\ \10 Und diesen Brief willst du Ihr zeigen? Wirklich, willst du das? \\ \3 Befrage Mich darum nicht. Das Mittel jetzt, das Mittel, Daß ich sie spreche! \\ \10 \[mit Bedeutung\] Sagtest du mir nicht, Du \textit{liebtest} deine Mutter? -- Du bist Willens, Ihr diesen Brief zu zeigen?\\ \[Carlos sieht zur Erde und schweigt\] Carl, ich lese In deinen Mienen etwas -- mir ganz neu -- Ganz fremd bis diesen Augenblick. -- Du wendest Die Augen von mir? \textit{Warum} wendest du Die Augen von mir? So ist's wahr? -- Ob ich Denn wirklich recht gelesen? Laß doch sehn -- \[Carlos gibt ihm den Brief. Der Marquis zerreißt ihn\] \3 Was? Bist du rasend?\\ \[Mit gemäßigter Empfindlichkeit\] Wirklich -- ich gesteh' es -- An diesem Briefe lag mir viel. \\ \10 So schien es. Darum zerriß ich ihn. \\ \[Der Marquis ruht mit einem durchdringenden Blick auf dem Prinzen der ihn zweifelhaft ansieht. Langes Stillschweigen\] Sprich doch -- was haben Entweihungen des königlichen Bettes Mit deiner -- deiner Liebe denn zu schaffen? War Philipp dir gefährlich? Welches Band Kann die verletzten Pflichten des Gemahls Mit deinen kühnern Hoffnungen verknüpfen? Hat er gesündigt, wo du liebst? Nun freilich Lern' ich dich fassen. O, wie schlecht hab' ich Bis jetzt auf deine Liebe mich verstanden! \3 Wie, Roderich? Was glaubst du? \\ \10 O, ich fühle, Wovon ich mich entwöhnen muß. Ja, einst, Einst war's ganz anders. Da warst du so reich, So warm, so reich! ein ganzes Weltkreis hatte In deinem weiten Busen Raum. Das alles Ist nun dahin, von einer Leidenschaft, Von einem kleinen Eigennutz verschlungen. Dein Herz ist ausgestorben. Keine Thräne Dem ungeheuren Schicksal der Provinzen, Nicht einmal eine Thräne mehr! -- O Carl, Wie arm bist du, wie bettelarm geworden, Seitdem du Niemand liebst, als dich. \\ \3 \[wirft sich in einen Sessel. -- Nach einer Pause mit kaum unterdrücktem Weinen\] Ich weiß, Daß du mich nicht mehr achtest. \\ \10 Nicht so, Carl! Ich kenne diese Aufwallung. Sie war Verirrung lobenswürdiger Gefühle. Die Königin gehörte dir, war dir Geraubt von dem Monarchen -- doch bis jetzt Mißtrautest du bescheiden deinen Rechten. Vielleicht war Philipp ihrer werth. Du wagtest Nur leise noch, das Urtheil ganz zu sprechen. \textit{Der} Brief entschied. Der Würdigste warst du. Mit stolzer Freude sahst du nun das Schicksal Der Tyrannei, des Raubes überwiesen. Du jauchztest, der Beleidigte zu sein; Denn Unrecht leiden schmeichelt großen Seelen. Doch hier verirrte deine Phantasie, Dein Stolz empfand \textit{Genugthuung} -- dein Herz Versprach sich \textit{Hoffnung}. Sieh, ich wußt' es wohl, Du hattest diesmal selbst dich mißverstanden. \3 \[gerührt\] Nein, Roderich, du irrest sehr. Ich dachte So edel nicht, bei Weitem nicht, als du Mich gerne glauben machen möchtest. \\ \10 Bin Ich denn so wenig hier bekannt? Sieh, Carl, Wenn du verirrest, such' ich allemal Die Tugend unter Hunderten zu rathen, Die ich des Fehlers zeihen kann. Doch, nun Wir besser uns verstehen, sei's! Du sollst Die Königin jetzt sprechen, mußt sie sprechen. -- \3 \[ihm um den Hals fallend\] O, wie erröth' ich neben dir! \\ \10 Du hast Mein Wort. Nun überlaß mir alles Andre. Ein wilder, kühner glücklicher Gedanke Steigt auf in meiner Phantasie. -- Du sollst Ihn hören, Carl, aus einem schönen Munde. Ich dränge mich zur Königin. Vielleicht, Daß morgen schon der Ausgang sich erwiesen. Bis dahin, Carl, vergiß nicht, daß »ein Anschlag, Den höhere Vernunft gebar, das Leiden Der Menschen drängt, zehntausendmal vereitelt, Nie aufgegeben werden darf.« -- Hörst du? Erinnre dich an Flandern! \\ \3 Alles, Alles, Was \textit{du} und hohe Tugend mir gebieten. \\ \10 \[geht an ein Fenster\] Die Zeit ist um. Ich höre dein Gefolge. \[Sie umarmen sich\] Jetzt wieder Kronprinz und Vasall. \\ \3 Du fährst Sogleich zur Stadt? \\ \10 Sogleich. \\ \3 Halt! noch ein Wort! Wie leicht war das vergessen! -- Eine Nachricht, Dir äußerst wichtig: -- »Briefe nach Brabant Erbricht der König.« Sei auf deiner Hut! Die Post des Reichs, ich weiß es, hat geheime Befehle -- \\ \10 Wie erfuhrst du das? \\ \3 Don Raimond Von Taxis ist mein guter Freund. \10 \[nach einigem Stillschweigen\] Auch das! So nehmen sie den Umweg über Deutschland. \[Sie gehen ab zu verschiedenen Thüren\] \Akt \Szene{Das Schlafzimmer des K"onigs.} \Auftritt % 3.1 \((Auf dem Nachttische zwei brennende Lichter. Im Hintergrunde des Zimmers einige Pagen auf den Knieen eingeschlafen. \1, von oben herab halb ausgekleidet, steht vor dem Tische, einen Arm "uber den Sessel gebeugt, in einer nachdenkenden Stellung. Vor ihm liegt ein Medaillon und Papiere.)\) \1 Da\ss{} sie sonst Schw"armerin gewesen -- wer Kann's leugnen? Nie konnt' \textit{ich} ihr Liebe geben, Und dennoch -- schien sie Mangel je zu f"uhlen? So ist's erwiesen, sie ist falsch.\\ \[Hier macht er eine Bewegung, die ihn zu sich selbst bringt. Er steht mit Befremdung auf\] % Wo war ich? Wacht hier denn Niemand, als der K"onig? -- Was? Die Lichter schon herabgebrannt? doch nicht Schon Tag? -- Ich bin um meinen Schlummer. Nimm Ihn f"ur empfangen an, Natur. Ein K"onig hat Nicht Zeit, verlorne N"achte nachzuholen; Jetzt bin ich wach, und Tag soll sein.\\ \[Er l"oscht die Lichter aus und "offnet eine Fenstergardine. -- Indem er auf und nieder geht, bemerkt er die schlafenden Knaben und bleibt eine Zeit lang schweigend vor ihnen stehen;\, darauf zieht er die Glocke\] Schl"aft's irgend Vielleicht in meinem Vorsaal auch?\\ \Auftritt % 3.2 \(\1. Graf Lerma\) \12\[mit Best"urzung, da er den K"onig gewahr wird\] Befinden Sich Ihre Majest"at nicht wohl?\\ \1 Im linken Pavillon war Feuer. H"ortet Ihr Den L"armen nicht?\\ \12 Nein, Ihre Majest"at. \1 Nein? Wie? Und also h"att' ich nur getr"aumt? Das kann von ungef"ahr nicht kommen. Schl"aft Auf jenem Fl"ugel nicht die K"onigin? \12 Ja, Ihre Majest"at.\\ \1 Der Traum erschreckt mich. Man soll die Wachen k"unftig dort verdoppeln, H"ort Ihr? sobald es Abend wird -- doch ganz, Ganz insgeheim. -- Ich will nicht haben, da\ss{} -- Ihr pr"uft mich mit den Augen? \\ \12 Ich entdecke Ein brennend Auge, das um Schlummer bittet. Darf ich es wagen, Ihre Majest"at, An ein kostbares Leben zu erinnern, An V"olker zu erinnern, die die Spur Durchwachter Nacht mit f"urchtender Befremdung In solchen Mienen lesen w"urden -- Nur Zwei kurze Morgenstunden Schlafes --\\ \1 \[mit zerst"orten Blicken\] Schlaf, Schlaf find' ich in Escurial. -- So lange Der K"onig schl"aft, ist er um seine Krone, Der Mann um seines Weibes Herz -- Nein, nein! Es ist Verleumdung -- War es nicht ein Weib, Ein Weib, das mir es fl"usterte? Der Name Des Weibes hei\ss{}t Verleumdung. Das Verbrechen Ist nicht gewi\ss{}, bis mir's ein Mann bekr"aftigt. \[Zu den Pagen, die sich unterdessen ermuntert haben\] Ruft Herzog Alba! \\ \[Pagen gehen\] Tretet n"aher, Graf! Ist's wahr? \\ \[Er bleibt forschend vor dem Grafen stehen\] O, eines Pulses Dauer nur Allwissenheit! -- Schw"ort mir, ist's wahr? Ich bin Betrogen? Bin ich's? Ist es wahr? \\ \12 Mein gro\ss{}er, Mein bester K"onig --\\ \1 \[zur"uckfahrend\] K"onig! K"onig nur, Und wieder K"onig! -- Keine be\ss{}re Antwort, Als leeren hohlen Wiederhall? Ich schlage An diesen Felsen und will Wasser, Wasser F"ur meinen hei\ss{}en Fieberdurst -- er gibt Mir gl"uhend Gold.\\ \12 Was w"are wahr, mein K"onig? \1 Nichts. Nichts. Verla\ss{} mich. Geht.\\ \[Der Graf will sich entfernen, er ruft ihn noch einmal zur"uck\] Ihr seid verm"ahlt? Seid Vater? Ja? \\ \12 Ja, Ihre Majest"at. \1 Verm"ahlt und k"onnt es wagen, eine Nacht Bei Eurem Herrn zu wachen? Euer Haar Ist silbergrau, und Ihr err"othet nicht, An Eures Weibes Redlichkeit zu glauben? O, geht nach Hause. Eben trefft Ihr sie In Eures Sohns blutsch"andrischer Umarmung. Glaubt Eurem K"onig, geht -- Ihr steht best"urzt? Ihr seht mich mit Bedeutung an? -- weil ich, Ich selber etwa graue Haare trage? Ungl"ucklicher, besinnt Euch. K"oniginnen Beflecken ihre Tugen nicht. Ihr seid Des Todes, wenn Ihr zweifelt --\\ \12 \[mit Hitze\] Wer kann das? In allen Staaten meines K"onigs wer Ist frech genug, mit giftigem Verdacht Die engelreine Tugend anzuhauchen? Die beste K"onigin so tief -- \\ \1 Die beste? Und Eure beste also auch? Sie hat Sehr warme Freunde um mich her, find' ich. Das mu\ss{} ihr viel gekostet haben -- mehr, Als mir bekannt ist, da\ss{} sie geben kann. Ihr seid entlassen. La\ss{}t den Herzog kommen. \12 Schon h"or' ich ihn im Vorsaal -- \\ \[Im Begriff zu gehen\] \1 \[mit gemildertem Tone\] Graf! Was Ihr Vorhin bemerkt, ist doch wohl wahr gewesen. Mein Kopf gl"uht von durchwachter Nacht. -- Verge\ss{}t, Was ich im wachen Traum gesprochen. H"ort Ihr? Verge\ss{}t es. Ich bin Euer gn"ad'ger K"onig. \[Er reicht ihm die Hand zum Kusse. Lerma geht und "offnet dem \11 die Th"ure\] \Auftritt % 3.3 \(\1 und \11\) \11 \[n"ahert sich dem K"onig mit ungewisser Miene\] Ein mir so "uberraschender Befehl -- Zu dieser au\ss{}erordentlichen Stunde? \[Er stutzt, wie er den K"onig genauer betrachtet\] Und dieser Anblick -- \\ \1 \[hat sich niedergesetzt und das Medaillon auf dem Tisch ergriffen. Er sieht den Herzog eine lange Zeit still\-schwei\-gend an\] Also wirklich wahr? Ich habe keinen treuen Diener? \\ \11 \[steht betreten still\] Wie? \1 Ich bin aufs t"odtlichste gekr"ankt -- man wei\ss{} es, Und Niemand, der mich warnte!\\ \11 \[mit einem Blick des Erstaunens\] Eine Kr"ankung, Die meinem K"onig gilt und meinem Aug' Entging?\\ \1 \[zeigt ihm die Briefe\] Erkennt Ihr diese Hand?\\ \11 Es ist Don Carlos' Hand. --\\ \1 \[Pause, worin er den Herzog scharf beobachtet\] Vermuthet Ihr noch nichts? Ihr habt vor seinem Ehrgeiz mich gewarnt? War's nur sein Ehrgeiz, dieser nur, wovor Ich zittern sollte?\\ \11 Ehrgeiz ist ein gro\ss{}es -- Ein weites Wort, worin unendlich viel Noch liegen kann.\\ \1 Und wi\ss{}t Ihr nichts Besonders Mir zu entdecken?\\ \11 \[nach einigem Stillschweigen, mit verschlossener Miene\] Ihre Majest"at Vertrauten meiner Wachsamkeit das Reich. Dem Reiche bin ich mein geheimstes Wissen Und meine Einsicht schuldig. Was ich sonst Vermuthe, denke oder wei\ss{}, geh"ort Mir eigen zu. Es sind geheiligte Besitzungen, die der verkaufte Sklave, Wie der Vasall, den K"onigen der Erde Zur"uckzuhalten Vorrecht hat -- Nicht Alles, Was klar vor \textit{meiner} Seele steht, ist reif Genug f"ur meinen K"onig. Will er doch Befriedigt sein, so mu\ss{} ich bitten, nicht Als Herr zu fragen.\\ \1 \[gibt ihm die Briefe\] Lest.\\ \11 \[liest und wendet sich erschrocken gegen den K"onig\] Wer war Der Rasende, dies ungl"ucksel'ge Blatt In meines K"onigs Hand zu geben?\\ \1 Was? So wi\ss{}t Ihr, wen der Inhalt meint? -- Der Name Ist, wie ich wei\ss{}, auf dem Papier vermieden. \11 \[betroffen zur"ucktretend\] Ich war zu schnell. \\[\qquad] \1 Ihr wi\ss{}t?\\[\qquad] \11 \[nach einigem Bedenken\] Es ist heraus. Mein Herr befiehlt -- ich darf nicht mehr zur"ucke -- Ich leugn' es nicht -- ich kenne die Person. \1 \[aufstehend in einer schrecklichen Bewegung\] O, einen neuen Tod hilf mir erdenken, Der Rache f"urchterlicher Gott! -- So klar, So weltbekannt, so laut ist das Verst"andni\ss{}, Da\ss{} man, des Forschens M"uhe "uberhoben, Schon auf den ersten Blick es r"ath -- Das ist Zu viel! Das hab' ich nicht gewu\ss{}t! Das nicht! Ich also bin der Letzte, der es findet! Der Letzte durch mein ganze Reich -- \\ \11 \[wirft sich dem K"onige zu F"u\ss{}en\] Ja, ich bekenne Mich schuldig, gn"adigster Monarch. Ich sch"ame Mich einer feigen Klugheit, die mir da Zu schweigen rieth, wo meines K"onigs Ehre, Gerechtigkeit und Wahrheit laut genug Zu reden mich best"urmten -- Weil doch Alles Verstummen will -- weil die Bezauberung Der Sch"onheit alles M"anner Zungen bindet, So sei's gewagt, ich rede, wei\ss{} ich gleich, Da\ss{} eines Sohns einschmeichelnde Betheurung, Da\ss{} die verf"uhrerischen Reizungen, Die Thr"anen der Gemahlin --\\ \1 \[rasch und heftig\] Stehet auf. Ihr habt mein k"onigliches Wort -- Steht auf. Sprecht unerschrocken.\\ \11 \[aufstehend\] Ihre Majest"at Besinnen sich vielleicht noch jenes Vorfalls Im Garten zu Aranjuez. Sie fanden Die K"onigin von allen ihren Damen Verlassen -- mit zerst"ortem Blick -- allein In einer abgelegnen Laube. \\ \1 Ha! Was werd' ich h"oren? Weiter!\\ \11 Die Marquisin Von Mondecar ward aus dem Reich verbannt, Weil sie Gro\ss{}muth genug besa\ss{}, sich schnell F"ur ihre K"onigin zu opfern -- Jetzt Sind wir berichtet -- Die Marquisin hatte Nicht mehr gethan, als ihr befohlen worden. Der Prinz war dort gewesen. \\ \1 \[schrecklich auffahrend\] Dort gewesen? Doch also --\\ \11 Eines Mannes Spur im Sande, Die von dem linken Eingang dieser Laube Nach einer Grotte sich verlor, wo noch Ein Schnupftuch lag, das der Infant vermi\ss{}te, Erweckte gleich Verdacht. Ein G"artner hatte Dem Prinzen dort begegnet, und das war, Beinah' auf die Minute ausgerechnet, Dieselbe Zeit, wo Eure Majest"at Sich in der Laube zeigten.\\ \1 \[Aus einem finstern Nachsinnen zur"uckkommend\] Und sie weinte, Als ich Befremdung blicken lie\ss{}! Sie machte Vor meinem ganzen Hofe mich err"othen! Err"othen vor mir selbst -- Bei Gott! ich stand Wie ein Gerichteter vor ihrer Tugend -- \[Eine lange und tiefe Stille. Er setzt sich nieder und verh"ullt das Ge\-sicht\] Ja, Herzog Alba -- Ihr habt Recht -- Das k"onnte Zu etwas Schrecklichem mich f"uhren -- La\ss{}t Mich einen Augenblick allein. \\ \11 Mein K"onig, Selbst das entscheidet noch nicht ganz --\\ \1 \[nach den Papieren greifend\] Auch das nicht? Und das? und wieder das? und dieser laute Zusammenklang verdammendere Beweise? O, es ist klarer, als das Licht -- Was ich Schon lange Zeit voraus gewu\ss{}t -- Der Frevel Begann da schon, als ich von Euren H"anden Sie in Madrid zuerst empfing -- Noch seh' ich Mit diesem Blick des Schreckens, geisterbleich, Auf meinen grauen Haaren sie verweilen. Da fing es an, das falsche Spiel!\\ \11 Dem Prinzen Starb eine Braut in seiner jungen Mutter. Schon hatten sie mit W"unschen sich gewiegt, In feurigen Empfindungen verstanden, Die ihr der neue Stand verbot. Die Furcht War schon besiegt, die Furcht, die sonst das erste Gest"andni\ss{} zu begleiten pflegt, und k"uhner Sprach die Verf"uhrung in vertrauten Bildern Erlaubter R"uckerinnerung. Verschwistert Durch Harmonie der Meinung und der Jahre, Durch gleichen Zwang erz"urnt, gehorchten sie Den Wallungen der Leidenschaft so dreister. Die Politik griff ihrer Neigung vor; Ist es zu glauben, mein Monarch, da\ss{} sie Dem Staatsrath diese Vollmacht zuerkannte? Da\ss{} sie die L"usternheit bezwang, die Wahl Des Kabinets aufmerksamer zu pr"ufen? Sie war gefa\ss{}t auf Liebe und empfing -- Ein Diadem -- \\ \1 \[beleidigt und mit Bitterkeit\] Ihr unterscheidet sehr -- Sehr weise, Herzog -- Ich bewundre Eure Beredsamkeit. Ich dank' Euch.\\ \[Aufstehend, kalt und stolz\] Ihr habt Recht; Die K"onigin hat sehr gefehlt, mir Briefe Von diesem Inhalt zu verbergen -- mir Die strafbare Erscheinung des Infanten Im Garten zu verheimlichen. Sie hat Aus falscher Gro\ss{}muth sehr gefehlt. Ich werde Sie zu bestrafen wissen. \\ \[Er zieht die Glocke\] Wert ist sonst Im Vorsaal? -- Euer, Herzog Alba, Bedarf ich nicht mehr. Tretet ab. \\ \11 Sollt' ich Durch meinen Eifer Eurer Majest"at Zum zweiten Mal mi\ss{}fallen haben? \\ \1 \[zu einem Pagen, der hereintritt\] La\ss{}t Domingo kommen.\\\[Der Page geht ab\] Ich vergeb' es Euch, Da\ss{} Ihr beinahe zwei Minuten lang \textit{Mich} ein Verbrechen h"attet f"urchten lassen, Das gegen \textit{Euch} begangen werden kann.\[Alba entfernt sich\] \Auftritt % 3.4 \(\1. Domingo\) \1 \[geht einigemal auf und ab, sich zu sammeln\] \16 \[tritt einige Minuten nach dem Herzog herein, n"ahert sich dem K"onige, den er eine Zeit lang mit feierlicher Stille betrachtet\] Wie froh erstaun' ich, Eure Majest"at So ruhig, so gefa\ss{}t zu sehn. \\ \1 Erstaunt Ihr? \16 Der Vorsicht sei's gedankt, da\ss{} meine Furcht Doch also nicht gegr"undet war! Nun darf Ich um so eher hoffen.\\ \1 Eure Furcht? Was war zu f"urchten?\\ \16 Ihre Majest"at, Ich darf nicht bergen, da\ss{} ich allbereits Um ein Geheimni\ss{} wei\ss{} --\\ \1 \[finster\] Hab' ich denn schon Den Wunsch ge"au\ss{}ert, es mit Euch zu theilen? Wer kam so unberufen mir zuvor? Sehr k"uhn, bei meiner Ehre!\\ \16 Mein Monarch, Der Ort, der Anla\ss{}, wo ich es erfahren, Das Siegel, unter dem ich es erfahren, Spricht wenigstens von dieser Schuld mich frei. Am Beichtstuhl ward es mir vertraut -- vertraut Als Missethat, die das empfindliche Gewissen der Entdeckerin belastet Und Gnade bei dem Himmel sucht. Zu sp"at Beweint die F"urstin eine That, von der Sie Ursach hat, die f"urchterlichsten Folgen F"ur ihre K"onigin zu ahnen.\\ \1 Wirklich? Das gute Herz -- Ihr habt ganz recht vermuthet, We\ss{}wegen ich Euch rufen lie\ss{}. Ihr sollt Aus diesem dunkeln Labyrinth mich f"uhren, Worein ein blinder Eifer mich geworfen. Von Euch erwart' ich Wahrheit. Redet offen Mit mir. Was soll ich glauben, was beschlie\ss{}en? Von Eurem Amte fordr' ich Wahrheit.\\ \16 Sire, Wenn meines Standes Mildigkeit mir auch Der Schonung s"u\ss{}e Pflicht nicht auferlegte, Doch w"urd' ich Eure Majest"at beschw"oren, Um Ihrer Ruhe willen Sie beschw"oren, Bei dem Entdeckten still zu stehn -- das Forschen In ein Geheimni\ss{} ewig aufzugeben, Das niemals freudig sich entwickeln kann. Was jetzt bekannt ist, kann vergeben werden. Ein Wort des K"onigs -- und die K"onigin Hat nie gefehlt. Der Wille des Monarchen Verleiht die Tugend wie das Gl"uck -- und nur Die immer gleiche Ruhe meines K"onigs Kann die Ger"uchte m"achtig niederschlagen, Die sich die L"asterung erlaubt.\\ \1 Ger"uchte? Von mir? und unter meinem Volke?\\ \16 L"ugen! Verdammenswerthe L"ugen! Ich beschw"or' es. Doch freilich gibt es F"alle, wo der Glaube Des Volks, und w"ar' er noch so unerwiesen, Bedeutend wie die Wahrheit wird.\\ \1 Bei Gott! Und hier gerade w"ar' es --\\ \16 Guter Name Ist das kostbare, einz'ge Gut, um welches Die K"onigin mit einem B"urgerweibe Wetteifern mu\ss{} --\\ \1 F"ur den doch, will ich hoffen, Hier nicht gezittert werden soll?\\ \[Er ruht mit ungewissem Blick auf Domingo. Nach einigem Still-\\schweigen\]% Kaplan, Ich soll noch etwas Schlimmes von Euch h"oren. Verschiebt es nicht. Schon lange les' ich es In diesem ungl"uckbringenden Gesichte. Heraus damit! Sei's, was es wolle! La\ss{}t Nicht l"anger mich auf dieser Folter beben. Was glaubt das Volk?\\ \16 Noch einmal, Sire, das Volk Kann irren -- und es irrt gewi\ss{}. Was es Behauptet, darf den K"onig nicht ersch"uttern -- Nur -- \textit{da\ss} es so weit schon sich wagen durfte, Dergleichen zu behaupten --\\ \1 Was? Mu\ss{} ich So lang' um einen Tropfen Gift Euch bitten? \16 Das Volk denkt an den Monat noch zur"ucke, Der Eure k"onigliche Majest"at Dem Tode nahe brachte -- drei\ss{}ig Wochen Nach diesem liest es von der gl"ucklichen Entbindung -- \\ \[\1 steht auf und zieht die Glocke. \11 tritt herein. Domingo betroffen\] Ich erstaune, Sire!\\ \1 \[dem Herzog Alba entgegen gehend\] Toledo! Ihr seid ein Mann. Sch"utzt mich vor diesem Priester. \16 \[Er und Herzog Alba geben sich verlegne Blicke. Nach einer Pause\] Wenn wir voraus es h"atten wissen k"onnen, Da\ss{} diese Nachricht an dem Ueberbringer Geahndet werden sollte --\\ \1 Bastard, sagt Ihr? Ich war, sagt Ihr, vom Tode kaum erstanden, Als sie sich Mutter f"uhlte? -- Wie? Das war Ja damals, wenn ich anders mich nicht irre, Als Ihr den heiligen Dominicus In allen Kirchen f"ur das hohe Wunder lobtet, Das er an mir gewirkt? -- Was damals Wunder Gewesen, ist es jetzt nicht mehr? So habt Ihr damals oder heute mir gelogen. An was verlangt Ihr da\ss{} ich glauben soll? O, ich durchschau Euch. W"are das Komplott Schon damals reif gewesen -- ja, dann war Der Heilige um seinen Ruhm.\\ \11 Komplott!\\ \1 Ihr solltet Mit dieser beispiellosen Harmonie Jetzt in derselben Meinung euch begegnen, Und doch nicht einverstanden sein? Mich wollt Ihr das bereden? Mich? Ich soll vielleicht Nicht wahrgenommen haben, wie erpicht Und gierig ihr auf euren Raub euch st"urztet? Mit welcher Wollust ihr an meinem Schmerz, An meines Zornes Wallung euch geweidet? Nicht merken soll ich, wie voll Eifer dort Der Herzog brennt, der Gunst zuvorzueilen, Die meinem Sohn beschieden war? Wie gerne Der fromme Mann hier seinen kleinen Groll Mit meines Zornes Riesenarm bewehrte? Ich bin der Bogen, bildet ihr euch ein, Den man nur spannen d"urfe nach Gefallen? -- Noch hab' ich einen Willen auch -- und wenn Ich zweifeln soll, so la\ss{}t mich wenigstens Bei euch den Anfang machen. \\ \11 Diese Deutung Hat unsre Treue nicht erwartet.\\ \1 Treue! Die Treue warnt vor drohenden Verbrechen, Die Rachgier spricht von den begangenen. La\ss{}t h"oren! Was gewann ich denn durch eure Dienstfertigkeit? -- Ist, was ihr vorgebt, wahr, Was bleibt mir "ubrig als der Trennung Wunde? Der Rauche trauriger Triumph? -- Doch nein, Ihr f"urchtet nur, ihr gebt mir schwankende Vermuthungen -- am Absturz einer H"olle La\ss{}t ihr mich stehen und entfliehet.\\ \11 Sind andre Beweise m"oglich, wo das Auge selbst Nicht "uberwiesen werden kann? \\ \1 \[nach einer gro\ss{}en Pause, ernst und feierlich zu Domingo sich wendend\] Ich will Die Gro\ss{}en meines K"onigreichs versammeln Und selber zu Gerichte sitzen. Tretet Heraus vor allen -- habt Ihr Muth -- und klaget Als eine Buhlerin sie an! -- Sie soll Des Todes sterben -- ohne Rettung -- sie Und der Infant soll sterben -- aber -- merkt Euch! Kann sie sich reinigen -- Ihr selbst! Wollt Ihr Die Wahrheit durch ein solches Opfer ehren? Entschlie\ss{}t Euch, Ihr wollt nicht? Ihr verstummt? Ihr wollt nicht? -- Das ist eines L"ugners Eifer. \11 \[der stillschweigend in der Ferne gestanden, kalt und ruhig\] Ich will es.\\ \1 \[dreht sich erstaunt um und sieht den Herzog eine Zeit lang starr an\] Das ist k"uhn! Doch mir f"allt ein, Da\ss{} Ihr in scharfen Schlachten Euer Leben An etwas weit Geringeres gewagt -- Mit eines W"urfelspielers Leichtsinn f"ur Des Ruhmes Unding es gewagt -- Und was Ist Euch das Leben? -- K"onigliches Blut Geb' ich dem Rasenden nicht preis, der nichts Zu hoffen hat, als ein geringes Dasein Erhaben aufzugeben -- Euer Opfer Verwerf' ich. Geht -- geht, und im Audienzsaal Erwartet meine weiteren Befehle. \[Beide gehen ab\] \Auftritt % 3.5 \(\1 allein\) \1 Jetzt gib mir einen Menschen, gute Vorsicht -- Du hat mir viel gegeben. Schenke mir Jetzt einen Menschen. Du -- du bist allein, Denn deine Augen pr"ufen das Verborgne, Ich bitte dich um einen Freund; denn ich Bin nicht, wie du, allwissend. Die Gehilfen, Die du mir zugeordnet hast, was sie Mir sind, wei\ss{}t du. Was sie verdienen, haben Sie mir gegolten. Ihre zahmen Laster, Beherrscht vom Zaume, dienen meinen Zwecken, Wie deine Wetter reinigen die Welt. Ich brauch Wahrheit -- Ihre stille Quelle Im dunkeln Schutt des Irrthums aufzugraben, Ist nicht das Loos der K"onige. Gib mir Den seltnen Mann mit reinem, offnem Herzen, Mit hellem Geist und unbefangnen Augen, Der mir sie finden helfen kann -- ich sch"utte Die Loose auf; la\ss{} unter Tausenden, Die um der Hoheit Sonnenscheibe flattern, Den Einzigen mich finden.\\ \[Er "offnet eine Schatulle und nimmt eine Schreibtafel heraus. Nachdem er eine Zeit lang darin gebl"attert\] Blo\ss{}e Namen -- Nur Namen stehen hier, und nicht einmal Erw"ahnung des Verdiensts, dem sie den Platz Auf dieser Tafel danken -- und was ist Verge\ss{}licher, als Dankbarkeit? Doch hier Auf dieser andern Tafel les' ich jede Vergehung p"unktlich beigeschrieben. Wie? Das ist nicht gut. Braucht etwa das Ged"achtni\ss{} Der Rache dieser Hilfe noch? \\ \[Liest weiter\] Graf Egmont? Was will der hier? -- Der Sieg bei Saint Quentin War l"angst verwirkt. Ich werf' ihn zu den Todten. \[Er l"ascht diesen Namen aus und schreibt ihn auf die andere Tafel. Nachdem er weiter gelesen\] Marquis von Posa? -- Posa? -- Posa? Kann Ich dieses Menschen mich doch kaum besinnen! Und zweifach angestrichen -- ein Beweis, Da\ss{} ich zu gro\ss{}en Zwecken ihn bestimmte! Und, war es m"oglich? dieser Mensch entzog Sich meiner Gegenwart bis jetzt? vermied Die Augen seines k"oniglichen Schuldners? Bei Gott, im ganzen Umkreis meiner Staaten Der einz'ge Mensch, der meiner nicht bedarf! Bes"a\ss{}' er Habsucht oder Ehrbegierde, Er w"are l"angst vor meinem Thron erschienen. Wag' ich's mit diesem Sonderling? Wer mich Entbehren kann, wird Wahrheit f"ur mich haben. \[Er geht ab\] \Szene{Der Audienzsaal} \Auftritt % 3.6 \(Don Carlos im Gespr"ach mit dem Prinzen von Parma. Die Herzoge von Alba, Feria und Medina Sidonia. Graf von Lerma und noch andere Granden mit Schriften in der Hand. Alle den K"onig erwartend\) \14 \[von allen Umstehenden sichtbar vermieden, wendet sich zum Herzog von Alba, der allein und in sich gekehrt auf und ab geht\] Sie haben ja den Herrn gesprochen, Herzog. -- Wie fanden Sie ihn aufgelegt?\\ \11 Sehr "ubel F"ur Sie und Ihre Zeitungen. \\ \14 Im Feuer Des englischen Gesch"utzes war mir's leichter, Als hier auf diesem Pflaster. \\ \[Carlos, der mit stiller Theilnahme auf ihn geblickt hat, n"ahert sich ihm jetzt und dr"uckt ihm die Hand\] Warmen Dank F"ur diese gro\ss{}muthsvolle Thr"ane, Prinz. Sie sehen, wie mich Alles flieht. Nun ist Mein Untergang beschlossen. \\ \3 Hoffen Sie Das Beste, Freund, von meines Vaters Gnade Und Ihrer Unschuld.\\ \14 Ich verlor ihm eine Flotte, Wie keine noch im Meer erschien -- Was ist Ein Kopf wie dieser gegen siebzig Versunkne Gallionen? -- Aber, Prinz -- F"unf S"ohne, hoffnungsvoll, wie Sie -- das bricht Mein Herz -- \\ \Auftritt % 3.7 \(c)\1 kommt angekleidet heraus. Die Vorigen.\\ (Alle nehmen die H"ute ab und weichen zu beiden Seiten aus,\\ indem sie einen halben Kreis um ihn bilden. Stillschweigen.)\) \1 \[den ganzen Kreis fl"uchtig durchschauend\] Bedeckt euch! \\ \[Don Carlos und der Prinz von Parma n"ahern sich zuerst und k"ussen dem K"onig die Hand. Er wendet sich mit einiger Freundlichkeit zu dem Letztern, ohne seinen Sohn bemerken zu wollen\] Eure Mutter, Neffe, Will wissen, wie man in Madrid mit Euch Zufrieden sei.\\ \4 Das frage sie nicht eher, Als nach dem Ausgang meiner ersten Schlacht. \1 Gebt Euch zufrieden. Auch an Euch wird einst Die Reihe sein, wenn diese St"amme brechen. \[Zum Herzog von Feria\] Was bringt Ihr mir? \\ \13 \[ein Knie vor dem K"onig beugend\] Der Gro\ss{}komtur des Ordens Von Calatrava starb an diesem Morgen. Hier folgt sein Ritterkreuz zur"uck.\\ \1 \[nimmt den Orden und sieht im ganzen Zirkel herum\] Wer wird Nach ihm am w"urdigsten es tragen? \\ \[Er winkt Alba zu sich, welcher sich vor ihm auf ein Knie niederl"a\ss{}t, und h"angt ihm den Orden um\] Herzog, Ihr seid mein erster Feldherr -- seid nie mehr, So wird Euch meine Gnade niemals fehlen. \[Er wird den Herzog von Medina Sidonia gewahr\] Sieh da, mein Admiral!\\ \14 \[n"ahert sich wankend % und kniet vor dem K"onige nieder mit gesenktem Haupt\] % \textit{Das}, gro\ss{}er K"onig, Ist Alles, was ich von der span'schen Jugend Und der Armada wiederbringe. \\ \1 \[nach einem langen Stillschweigen\] Gott Ist "uber mir -- ich habe gegen Menschen, Nicht gegen Sturm und Klippen sie gesendet -- Seid mir willkommen in Madrid. \\ \[Er reicht ihm die Hand zum Kusse\] Und Dank, Da\ss{} Ihr in Euch mir einen w"urd'gen Diener Erhalten habt! F"ur diesen, meine Granden, Erkenn' ich ihn, will ich erkannt ihn wissen. \[Er gibt ihm einen Wink, aufzustehen und sich zu bedecken -- dann wendet er sich gegen die Andern\] Was gibt es noch?\\ \[Zu Don Carlos und dem Prinzen von Parma\] Ich dank' euch, meine Prinzen. \[Diese treten ab. Die noch "ubrigen Granden n"ahern sich und "uberreichen dem K"onig knieend ihre Papiere. Er durchsieht sie fl"uchtig und reicht sie dem Herzog von Alba\] Legt das im Kabinet mir vor -- Bin ich zu Ende? \[Niemand antwortet\] Wie kommt es denn, da\ss{} unter meinen Granden Sich nie ein Marquis Posa zeigt? Ich wei\ss{} Recht gut, da\ss{} dieser Marquis Posa mir Mit Ruhm gedient. Er lebt vielleicht nicht mehr? Warum erscheint er nicht?\\ \12 Der Chevalier Ist k"urzlich erst von Reisen angelangt, Die er durch ganz Europa unternommen. So eben ist er in Madrid und wartet Nur auf den "offentlichen Tag, sich zu Den F"u\ss{} en seines Oberherrn zu werfen. \11 Marquis von Posa? -- Recht! Das ist der k"uhne Malteser, Ihre Majest"at, von dem Der Ruf die schw"armerische That erz"ahlte. Als auf des Ordensmeisters Aufgebot Die Ritter sich auf ihrer Insel stellten, Die Soliman belagern lie\ss, verschwand Auf Einmal von Alcalas hoher Schule Der achtzehnj"ahr'ge J"ungling. Ungerufen Stand er vor la Valette. `Man kaufte mir Das Kreuz,' sagt' er; `ich will es jetzt verdienen.' Von jenen vierzig Rittern war er einer, Die gegen Piali, Ulucciali Und Mustapha und Hassem das Kastell Sanct Elmo in drei wiederholten St"urmen Am hohen Mittag hielten. Als es endlich Erstiegen wird und um ihn alle Ritter Gefallen, wirft er sich ins Meer und kommt Allein erhalten an bei la Valette. Zwei Monate darauf verl"a\ss{}t der Feind Die Insel, und der Ritter kommt zur"uck, Die angefangnen Studien zu enden. \13 Und dieser Marquis Posa war es auch, Der nachher die ber"uchtigte Verschw"orung In Catalonien entdeckt und blo\ss{} Durch seine Fertigkeit allein der Krone Die wichtigste Provinz erhielt. \\ \1 Ich bin Erstaunt -- Was ist das f"ur ein Mensch, der das Gethan und unter Dreien, die ich frage, Nicht einen einz'gen Neider hat? -- Gewi\ss! Der Mensch besitzt den ungew"ohnlichsten Charakter oder keinen -- Wunders wegen Mu\ss{} ich ihn sprechen. \\ \[Zum Herzog von Alba\] Nach geh"orter Messe Bringt ihn ins Kabinet zu mir.\\ \[Der Herzog geht ab. \1 ruft Feria\] Und Ihr Nehmt meine Stelle im geheimen Rate. \[Er geht ab\] \13 Der Herr ist heut sehr gn"adig.\\ \14 Sagen Sie: Er ist ein Gott! -- Er ist es mir gewesen. \13 Wie sehr verdienen Sie Ihr Gl"uck! Ich nehme Den w"armsten Antheil, Admiral.\\ \persona{Einer von den Granden} Auch ich. \persona{Ein Zweiter} Ich wahrlich auch.\\ \persona{Ein Dritter} Das Herz hat mir geschlagen. Ein so verdienter General! \\ \persona{Der Erste} Der K"onig War gegen Sie nicht gn"adig -- nur gerecht. \12 \[im Abgehen zu Medina Sidonia\] Wie reich sind Sie auf einmal durch zwei Worte! \((Alle gehen ab)\) \Szene{Das Kabinet des K"onigs} \Auftritt % 3.8 \(\10 und \11\) \10 \[im Hereintreten\] Mich will er haben? Mich -- Das kann nicht sein. Sie irren sich im Namen -- Und was will Er denn von mir? \\ \11 Er will Sie kennen lernen. \10 Der blo\ss{} en Neugier wegen -- O, dann Schade Um den verlornen Augenblick -- das Leben Ist so erstaunlich schnell dahin. \\ \11 Ich "ubergebe Sie Ihrem guten Stern. Der K"onig ist In Ihren H"anden. N"utzen Sie, so gut Sie k"onnen, diesen Augenblick, und sich, Sich selber schreiben Sie es zu, geht er Verloren.\\ \[Er entfernt sich\] \Auftritt % 3.9 \(Der Marquis allein\) \10 Wohl gesprochen, Herzog. N"utzen Mu\ss{} man den Augenblick, der einmal nur Sich bietet. Wahrlich, dieser H"ofling gibt Mir eine gute Lehre -- wenn auch nicht In seinem Sinne gut, doch in dem meinen. \[Nach einigem Auf-- und Niedergehen\] Wie komm' ich aber hieher? -- Eigensinn Des launenhaften Zufalls w"ar' es nur, Was mir mein Bild in \textit{diesen} Spiegeln zeigt? Aus einer Million gerade mich, Den Unwahrscheinlichsten, ergriff und im Ged"achtnisse des K"onigs auferweckte? Ein Zufall nur? Vielleicht auch mehr -- und was Ist Zufall anders, als der rohe Stein, Der Leben annimmt unter Bildners Hand? Den Zufall gibt die Vorsehung -- zum Zwecke Mu\ss{} ihn der Mensch gestalten -- Was der K"onig Mit mir auch wollen mag, gleichviel! -- Ich wei\ss, Was ich -- ich mit dem K"onig soll -- und w"ar's Auch eine Feuerglocke Wahrheit nur, In des Despoten Seele k"uhn geworfen -- Wie fruchtbar in der Vorsicht Hand! So k"onnte, Was erst so grillenhaft mir schien, sehr zweckvoll Und sehr besonnen sein. Sein oder nicht Gleichviel! In diesem Glauben will ich handeln. \((Er macht einige G"ange durch das Zimmer und bleibt endlich in ruhiger Betrachtung vor einem Gem"alde stehen. \1 erscheint in dem angrenzenden Zimmer, wo er einige Befehle gibt. Alsdann tritt er herein, steht an der Th"ure still und sieht dem Marquis eine Zeit lang zu, ohne von ihm bemerkt zu werden.)\) \Auftritt % 3.10 \(\1 und \10\) \((Dieser geht dem K"onig, sobald er ihn gewahr wird, entgegen und l"ass{}t sich vor ihm auf ein Knie nieder, steht auf und bleibt ohne Zeichen der Verwirrung vor ihm stehen)\) \1 \[betrachtet ihn mit einem Blick der Verwunderung\] Mich schon gesprochen also? \\ \10 Nein. \\ \1 Ihr machtet Um meine Krone Euch verdient. Warum Entziehet Ihr Euch meinem Dank? In meinem Ged"achtniss{} dr"angen sich der Menschen viel. Allwissend ist nur Einer. Euch kam's zu, Das Auge Eures K"oniges zu suchen. Wess{}wegen thatet Ihr das nicht? \\ \10 Es sind Zwei Tage, Sire, dass{} ich ins K"onigreich Zur"uck gekommen.\\ \1 Ich bin nicht gesonnen, In meiner Diener Schuld zu stehn -- Erbittet Euch eine Gnade. \\ \10 Ich geniess{}e die Gesetze. \1 Dies Recht hat auch der M"order. \\ \10 Wie viel mehr Der gute B"urger! -- Sire, ich bin zufrieden. \1 \[f"ur sich\]Viel Selbstgef"uhl und k"uhner Muth, bei Gott! Doch das war zu erwarten -- Stolz will ich Den Spanier. Ich mag es gerne leiden, Wenn auch der Becher "ubersch"aumt -- Ihr tratet Aus meinen Diensten, h"or' ich?\\ \10 Einem Bessern Den Platz zu r"aumen, zog ich mich zur"ucke. \1 Das thut mir leid. Wenn solche K"opfe feiern, Wie viel Verlust f"ur einen Staat -- Vielleicht Bef"urchtet Ihr, die Sph"are zu verfehlen, Die Eures Geistes w"urdig ist.\\ \10 O nein! Ich bin gewiss{}, dass{} der erfahrne Kenner, In Menschenseelen, seinem Stoff, ge"ubt, Beim ersten Blicke wird gelesen haben, Was ich ihm taugen kann. Was nicht. Ich f"uhle Mit demuthsvoller Dankbarkeit die Gnade, Die Eure k"onigliche Majest"at Durch diese stolze Meinung auf mich h"aufen; Doch --\\ \[Er h"alt inne\] \1 Ihr bedenket Euch? \\ \10 Ich bin -- ich muss{} Gestehen, Sire, sogleich nicht vorbereitet, Was ich als B"urger dieser Welt gedacht, In Worte Ihres Unterthans zu kleiden. -- Denn damals, Sire, als ich auf immer mit Der Krone aufgehoben, glaubt' ich mich Auch der Nothwendigkeit entbunden, ihr Von diesem Schritte Gr"unde anzugeben. \1 So schwach sind diese Gr"unde? F"urchtet Ihr Dabei zu wagen? \\ \10 Wenn ich Zeit gewinne, Sie zu ersch"opfen, Sire -- mein Leben h"ochstens. Die Wahrheit aber setz' ich aus, wenn Sie Mir diese Gunst verweigern. Zwischen Ihrer Ungnade und Geringsch"atzung ist mir Die Wahl gelassen -- Muss{} ich mich entscheiden, Sie will ich ein Verbrecher lieber als Ein Thor vor Ihren Augen gehen. \\ \1 \[mit erwartender Miene\] Nun? \10 -- Ich kann nicht F"urstendiener sein.\\ \[\1 sieht ihn mit Erstaunen an\] Ich will Den K"aufer nicht betr"ugen, Sire. -- Wenn Sie Mich anzustellen w"urdigen, so wollen Sie nur die vorgewogne That. Sie wollen Nur meinen Arm und meinen Muth im Felde, Nur meinen Kopf im Rath. Nicht meine Thaten, Der Beifall, den sie finden an dem Thron, Soll meiner Thaten Endzweck sein. Mir aber, Mir hat die Tugend eignen Werth. Das Gl"uck, Das der Monarch mit meinen H"anden pflanzte, Ersch"uf' ich selbst, und Freude w"are mir Und eigne Wahl, was mir nur Pflicht sein sollte. Und ist das Ihre Meinung? K"onnen Sie In Ihrer Sch"opfung fremde Sch"opfer dulden? Ich aber soll zum Meiss{}el mich erniedern, Wo ich der K"unstler k"onnte sein? -- Ich liebe Die Menschheit, und in Monarchieen darf Ich Niemand lieben als mich selbst. \\ \1 Dies Feuer Ist lobenswerth. Ihr m"ochtet Gutes stiften. Wie Ihr es stiftet, kann dem Patrioten, Dem Weisen gleich viel heiss{}en. Suchet Euch Den Posten aus in meinen K"onigreichen, Der Euch berechtigt, diesem edeln Triebe Genug zu thun.\\ \10 Ich finde keinen.\\ \1 Wie? \10 Was Eure Majest"at durch meine Hand Verbreiten -- ist das Menschengl"uck? Ist das Dasselbe Gl"uck, das meine reine Liebe Den Menschen g"onnt? -- Vor diesem Gl"ucke w"urde Die Majest"at erzittern -- Nein! Ein neues Erschuf der Krone Politik -- ein Gl"uck, Das \textit{sie} noch reich genug ist auszutheilen, Und in dem Menschenherzen neue Triebe, Die sich von diesem Gl"ucke stillen lassen. In ihren M"unzen l"ass{}t sie Wahrheit schlagen, \textit{Die} Wahrheit, die sie dulden kann. Verworfen Sind alle Stempel, die nicht diesem gleichen. Doch, was der Krone frommen kann -- ist das Auch mir genug? Darf meine Bruderliebe Sich zur Verk"urzung meines Bruders borgen? Weiss{} ich ihn gl"ucklich -- eh' er denken darf? Mich w"ahlen Sie nicht, Sire, Gl"uckseligkeit, Die \textit{Sie} uns pr"agen, auszustreun. Ich muss{} Mich weigern, diese Stempel auszugeben. -- Ich kann nicht F"urstendiener sein.\\ \1 \[etwas rasch\] Ihr seid Ein Protestant. \\ \10 \[nach einigem Bedenken\] Ihr Glaube Sire, ist auch Der meinige. \[Nach einer Pause\] Ich werde miss{}verstanden. Das war es, was ich f"urchtete. Sie sehen Von den Geheimnissen der Majest"at Durch meine Hand den Schleier weggezogen. Wer sichert Sie, dass{} mir noch heilig heiss{}e, Was mich zu schrecken aufgeh"ort? Ich bin Gef"ahrlich, weil ich "uber mich gedacht. -- Ich bin es nicht, mein K"onig. Meine W"unsche Verwesen hier. \\ \[Die Hand auf die Brust gelegt\] Die l"acherliche Wuth Der Neuerung, die nur der Ketten Last, Die sie nicht ganz zerbrechen kann, vergr"oss{}ert, Wird \textit{mein} Blut nie erhitzen. Das Jahrhundert Ist meinem Ideal nicht reif. Ich lebe Ein B"urger derer, welche kommen werden. Kann ein Gem"alde Ihre Ruhe tr"uben? -- Ihr Athem l"oscht es aus.\\ \1 Bin ich der Erste, Der Euch von dieser Seite kennt? \\ \10 Von dieser -- Ja! \\ \1 \[steht auf, macht einige Schritte und bleibt dem Marquis gegen\-"uber stehen. F"ur sich\] Neu zum wenigsten ist dieser Ton! Die Schmeichelei ersch"opft sich. Nachzuahmen Erniedrigt einen Mann von Kopf. -- Auch einmal Die Probe von dem Gegentheil. -- Warum nicht? Das Ueberraschende macht Gl"uck. -- Wenn Ihr Es so versteht, gut, so will ich mich Auf eine neue Kronbedienung richten -- Den starken Geist -- \\ \10 Ich h"ore, Sire, wie klein, Wie niedrig Sie von Menschenw"urde denken, Selbst in des freien Mannes Sprache nur Den Kunstgriff eines Schmeichlers sehen, und Mir d"aucht, ich weiss{}, wer Sie dazu berechtigt. Die Menschen zwangen Sie dazu; \textit{die} haben Freiwillig ihres Adels sich begeben, Freiwillig sich auf diese niedre Stufe Herab gestellt.. Erschrocken fliehen sie Vor dem Gespenste ihrer innern Gr"oss{}e, Gefallen sich in ihrer Armuth, schm"ucken Mit feiger Weisheit ihre Ketten aus, Und Tugend nennt man, sie mit Anstand tragen. So "uberkamen Sie die Welt. So ward Sie Ihrem gross{}en Vater "uberliefert. Wie k"onnten Sie in dieser traurigen Verst"ummlung -- Menschen ehren? \\ \1 Etwas Wahres Find' ich in diesen Worten.\\ \10 Aber Schade! Da Sie den Menschen aus des Sch"opfers Hand In Ihrer H"ande Werk verwandelten Und dieser neugegoss{}nen Kreatur Zum Gott sich gaben -- da versahen Sie's In etwas nur: Sie blieben selbst noch Mensch -- Mensch aus des Sch"opfers Hand. \textit{Sie} fuhren fort Als Sterblicher zu leiden, zu begehren; \textit{Sie} brauchen Mitgef"uhl -- und einem Gott Kann man nur opfern -- zittern -- zu ihm beten! Bereuenswerther Tausch! Unselige Verdrehung der Natur! -- Da Sie den Menschen Zu Ihrem Saitenspiel herunterst"urzten, Wer theilt mit Ihnen Harmonie? \\ \1 (Bei Gott, Er greift in meine Seele!) \\ \10 Aber Ihnen Bedeutet dieses Opfer nichts. Daf"ur Sind Sie auch einzig -- Ihre eigne Gattung -- Um diesen Preis sind Sie ein Gott. -- Und schrecklich, Wenn das \textit{nicht} w"are -- wenn f"ur diesen Preis, F"ur das zertretne Gl"uck von Millionen, Sie nichts gewonnen h"atten! wenn die Freiheit, Die Sie vernichteten, das Einz'ge w"are, Das Ihre W"unsche reifen kann? Ich bitte, Mich zu entlassen, Sire. Mein Gegenstand Reiss{}t mich dahin. Mein Herz ist voll -- der Reiz Zu m"achtig, vor dem Einzigen zu stehen, Dem ich es "offnen m"ochte.\\ \[Der Graf von Lerma tritt herein und spricht einige Worte leise mit dem K"onig. Dieser gibt ihm einen Wink, sich zu entfernen, und bleibt in seiner vorigen Stellung sitzen\] \1 \[zum Marquis, nachdem Lerma weggegangen\] Redet aus! \10 \[nach einigem Stillschweigen\] Ich f"uhle, Sire, -- den ganzen Werth -- \\ \1 Vollendet! Ihr hattet mir noch mehr zu sagen.\\ \10 Sire! J"ungst kam ich an von Flandern und Brabant. -- So viele reiche, bl"uhende Provinzen! Ein kr"aftiges, ein gross{}es Volk -- und auch Ein gutes Volk -- und Vater dieses Volkes, Das, dacht' ich, das muss{} g"ottlich sein! -- Da stiess{} Ich auf verbrannte menschliche Gebeine -- \[Hier schweigt er still; seine Augen ruhen auf dem K"onig, der es versucht, diesen Blick zu erwiedern, aber betroffen und verwirrt zur Erde sieht\] Sie haben Recht. \textit{Sie} m"ussen. Dass{} Sie \textit{k"onnen}, Was Sie zu m"ussen eingesehen, hat mich Mit schaudernder Bewunderung durchdrungen. O Schade, dass{}, in seinem Blut gew"alzt, Das Opfer wenig dazu taugt, dem Geist Des Opferers ein Loblied anzustimmen! Dass{} Menschen nur -- nicht Wesen h"ohrer Art -- Die Weltgeschichte schreiben! -- Sanftere Jahrhunderte verdr"angen Philipps Zeiten; Die bringen mildre Weisheit; B"urgergl"uck Wird dann vers"ohnt mit F"urstengr"oss{}e wandeln, Der karge Staat mit seinen Kindern geizen, Und die Nothwendigkeit wird menschlich sein. \1 Wann, denkt Ihr, w"urden diese menschlichen Jahrhunderte erscheinen, h"att' ich vor Dem Fluch des jetzigen gezittert? Sehet In meinem Spanien Euch um. Hier bl"uht Des B"urgers Gl"uck in nie bew"olktem Frieden; Und \textit{diese Ruhe} g"onn' ich den Flam"andern. \10 \[schnell\] Die Ruhe eines Kirchhofs! Und Sie hoffen, Zu endigen, was Sie begannen? hoffen, Der Christenheit gezeitigte Verwandlung, Den allgemeinen Fr"uhling aufzuhalten, Der die Gestalt der Welt verj"ungt? \textit{Sie} wollen -- Allein in ganz Europa -- sich dem Rade Des Weltverh"angnisses, das unaufhaltsam In vollem Laufe rollt, entgegenwerfen? Mit Menscharm in seine Speichen fallen? Sie werden nicht! Schon flohen Tausende Aus Ihren L"andern froh und arm. Der B"urger, Den Sie verloren f"ur den Glauben, war Ihr edelster. Mit offnen Mutterarmen Empf"angt die Fliehenden Elisabeth, Und fruchtbar bl"uht durch K"unste unsers Landes Britannien. Verlassen von dem Fleiss{} Der neuen Christen, liegt Granada "ode, Und jauchzend sieht Europa seinen Feind An selbstgeschlagnen Wunden sich verbluten. \[\1 ist bewegt; der Marquis bemerkt es und tritt einige Schritte zu\-r"uck\] Sie wollen pflanzen f"ur die Ewigkeit, Und s"aen Tod? Ein so erzwungnes Werk Wird seines Sch"opfers Geist nicht "uberdauern. Dem Undank haben Sie gebaut -- umsonst Den harten Kampf mit der Natur gerungen, Umsonst ein gross{}es k"onigliches Leben Zerst"orenden Entw"urfen hingeopfert. Der Mensch ist mehr, als Sie von ihm gehalten. Des langen Schlummers Bande wird er brechen Und wiederfordern sein geheiligt Recht. Zu einem \textit{Nero} und \textit{Busiris} wirft Er Ihren Namen, und -- das schmerzt mich; denn Sie waren gut.\\ \1 Wer hat Euch dessen so Gewiss{} gemacht?\\ \10 \[mit Feuer\] Ja, beim Allm"achtigen! Ja -- ja -- ich wiederhol' es. Geben Sie, Was Sie uns nahmen, wieder! Lassen Sie Gross{}m"uthig, wie der Starke, Menschengl"uck Aus Ihrem F"ullhorn str"omen -- Geister reifen In Ihrem Weltgeb"aude! Geben Sie, Was Sie uns nahmen, wieder. Werden Sie Von Millionen K"onigen ein K"onig. \[Er n"ahert sich ihm k"uhn, und indem er feste und feurige Blicke auf ihn richtet\] O, k"onnte die Beredsamkeit von allen Den Tausenden, die dieser gross{}en Stunde Theilhaftig sind, auf meinen Lippen schweben, Den Strahl, den ich in diesen Augen merke, Zur Flamme zu erheben! Geben Sie Die unnat"urliche Verg"ottrung auf, Die uns vernichtet! Werden Sie uns Muster Des Ewigen und Wahren! Niemals -- niemals Besass{} ein Sterblicher so viel, so g"ottlich Es zu gebrauchen. Alle K"onige Europens huldigen dem spanischen Namen. Gehn Sie Europens K"onigen voran. Ein Federzug von dieser Hand, und neu Erschaffen wird die Erde. Geben Sie Gedankenfreiheit. -- \\ \[Sich ihm zu F"uss{}en werfend\] \1 \["uberrascht, das Gesicht weggewandt und dann wieder au den Marquis geheftet\] Sonderbarer Schw"armer! Doch -- steht auf -- ich -- \\ \10 Sehen Sie sich um In seiner herrlichen Natur! Auf Freiheit Ist sie gegr"undet -- und wie reich ist sie Durch Freiheit! Er, der gross{}e Sch"opfer, wirft In einen Tropfen Thau den Wurm und l"ass{}t Noch in den todten R"aumen der Verwesung Die Willk"ur sich erg"otzen -- \textit{Ihre} Sch"opfung, Wie eng und arm! Das Rauschen eines Blattes Erschreckt den Herrn der Christenheit -- Sie m"ussen Vor jeder Tugend zittern. Er -- der Freiheit Entz"uckende Erscheinung nicht zu st"oren -- Er l"ass{}t des Uebels grauenvolles Heer In seinem Weltall lieber toben -- ihn, Den K"unstler, wird man nicht gewahr, bescheiden Verh"ullt er sich in ewige Gesetze; \textit{Die} sieht der Freigeist, doch nicht \textit{ihn}. Wozu Ein Gott? sagt er: die Welt ist sich genug. Und keines Christen Andacht hat ihn mehr, Als dieses Freigeists L"asterung, gepriesen. \1 Und wollet Ihr es unternehmen, dies Erhabne Muster in der Sterblichkeit In meinen Staaten nachzubilden? \\ \10 Sie, Sie k"onnen es. Wer anders? Weihen Sie Dem Gl"uck der V"olker die Regentenkraft, Die -- ach, so lang -- des Thrones Gr"oss{}e nur Gewuchert hatte -- stellen Sie der Menschheit Verlornen Adel wieder her. Der B"urger Sei wiederum, was er zuvor gewesen, Der Krone Zweck -- ihn binde keine Pflicht, Als seiner Br"uder gleich ehrw"urd'ge Rechte. Wenn nun der Mensch, sich selbst zur"uckgegeben, Zu seines Werths Gef"uhl erwacht -- der Freiheit Erhabne, stolze Tugenden gedeihen -- Dann, Sire, wenn Sie zum gl"ucklichsten der Welt Ihr eignes K"onigreich gemacht -- dann ist Es Ihre Pflicht, die Welt zu unterwerfen. \1 \[nach einem gross{}en Stillschweigen\] Ich liess{} Euch bis zum Ende reden -- Anders, Begreif' ich wohl, als sonst in Menschenk"opfen, Malt sich in diesem Kopf die Welt -- auch will Ich fremdem Mass{}stab Euch nicht unterwerfen. Ich bin der Erste, dem Ihr Euer Innerstes Enth"ullt. Ich glaub' es, weil ich's weiss{}. Um dieser Enthaltung willen, solche Meinungen, Mit solchem Feuer doch umfass{}t, verschwiegen Zu haben bis auf diesen Tag -- um dieser Bescheidnen Klugheit willen, junger Mann, Will ich vergessen, dass{} ich sie erfahren Und wie ich sie erfahren. Stehet auf. Ich will den J"ungling, der sich "ubereilte, Als Greis und nicht als K"onig widerlegen. Ich will es, weil ich's will -- Gift also selbst, Find' ich, kann in gutartigen Naturen Zu etwas Besserm sich veredeln -- Aber Flieht meine Inquisition. -- Es sollte Mir leid tun -- \\ \10 Wirklich? Sollt' es das? \\ \1 \[in seinem Anblick verloren\] Ich habe Solch einen Menschen nie gesehen. -- Nein, Nein, Marquis! Ihr thut mir zu viel. Ich will Nicht Nero sein. Ich will es nicht sein -- will Es gegen Euch nicht sein. Nicht alle Gl"uckseligkeit soll unter mir verdorren. Ihr selbst, Ihr sollet unter meinen Augen Fortfahren d"urfen, Mensch zu sein. \\ \10 \[rasch\] Und meine Mitb"urger, Sire? -- O! nicht um mich war mir's Zu thun, nicht \textit{meine} Sache wollt' ich f"uhren. Und Ihre Unterthanen, Sire? -- \\ \1 Und wenn Ihr so gut wisset, wie die Folgezeit Mich richten wird, so lerne sie an Euch, Wie ich mit Menschen es gehalten, als Ich einen fand. \\ \10 O! der gerechteste Der K"onige sei nicht mit \textit{einem} Male Der ungerechteste in Ihrem Flandern Sind tausend Bessere als ich. Nur \textit{Sie} -- Darf ich es frei gestehen, gross{}er K"onig? -- \textit{Sie} sehn jetzt unter diesem sanftern Bilde Vielleicht zum ersten Mal die Freiheit. \\ \1 \[mit gemildertem Ernst\] Nichts mehr Von diesem Inhalt, junger Mann. -- Ich weiss{}, Ihr werdet anders denken, kennet Ihr Den Menschen erst, wie ich -- Doch h"att' ich Euch Nicht gern zum letzten Mal gesehn. Wie fang ich Es an, Euch zu verbinden? \\ \10 Lassen Sie Mich, wie ich bin. Was w"ar' ich Ihnen, Sire, Wenn Sie auch mich best"achen? \\ \1 Diesen Stolz Ertrag' ich nicht. Ihr seid von heute an In meinen Diensten. -- Keine Einwendung! Ich will es haben. \\ \[Nach einer Pause\] Aber wie? was wollte Ich denn? War es nicht Wahrheit, was ich wollte? Und hier find' ich noch etwas mehr -- Ihr habt Auf meinem Thron mich ausgefunden, Marquis. Nicht auch in meinem Hause? \\ \[Da sich der Marquis zu bedenken scheint\] Ich versteh' Euch Doch -- w"ar' ich auch von allen V"atern der Ungl"ucklichste, kann ich nicht gl"ucklich sein Als Gatte? \\ \10 Wenn ein hoffnungsvoller Sohn, Wenn der Besitz der liebensw"urdigsten Gemahlin einem Sterblichen ein Recht In diesem Namen geben, Sire, so sind Sie Der Gl"ucklichste durch Beides. \\ \1 \[mit finstrer Miene\] Nein, ich bin es nicht! Und dass{} ich's nicht bin, hab' ich tiefer nie Gef"uhlt, als eben jetzt -- \\ \[Mit einem Blick der Wehmuth auf dem Marquis verweilend\] \10 Der Prinz denkt edel Und gut. Ich hab' ihn anders nie gefunden. \1 Ich aber hab' es -- Was er mir genommen, Kann keine Krone mir ersetzen -- eine So tugendhafte K"onigin!\\ \10 Wer kann Es wagen, Sire? \\ \1 Die Welt! Die L"asterung! Ich selbst! -- Hier liegen Zeugnisse, die ganz Unwidersprechlich sie verdammen; andre Sind noch vorhanden, die das Schrecklichste Mich f"urchten lassen -- Aber, Marquis -- schwer, Schwer f"allt es mir, an \textit{eines} nur zu glauben. Wer klagt sie an? -- Wenn \textit{sie} sie f"ahig sollte Gewesen sein, so tief sich zu entehren, O, wie viel mehr ist mir zu glauben dann Erlaubt, dass{} eine Eboli verleumdet? Hass{}t nicht der Priester meinen Sohn und sie? Und weiss{} ich nicht, dass{} Alba Rache br"utet? Mein Weib ist mehr werth, als sie alle. \\ \10 Sire, Und etwas lebt noch in des Weibes Seele, Das "uber allen Schein erhaben ist Und "uber alle L"asterung -- es heiss{}t Weibliche Tugend. \\ \1 Ja! Das sag' ich auch. So tief, als man die K"onigin bezichtigt, Herab zu sinken, kostet viel. So leicht, Als man mich "uberreden m"ochte, reiss{}en Der Ehre heil'ge Bande nicht. Ihr kennt Den Menschen, Marquis. Solch ein Mann hat mir Schon l"angst gemangelt, Ihr seid gut und fr"ohlich, Und kennet doch den Menschen auch -- drum hab' Ich Euch gew"ahlt -- \\ \10 \["uberrascht und erschrocken\] Mich, Sire? \\ \1 Ihr standet Vor Eurem Herrn und habt nichts f"ur Euch selbst Erbeten -- nichts. Das ist mir neu -- Ihr werdet Gerecht sein. Leidenschaft wird Euren Blick Nicht irren -- Dr"anget Euch zu meinem Sohn, Erforscht das Herz der K"onigin. Ich will Euch Vollmacht senden, sie geheim zu sprechen. Und jetzt verlass{}t mich! \\ \[Er zieht eine Glocke\] \10 Kann ich es mit \textit{einer} Erf"ullten Hoffnung? dann ist dieser Tag Der sch"onste meines Lebens. \\ \1 \[reicht ihm die Hand zum Kusse\] Er ist kein Verlorner in dem meinigen.\\ \[Der Marquis steht auf und geht. Graf Lerma tritt herein\] Der Ritter Wird k"unftig ungemeldet vorgelassen. \Akt % 4 \Szene{Saal bei der Königin} \Auftritt % 4.1 \(Die Königin. Die Herzogin Olivarez. Die Prinzessin von Eboli. Die Gräfin Fuentes und noch andere Damen\) \2 \[zur Oberhofmeisterin, indem sie aufsteht\] Der Schlüssel fand sich als nicht? -- So wird Man die Schatulle mir erbrechen müssen, Und zwar sogleich -- \\ \[Da sie die Prinzessin von Eboli gewahr wird, welche sich ihr nähert und ihr die Hand küßt\] Willkommen, liebe Fürstin. Mich freut, Sie wieder hergestellt zu finden -- Zwar noch sehr blaß -- \\ \9 \[etwas tückisch\] Die Schuld es bösen Fiebers, Das ganz erstaunlich an die Nerven greift. Nicht wahr, Prinzessin? \\ \2 Sehr hab' ich gewünscht, Sie zu besuchen, meine Liebe -- Doch Ich darf ja nicht. \\ \6 Die Fürstin Eboli Litt wenigstens nicht Mangel an Gesellschaft. \2 Das glaub' ich gern. Was haben Sie? Sie zittern. \8 Nichts -- gar nichts, meine Königin. Ich bitte Um die Erlaubniß, wegzugehen. \\ \2 Sie Verhehlen uns, sind kränker gar, als Sie Uns glauben machen wollen? Auch das Stehn Wird Ihnen sauer. Helfen Sie ihr, Gräfin, Auf dieses Tabouret sich niedersetzen. \8 Im Freien wird mir besser.\\ \[Sie geht ab\] \2 Folgen Sie Ihr, Gräfin -- Welche Anwandlung! \\ \[Ein Page tritt herein und spricht mit der Herzogin, welche sich alsdann zur Königin wendet\] \6 Der Marquis Von Posa, Ihre Majestät -- Er kommt Von Seiner Majestät dem König. \\ \2 Ich Erwart' ihn. \\ \[Der Page geht ab und öffnet dem Marquis die Thüre\] \Auftritt % 4.2 \(Marquis von Posa. Die Vorigen\) \[Der Marquis läßt sich auf ein Knie vor der Königin nieder, welche ihm einen Wink gibt, aufzustehen\] \2 Was ist meines Herrn Befehl? Darf ich ihn öffentlich -- \\ \10 Mein Auftrag lautet An Ihre königliche Majestät allein. \[Die Damen entfernen sich auf einen Wink der Königin\] \Auftritt % 4.3 \(Die Königin. Marquis von Posa\) \2 \[voll Bewunderung\] Wie? Darf ich meinen Augen trauen, Marquis? Sie an mich abgeschickt vom König? \\ \10 Dünkt Das Ihre Majestät so sonderbar? Mir ganz und gar nicht. \\ \2 Nun, so ist die Welt Aus ihrer Bahn gewichen. Sie und \textit{er} -- Ich muß gestehen -- \\ \10 Daß es seltsam klingt? Das mag wohl sein. -- Die gegenwärt'ge Zeit Ist noch an mehrern Wunderdingen fruchtbar. \2 An größern kaum. \\ \10 Gesetzt, ich hätte mich Bekehren lassen endlich -- wär' es müde, An Philipps Hof den Sonderling zu spielen? Den Sonderling! Was heißt auch das? Wer sich Den Menschen nützlich machen will, muß doch Zuerst sich ihnen gleich zu stellen suchen. Wozu der Secte prahlerische Tracht? Gesetzt -- wer ist von Eitelkeit so frei, Um nicht für seinen Glauben gern zu werben? -- Gesetzt, ich ginge damit um, den meinen Auf einen Thron zu setzen? \\ \2 Nein! -- Nein, Marquis, Auch nicht einmal im Scherze möcht' ich dieser Unreifen Einbildung Sie zeihn. Sie sind Der Träumer nicht, der etwas unternähme, Was nicht geendigt werden kann. \\ \10 Das eben Wär' noch die Frage, denk' ich. \\ \2 Was ich höchstens Sie zeihen könnte, Marquis -- was von Ihnen Mich fast befremden könnte, wäre -- wäre -- \10 Zweideutelei. Kann sein. \\ \2 Unredlichkeit Zum wenigsten. Der König wollte mir Wahrscheinlich nicht durch Sie anbieten lassen, Was Sie mir sagen werden. \\ \10 Nein. \\ \2 Und kann Die gute Sache schlimme Mittel adeln? Kann sich -- verzeihen Sie mir diesen Zweifel -- Ihr edler Stolz in diesem Amte borgen? Kaum glaub' ich es. \\ \10 Auch \textit{ich} nicht, wenn es hier Nur gelten soll, den König zu betrügen. Doch das ist meine Meinung nicht. Ihm selbst Gedenk' ich diesmal redlicher zu dienen, Als er mir aufgetragen hat. \\ \2 Daran Erkenn' ich Sie, und nun genug! Was macht er? \10 Der König? -- Wie es scheint, bin ich sehr bald An meiner strengen Richterin gerächt. Was ich so sehr nicht zu erzählen eile, Eilt Ihre Majestät, wie mir geschienen, Noch weit, weit weniger zu hören. -- Doch Gehört muß es doch werden! Der Monarch Läßt Ihr Majestät ersuchen, dem Ambassadeur von Frankreich kein Gehör Für heute zu bewilligen. Das war Mein Auftrag. Er ist abgethan. \\ \2 Und das Ist Alles, Marquis, was Sie mir von ihm Zu sagen haben? \\ \10 Alles ungefähr, Was mich berechtigt, hier zu sein. \\ \2 Ich will Mich gern bescheiden, Marquis, nicht zu wissen, Was mir vielleicht Geheimniß bleiben muß -- \10 Das \textit{muß} es, meine Königin -- Zwar, wären Sie nicht \textit{Sie} selbst, ich würde eilen, Sie Von ein'gen Dingen zu belehren, vor Gewissen Menschen Sie zu warnen -- doch Das braucht es nicht bei Ihnen. Die Gefahr Mag auf-- und untergehen um Sie her, Sie sollen's nie erfahren. Alles Dies Ist ja nicht so viel werth, den goldnen Schlaf Von eines Engels Stirne zu verjagen. Auch war es Das nicht, was mich hergeführt. Prinz Carlos -- \\ \2 Wie verließen Sie ihn? \\ \10 Wie Den einz'gen Weisen seiner Zeit, dem es Verbrechen ist, die Wahrheit anzubeten -- Und eben so beherzt, für \textit{seine} Liebe, Wie Jener für die seinige, zu sterben. Ich bringe wenig Worte -- aber hier, Hier ist er selbst. \\ \[Er gibt der Königin einen Brief\] \2 \[nachdem sie ihn gelesen\] Er muß mich sprechen, sagt er. \10 Das sag' ich auch. \\ \2 Wird es ihn glücklich machen, Wenn er mit seinen Augen sieht, daß ich Es auch nicht bin? \\ \10 Nein -- aber thätiger Soll es ihn machen und entschloßner. \\ \2 Wie? \10 Der Herzog Alba ist ernannt nach Flandern. \2 Ernannt -- so hör' ich. \\ \10 Widerrufen kann Der König nie. Wir kennen ja den König. Doch wahr ist's auch: Hier darf der Prinz nicht bleiben -- Hier nicht, jetzt vollends nicht -- und Flandern darf Nicht aufgeopfert werden. \\ \2 Wissen Sie Es zu verhindern? \\ \10 Ja -- vielleicht. Das Mittel Ist fast so schlimm, als die Gefahr. Es ist Verwegen, wie Verzweiflung. -- Doch ich weiß Von keinem andern. \\ \2 Nennen Sie mir's. \\ \10 Ihnen, Nur Ihnen, meine Königin, wag' ich Es zu entdecken. Nur von Ihnen kann Es Carlos hören, ohne Abscheu hören. Der Name freilich, den es führen wird, Klingt etwas rauh -- \\ \2 Rebellion -- \\ \10 Er soll Dem König ungehorsam werden, soll Nach Brüssel heimlich sich begeben, wo Mit offnen Armen die Flamänder ihn Erwarten. Alle Niederlande stehen Auf seine Losung auf. Die gute Sache Wird stark durch einen Königssohn. Er mache Den span'schen Thron durch seine Waffen zittern. Was in Madrid der Vater ihm verweigert, Wird er in Brüssel ihm bewilligen. \\ \2 Sie sprachen Ihn heute und behaupten das? \\ \10 Weil ich Ihn heute sprach. \\ \2 \[nach einer Pause\] Der Plan, den Sie mir zeigen, Erschreckt und -- reizt mich auch zugleich. Ich glaube, Daß Sie nicht Unrecht haben. -- Die Idee Ist kühn, und eben darum, glaub' ich, Gefällt sie mir. Ich will sie reifen lassen. Weiß sie der Prinz? \\ \10 Er sollte, war mein Plan, Aus Ihrem Mund zum ersten Mal sie hören. \2 Unstreitig! Die Idee ist groß. -- Wenn anders Des Prinzen Jugend -- \\ \10 Schadet nichts. Er findet Dort einen Egmont und Oranien, Die braven Krieger Kaiser Carls, so klug Im Kabinet als fürchterlich im Felde. \2 \[mit Lebhaftigkeit\] Nein! die Idee ist groß und schön -- Der Prinz Muß handeln. Lebhaft fühl' ich das. Die Rolle, Die man hier in Madrid ihn spielen sieht, Drückt mich an seiner Statt zu Boden -- Frankreich Versprech' ich ihm; Savoyen auch. Ich bin Ganz Ihrer Meinung, Marquis, er muß handeln. Doch dieser Anschlag fordert Geld. \\ \10 Auch das liegt schon Bereit -- \\ \2 Und dazu weiß ich Rat. \\ \10 So darf ich Zu der Zusammenkunft ihm Hoffnung geben? \2 Ich will mir's überlegen. \\ \10 Carlos dringt Auf Antwort, Ihre Majestät. -- Ich hab' Ihm zugesagt, nicht leer zurück zu kehren. \[Seine Schreibtafel der Königin reichend\] Zwei Zeilen sind für jetzt genug -- \\ \2 \[nachdem sie geschrieben\] Werd' ich Sie wiedersehn? \\ \10 So oft Sie es befehlen. \2 So oft -- so oft ich es befehle? -- Marquis! Wie muß ich diese Freiheit mir erklären? \10 So arglos, als \textit{Sie} immer können. Wir Genießen sie -- das ist genug -- das ist Für meine Königin genug. \\ \2 \[abbrechend\] Wie sollt' es Mich freuen, Marquis, wenn der Freiheit endlich Noch diese Zufluch in Europa bliebe! Wenn sie durch \textit{ihn} es bliebe! -- Rechnen Sie Auf meinen stillen Antheil -- \\ \10 \[mit Feuer\] O, ich wußt' es, Ich mußte hier verstanden werden -- \\ \persona{Herzogin Olivarez} \[erscheint an der Thüre\] \2 \[fremd zum Marquis\] Was Von meinem Herrn, dem König, kommt, werd' ich Als ein Gesetz verehren. Gehen Sie, Ihm meine Unterwerfung zu versichern. \[Sie gibt ihm einen Wink. Der Marquis geht ab\] \Szene{Galerie} \Auftritt % 4.4 \(Don Carlos und Graf Lerma\) \3 Hier sind wir ungestört. Was haben Sie Mir zu entdecken? \\ \12 Eure Hoheit hatten An diesem Hofe einen Freund. \\ \3 \[stutzt\] Den ich Nicht wüßte! -- Wie? Was wollen Sie damit? \12 So muß ich um Vergebung bitten, daß Ich mehr erfuhr, als ich erfahren durfte. Doch, Eurer Hoheit zur Beruhigung, Ich hab' es wenigstens von treuer Hand, Denn, kurz, ich hab' es von mir selbst. \\ \3 Von wem Ist denn die Rede? \\ \12 Marquis Posa -- \\ \3 Nun? \12 Wenn etwa mehr, als Jemand wissen darf, Von Eurer Hoheit ihm bewußt sein sollte, Wie ich beinahe fürchte -- \\ \3 Wie Sie fürchten? \12 -- Er war beim König. \\ \3 So? \\ \12 Zwei volle Stunden Und in sehr heimlichem Gespräch. \\ \3 Wahrhaftig? \12 Es war von keiner Kleinigkeit die Rede. \3 Das will ich glauben. \\ \12 Ihren Namen, Prinz, Hört' ich zu öftern Malen. \\ \3 Hoffentlich Kein schlimmes Zeichen. \\ \12 Auch ward heute Morgen Im Schlafgemache seiner Majestät Der Königin sehr räthselhaft erwähnt. \3 \[tritt bestürzt zurück\] Graf Lerma? \\ \12 Als der Marquis weggegangen, Empfing ich den Befehl, ihn künftighin Unangemeldet vorzulassen. \\ \3 Das Ist wirklich viel. \\ \12 Ganz ohne Beispiel, Prinz, So lang mir denkt, daß ich dem König diene. \3 Viel! Wahrlich viel! -- Und wie? wie, sagten Sie, Wie ward der Königin erwähnt? \\ \12 \[tritt zurück\] Nein, Prinz, Nein! Das ist wider meine Pflicht. \\ \3 Wie seltsam! Sie sagen mit das Eine und verhehlen Das Andre mir. \\ \12 Das Erste war ich Ihnen, Das Zweite bin ich dem Monarchen schuldig. \3 -- Sie haben Recht. \\ \12 Den Marquis hab' ich zwar Als Mann von Ehre stets gekannt. \\ \3 Dann haben Sie ihn sehr gut gekannt. \\ \12 Jedwede Tugend Ist fleckenfrei -- bis auf den Augenblick Der Probe. \\ \3 Auch wohl hier und da noch drüber. \12 Und eines großen Königs Gunst dünkt mir Der Frage werth. An diesem goldnen Angel Hat manche starke Tugend sich verblutet. \3 O ja. \\ \12 Oft sogar ist es weise, zu entdecken, Was nicht verschwiegen bleiben kann. \\ \3 Ja, weise! Doch, wie Sie sagen, haben Sie den Marquis Als Mann von Ehre nur gekannt? \\ \12 Ist er Es \textit{noch}, so macht mein Zweifel ihn nicht schlechter. Und Sie, mein Prinz, gewinnen doppelt. \\ \[Er will gehen\] \3 \[folgt ihm gerührt und drückt ihm die Hand\] Dreifach Gewinn' ich, edler, würd'ger Mann -- ich sehe Um einen Freund mich reicher, und es kostet Mir den nicht, den ich schon besaß. \\ \[Lerma geht ab\] \Auftritt % 4.5 \(Marquis von Posa kommt durch die Galerie. Carlos\) \10 Carl! Carl! \3 Wer ruft? Ah, du bist's! Eben recht. Ich eile Voraus ins Kloster. Komm bald nach. \\ \[Er will fort\] \10 Nur zwei Minuten -- bleib. \\ \3 Wenn man uns überfiele -- \10 Man wird doch nicht. Es ist sogleich geschehen. Die Königin -- \\ \3 Du warst bei meinem Vater? \10 Er ließ mich rufen; ja. \\ \3 \[voll Erwartung\] Nun? \\ \10 Es ist richtig. Du wirst sie sprechen. \\ \3 Und der König? Was Will der König? \\ \10 Der? Nicht viel. -- Neugierde, Zu wissen, wer ich bin. -- Dienstfertigkeit Von unbestellten guten Freunden. Was Weiß ich? Er bot mir Dienste an. \\ \3 Die du Doch abgelehnt? \\ \10 Versteht sich. \\ \3 Und wie kamt Ihr auseinander? \\ \10 Ziemlich gut. \\ \3 Von mir War also wohl die Rede nicht? \\ \10 Von dir? Doch. Ja. Im Allgemeinen \\ \[Er zieht ein Souvenir heraus und gibt es dem Prinzen\] Hier vorläufig Zwei Worte von der Königin, und morgen Werd' ich erfahren, wo und wie -- \\ \3 \[liest sehr zerstreut, steckt die Schreibtafel ein und will gehen\] Beim Prior Triffst du mich also. \\ \10 Warte doch. Was eilst du? Es kommt ja Niemand. \\ \3 \[mit erkünsteltem Lächeln\] Haben wir denn wirklich Die Rollen umgetauscht? Du bist ja heute Erstaunlich sicher. \\ \10 Heute? Warum heute? \3 Und was schreibt mir die Königin? \\ \10 Hast du Denn nicht im Augenblick gelesen? \\ \3 Ich? Ja so. \\ \10 Was hast du denn? Was ist dir? \\ \3 \[liest das Geschriebene noch einmal. Entzückt und feurig\] Engel Des Himmels! Ja, ich will es sein -- ich will -- Will deiner werth sein -- Große Seelen macht Die Liebe größer. Sei's auch, was es sei. Wenn \textit{du} es mir gebietest, ich gehorche -- Sie schreibt, daß ich auf eine wichtige Entschließung mich bereiten soll. Was kann Sie damit meinen? Weißt du nicht? \\ \10 Wenn ich's Auch wüßte, Carl, bist du auch jetzt gestimmt, Es anzuhören? \\ \3 Hab' ich dich beleidigt? Ich war zerstreut. Vergib mir, Roderich. \10 Zerstreut? Wodurch? \\ \3 Durch -- ich weiß selber nicht. Dies Souvenir ist also meins? \\ \10 Nicht ganz! Vielmehr bin ich gekommen, mir sogar Deins auszubitten. \\ \3 Meins? Wozu? \\ \10 Und was Du etwa sonst an Kleinigkeiten, die In keines Dritten Hände fallen dürfen, An Briefen oder abgerissenen Concepten bei dir führst -- kurz, deine ganze Brieftasche -- \\ \3 Wozu aber? \\ \10 Nur auf alle Fälle. Wer kann für Ueberraschung stehn? Bei mir Sucht sie doch Niemand. Gib. \\ \3 \[sehr unruhig\] Das ist doch seltsam! Woher auf einmal diese -- \\ \10 Sei ganz ruhig. Ich will nichts damit angedeutet haben. Gewißlich nicht! Es ist Behutsamkeit \textit{Vor} der Gefahr. So hab' ich's nicht gemeint, So wahrlich nicht, daß du erschrecken solltest. \3 \[gibt ihm die Brieftasche\] Verwahr' sie gut. \\ \10 Das werd' ich. \\ \3 \[sieht ihn bedeutend an\] Roderich! Ich gab dir viel. \\ \10 Noch immer nicht so viel, Als ich von dir schon habe -- Dort also Das Uebrige, und jetzt leb' wohl! -- leb' wohl! \[Er will gehen\] \3 \[kämpft zweifelhaft mit sich selbst -- endlich ruft er ihn zurück\] Gibt mir die Briefe doch noch einmal. Einer Von ihr ist auch darunter, den sie damals, Als ich so tödtlich krank gelegen, nach Alcala mir geschrieben. Stets hab' ich Auf meinem Herzen ihn getragen. Mich Von diesem Brief zu trennen, fällt mir schwer. Laß mir den Brief -- nur \textit{den} -- das Uebrige Nimm alles. \\ \[Er nimmt ihn heraus und gibt die Brieftasche zurück\] \10 Carl, ich thu' es ungern. Just Um diesen Brief war mir's zu thun. \\ \3 Leb' wohl! \[Er geht langsam und still weg, an der Thüre bleibt er einen Augenblick stehen, kehrt wieder um und bringt ihm den Brief\] Da hast du ihn. \\ \[Seine Hand zittert. Thränen stürzen aus seinen Augen, er fällt dem Marquis um den Hals und drückt sein Gesicht wider dessen Brust\] Das kann mein Vater nicht? Nicht wahr, mein Roderich? \textit{Das} kann er doch nicht? \[Er geht schnell fort\] \Auftritt % 4.6 \(Marquis sieht ihm erstaunt nach\) \10 Wär's möglich? Wär' es? Also hätt' ich ihn Doch nicht gekannt? Nicht ganz? In seinem Herzen Wär' diese Falte wirklich mir entgangen? Mißtrauen gegen seinen Freund! Nein, es ist Lästerung! -- Was that er mir, Daß ich der Schwächen schwächster ihn verklage? Was ich ihn zeihe, werd' ich selbst -- Befremden -- Das mag es ihn, das glaub' ich gern. Wann hätte Er dieser seltsamen Verschlossenheit In seinem Freunde sich versehn? -- Auch schmerzen! Ich kann dir's nicht ersparen, Carl, und länger Muß ich noch deine gute Seele quälen. Der König glaubte dem Gefäß, dem er Sein heiliges Geheimniß übergeben, Und Glauben fordert Dankbarkeit. Was wäre Geschwätzigkeit, wenn mein Verstummen dir Nicht Leiden bringt? vielleicht erspart? Warum Dem Schlafenden die Wetterwolke zeigen, Die über seinem Scheitel hängt? -- Genug, Daß ich sie still an dir vorüber führe Und, wenn du aufwachst, heller Himmel ist. \[Er geht ab\] \Szene{Kabinet des Königs.} \Auftritt % 4.7 \(Der König in einem Sessel -- neben ihm die Infantin Clara Eugenia\) \1 \[nach einem tiefen Stillschweigen\] Nein! Es ist dennoch meine Tochter -- Wie Kann die Natur mit solcher Wahrheit lügen? Dies blaue Auge ist ja mein! Find' ich In jedem dieser Züge mich nicht wieder? Kind meiner Liebe, ja, du bist's. Ich drücke Dich an mein Herz -- du bist mein Blut. \\ \[Er stutzt und hält inne\] Mein Blut! Was kann ich Schlimmres fürchten? Meine Züge, Sind sie die \textit{seinigen} nicht auch? \\ \[Er hat das Medaillon in die Hand genommen und sieht wechselsweise auf das Bild und in einen gegenüber stehen den Spiegel -- endlich wirft er es zur Erde, steht schnell auf und drückt die Infantin von sich\] Weg! Weg! In diesem Abgrund geh' ich unter. \\ \Auftritt % 4.8 \(Graf Lerma. Der König\) \12 Eben Sind Ihre Majestät, die Königin, Im Vorgemach erschienen. \\ \1 Jetzt? \\ \12 Und bitten Um gnädigstes Gehör -- \\ \1 Jetzt aber? Jetzt? In dieser ungewohnten Stunde? -- Nein! Jetzt kann ich sie nicht sprechen -- jetzt nicht -- \\ \12 Hier Sind Ihre Majestät schon selbst -- \[Er geht ab\] \\ \Auftritt % 4.9 \(Der König. Die Königin tritt herein. Die Infantin\) \[Die Letztere fliegt ihr entgegen und schmiegt sich an sie an. Die Königin fällt vor dem König nieder, welcher stumm und verwirrt steht\] \2 Mein Herr Und mein Gemahl -- ich muß -- ich bin gezwungen, Vor Ihrem Thron Gerechtigkeit zu suchen. \1 Gerechtigkeit? \\ \2 Unwürdig seh' ich mir An diesem Hof begegnet. Meine Schatulle ist erbrochen -- \\ \1 Was? \\ \2 Und Sachen Von großem Werth für mich daraus verschwunden -- \1 Von großem Werth für Sie -- \\ \2 Durch die Bedeutung, Die eines Unbelehrten Dreistigkeit Vermögend wäre -- \\ \1 Dreistigkeit -- Bedeutung -- Doch -- stehn Sie auf. \\ \2 Nicht eher, mein Gemahl, Bis Sie durch ein Versprechen sich gebunden, Kraft Ihres königlichen Arms zu meiner Genugthuung den Thäter mir zu stellen, Wo nicht, von einem Hofstaat mich zu trennen, Der meinen Dieb verbirgt -- \\ \1 Stehn Sie doch auf -- In dieser Stellung -- Stehn Sie auf -- \\ \2 \[steht auf\] Daß er Von Range sein muß, weiß ich -- denn in der Schatulle lag an Perlen und Demanten Weit über eine Million, und er Begnügte sich mit Briefen -- \\ \1 Die ich doch -- \2 Recht gerne, mein Gemahl. Es waren Briefe Und ein Medaillon von dem Infanten. \1 Von -- \\ \2 Dem Infanten, Ihrem Sohn. \\ \1 An Sie? \2 An mich. \\ \1 Von dem Infanten? Und das sagen Sie \textit{mir}? \\ \2 Warum nicht Ihnen, mein Gemahl? \1 Mit dieser Stirne? \\ \2 Was fällt Ihnen auf? Ich denke, Sie erinnern sich der Briefe, Die mit Bewilligung von beiden Kronen Don Carlos mir nach Saint-Germain geschrieben. Ob auch das Bild, womit er sie begleitet, In diese Freiheit einbedungen worden, Ob seine rasche Hoffnung eigenmächtig Sich diesen kühnen Schritt erlaubt -- das will Ich zu entscheiden mich nicht unterfangen. Wenn's Uebereilung war, so war es die Verzeihlichste -- da bin ich für ihn Bürge. Denn damals fiel ihm wohl nicht bei, daß es Für seine Mutter wäre -- \\ \[Sieht die Bewegung des Königs\] Was ist das? Was haben Sie? \\ \5 \[welche unterdessen das Medaillon auf dem Boden gefunden und damit gespielt hat, bringt es der Königin\] Ah! Sieh da, meine Mutter! Das schöne Bild -- \\ \2 Was denn, mein -- \\ \[Sie erkennt das Medaillon und bleibt in sprachloser Erstarrung stehen. Beide sehen einander mit unverwandten Augen an. Nach einem langen Stillschweigen\] Wahrlich, Sire! \textit{Dies} Mittel, seiner Gattin Herz zu prüfen, Dünkt mir sehr königlich und edel -- Doch Noch eine Frage möcht' ich mir erlauben. \1 Das Fragen ist an mir. \\ \2 Durch meinen Argwohn Soll doch die Unschuld wenigstens nicht leiden. -- Wenn also dieser Diebstahl Ihr Befehl Gewesen -- \\ \1 Ja. \\ \2 Dann hab' ich Niemand anzuklagen Und Niemand weiter zu bedauern -- Niemand, Als \textit{Sie}, dem \textit{die} Gemahlin nicht geworden, Bei welcher solche Mittel sich verlohnen. \1 \textit{Die} Sprache kenn' ich. -- Doch, Madame, Zum zweiten Male soll sie mich nicht täuschen, Wie in Aranjuez sie mich getäuscht. Die engelreine Königin, die damals Mit so viel Würde sich vertheidigt -- jetzt Kenn' ich sie besser. \\ \2 Was ist das? \\ \1 Kurz also Und ohne Hinterhalt, Madame! -- Ist's wahr, Noch wahr, daß Sie mit Niemand dort gesprochen? Mit Niemand? Ist das wirklich wahr? \\ \2 Mit dem Infanten Hab' ich gesprochen. Ja. \\ \1 Ja? -- Nun, so ist's Am Tage. Es ist offenbar. So frech! So wenig Schonung meiner Ehre! \\ \2 Ehre, Sire? Wenn Ehre zu verletzen war, so, fürcht' ich, Stand eine größre auf dem Spiel, als mir Castilien zur Morgengabe brachte. \1 Warum verleugnen Sie mir? \\ \2 Weil ich Es nicht gewohnt bin, Sire, in Gegenwart Von Höflingen, auf Delinquentenweise Verhören mich zu lassen. Wahrheit werde Ich nie verleugnen, wenn mit Ehrerbietung Und Güte sie gefordert wird. -- Und war Das wohl der Ton, den Eure Majestät Mit in Aranjuez zu hören gaben? Ist etwa sie versammelte Grandezza Der Richterstuhl, vor welchen Königinnen Zu ihrer stillen Thaten Rechenschaft Gezogen werden? Ich gestattete Dem Prinzen die Zusammenkunft, um die Er dringend bat. Ich that es, mein Gemahl, Weil ich es wollte -- weil ich den Gebrauch Nicht über Dinge will zum Richter setzen, Die ich für tadellos erkannt -- und Ihnen Verbarg ich es, weil ich nicht lüstern war, Mit Eurer Majestät um diese Freiheit Vor meinem Hofgesinde mich zu streiten. \1 Sie sprechen kühn, Madame, sehr -- \\ \2 Und auch darum, Setz' ich hinzu, weil der Infant doch schwerlich Der Billigkeit, die er verdient, sich zu Erfreuen hat in seines Vaters Herzen -- \1 Die er verdient? \\ \2 Denn warum soll ich es Verbergen, Sire? -- Ich schätz' ihn sehr und lieb' ihn Als meinen theuersten Verwandten, der Einst werth befunden worden, einen Namen Zu führen, der mich mehr anging -- Ich habe Noch nicht recht einsehn lernen, daß er mir Gerade darum fremder sollte sein, Als jeder Andre, weil er ehedem Vor jedem Andern theuer mir gewesen. Wenn Ihre Staatsmaxime Bande knüpft, Wie sie für gut es findet, soll es ihr Doch etwas schwerer werden, sie zu lösen. Ich will nicht hassen, wen ich soll -- und, weil Man endlich doch zu reden mich gezwungen -- Ich will es nicht -- will meine Wahl nicht länger Gebunden sehn -- \\ \1 Elisabeth! Sie haben In schwachen Stunden mich gesehen. Diese Erinnerung macht Sie so kühn. Sie trauen Auf eine Allmacht, die Sie oft genug An meiner Festigkeit geprüft. -- Doch fürchten Sie desto mehr. Was bis zu Schwächen mich Gebracht, kann auch zu Raserei mich führen. \2 Was hab' ich denn begangen? \\ \1 \[nimmt ihre Hand\] Wenn es ist, \textit{Doch} ist -- und ist es denn nicht schon? -- wenn Ihrer Verschuldung volles, aufgehäuftes Maß Auch nur um eines Athems Schwere steigt -- Wenn ich der Hintergangne bin -- \\ \[Er läßt ihre Hand los\] Ich kann Auch über diese letzte Schwäche siegen. Ich kann's und will's -- Dann wehe mir und Ihnen, Elisabeth! \\ \2 Was hab' ich denn begangen? \1 Dann meinetwegen fließe Blut -- \\ \2 So weit Ist es gekommen -- Gott! \\ \1 Ich kenne Mich selbst nicht mehr -- ich ehre keine Sitte Und keine Stimme der Natur und keinen Vertrag der Nationen mehr -- \\ \2 Wie sehr Beklag' ich Eure Majestät -- \\ \1 \[außer Fassung\] Beklagen! Das Mitleid einer Buhlerin -- \\ \5 \[hängt sich erschrocken an ihre Mutter\] Der König zürnt, Und meine schöne Mutter weint. \\ \1 \[stößt das Kind unsanft von der Königin\] \2 \[mit Sanftmuth und Würde, aber mit zitternder Stimme\] Dies Kind Muß ich doch sicher stellen vor Mißhandlung. Komm mit mir, meine Tochter. \\ \[Sie nimmt es auf den Arm\] Wenn der König Dich nicht mehr kennen will, so muß ich jenseits Der Pyrenäen Bürger kommen lassen, Die unsre Sache führen. \\ \[Sie will gehen\] \1 \[betreten\] Königin? \2 Ich kann nicht mehr -- das ist zu viel -- \[Sie will die Thür erreichen und fällt mit dem Kinde an der Schwelle zu Boden\] \1 \[hinzueilend, voll Bestürzung\] Gott! was ist das? -- \\ \5 \[ruft voll Schrecken\] Ach, meine Mutter blutet! \[r]sie eilt hinaus\] \1 \[ängstlich um sie beschäftigt\] Welch fürchterlicher Zufall! Blut! Verdien' ich, Daß Sie so hart mich strafen? Stehn Sie auf, Erholen Sie sich! Stehn Sie auf! Man kommt! Man überrascht uns -- Stehn Sie auf! Soll sich Mein ganzer Hof an diesem Schauspiel weiden? Muß ich Sie bitten, aufzustehen? \\ \[Sie richtet sich auf, von dem König unterstützt\] \Auftritt % 4.10 \(Die Vorigen. Alba, Domingo treten erschrocken herein. Damen folgen\) \1 Man bringe Die Königin zu Hause. Ihr ist übel. \[Die Königin geht ab, begleitet von den Damen. Alba und Domingo treten näher\] \11 Die Königin in Thränen, und auf ihrem Gesichte Blut -- \\ \1 Das nimmt die Teufel Wunder, Die mich verleitet haben? \\ \11 \16 Wir? \\ \1 Die mir Genug gesagt, zum Rasen mich zu bringen, Zu meiner Ueberzeugung nichts. \\ \11 Wir gaben, Was wir gehabt -- \\ \1 Die Hölle dank' es euch. Ich habe, was mit reut, gethan. War das Die Sprache eines schuldigen Gewissens? \persona{Marquis von Posa} \[noch außerhalb der Scene\] Ist der Monarch zu sprechen? \\ \Auftritt % 4.11 \(Marquis von Posa. Die Vorigen\) \1 \[bei dieser Stimme lebhaft auffahrend und dem Marquis einige Schritte entgegen gehend\] Ah, das ist er! Seit mir willkommen, Marquis -- Eurer, Herzog, Bedarf ich jetzt nicht mehr. Verlaßt uns. \\ \[Alba und Domingo sehen einander mit stummer Verwunderung an und gehen\] \Auftritt % 4.12 \(Der König und Marquis von Posa\) \10 Sire! Dem alten Manne, der in zwanzig Schlachten Dem Tod für Sie entgegen ging, fällt es Doch hart, sich so entfernt zu sehn! \\ \1 Euch ziemt Es, \textit{so} zu denken, \textit{so} zu handeln, mir. Was Ihr in wenig Stunden mir gewesen, War er in einem Menschenalter nicht. Ich will nicht heimlich thun mit meinem Wohlgefallen; Das Siegel meiner königlichen Gunst Soll hell und weit auf Eurer Stirne leuchten. Ich will den Mann, den ich zum Freund gewählt, Beneidet sehn. \\ \10 Und dann auch, wenn die Hülle Der Dunkelheit allein ihn fähig machte, Des Namens werth zu sein? \\ \1 Was bringt Ihr mir? \\ \10 Als ich das Vorgemach durchgehe, Hör' ich von einem schrecklichen Gerüchte, Das mir unglaublich däucht -- Ein heftiger Wortwechsel -- Blut -- die Königin -- \1 Ihr kommt von dort? \\ \10 Entsetzen sollt' es mich, Wenn das Gerücht nicht Unrecht hätte, wenn Von Eurer Majestät indeß vielleicht Etwas geschehen wäre -- Wichtige Entdeckungen, die ich gemacht, verändern Der Sache ganze Lage. \\ \1 Nun? \\ \10 Ich fand Gelegenheit, des Prinzen Portefeuille Mit einigen Papieren wegzunehmen, Die, wie ich hoffe, ein'ges Licht -- \\ \[Er gibt Carlos' Brieftasche dem König\] \1 \[durchsieht sie begierig\] Ein Schreiben Vom Kaiser, meinem Vater -- -- Wie? Von dem Ich nie gehört zu haben mich entsinne? \[Er liest es durch, legt es bei Seite und eilt zu den andern Papieren\] Der Plan zu einer Festung -- Abgerißne Gedanken aus dem Tacitus -- Und was Denn hier? -- Die Hand sollt' ich doch kennen! Es ist von einer Dame. \\ \[Er liest aufmerksam, bald laut, bald leise\] »Dieser Schlüssel -- -- Die hintern Zimmer im Pavillon Der Königin« -- Ha! Was wird das? -- »Hier darf Die Liebe frei -- Erhörung -- schöner Lohn« -- Satanische Verrätherei! Jetzt kenn' ich's, Sie ist es. Es ist ihre Hand! \\ \10 Die Hand Der Königin? Unmöglich -- \\ \1 Der Prinzessin Von Eboli -- \\ \10 So wär' es wahr, was mir Unlängst der Page Henarez gestanden, Der Brief und Schlüssel überbrachte. \\ \1 \[Des Marquis Hand fassend, in heftiger Bewegung\] Marquis, Ich sehe mich in fürchterlichen Händen! Dies Weib -- ich will es nur gestehen -- Marquis, Dies Weib erbrach der Königin Schatulle, Die erste Warnung kam von ihr -- Wer weiß, Wie viel der Mönch drum wissen mag -- Ich bin Durch ein verruchtes Bubenstück betrogen. \10 Dann wär' es ja noch glücklich -- \\ \1 Marquis! Marquis! Ich fange an, zu fürchten, daß ich meiner Gemahlin doch zu viel gethan -- \\ \10 Wenn zwischen Dem Prinzen und der Königin geheime Verständnisse gewesen sind, so waren Sie sicherlich von weit -- weit anderm Inhalt, Als dessen man sie angeklagt. Ich habe Gewisse Nachricht, daß des Prinzen Wunsch, Nach Flandern abzureisen, in dem Kopfe Der Königin entsprang. \\ \1 Ich glaubt' es immer. \10 Die Königin hat Ehrgeiz -- Darf ich mehr Noch sagen? -- Mit Empfindlichkeit sieht sie In ihrer stolzen Hoffnung sich getäuscht Und von des Thrones Antheil ausgeschlossen. Des Prinzen rasche Jugend bot sich ihren Weit blickenden Entwürfen dar -- ihr Herz -- Ich zweifle, ob sie lieben kann. \\ \1 Vor ihren Staatsklugen Planen zittr' ich nicht. \10 Ob sie geliebt wird? -- Ob von dem Infanten Nichts Schlimmeres zu fürchten? Diese Frage Scheint mir der Untersuchung werth. Hier, glaub' ich, Ist eine strenge Wachsamkeit vonnöthen -- \1 Ihr haftet mir für ihn. -- \\ \10 \[nach einigem Bedenken\] Wenn Eure Majestät Mich fähig halten, dieses Amt zu führen, So muß ich bitten, es uneingeschränkt Und \textit{ganz} in meine Hand zu übergeben. \1 Das soll geschehen. \\ \10 Wenigstens durch keinen Gehilfen, welchen Namen er auch habe, In Unternehmungen, die ich etwa Für nöthig finden könnte, mich zu stören -- \1 Durch keinen. Ich versprech' es Euch. Ihr wart Mein guter Engel. Wie viel Dank bin ich Für diesen Wink Euch schuldig! \\ \[Zu Lerma, der bei den letzten Worten hereintritt\] Wie verließt Ihr Die Königin? \\ \12 Noch sehr erschöpft von ihrer Ohnmacht. \[Er sieht den Marquis mit zweideutigen Blicken an und geht\] \10 \[nach einer Pause zum König\] Noch eine Vorsicht scheint mir nöthig. Der Prinz, fürcht' ich, kann Warnungen erhalten. Er hat der guten Freunde viel -- vielleicht Verbindungen in Gent mit den Rebellen. Die Furcht kann zu verzweifelten Entschlüssen Ihn führen -- Darum rieth' ich an, gleich jetzt Vorkehrungen zu treffen, diesem Fall Durch ein geschwindes Mittel zu begegnen. \1 Ihr habt ganz Recht. Wie aber -- \\ \10 Ein geheimer Verhaftsbefehl, den Eure Majestät In meine Hände niederlegen, mich Im Augenblicke der Gefahr sogleich Desselben zu bedienen -- und -- \\ \[Wie sich der König zu bedenken scheint\] Es bliebe Fürs Erste Staatsgeheimniß, bis -- \\ \1 \[zum Schreibepult gehend und den Verhaftsbefehl niederschreibend\] Das Reich Ist auf dem Spiele -- Außerordentliche Mittel Erlaubt die dringende Gefahr -- Hier, Marquis -- Euch brauch' ich keine Schonung zu empfehlen -- \10 \[empfängt den Verhaftsbefehl\] Es ist aufs Aeußerste, mein König. \\ \1 \[legt die Hand auf seine Schulter\] Geht, Geht, lieber Marquis -- Ruhe meinem Herzen Und meinen Nächten Schlaf zurück zu bringen. \[Beide gehen ab zu verschiedenen Seiten\] \Szene{Galerie} \Auftritt % 4.13 \(\3 kommt in der größten Beängstigung. Graf Lerma ihm entgegen\) \3 Sie such' ich eben. \\ \12 Und ich Sie. \\ \3 Ist's wahr? Um Gottes willen, ist es wahr? \\ \12 Was denn? \3 Daß er den Dolch nach ihr gezückt? daß man Aus seinem Zimmer blutig sie getragen? Bei allen Heiligen, antworten Sie! Was muß ich glauben? was ist wahr? \\ \12 Sie fiel Ohnmächtig hin und ritzte sich im Fallen. Sonst war es nichts. \\ \3 Sonst hat es nicht Gefahr? Sonst nicht? Bei Ihrer Ehre, Graf? \\ \12 Nicht für Die Königin -- doch desto mehr für Sie. \3 Für meine Mutter nicht! Nun, Gott sei Dank! Mit kam ein schreckliches Gerücht zu Ohren, Der König rase gegen Kind und Mutter, Und ein Geheimniß sei entdeckt. \\ \12 Das Letzte Kann auch wohl wahr sein -- \\ \3 Wahr sein! Wie? \12 Prinz, eine Warnung gab ich Ihnen heute, Die Sie verachtet haben. Nützen Sie Die zweite besser. \\ \3 Wie? \\ \12 Wenn ich mich anders Nicht irre, Prinz, sah ich vor wen'gen Tagen Ein Portefeuille von himmelblauem Sammt, Mit Gold durchwirkt, in Ihrer Hand -- \\ \3 \[etwas bestürzt\] So eins Besitz' ich. Ja -- Nun? -- \\ \12 Auf der Decke, glaub' ich, Ein Schattenriß, mit Perlen eingefaßt -- \3 Ganz recht. \\ \12 Als ich vorhin ganz unvermuthet Ins Kabinet des Königs trag, glaubt' ich Das nämliche in seiner Hand zu sehen, Und Marquis Posa stand bei ihm -- \\ \3 \[nach einem kurzen erstarrenden Stillschweigen, heftig\] Das ist Nicht wahr. \\ \12 \[empfindlich\] Dann freilich bin ich ein Betrüger. \3 \[sieht ihn lange an\] Der sind Sie. Ja. \\ \12 Ach! ich verzeih' es Ihnen. \3 \[geht in schrecklicher Bewegung auf und nieder und bleibt endlich vor ihm stehen\] Was hat er dir zu Leid gethan? Was haben Die unschuldsvollen Bande dir gethan, Die du mit höllischer Geschäftigkeit Zu reißen dich beeiferst? \\ \12 Prinz, ich ehre Den Schmerz, der Sie unbillig macht. \\ \3 O Gott! Gott! -- Gott! Bewahre mich vor Argwohn! \\ \12 Auch Erinnr' ich mich des Königs eigner Worte: Wie vielen Dank, sagt' er, als ich herein trat, Bin ich für diese Neuigkeit Euch schuldig! \3 O stille! stille! \\ \12 Herzog Alba soll Gefallen sein -- dem Prinzen Ruy Gomez Das große Siegel abgenommen und Dem Marquis übergeben sein -- \\ \3 \[in tiefes Grübeln verloren\] Und mir verschwieg er! Warum verschwieg er mir? \\ \12 Der ganze Hof Staunt ihn schon als allmächtigen Minister, Als unumschränkten Günstling an -- \\ \3 Er hat Mich lieb gehabt, sehr lieb. Ich war ihm theuer, Wie seine eigne Seele. O, das weiß ich -- Das haben tausend Proben mir erwiesen. Doch sollen Millionen ihm, soll ihm Das Vaterland nicht theurer sein als Einer? Sein Busen war für einen Freund zu groß, Und Carlos' Glück zu klein für seine Liebe. Er opferte mich seiner Tugend. Kann Ich ihn drum schelten? -- Ja, es ist gewiß! Jetzt ist's gewiß. Jetzt hab' ich ihn verloren. \[Er geht seitwärts und verhüllt das Gesicht\] \12 \[nach einigem Stillschweigen\] Mein bester Prinz, was kann ich für Sie thun? \3 \[ohne ihn anzusehen\] Zum König gehen und mich auch verrathen. Ich habe nichts zu schenken. \\ \12 Wollen Sie Erwarten, was erfolgen mag? \\ \3 \[stützt sich auf das Geländer und sieht starr vor sich hinaus\] Ich hab' ihn Verloren. O, jetzt bin ich ganz verlassen! \12 \[nähert sich ihm mit theilnehmender Rührung\] Sie wollen nicht auf Ihre Rettung denken? \3 Auf meine Rettung? -- Guter Mensch! \\ \12 Und sonst, Sonst haben Sie für Niemand mehr zu zittern? \3 \[fährt auf\] Gott! Woran mahnen Sie mich! -- Meine Mutter! Der Brief, den ich ihm wieder gab! ihm erst Nicht lassen wollte und doch ließ! \\ \[Er geht heftig und die Hände ringend auf und nieder\] Womit Hat \textit{sie} es denn verdient um ihn? \textit{Sie} hätt' er Doch schonen sollen. Lerma, hätt' er nicht? \[Rasch entschlossen\] Ich muß zu ihr -- ich muß sie warnen, muß Sie vorbereiten -- Lerma, lieber Lerma -- Wen schick' ich denn? Hab' ich denn Niemand mehr? Gott sei gelobt! Noch einen Freund -- und hier Ist nichts mehr zu verschlimmern. \\ \[Schnell ab\] \12 \[folgt ihm und ruft ihm nach\] Prinz! Wohin? \[Geht ab\] \Szene {Ein Zimmer der Königin} \Auftritt % 4.14 \(Die Königin. Alba. Domingo\) \11 Wenn uns vergönnt ist, große Königin -- \2 Was steht zu Ihren Diensten? \\ \16 Redliche Besorgniß Für Ihre königliche Majestät Erhabene Person erlaubt uns nicht, Bei einem Vorfall müßig still zu schweigen, Der Ihre Sicherheit bedroht. \\ \11 Wir eilen, Durch unsre zeit'ge Warnung ein Komplott, Das wider Sie gespielt wird, zu entkräften -- \16 Und unsern Eifer -- unsre Dienste zu Den Füßen Ihrer Majestät zu legen. \2 \[sieht sie verwundernd an\] Hochwürd'ger Herr, und Sie, mein edler Herzog, Sie überraschen mich wahrhaftig. Solcher Ergebenheit war ich mir von Domingo Und Herzog Alba wirklich nicht vermuthend. Ich weiß, wie ich sie schätzen muß -- Sie nennen Mir ein Komplott, das mich bedrohen soll. Darf ich erfahren, wer -- -- \\ \11 Wir bitten Sie, Vor einem Marquis Posa sich zu hüten, Der für des Königs Majestät geheime Geschäfte führt. \\ \2 Ich höre mit Vergnügen, Daß der Monarch so gut gewählt. Den Marquis Hat man mir längst als einen guten Menschen, Als einen großen Mann gerühmt. Nie ward Die höchste Gunst gerechter ausgetheilt -- \16 Gerechter ausgetheilt? Wir wissen's besser. \11 Es ist längst kein Geheimniß mehr, wozu Sich dieser Mensch gebrauchen lassen. \\ \2 Wie? Was wär' denn das? Sie spannen meine ganze Erwartung. \\ \16 Ist es schon von lange, Daß Ihre Majestät zum letzten Mal in Ihrer Schatulle nachgesehen? \\ \2 Wie? \\ \16 Und haben Sie nichts darin vermißt von Kostbarkeiten? \2 Wie so? Warum? Was ich vermisse, weiß Mein ganzer Hof -- Doch Marquis Posa? Wie Kommt Marquis Posa damit in Verbindung? \11 Sehr nahe, Ihre Majestät -- dann auch Dem Prinzen fehlen wichtige Papiere, Die in des Königs Händen diesen Morgen Gesehen worden -- als der Chevalier Geheime Audienz gehabt. \\ \2 \[nach einigem Nachdenken\] Seltsam, Bei Gott! und äußerst sonderbar! -- Ich finde Hier einen Feind, von dem mir nie geträumt, Und wiederum zwei Freunde, die ich nie besessen Zu haben mich entsinnen kann -- Denn wirklich \[indem sie einen durchdringenden Blick auf beide heftet\] Muß ich gestehn, ich war schon in Gefahr, Den schlimmen Dienst, den mir bei meinem Herrn Geleistet worden -- Ihnen zu vergeben. \11 Uns? \\ \2 Ihnen. \\ \16 Herzog Alba! Uns! \\ \2 \[noch immer die Augen fest auf sie gerichtet\] Wie lieb Ist es mir also, meiner Uebereilung So bald gewahr zu werden -- ohnehin Hatt' ich beschlossen, Seine Majestät Noch heut zu bitten, meinen Kläger mir Zu stellen. Um so besser nun! So kann ich Auf Herzog Albas Zeugniß mich berufen. \11 Auf mich? Das wollten Sie im Ernst? \\ \2 Warum nicht? \16 Um alle Dienste zu entkräften, die Wir Ihnen im Verborgnen -- \\ \2 Im Verborgnen? \[Mit Stolz und Ernst\] Ich wünschte doch zu wissen, Herzog Alba, Was Ihres Königs Frau mit Ihnen, oder Mit Ihnen, Priester, abzureden hätte, Das ihr Gemahl nicht wissen darf -- -- Bin ich Unschuldig oder schuldig? \\ \16 Welche Frage! \11 Doch, wenn der König so gerecht nicht wäre? Es jetzt zum Mindesten nicht wäre? \\ \2 Dann Muß ich erwarten, bis er's wird -- Wohl Dem, Der zu gewinnen hat, wenn er's geworden! \[Sie macht ihnen eine Verbeugung und geht ab; jene entfernen sich nach einer andern Seite\] \Szene{Zimmer der Prinzessin von Eboli} \Auftritt % 4.15 \(Prinzessin von Eboli. Gleich darauf Don Carlos\) \8 So ist sie wahr, die außerordentliche Zeitung, Die schon den ganzen Hof erfüllt? \\ \3 \[tritt herein\] Erschrecken Sie Nicht. Fürstin! Ich will sanft sein, wie ein Kind. \8 Prinz -- diese Ueberraschung. \\ \3 Sind Sie noch Beleidigt? noch? \\ \8 Prinz! \\ \3 \[dringend\] Sind Sie noch beleidigt? Ich bitte, sagen Sie es mir. \\ \8 Was soll das? Sie scheinen zu vergessen, Prinz -- Was suchen Sie bei mir? \\ \3 \[ihre Hand mit Heftigkeit fassend\] Mädchen, kannst du ewig hassen? Verzeiht gekränkte Liebe nie? \\ \8 \[will sich losmachen\] Woran Erinnern Sie mich, Prinz? \\ \3 An deine Güte Und meine Undank -- Ach! ich weiß es wohl! Schwer hab' ich dich beleidigt, Mädchen, habe Dein sanftes Herz zerrissen, habe Thränen Gepreßt aus diesen Engelblicken -- ach! Und bin auch jetzt nicht hier, es zu bereuen. \8 Prinz, lassen Sie mich -- ich -- \\ \3 Ich bin gekommen, Weil du ein sanftes Mädchen bist, weil ich Auf deine gute, schöne Seele baue. Sieh, Mädchen, sieh, ich habe keinen Freund mehr Auf dieser Welt, als dich allein. Einst warst Du mir so gut -- Du wirst nicht ewig hassen Und wirst nicht unversöhnlich sein. \\ \8 \[wendet das Gesicht ab\] O stille! Nichts mehr, um Gottes willen, Prinz! -- \\ \3 Laß mich An jene goldnen Zeiten dich erinnern, -- An deine Liebe laß mich dich erinnern, An deine Liebe, Mädchen, gegen die Ich so unwürdig mich verging. Laß mich Jetzt gelten machen, was ich dir gewesen, Was deines Herzens Träume mir gegeben -- Noch einmal -- nur noch \textit{einmal} stelle mich So, wie ich damals war, vor deine Seele, Und diesem Schatten opfre, was du mir, Mir ewig nie mehr opfern kannst. \\ \8 O Carl! Wie grausam spielen Sie mit mir! \\ \3 Sei größer, Als dein Geschlecht. Vergiß Beleidigungen! Thu', was vor dir kein Weib gethan -- nach dir Kein Weib mehr thun wird. Etwas Unerhörtes Fordr' ich von dir -- Laß mich -- auf meinen Knien Beschwör' ich dich -- laß mich, zwei Worte laß mich Mit meiner Mutter sprechen. \\ \[Er wirft sich vor ihr nieder\] \Auftritt % 4.16 \(Die Vorigen. Marquis von Posa stürzt herein; hinter ihm zwei Officiere der königlichen Leibwache\) \10 \[athemlos, außer sich dazwischentretend\] Was hat er Gestanden? Glauben Sie ihm nicht. \\ \3 \[noch auf den Knieen, mit erhobener Stimme\] Bei Allem, Was heilig -- \\ \10 \[unterbricht ihn mit Heftigkeit\] Er ist rasend. Hören Sie Den Rasenden nicht an. \\ \3 \[lauter, dringender\] Es gilt um Tod Und Leben. Führen Sie mich zu ihr. \\ \10 \[zieht die Prinzessin mit Gewalt von ihm\] Ich Ermorde Sie, wenn Sie ihn hören. \\ \[Zu einem von den Officieren\] Graf Von Cordua. Im Namen des Monarchen. \[Er zeigt den Verhaftsbefehl\] Der Prinz ist Ihr Gefangener. \\ \[Carlos steht erstarrt, wie vom Donner gerührt. Die Prinzessin stößt einen Laut des Schreckens aus und will fliehen, die Officiere erstaunen. Eine lange und tiefe Pause. Man sieht den Marquis sehr heftig zittern und mit Mühe seine Fassung behalten. Zum Prinzen\] Ich bitte Um Ihren Degen -- Fürstin Eboli, Sie bleiben; und \\ \[zum Officier\] Sie haften mir dafür, Daß Seine Hoheit Niemand spreche -- Niemand -- Sie selbst nicht, bei Gefahr des Kopfs! \\ \[Er spricht noch Einiges leise mit dem Officier, darauf wendet er sich zum andern\] Ich werfe Sogleich mich selbst zu des Monarchen Füßen, Ihm Rechenschaft zu geben -- \\ \[Zu Carlos\] Und auch Ihnen -- Erwarten Sie mich, Prinz -- in einer Stunde. \[Carlos läßt sich ohne Zeichen des Bewußtseins hinwegführen. -- Nur im Vorübergehen läßt er einen matten, sterbenden Blick auf den Marquis fallen, der sein Gesicht verhüllt. Die Prinzessin versucht es noch einmal zu entfliehen; der Marquis führt sie beim Arme zurück\] \Auftritt % 4.17 \(Prinzessin von Eboli. Marquis von Posa\) \8 Um alles Himmel willen, lassen Sie Mich diesen Ort -- \\ \10 \[führt sie ganz vor, mit fürchterlichem Ernst\] Was hat er die gesagt, Unglückliche? \\ \8 Nichts -- Lassen Sie mich -- Nichts -- \10 \[hält sie mit Gewalt zurück. Ernster\] \textit{Wieviel} hast du erfahren? Hier ist kein Entrinnen mehr. Du wirst auf dieser Welt Es Niemand mehr erzählen. \\ \8 \[sieht ihm erschrocken ins Gesicht\] Großer Gott! Was meinen Sie damit? Sie wollen mich Doch nicht ermorden? \\ \10 \[zieht einen Dolch\] In der That, das bin Ich sehr gesonnen. Mach' es kurz. \\ \8 Mich? mich? O ewige Barmherzigkeit! Was hab' Ich denn begangen? \\ \10 \[zum Himmel sehend, den Dolch auf ihre Brust gesetzt\] Noch ist's Zeit. Noch trat Das Gift nicht über diese Lippen. Ich Zerschmettre das Gefäß, und Alles bleibt, Wie es gewesen -- Spaniens Verhängniß Und eines Weibes Leben! --\\ \[Er bleibt in dieser Stellung zweifelhaft ruhen\] \8 \[ist an ihm niedergesunken und sieht ihm fest ins Gesicht\] Nun? was zaudern Sie? Ich bitte nicht um Schonung -- Nein! Ich habe Verdient zu sterben, und ich will's. \\ \10 \[läßt die Hand langsam sinken. Nach einem kurzen Besinnen\] Das wäre So feig, als es barbarisch ist -- Nein, nein! Gott sei gelobt! Noch gibt's ein andres Mittel! \[Er läßt den Dolch fallen und eilt hinaus. Die Prinzessin stürzt fort durch eine andere Thüre\] \Szene{Ein Zimmer der Königin} \Auftritt % 4.18 \(Die Königin zur Gräfin Fuentes\) \00 Was für ein Auflauf im Palaste? Jedes Getöse, Gräfin, macht mir heute Schrecken. O, sehen Sie doch nach und sagen mir, Was es bedeutet. \\ \[Die Gräfin Fuentes geht ab, und herein stürzt die Prinzessin von Eboli\] \Auftritt % 4.19 \(Königin. Prinzessin von Eboli\) \8 \[athemlos, bleich und entstellt vor der Königin niedergesunken\] Königin! Zu Hilfe! Er ist gefangen! \\ \2 Wer? \\ \8 Der Marquis Posa Nahm auf Befehl des Königs ihn gefangen. \2 Wen aber? wen? \\ \8 Den Prinzen. \\ \2 Rasest du? \8 So eben führen sie ihn fort. \\ \2 Und wer Nahm ihn gefangen? \\ \8 Marquis Posa. \\ \2 Nun, Gott sei gelobt, daß es der Marquis war, Der ihn gefangen nahm! \\ \8 Das sagen Sie So ruhig, Königin? so kalt? O Gott! Sie ahnen nicht -- Sie wissen nicht -- \\ \2 Warum er Gefangen worden? -- Eines Fehltritts wegen, Vermuth' ich, der dem heftigen Charakter Des Jünglings sehr natürlich war. \\ \8 Nein, nein! Ich weiß es besser -- Nein -- O Königin! Verruchte, teufelische That! Für ihn Ist keine Rettung mehr! Er stirbt! \\ \2 Er stirbt! \8 Und seine Mörderin bin ich! \\ \2 Er stirbt! Wahnsinnige, bedenkst du? \\ \8 Und warum -- Warum er stirbt! -- O, hätt' ich wissen können, Daß es bis dahin kommen würde! \\ \2 \[nimmt sie gütig bei der Hand\] Fürstin! Noch sind Sie außer Fassung. Sammeln Sie Erst Ihre Geister, daß Sie ruhiger, Nicht in so grauenvollen Bildern, die Mein Innerstes durchschauern, mir erzählen. Was wissen Sie? Was ist geschehen? \\ \8 O! Nicht diese himmlische Herablassung, Nicht diese Güte, Königin! Wie Flammen Der Hölle schlägt sie brennend mein Gewissen. Ich bin nicht würdig, den entweihten Blick In Ihrer Glorie empor zu richten. Zertreten Sie die Elende, die sich, Zerknirscht von Reue, Scham und Selbstverachtung Zu Ihren Füßen krümmt. \\ \2 Unglückliche! Was haben Sie mir zu gestehen? \\ \8 Engel Des Lichtes! Große Heilige! Noch kennen, Noch ahnen Sie den Teufel nicht, dem Sie So liebevoll gelächelt -- Lernen Sie Ihn heute kennen. Ich -- ich war der Dieb, Der Sie bestohlen. -- \\ \2 Sie? \\ \8 Und jene Briefe Dem König ausgeliefert -- \\ \2 Sie? \\ \8 Der sich Erdreistet hat, Sie anzuklagen -- \\ \2 Sie, Sie konnten -- \\ \8 Rache -- Liebe -- Raserei -- Ich haßte Sie und liebte den Infanten -- \2 Weil Sie ihn liebten --? \\ \8 Weil ich's ihm gestanden Und keine Gegenliebe fand. \\ \2 \[nach einigem Stillschweigen\] O, jetzt Enträthselt sich mir Alles! -- Stehn Sie auf, Sie liebten ihn -- ich habe schon vergeben. Es ist nun schon vergessen -- Stehn Sie auf.\\ \[Sie reicht ihr den Arm\] \8 Nein! nein! Ein schreckliches Geständniß ist noch übrig. Nicht eher, große Königin -- \\ \2 \[aufmerksam\] Was werd' ich Noch hören müssen? Reden Sie -- \\ \8 Der König -- Verführung -- O, Sie blicken weg -- ich lese In Ihrem Angesicht Verwerfung -- das Verbrechen, dessen ich Sie zeihte -- ich Beging es selbst. \\ \[Sie drückt ihr glühendes Gesicht auf den Boden. Die Königin geht ab. Große Pause. Die Herzogin von Olivarez kommt nach einigen Minuten aus dem Kabinet, in welches die Königin gegangen war, und findet die Fürstin noch in der vorigen Stellung liegen. Sie nähert sich ihr stillschweigend; auf das Geräusch richtet sich die Letztere auf und fährt wie eine Rasende in die Höhe, da sie die Königin nicht mehr gewahr wird\] \Auftritt % 4.20 \(Prinzessin von Eboli. Herzogin von Olivarez\) \8 Gott, sie hat mich verlassen! Jetzt ist es aus. \\ \6 \[tritt ihr näher\] Prinzessin Eboli -- \8 Ich weiß, warum Sie kommen, Herzogin. Die Königin schickt Sie heraus, mein Urtheil Mir anzukündigen -- Geschwind! \\ \6 Ich habe Befehl von Ihrer Majestät, Ihr Kreuz Und Ihre Schlüssel in Empfang zu nehmen -- \8 \[nimmt ein goldenes Ordenskreuz vom Busen und gibt es in die Hände der Herzogin\] Doch \textit{einmal} noch ist mir gegönnt, die Hand Der besten Königin zu küssen? \\ \6 Im Marienkloster wird man Ihnen sagen, Was über Sie beschlossen ist. \\ \8 \[unter hervorstürzenden Thränen\] Ich sehe Die Königin nicht wieder? \\ \6 \[umarmt sie mit abgewandtem Gesicht\] Leben Sie glücklich! \[Sie geht schnell fort. Die Prinzessin folgt ihr bis an die Thüre des Kabinets, welches sogleich hinter der Herzogin verschlossen wird. Einige Minuten bleibt sie stumm und unbeweglich auf den Knieen davor liegen, dann rafft sie sich auf und eilt hinweg mit verhülltem Gesicht\] \Auftritt % 4.21 \(Königin. Marquis von Posa\) \2 Ach, endlich, Marquis! Glücklich, daß Sie kommen! \10 \[bleich, mit zerstörtem Gesicht, bebender Stimme und durch diesen ganzen Auftritt in feierlicher, tiefer Bewegung\] Sind Ihre Majestät allein? Kann Niemand In diesen nächsten Zimmern uns behorchen? \2 Kein Mensch -- Warum? Was bringen Sie? \\ \[Indem sie ihn genauer ansieht und erschrocken zurück tritt\] Und wie So ganz verändert! Was ist das? Sie machen Mich zittern, Marquis -- alle Ihre Züge Wie eines Sterbenden entstellt -- \\ \10 Sie wissen Vermuthlich schon -- \\ \2 Daß Carl gefangen worden, Und zwar durch Sie, setzt man hinzu -- So ist Es dennoch wahr? Ich wollt' es keinem Menschen Als Ihnen glauben. \\ \10 Es ist wahr. \\ \2 Durch Sie? \10 Durch mich. \\ \2 \[sieht ihn einige Augenblicke zweifelhaft an\] Ich ehre Ihre Handlungen, Auch wenn ich sie nicht fasse -- diesmal aber Verzeihen Sie dem bangen Weib -- Ich fürchte, Sie spielen ein gewagtes Spiel. \\ \10 Ich hab' es Verloren. \\ \2 Gott im Himmel! \\ \10 Sei'n Sie Ganz ruhig, meine Königin. Für \textit{ihn} Ich schon gesorgt. Ich hab' es \textit{mir} verloren. \2 Was werd' ich hören! Gott! \\ \10 Denn wer, Wer hieß auf einen zweifelhaften Wurf Mich Alles setzen? Alles? so verwegen, So zuversichtlich mit dem Himmel spielen? Wer ist der Mensch, der sich vermessen will, Des Zufalls schweres Steuer zu regieren, Und doch nicht der Allwissenden zu sein? O, es ist billig! -- Doch warum denn jetzt Von mir? Der Augenblick ist kostbar, wie Das Leben eines Menschen! Und wer weiß, Ob aus des Richters karger Hand nicht schon Die letzten Tropfen für mich fallen? \\ \2 Aus Des Richters Hand? -- Welch feierlicher Ton! Ich fasse nicht, was diese Reden meinen, Doch sie entsetzen ich -- \\ \10 Er ist gerettet! Um welchen Preis er's ist, gleichviel! Doch nur Für heute. Wenig Augenblicke sind Noch sein. Er spare sie. Noch diese Nacht Muß er Madrid verlassen. \\ \2 Diese Nacht noch? \10 Anstalten sind getroffen. In demselben Karthäuserkloster, das schon lange Zeit Die Zuflucht unsrer Freundschaft war gewesen, Erwartet ihn die Post. Hier ist in Wechseln, Was mir das Glück auf dieser Welt gegeben. Was mangelt, legen \textit{Sie} noch bei. Zwar hätt' ich An meinen Carl noch Manches auf dem Herzen, Noch Manches, das er wissen muß; doch leicht Könnt' es an Muße mir gebrechen, Alles Persönlich mit ihm abzuthun -- Sie sprechen Ihn diesen Abend, darum wend' ich mich An Sie -- \\ \2 Um meiner Ruhe willen, Marquis, Erklären Sie sich deutlicher -- nicht in So fürchterlichen Räthseln reden Sie Mit mir -- Was ist geschehn? \\ \10 Ich habe noch Ein wichtiges Bekenntniß abzulegen; In Ihre Hände leg' ich's ab. Mir ward Ein Glück, wie es nur Wenigen geworden; Ich liebte einen Fürstensohn -- Mein Herz, Nur einem Einzigen geweiht, umschloß Die ganze Welt! -- In meines Carlos' Seele Schuf ich ein Paradies für Millionen. O, meine Träume waren schön -- Doch es Gefiel der Vorsehung, mich vor der Zeit Von meiner schönen Pflanzung abzurufen. Bald hat er seinen Roderich nicht mehr, Der Freund hört auf in der Geliebten. Hier, Hier -- hier -- auf diesem heiligen Altare, Im Herzen seiner Königin leg' ich Mein letztes kostbares Vermächtniß nieder, Hier find' er's, wenn ich nicht mehr bin --\\ \[Er wendet sich ab, Thränen ersticken seine Stimme\] \2 Das ist Die Sprache eines Sterbenden. Doch hoff' ich, Es ist nur Wirkung Ihres Blutes -- oder Liegt Sinn in diesen Reden? \\ \10 \[hat sich zu sammeln gesucht und fährt mit festerm Tone fort\] Sagen Sie Dem Prinzen, daß er denken soll des Eides, Den wir in jenen schwärmerischen Tagen Auf die getheilte Hostie geschworen. Den meinigen hab' ich gehalten, bin Ihm treu geblieben bis zum Tod -- jetzt ist's An ihm, den seinigen -- \\ \2 Zum Tod? \\ \10 Er mache -- O, sagen Sie es ihm! das Traumbild wahr, Das kühne Traumbild eines neuen Staates, Der Freundschaft göttliche Geburt. Er lege Die erste Hand an diesen rohen Stein. Ob er vollende oder unterliege -- Ihm einerlei! Er lege Hand an. Wenn Jahrhunderte dahin geflohen, wird Die Vorsicht einen Fürstensohn, wie er, Auf einen Thron, wie seiner, wiederholen Und ihren neuen Liebling mir derselben Begeisterung entzünden. Sagen Sie Ihm, daß er für die Träume seiner Jugend Soll Achtung tragen, wenn er Mann sein wird, Nicht öffnen soll dem tödtenden Insekte Gerühmter besserer Vernunft das Herz Der zarten Götterblume -- daß er nicht Soll irre werden, wenn des Staubes Weisheit Begeisterung, die Himmelstocher, lästert. Ich hab' es ihm zuvor gesagt -- \\ \2 Wie, Marquis? Und wozu führt -- \\ \10 Und sagen Sie ihm, daß Ich Menschenglück auf seine Seele lege, Daß ich es sterbend von ihm fordre -- fordre! Und sehr dazu berechtigt war. Es hätte Bei mir gestanden, einen neuen Morgen Heraufzuführen über diese Reiche. Der König schenkte mir sein Herz. Er nannte Mich seinen Sohn -- Ich führe seine Siegel, Und seine Alba sind nicht mehr. \\ \[Er hält inne und sieht einige Augenblicke stillschweigend auf die Kö\-ni\-gin\] Sie weinen -- Ich, diese Thränen kenn' ich, schöne Seele! Die Freude macht die fließen. Doch -- vorbei, Es ist vorbei. Carl oder ich. Die Wahl War schnell und schrecklich. Einer war verloren, Und \textit{ich} will dieser Eine sein -- ich lieber -- Verlangen Sie nicht mehr zu wissen. \\ \2 Jetzt, Jetzt endlich fang' ich an, Sie zu begreifen -- Unglücklicher, was haben Sie gethan? \10 Zwei kurze Abendstunden hingegeben, Um einen hellen Sommertag zu retten. Den König geb' ich auf. Was kann ich auch Dem König sein? -- In diesem starren Boden Blüht keine meiner Rosen mehr -- Europas Verhängniß reift in meinem großen Freunde! Auf ihn verweis' ich Spanien -- Es blute Bis dahin unter Philipps Hand! -- Doch, weh! Weh mir und ihm, wenn ich bereuen sollte, Vielleicht das Schlimmere gewählt! -- Nein, nein! Ich kenne meinen Carlos -- Das wird nie Geschehn -- und meine Bürgin, Königin, Sind \textit{Sie} \\ \[Nach einigem Stillschweigen\] Ich sah sie keimen, diese Liebe, sah Der Leidenschaften unglückseligste In seinem Herzen Wurzel fassen -- Damals Stand es in meiner Macht, sie zu bekämpfen. Ich that es nicht. Ich nährte diese Liebe, Die mir nicht unglückselig war. Die Welt Kann anders richten. Ich bereue nicht. Mein Herz klagt mich nicht an. Ich sahe Leben, Wo sie nur Tod -- in dieser hoffnungslosen Flamme Erkannt' ich früh der Hoffnung goldnen Strahl. Ich wollt' ihn führen zum Vortrefflichen, Zur höchsten Schönheit wollt' ich ihn erheben; Die Sterblichkeit versagte mir ein Bild, Die Sprache Worte -- da verwies ich ihn Auf \textit{dieses} -- meine ganze Leitung war, Ihm seine Liebe zu erklären. \\ \2 Marquis, Ihr Freund erfüllte Sie so ganz, daß Sie Mich über ihm vergaßen. Glaubten Sie Im Ernst mich aller Weiblichkeit entbunden, Da Sie zu seinem Engel mich gemacht, Zu seinen Waffen Tugend ihm gegeben? Das überlegten Sie wohl nicht, wie viel Für unser Herz zu wagen ist, wenn wir Mit solchen Namen Leidenschaft veredeln. \10 Für alle Weiber, nur für \textit{eines} nicht. Auf \textit{eines} schwör' ich -- oder sollten Sie, Sie der Begierden edelster sich schämen, Der Heldentugend Schöpferin zu sein? Was geht es König Philipp an, wenn seine Verklärung in Escurial den Maler, Der vor ihr steht, mit Ewigkeit entzündet? Gehört die süße Harmonie, die in Dem Saitenspiele schlummert, seinem Käufer, Der es mit taubem Ohr bewacht? Er hat Das Recht erkauft, in Trümmern es zu schlagen, Doch nicht die Kunst, dem Silberton zu rufen Und in des Liedes Wonne zu zerschmelzen. Die Wahrheit ist vorhanden für den Weisen, Die Schönheit für ein fühlend Herz. Sie beide Gehören für einander. Diesen Glauben Soll mir kein feiges Vorurtheil zerstören. Versprechen Sie mir, ewig ihn zu lieben, Von Menschenfurcht, von falschem Heldenmuth Zu nichtiger Verleugnung nie versucht, Unwandelbar und ewig ihn zu lieben, Versprechen Sie mir dieses? -- Königin -- Versprechen Sie's in meine Hand? \\ \2 Mein Herz, Versprech' ich Ihnen, soll allein und ewig Der Richter meiner Liebe sein. \\ \10 \[zieht seine Hand zurück\] Jetzt sterb' ich Beruhigt -- meine Arbeit ist gethan. \[Er neigt sich gegen die Königin und will gehen\] \2 \[begleitet ihn schweigend mit den Augen\] Sie gehen, Marquis -- ohne mir zu sagen, Wenn wir -- wie bald -- uns wiedersehn? \\ \10 \[kommt noch einmal zurück, das Gesicht abgewendet\] Gewiß! Wie sehn und wieder. \\ \2 Ich verstand Sie, Posa -- Verstand Sie recht gut -- Warum haben Sie Mir das gethan? \\ \10 Er oder ich. \\ \2 Nein, nein! Sie stürzten sich in diese That, die Sie Erhaben nennen. Leugnen Sie nur nicht. Ich kenne Sie, Sie haben längst darnach Gedürstet -- Mögen tausend Herzen brechen, Was kümmert Sie's, wenn sich Ihr Stolz nur weidet. O, jetzt -- jetzt lern' ich Sie verstehn! Sie haben Nur um Bewunderung gebuhlt. \\ \10 \[betroffen, für sich\] Nein! Darauf War ich nicht vorbereitet -- \\ \2 \[nach einem Stillschweigen\] Marquis! Ist keine Rettung möglich? \\ \10 Keine. \\ \2 Keine? Besinnen Sie sich wohl. Ist keine möglich? Auch nicht durch mich? \\ \10 Auch nicht durch Sie. \\ \2 Sie kennen mich Zur Hälfte nur -- ich habe Mut. \\ \10 Ich weiß es. \2 Und keine Rettung? \\ \10 Keine. \\ \2 \[verläßt ihn und verhüllt das Gesicht\] Gehen Sie! Ich schätze keinen Mann mehr. \\ \10 \[in der heftigsten Bewegung vor ihr niedergeworfen\] Königin! -- O Gott, das Leben ist doch schön! \[Er springt auf und geht schnell fort. Die Königin in ihr Kabinet\] \Szene{Vorzimmer des Königs} \Auftritt % 4.21 \(Herzog von Alba und Domingo gehen stillschweigend und abgesondert auf und nieder. Graf Lerma kommt aus dem Kabinet des Königs, alsdann Don Raimond von Taxis, der Oberpostmeister\) \12 Ob sich der Marquis noch nicht blicken lassen? \11 Noch nicht.\\ \[Lerma will wieder hineingehen\] \15 \[tritt auf\] Graf Lerma, melden Sie mich an. \12 Der König ist für Niemand. \\ \15 Sagen Sie, Ich \textit{muß} ihn sprechen -- Seiner Majestät Ist äußerst dran gelegen. Eilen Sie. Es leidet keinen Aufschub.\\ \[Lerma geht ins Kabinet\] \11 \[tritt zum Oberpostmeister\] Lieber Taxis, Gewöhnen Sie sich zur Geduld. Sie sprechen Den König nicht -- \\ \15 Nicht? Und warum? \\ \11 Sie hätten Die Vorsicht denn gebraucht, sich die Erlaubniß Beim Chevalier von Posa auszuwirken, Der Sohn und Vater zu Gefangnen macht. \15 Von Posa? Wie? Ganz recht! Das ist Derselbe, Aus dessen Hand ich diesen Brief empfangen -- \11 Brief? welchen Brief? \\ \15 Den ich nach Brüssel habe Befördern sollen -- \\ \11 \[aufmerksam\] Brüssel? \\ \15 Den ich eben Dem König bringe -- \\ \11 Brüssel! Haben Sie Gehört, Kaplan? Nach Brüssel! \\ \16 \[tritt dazu\] Das ist sehr Verdächtig. \\ \15 Und wie ängstlich, wie verlegen Er mir empfohlen worden! \\ \16 Aengstlich? So! \11 An wen ist denn die Aufschrift? \\ \15 An den Prinzen Von Nassau und Oranien. \\ \11 An Wilhelm? -- Kaplan, das ist Verrätherei. \\ \16 Was könnt' Es anders sein? -- Ja freilich, diesen Brief Muß man sogleich dem König überliefern. Welch ein Verdienst von Ihnen, würd'ger Mann, So streng zu sein in Ihres Königs Dienst! \15 Hochwürd'ger Herr, ich that nur meine Pflicht. \11 Sie thaten wohl. \\ \12 \[kommt aus dem Kabinet. Zum Oberpostmeister\] Der König will Sie sprechen. \[Taxis geht hinein\] Der Marquis immer noch nicht da? \\ \16 Man sucht Ihn aller Orten. \\ \11 Sonderbar und seltsam. Der Prinz ein Staatsgefangner, und der König Noch selber ungewiß, warum? \\ \16 Er war Nicht einmal hier, ihm Rechenschaft zu geben? \11 Wie nahm es denn der König auf? \\ \12 Der König Sprach noch kein Wort. \\ \[Geräusch aus dem Kabinet\] \11 Was war das? Still! \\ \15 \[aus dem Kabinet\] Graf Lerma! \[Beide hinein\] \11 \[zu Domingo\] Was geht hier vor? \\ \16 Mit diesem Ton des Schreckens? Wenn dieser aufgefangne Brief? -- Mir ahnet Nichts Gutes, Herzog. \\ \11 Lerma läßt er rufen! Und wissen muß er doch, daß Sie und ich Im Vorsaal -- \\ \16 Unsre Zeiten sind vorbei. \11 Bin ich Derselbe denn nicht mehr, dem hier Sonst alle Thüren sprangen? Wie ist Alles Verwandelt um mich her -- wie fremd -- \\ \16 \[hat sich leise der Kabinetsthüre genähert und bleibt lauschend davor stehen\] Horch! \\ \11 \[nach einer Pause\] Alles Ist todtenstill. Man hört sie Athem holen. \16 Die doppelte Tapete dämpft den Schall. \11 Hinweg! Man kommt! \\ \16 \[verläßt die Thüre\] Mir ist so feierlich, So bang, als sollte dieser Augenblick Ein großes Loos entscheiden. \\ \Auftritt % 4.23 \(Der Prinz von Parma, die Herzoge von Feria und Medina Sidonia mit noch einigen andern Granden treten auf. Die Vorigen\) \4 Ist der König Zu sprechen? \\ \11 Nein. \\ \4 Nein? Wer ist bei ihm? \\ \13 Marquis Von Posa ohne Zweifel? \\ \11 Den erwartet man So eben. \\ \4 Diesen Augenblick Sind wir von Saragossa eingetroffen. Der Schrecken geht durch ganz Madrid -- Ist es Denn wahr? \\ \16 Ja, leider! \\ \13 Es ist wahr? er ist Durch den Maltheser in Verhaft genommen? \11 So ist's. \\ \4 Warum? Was ist geschehn? \\ \11 Warum? Das weiß kein Mensch, als Seine Majestät Und Marquis Posa. \\ \4 Ohne Zuziehung Der Cortes seines Königreichs? \\ \13 Weh Dem, Der Theil gehabt an dieser Staatsverletzung. \11 Weh' ihm! so ruf' ich auch. \\ \14 Ich auch. \\ \persona{Die übrigen Granden} Wir alle. \11 Wer folgt mir in das Kabinet? -- Ich werfe Mich zu des Königs Füßen. \\ \12 \[stürzt aus dem Kabinet\] Herzog Alba! \\ \16 Endlich, Gelobt sei Gott! \\ \[Alba eilt hinein\] \12 \[athemlos, in großer Bewegung\] Wenn der Maltheser kommt, Der Herr ist jetzo nicht allein, er wird Ihn rufen lassen -- \\ \16 \[zu Lerma, indem sich alle Uebrigen voll neugieriger Erwartung um ihn versammeln\] Graf, was ist geschehen? Sie sind ja blaß wie eine Leiche. \\ \12 \[will forteilen\] Das Ist teufelisch! \\ \persona{Parma und Feria} Was denn? Was denn? \\ \14 Was macht Der König? \\ \16 \[zugleich\] Teufelisch? Was denn? \\ \12 Der König hat Geweint. \\ \16 Geweint? \\ \persona{Alle} \[zugleich, mit betretnem Erstaunen\] Der König hat geweint? \[Man hört eine Glocke im Kabinet. Graf Lerma eilt hinein\] \16 \[ihm nach, will ihn zurückhalten\] Graf, noch ein Wort -- Verziehen Sie -- Weg ist er! Da stehn wir angefesselt von Entsetzen. \Auftritt % 4.24 \(Prinzessin von Eboli. Feria. Medina Sidonia. Parma. Domingo und alle übrige Granden\) \8 \[eilig, außer sich\] Wo ist der König? wo? Ich muß ihn sprechen. \[Zu Feria\] Sie, Herzog, führen mich zu ihm. \\ \13 Der König Hat wichtige Verhinderung. Kein Mensch Wird vorgelassen. \\ \8 Unterzeichnet er Das fürchterliche Urtheil schon? Er ist Belogen. Ich beweis' es ihm, daß er Belogen ist. \\ \16 \[gibt ihr von ferne einen bedeutenden Wink\] Prinzessin Eboli! \8 \[geht auf ihn zu\] Sie auch da, Priester? Recht! Sie brauch' ich eben. Sie sollen mir's bekräftigen.\\ \[Sie ergreift seine Hand und will ihn ins Kabinet mit fortreißen\] \16 Ich? -- Sind Sie bei sich, Fürstin? \\ \13 Bleiben Sie zurück. Der König hört Sie jetzt nicht an. \\ \8 Er muß Mich hören. Wahrheit muß er hören -- Wahrheit! Und wär' er zehenmal ein Gott! \\ \16 Weg, weg! Sie wagen Alles. Bleiben Sie zurück. \8 Mensch, zittre du vor deines Götzen Zorn. Ich habe nichts zu wagen.\\ \[Wie sie ins Kabinet will, stürzt heraus\] \persona{Herzog Alba} \[Seine Augen funkeln, Triumph ist in seinem Gang. Er eilt auf Domingo zu und umarmt ihn\] Lassen Sie In allen Kirchen ein Te Deum tönen. Der Sieg ist unser. \\ \16 Unser? \\ \11 \[zu Domingo und den übrigen Granden\] Jetzt hinein Zum Herrn. Sie sollen weiter von mir hören. \Akt %5 \Szene{Ein Zimmer im königlichen Palast, durch eine eiserne Gitterthüre von einem großen Vorhof abgesondert, in welchem Wachen auf und nieder gehen} \Auftritt % 5.1 \(Carlos, an einem Tische sitzend, den Kopf vorwärts auf die Arme gelegt, als wenn er schlummerte. Im Hintergrunde des Zimmers einige Officiere, die mit ihm eingeschlossen sind. Marquis von Posa tritt herein, ohne von ihm bemerkt zu werden, und spricht leise mit den Officieren, welche sich sogleich entfernen. Er selbst tritt ganz nahe vor Carlos und betrachtet ihn einige Augenblicke schweigend und traurig. Endlich macht er eine Bewegung, welche diesen aus seiner Betäubung erweckt\) \3 \[steht auf, wird den Marquis gewahr und fährt erschrocken zusammen. Dann sieht er ihn eine Weile mit großen starren Augen an und streicht mit der Hand über die Stirne, als ob er sich auf etwas besinnen wollte\] \10 Ich bin es, Carl. \\ \3 \[gibt ihm die Hand\] Du kommst sogar noch zu mir? Das ist doch schön von dir. \\ \10 Ich bildete Mir ein, du könntest deinen Freund hier brauchen. \3 Wahrhaftig? Meintest du das wirklich? Sieh! Das freut mich -- freut mich unbeschreiblich. Ach! Ich wußt' es wohl, daß du mir gut geblieben. \10 Ich hab' es auch um dich verdient. \\ \3 Nicht wahr? O, wir verstehen uns noch ganz. So hab' Ich's gerne. Diese Schonung, diese Milde Steht großen Seelen an, wie du und ich. Laß sein, daß meiner Forderungen eine Unbillig und vermessen war, mußt du Mir darum auch die billigen versagen? Hart kann die Tugend sein, doch grausam nie, Unmenschlich nie -- Es hat dir viel gekostet! O ja, mir däucht, ich weiß recht gut, wie sehr Geblutet hat dein sanftes Herz, als du Dein Opfer schmücktest zum Altare. \\ \10 Carlos! Wie meinst du das? \\ \3 Du selbst wirst jetzt vollenden, Was ich gesollt und nicht gekonnt -- \textit{Du} wirst Den Spaniern die goldnen Tage schenken, Die sie von mir umsonst gehofft. Mit mir Ist es ja aus -- auf immer aus. Das hast Du eingesehn -- O, diese fürchterliche Liebe Hat alle frühen Blüthen meines Geistes Unwiederbringlich hingerafft. Ich bin Für deine großen Hoffnungen gestorben. Vorsehung oder Zufall führen dir Den König zu -- es kostet mein Geheimniß, Und er ist dein -- du kannst sein Engel werden. Für mich ist keine Rettung mehr -- vielleicht Für Spanien -- Ach, hier ist nichts verdammlich, Nichts, nichts, als meine rasende Verblendung, Bis diesen Tag nicht eingesehn zu haben, Daß du -- so groß als zärtlich bist. \\ \10 Nein! Das, Das hab' ich nicht vorhergesehen -- nicht Vorhergesehn, daß eines Freundes Großmuth Erfinderischer könnte sein, als meine Weltkluge Sorgfalt. Mein Gebäude stürzt Zusammen -- ich vergaß dein Herz. \3 Zwar, wenn dir's möglich wär' gewesen, \textit{ihr} Dies Schicksal zu ersparen -- sieh, das hätte Ich unaussprechlich dir gedankt. Konnt' ich Denn nicht allein es tragen? Mußte sie Das zweite Opfer sein? -- Doch still davon! Ich will mit keinem Vorwurf dich beladen. Was geht die Königin \textit{Dich} an? Liebst \textit{du} Die Königin? Soll deine strenge Tugend Die kleinen Sorgen meiner Liebe fragen? Verzeih mir -- ich war ungerecht. \\ \10 Du bist's. Doch -- dieses Vorwurfs nicht. Verdient Ich \textit{einen}, dann verdient' ich alle -- und Dann würd' ich \textit{so} nicht vor dir stehen.\\ \[Er nimmt sein Portefeuille heraus\] Hier Sind von den Briefen ein'ge wieder, die Du in Verwahrung mir gegeben. Nimm Sie zu dir. \\ \3 \[sieht mit Verwunderung bald die Briefe, bald den Marquis an\] Wie? \\ \10 Ich gebe sie dir wieder, Weil sie in deinen Händen sichrer jetzt Sein dürften, als in meinen. \\ \3 Was ist das? Der König las sie also nicht? bekam Sie gar nicht zu Gesichte? \\ \10 \textit{Diese} Briefe? \3 Du zeigtest ihm nicht alle? \\ \10 Wer sagt' dir, Daß ich ihm \textit{einen} zeigte? \\ \3 \[äußerst erstaunt\] Ist es möglich? Graf Lerma. \\ \10 \textit{Der} hat dir gesagt? -- Ja, nun Wird Alles, Alles offenbar! Wer konnte Das auch voraussehn? -- Lerma also? -- Nein, \textit{Der} Mann hat lügen nie gelernt. Ganz recht, Die andern Briefe liegen bei dem König. \3 \[sieht ihn lange mit sprachlosem Erstaunen an\] Weßwegen bin ich aber hier? \\ \10 Zur Vorsicht, Wenn du vielleicht zum zweiten Mal versucht Sein möchtest, eine Eboli zu deiner Vertrauten zu erwählen. \\ \3 \[wie aus einem Traum erwacht\] Ha! Nun endlich! Jetzt seh' ich -- jetzt wird Alles Licht -- \\ \10 \[geht nach der Thüre\] Wer kommt? \Auftritt % 5.2 \(Herzog Alba. Die Vorigen\) \11 \[nähert sich ehrerbietig dem Prinzen, dem Marquis durch diesen ganzen Auftritt den Rücken zuwendend\] Prinz, Sie sind frei. Der König schickt mich ab, Es Ihnen anzukündigen.\\ \[Carlos sieht den Marquis verwundernd an. Alle schweigen still\] Zugleich Schätz' ich mich glücklich, Prinz, der Erste sein Zu dürfen, der die Gnade hat -- \\ \3 \[bemerkt beide mit äußerster Verwunderung. Nach einer Pause zum Herzog\] Ich werde Gefangen eingesetzt und frei erklärt, Und ohne mir bewußt zu sein, warum Ich Beides werde? \\ \11 Aus Versehen, Prinz, So viel ich weiß, zu welchem irgend ein -- Betrüger den Monarchen hingerissen. \3 Doch aber ist es auf Befehl des Königs, Daß ich mich hier befinde? \\ \11 Ja, durch ein Versehen Seiner Majestät. \\ \3 Das tut Mir wirklich leid -- Doch, wenn der König sich Versieht, kommt es dem König zu, in eigner Person den Fehler wieder zu verbessern. \[Er sucht die Augen des Marquis und beobachtet eine stolze Herabsetzung gegen den Herzog\] Man nennt mich hier Don Philipps Sohn. Die Augen Der Lästerung und Neugier ruhn auf mir. Was Seine Majestät aus Pflicht gethan, Will ich nicht scheinen ihrer Huld zu danken. Sonst bin ich auch bereit, vor dem Gerichte Der Cortes mich zu stellen -- meinen Degen Nehm' ich aus solcher Hand nicht an. \\ \11 Der König Wird keinen Anstand nehmen, Eurer Hoheit Dies billige Verlangen zu gewähren, Wenn Sie vergönnen wollen, daß ich Sie Zu ihm begleiten darf -- \\ \3 Ich bleibe hier, Bis mich der König oder sein Madrid Aus diesem Kerker führen. Bringen Sie Ihm diese Antwort. \\ \[Alba entfernt sich. Man sieht ihn noch eine Zeit lang im Vorhofe verweilen und Befehle austheilen\] \Auftritt % 5.3 \(Carlos und Marquis von Posa\) \3 \[nachdem der Herzog hinaus ist, voll Erwartung und Erstaunen zum Marquis\] Was ist aber das? Erkläre mir's. Bist du denn nicht Minister? \10 Ich bin's gewesen, wie du siehst. \\ \[Auf ihn zugehend, mit großer Bewegung\] O Carl, Es hat gewirkt. Es hat. Es ist gelungen. Jetzt ist's gethan. Gepriesen sei die Allmacht, Die es gelingen ließ! \\ \3 Gelingen? Was? Ich fasse deine Worte nicht. \\ \10 \[ergreift seine Hand\] Du bist Gerettet, Carl -- bist frei -- und ich --\\ \[Er hält inne\] \3 Und du? \10 Und ich -- ich drücke dich an meine Brust Zum ersten Mal mit vollem, ganzem Rechte; Ich hab' es ja mit Allem, Allem, was Mir teuer ist, erkauft -- O Carl, wie süß, Wie groß ist dieser Augenblick! Ich bin Mit mir zufrieden. \\ \3 Welche plötzliche Veränderung in deinen Zügen? So Hab' ich dich nie gesehen. Stolzer hebt Sich deine Brust, und deine Blicke leuchten. \10 Wir müssen Abschied nehmen, Carl. Erschrick nicht. O, sei ein Mann. Was du auch hören wirst, Versprich mir, Carl, nicht durch unbänd'gen Schmerz, Unwürdig großer Seelen, diese Trennung Mir zu erschweren -- du verlierst mich, Carl -- Auf viele Jahre -- Thoren nennen es Auf ewig. \\ \[Carlos zieht seine Hand zurück, sieht ihn starr an und antwortet \\nichts\] Sei ein Mann. Ich habe sehr Auf dich gerechnet, hab' es nicht vermieden, Die bange Stunde mit dir auszuhalten, Die man die \textit{letzte} schrecklich nennt -- Ja, soll Ich dir's gestehen, Carl? -- ich habe mich Darauf gefreut -- Komm, laß uns niedersitzen -- Ich fühle mich erschöpft und matt. \\ \[Er rückt nahe an Carlos, der noch immer in einer todten Erstarrung ist und sich unwillkürlich von ihm niederziehen läßt\] Wo bist du? Du gibst mir keine Antwort? -- Ich will kurz sein. Den Tag nachher, als wir zum letzten Mal Bei den Karthäusern uns gesehn, ließ mich Der König zu sich fordern. Den Erfolg Weißt du, weiß ganz Madrid. Das weiß du nicht, Daß dein Geheimniß ihm verrathen worden, Daß Briefe, in der Königin Schatulle Gefunden, wider dich gezeugt, daß ich Aus seinem eignen Munde dies erfahren, Und daß -- ich sein Vertrauter war. \\ \[Er hält inne, Carlos' Antwort zu erfahren; dieser verharrt in seinem Stillschweigen\] Ja, Karl! Mit meinen Lippen brach ich meine Treue. Ich selbst regierte das Komplott, das dir Den Untergang bereitete. Zu laut Sprach schon die That. Dich frei zu sprechen, war Zu spät. Mich seiner Rache zu versichern, War Alles, was mir übrig blieb -- und so Ward ich dein Feind, dir kräftiger zu dienen. -- Du hörst mich nicht? \\ \3 Ich höre. Weiter, weiter! \10 Bis hierher bin ich ohne Schuld. Doch bald Verrathen mich die ungewohnten Strahlen Der neuen königlichen Gunst. Der Ruf Dringt bis zu dir, wie ich vorhergesehn. Doch ich, von falscher Zärtlichkeit bestochen, Von stolzem Wahn geblendet, ohne dich Das Wagestück zu enden, unterschlage Der Freundschaft mein gefährliches Geheimniß. Das war die große Uebereilung! Schwer Hab' ich gefehlt. Ich weiß es. Raserei Was meine Zuversicht. Verzeih -- sie war Auf deiner Freundschaft Ewigkeit gegründet. \[Hier schweigt er. Carlos geht aus seiner Versteinerung in lebhafte Bewegung über\] Was ich befürchtete, geschieht. Man läßt Dich zittern vor erdichteten Gefahren. Die Königin in ihrem Blut -- das Schrecken Des wiederhallenden Palastes -- Lermas Unglückliche Dienstfertigkeit -- zuletzt Mein unbegreifliches Verstummen, Alles Bestürmt dein überraschtes Herz -- Du wankst -- Gibst mich verloren -- Doch, zu edel selbst, An deines Freundes Redlichkeit zu zweifeln, Schmückst du mit Größe seinen Abfall aus; Nun erst wagst du, ihn treulos zu behaupten, Weil du noch treulos ihn verehren darfst. Verlassen von dem Einzigen, wirfst du Der Fürstin Eboli durch in die Arme -- Unglücklicher! in eines Teufels Arme; Denn diese war's, die dich verrieth.\\ \[Carlos steht auf\] Ich sehe Dich dahin eilen. Eine schlimme Ahnung Fliegt durch mein Herz. Ich folge dir. Zu spät. Du liegst zu ihren Füßen. Das Geständniß Floh über deine Lippen schon. Für dich Ist keine Rettung mehr -- \\ \3 Nein, nein! Sie war Gerührt. Du irrest dich. Gewiß war sie Gerührt. \\ \10 Da wird es Nacht vor meinen Sinnen. Nichts -- nichts -- kein Ausweg -- keine Hilfe -- keine, Im ganzen Umkreis der Natur! Verzweiflung Macht mich zur Furie, zum Thier -- ich setze Den Dolch auf eines Weibes Brust -- Doch jetzt -- Jetzt fällt ein Sonnenstrahl in meine Seele. »Wenn ich den König irrte? Wenn es mir Gelänge, selbst der Schuldige zu scheinen? Wahrscheinlich oder nicht! -- Für ihn genug, Scheinbar genug für König Philipp, weil Es übel ist. Es sei! ich will es wagen. Vielleicht ein Donner, der so unverhofft Ihn trifft, macht den Tyrannen stutzen -- und Was will ich mehr? Er überlegt, und Carl Hat Zeit gewonnen, nach Brabant zu flüchten.« \3 Und das -- das hättest du gethan? \\ \10 Ich schreibe An Wilhelm von Oranien, daß ich Die Königin geliebt, daß mir's gelungen, In dem Verdacht, der fälschlich dich gedrückt, Des Königs Argwohn zu entgehn, daß ich Durch den Monarchen selbst den Weg gefunden, Der Königin mich frei zu nahn. Ich setze Hinzu, daß ich entdeckt zu sein besorge, Daß du, von meiner Leidenschaft belehrt, Zur Fürstin Eboli geeilt, vielleicht Durch ihre Hand die Königin zu warnen -- Daß ich dich hier gefangen nahm und nun, Weil Alles doch verloren, Willens sei, Nach Brüssel mich zu werfen -- Diesen Brief -- \3 \[fällt ihm erschrocken ins Wort\] Hat du der Post doch nicht vertraut? Du weißt, Daß alle Briefe nach Brabant und Flandern -- \10 Dem König ausgeliefert werden -- Wie Die Sachen stehn, hat Taxis seine Pflicht Bereits gethan. \\ \3 Gott, so bin ich verloren! \10 Du? warum du? \\ \3 Unglücklicher, und du Bist mit verloren. Diesen ungeheuern Betrug kann dir mein Vater nicht vergeben. Nein! Den vergibt er nimmermehr. \\ \10 Betrug? Du bist zerstreut. Besinne dich. Wer sagt ihm, Daß es Betrug gewesen? \\ \3 \[sieht ihm starr ins Gesicht\] \textit{Wer}, fragst du? Ich selbst.\\ \[Er will fort\] \10 Du rasest. Bleib zurück. \\ \3 Weg, weg! Um Gottes willen. Halte mich nicht auf. Indem ich hier verweile, dingt er schon Die Mörder. \\ \10 Desto edler ist die Zeit. Wir haben uns noch viel zu sagen. \\ \3 Was? Eh' er noch Alles -- \\ \[Er will wieder fort. Der Marquis nimmt ihn beim Arme und sieht ihn bedeutend an\] \10 Höre, Carlos -- War Ich auch so eilig, so gewissenhaft, Da \textit{du} für mich geblutet hast -- ein Knabe? \3 \[bleibt gerührt und voll Bewunderung vor ihm stehen\] O gute Vorsicht! \\ \10 Rette dich für Flandern! Das Königreich ist dein Beruf. Für dich Zu sterben, war der meinige. \\ \3 \[geht auf ihn zu und nimmt ihn bei der Hand, voll der innigsten Empfindung\] Nein, nein! Er wird -- er kann nicht wiederstehn! So vieler Erhabenheit nicht widerstehn! Ich will Dich zu ihm führen. Arm in Arme wollen Wir zu ihm gehen. Vater, will ich sagen, Das hat ein Freund für seinen Freund gethan. Es wird ihn rühren. Glaube mir, er ist Nicht ohne Menschlichkeit, mein Vater. Ja! Gewiß, es wird ihn rühren. Seine Augen werden Von warmen Thränen übergehn, und dir Und mir wird er verzeihn -- \\ \[Es geschieht ein Schuß durch die Gitterthüre. Carlos springt auf\] Ha! wem galt das? \10 Ich glaube -- mir. \\ \[Er sinkt nieder\] \3 \[fällt mit einem Schrei des Schmerzes neben ihm zu Boden\] O himmlische Barmherzigkeit! \\ \10 \[mit brechender Stimme\] Es ist geschwind -- der König -- Ich hoffte -- länger -- Denk' auf deine Rettung -- Hörst du? -- auf deine Rettung -- deine Mutter Weiß Alles -- ich kann nicht mehr -- \\ \[Carlos bleibt wie tot bei dem Leichnam liegen. Nach einiger Zeit tritt der König herein, von vielen Granden begleitet, und fährt bei diesem Anblick betreten zurück. Eine allgemeine und tiefe Pause. Die Granden stellen sich in einen halben Kreis um diese Beiden und sehen wechselsweise auf den König und seinen Sohn. Dieser liegt noch ohne alle Zeichen des Lebens. -- Der König betrachtet ihn mit nachdenklicher Stille\] \Auftritt % 5.4 \(Der König. Carlos. Die Herzoge von Alba, Feria und Medina Sidonia. Der Prinz von Parma. Graf Lerma. Domingo und viele Granden\) \1 \[mit gütigem Tone\] Deine Bitte Hat Statt gefunden, mein Infant. Hier bin ich, Ich selbst mit allen Großen meines Reichs, Dir Freiheit anzukündigen. \\ \[Carlos blickt auf und sieht um sich her, wie einer, der aus dem Traum erwacht. Seine Augen heften sich bald auf den König, bald auf den Todten. Er antwortet nicht\] Empfange Dein Schwert zurück. Man hat zu rasch verfahren. \[Er nähert sich ihm, reicht ihm die Hand und hilft ihm sich auf-zurich\-ten\] Mein Sohn ist nicht an seinem Platz. Steh auf. Komm in die Arme deines Vaters. \\ \3 \[empfängt ohne Bewußtsein die Arme des Königs -- besinnt sich aber plötzlich, hält inne und sieht ihn genauer an\] Dein Geruch ist Mord. Ich kann dich nicht umarmen. \[Er stößt ihn zurück, alle Granden kommen in Bewegung\] Nein! Steht nicht so betroffen da! Was hab' Ich Ungeheures denn gethan? Des Himmels Gesalbten angetastet? Fürchtet nichts. Ich lege keine Hand an ihn. Seht ihr Das Brandmal nicht an seiner Stirne? Gott Hat ihn gezeichnet. \\ \1 \[bricht schnell auf\] Folgt mir, meine Granden. \3 Wohin? Nicht von der Stelle, Sire -- \\ \[Er hält ihn gewaltsam mit beiden Händen und bekommt mit der einen das Schwert zu fassen, das der König mitgebracht hat. Es fährt aus der Scheide\] \1 Das Schwert Gezückt auf deinen Vater? \\ \persona{Alle anwesenden Granden} \[ziehen die ihrigen\] Königsmord! \3 \[den König fest an der einen Hand, das bloße Schwert in der andern\] Steckt eure Schwerter ein. Was wollt ihr? Glaubt Ihr, ich sei rasend? Nein, ich bin nicht rasend. Wär' ich's, so thatet \textit{ihr} nicht gut, mich zu Erinnern, daß auf meines Schwertes Spitze Sein Leben schwebt. Ich bitte, haltet euch Entfernt. Verfassungen, wie meine, wollen Geschmeichelt sein -- drum bleibt zurück. Was ich Mit diesem König abzumachen habe, Geht euern Leheneid nichts an. Seht nur, Wie seine Finger bluten! Seht ihn recht an! Seht ihr? O seht auch hieher -- \textit{Das} hat Er Gethan, der große Künstler! \\ \1 \[\DriveOut zu den Granden, welche sich besorgt um ihn herumdrängen wollen\] Tretet Alle Zurück. Wovor erzittert ihr? -- Sind wir Nicht Sohn und Vater? Ich will doch erwarten, Zu welcher Schandthat die Natur -- \\ \3 Natur? Ich weiß von keiner. Mord ist jetzt die Losung. Der Menschheit Bande sind entzwei. Du selbst Hast sie zerrissen, Sire, in deinen Reichen. Soll ich verehren, was du höhnst? -- O, seht! Seht hieher! Es ist noch kein Mord geschehen, Als heute -- Gibt es keinen Gott? Was? Dürfen In seiner Schöpfung Könige so hausen? Ich frage, gibt es keinen Gott? So lange Mütter Geboren haben, ist nur \textit{Einer -- Einer} So unverdient gestorben -- Weißt du auch, \textit{Was} du gethan hast? -- Nein, er weiß es nicht, Weiß nicht, daß er ein Leben hat gestohlen Aus dieser Welt, das wichtiger und edler Und theurer war, als er mit seinem ganzen Jahrhundert. \\ \1 \[mit gelindem Tone\] Wenn ich allzu rasch gewesen, Geziemt es dir, \textit{für} den ich es gewesen, Mich zur Verantwortung zu ziehen? \\ \3 Wie? Ist's möglich? Sie errathen nicht, wer mir Der Todte war -- O, sagt es ihm -- helft seiner Allwissenheit das schwere Räthsel lösen. Der Todte war mein Freund -- Und wollt ihr wissen, Warum er starb? Für mich ist er gestorben. \1 Ha, meine Ahnung! \\ \3 Blutender, vergib, Daß ich vor solchen Ohren es entweihe! Doch dieser große Menschenkenner sinke Vor Scham dahin, daß seine graue Weisheit Der Scharfsinn eines Jünglings überlistet. Ja, Sire, wir waren Brüder! Brüder durch Ein edler Band, als die Natur es schmiedet. Sein schöner Lebenslauf war Liebe. Liebe Für mich sein großer, schöner Tod. \textit{Mein} war er, Als \textit{Sie} mit seiner Achtung groß gethan, Als seine scherzende Beredsamkeit Mit Ihrem stolzen Riesengeiste spielte. Ihn zu beherrschen wähnten Sie -- und waren Ein folgsam Werkzeug seiner höhern Plane. Daß ich gefangen bin, war seiner Freundschaft Durchdachtes Werk. Mich zu erretten, schrieb Er an Oranien den Brief -- O Gott, Er war die erste Lüge seiner Lebens! Mich zu erretten, warf er sich dem Tod, Den er erlitt, entgegen. Sie beschenkten ihn Mit Ihrer Gunst -- er starb für mich. Ihr Herz Und Ihre Freundschaft drangen Sie ihm auf, Ihr Scepter war das Spielwerk seiner Hände, Er warf es hin und starb für mich! \\ \[Der König steht ohne Bewegung, den Blick starr auf den Boden geheftet. Alle Granden sehen betreten und furchtsam auf ihn\] Und war Es möglich? Dieser groben Lüge konnten Sie Glauben schenken? Wie gering mußt' er Sie schätzen, da er's unternahm, bei Ihnen Mit diesem plumpen Gaukelspiel zu reichen! Um seine Freundschaft wagten Sie zu buhlen Und unterlagen dieser leichten Probe! O, nein -- nein, das war nichts für Sie. Das war Kein Mensch für Sie! Das wußt' er selbst recht gut, Als er mit allen Kronen Sie verstoßen. Dies feine Saitenspiel zerbrach in Ihrer Metallnen Hand. Sie konnten nichts, als ihn Ermorden. \\ \11 \[hat den König bis jetzt nicht aus den Augen gelassen und mit sichtbarer Unruhe die Bewegungen beobachtet, welche in seinem Gesichte arbeiten. Jetzt nähert er sich ihm furchtsam\] Sire -- nicht diese Todtenstille. Sehen Sie um sich! Reden Sie mit uns! \\ \3 Sie waren Ihm nicht gleichgültig. Seinen Antheil hatten Sie längst. Vielleicht! Er hätte Sie noch glücklich Gemacht. Sein Herz war reich genug, Sie selbst Von seinem Ueberflusse zu vergnügen. Die Splitter seines Geistes hätten Sie Zum Gott gemacht. Sich selber haben Sie Bestohlen -- Was werden Sie bieten, eine Seele zu erstatten, Wie diese war? \[Ein tiefes Schweigen. Viele von den Granden sehen weg oder verhüllen das Gesicht in ihren Mänteln\] O, die ihr hier versammelt steht und vor Entsetzen Und vor Bewunderung verstummt -- verdammet Den Jüngling nicht, der diese Sprache gegen Den Vater und den König führt -- Seht hieher! Für mich ist er gestorben! Habt ihr Thränen? Fließt Blut, nicht glühend Erz, in euren Adern? Seht hieher und verdammt mich nicht!\\ \[Er wendet sich zum König mit mehr Fassung und Gelassenheit\] Vielleicht Erwarten Sie, wie diese unnatürliche Geschichte Sich enden wird? -- Hier ist mein Schwert. Sie sind Mein König wieder. Denken Sie, daß ich Vor Ihrer Rache zittre? Morden Sie Mich auch, wie Sie den Edelsten gemordet. Mein Leben ist verwirkt. Ich weiß. Was ist Mir jetzt das Leben? Hier entsag' ich Allem, Was mich auf dieser Welt erwartet. Suchen Sie unter Fremdlingen sich einen Sohn -- Da liegen meine Reiche -- \\ \[Er sinkt an dem Leichnam nieder und nimmt an dem Folgenden keinen Antheil mehr. Man hört unterdessen von ferne ein verworrenes Getöse von Stimmen und ein Gedränge vieler Menschen. Um den König herum ist eine tiefe Stille. Seine Augen durchlaufen den ganzen Kreis, aber Niemand begegnet seinen Blicken\] \1 Nun? Will Niemand Antworten? -- Jeder Blick am Boden -- jedes Gesicht verhüllt! -- Mein Urtheil ist gesprochen. In diesen stummen Mienen les' ich es Verkündigt. Meine Unterthanen haben mich Gerichtet. \\ \[Das vorige Stillschweigen. -- Der Tumult kommt näher und wird lauter. Durch die umstehenden Granden läuft ein Gemurmel, sie geben sich untereinander verlegene Winke; Graf Lerma stößt endlich leise den Herzog von Alba an\] \12 Wahrlich, das ist Sturm! \\ \11 \[leise\] So fürcht' ich. \12 Man dringt herauf. Man kommt. \\ { \SpatiumSupra \Tauftritt {1\leading plus .5\leading minus .25\leading \penalty [.15]} \Auftritt % 5.5 } \(Ein Officier von der Leibwache. Die Vorigen\) \persona{Officier} \[dringend\] Rebellion! Wo ist der König?\\ \[Er arbeitet sich durch die Menge und dringt bis zum König\] Ganz Madrid in Waffen! Zu Tausenden umringt der wüthende Soldat, der Pöbel den Palast. Prinz Carlos, Verbreitet man, sei in Verhaft genommen, Sein Leben in Gefahr. Das Volk will ihn Lebendig sehen, oder ganz Madrid In Flammen aufgehn lassen. \\ \persona{Alle Granden} \[in Bewegung\] Rettet! rettet Den König! \\ \11 \[zum König, der ruhig und unbeweglich steht\] Flüchten Sie sich, Sire -- Es hat Gefahr -- Noch wissen wir nicht, wer Den Pöbel waffnet -- \\ \1 \[erwacht aus seiner Betäubung, richtet sich auf und tritt mit Majestät unter sie\] Steht mein Thron noch? Bin ich noch König dieses Landes? -- Nein, Ich bin es nicht mehr. Diese Memmen weinen, Von einem Knaben weich gemacht. Man wartet Nur auf die Losung, von mir abzufallen. Ich bin verrathen von Rebellen. \\ \11 Sire, Welch fürchterliche Phantasie! \\ \1 Dorthin! Dort werft euch nieder! vor dem blühenden, Dem jungen König werft euch nieder! -- Ich Bin nichts mehr -- ein ohnmächt'ger Greis! \\ \11 Dahin Ist es gekommen! -- Spanier! \\ \[\DriveOut Alle drängen sich um den König herum und knien mit gezogenen Schwertern vor ihm nieder. Carlos bleibt allein und von allen verlassen bei dem Leichnam\] \1 \[reißt seinen Mantel ab und wirft ihn von sich\] Bekleidet \textit{Ihn} mit dem königlichen Schmuck -- Auf meiner Zertretnen Leiche tragt ihn --\\ \[Er bleibt ohnmächtig in Albas und Lermas Armen\] \12 Hilfe! Gott! \13 Gott, welcher Zufall! \\ \12 Er ist von sich -- \\ \11 \[läßt den König in Lermas und Ferias Händen\] Bringen Sie ihn zu Bette. Unterdessen geb' ich Madrid den Frieden. \\ \[Er geht ab. Der König wird weggetragen, und alle Granden begleiten ihn\] \Auftritt % 5.6 \(Carlos bleibt allein bei dem Leichnam zurück. Nach einigen Augenblicken erscheint Ludwig Mercado, sieht sich schüchtern um und steht eine Zeit lang stillschweigend hinter dem Prinzen, der ihn nicht bemerkt\) \20 Ich komme Von Ihrer Majestät der Königin. \[Carlos sieht wieder weg und gibt ihm keine Antwort\] Mein Name ist Mercado -- Ich bin Leibarzt Bei Ihrer Majestät -- und hier ist meine Beglaubigung. \\ \[Er zeigt dem Prinzen einen Siegelring. -- Dieser verharrt in seinem Stillschweigen\] Die Königin wünscht sehr, Sie heute noch zu sprechen -- wichtige Geschäfte -- \\ \3 Wichtig ist mir nichts mehr Auf dieser Welt. \\ \20 Ein Auftrag, sagte sie, Den Marquis Posa hinterlassen -- \\ \3 \[steht schnell auf\] Was? Sogleich. \\ \[Er will mit ihm gehen\] \20 Nein, jetzt nicht, gnäd'ger Prinz. Sie müssen Die Nacht erwarten. Jeder Zugang ist Besetzt und alle Wachen dort verdoppelt. Unmöglich ist es, diese Flügel des Palastes ungesehen zu betreten. Sie würden Alles wagen -- \\ \3 Aber -- \\ \20 Nur Ein Mittel, Prinz, ist höchstens noch vorhanden -- Die Königin hat es erdacht. Sie legt Es Ihnen vor -- Doch es ist kühn und seltsam Und abenteuerlich. \\ \3 Das ist? \\ \20 Schon längst Geht eine Sage, wie Sie wissen, daß Um Mitternacht in den gewölbten Gängen Der königlichen Burg, in Mönchsgestalt, Der abgeschiedne Geist des Kaisers wandle. Der Pöbel glaubt an dies Gerücht, die Wachen Beziehen nur mit Schauer diesen Posten. Wenn Sie entschlossen sind, sich dieser Verkleidung zu bedienen, können Sie Durch alle Wachen frei und unversehrt Bis zum Gemach der Königin gelangen, Das dieser Schlüssel öffnen wird. Vor jedem Angriff Schützt Sie die heilige Gestalt. Doch auf Der Stelle, Prinz, muß Ihr Entschluß gefaßt sein. Das nöth'ge Kleid, die Maske finden Sie In Ihrem Zimmer. Ich muß eilen, Ihrer Majestät Antwort zu bringen. \\ \3 Und die Zeit? \\ \20 Die Zeit Ist zwölf Uhr. \\ \3 Sagen Sie ihr, daß sie mich Erwarten könne. \\ \[Mercado geht ab\] \Auftritt % 5.7 \(Carlos. Graf Lerma\) \12 Retten Sie sich, Prinz. Der König wüthet gegen Sie. Ein Anschlag Auf Ihre Freiheit -- wo nicht auf Ihr Leben. Befragen Sie mich weiter nicht. Ich habe Mich weggestohlen, Sie zu warnen. Fliehen Sie ohne Aufschub. \\ \3 Ich bin in den Händen Der Allmacht. \\ \12 Wie die Königin mich eben Hat merken lassen, sollen Sie noch heute Madrid verlassen und nach Brüssel flüchten. Verschieben Sie es nicht, ja nicht! Der Aufruhr Begünstigt Ihre Flucht. In dieser Absicht Hat ihn die Königin veranlaßt. Jetzt Wird man sich nicht erkühnen, gegen Sie Gewalt zu brauchen. Im Karthäuserkloster Erwartet Sie die Post, und hier sind Waffen, Wenn Sie gezwungen sollten sein -- \\ \[Er gibt ihm einen Dolch und Terzerolen\] \3 Dank, Dank, Graf Lerma! \\ \12 Ihre heutige Geschichte Hat mich im Innersten gerührt. So liebt Kein Freund mehr! Alle Patrioten weinen Um Sie. Mehr darf ich jetzt nicht sagen. \3 Graf Lerma! Dieser Abgeschiedne nannte Sie einen edlen Mann. \\ \12 Noch einmal, Prinz! Reisen Sie glücklich. Schönre Zeiten werden kommen; Dann aber werd' ich nicht mehr sein. Empfangen Sie meine Huldigung schon hier.\\ \[Er läßt sich auf ein Knie vor ihm nieder\] \3 \[will ihn zurückhalten. Sehr bewegt\] Nicht also -- Nicht also, Graf -- Sie rühren mich -- Ich möchte Nicht gerne weich sein -- \\ \12 \[küßt seine Hand mit Empfindung\] König meiner Kinder! O, meine Kinder werden sterben dürfen Für Sie. Ich darf es nicht. Erinnern Sie sich meiner In meinen Kindern -- Kehren Sie in Frieden Nach Spanien zurücke. Seien Sie Ein Mensch auf König Philipps Thron. Sie haben Auch Leiden kennen lernen. Unternehmen Sie Nichts Blut'ges gegen Ihren Vater! Ja Nichts Blutiges, mein Prinz! Philipp der Zweite Zwang Ihren Aeltervater, von dem Thron Zu steigen -- Dieser Philipp zittert heute Vor seinem eignen Sohn! \textit{Daran} gedenken Sie, Prinz -- und so geleite Sie der Himmel! \[Er geht schnell weg. Carlos ist im Begriff, auf einem andern Wege fortzueilen, kehrt aber plötzlich um und wirft sich vor dem Leichnam des Marquis nieder, den er noch einmal in seine Arme schließt. Dann verläßt er schnell das Zimmer\] \Szene {Vorzimmer des Königs} \Auftritt % 5.8 \(Herzog von Alba und Herzog von Feria kommen im Gespräch\) \11 Die Stadt ist ruhig. Wie verließen Sie Den König? \\ \13 In der fürchterlichsten Laune. Er hat sich eingeschlossen. Was sich auch Ereignen würde, keinen Menschen will Er vor sich lassen. Die Verrätherei Des Marquis hat auf ein Mal seine ganze Natur verändert. Wir erkennen ihn Nicht mehr. \\ \11 Ich muß zu ihm. Ich kann ihn diesmal Nicht schonen. Eine wichtige Entdeckung, Die eben jetzt gemacht wird -- \\ \13 Eine neue Entdeckung? \\ \11 Ein Karthäusermönch, der in Des Prinzen Zimmer heimlich sich gestohlen Und mit verdächt'ger Wißbegier den Tod Des Marquis Posa sich erzählen lassen, Fällt meinen Wachen auf. Man hält ihn an. Man untersucht. Die Angst des Todes preßt Ihm ein Geständniß aus, daß er Papiere Von großem Werthe bei sich trage, die Ihm der Verstorbne anbefohlen in Des Prinzen Hand zu übergeben -- wenn Er sich vor Sonnenuntergang nicht mehr Ihm zeigen würde. \\ \13 Nun? \\ \11 Die Briefe lauten, Daß Carlos binnen Mitternacht und Morgen Madrid verlassen soll. \\ \13 Was? \\ \11 Daß ein Schiff In Cadix segelfertig liege, ihn Nach Vlissingen zu bringen -- daß die Staaten Der Niederlande seiner nur erwarten, Die span'schen Ketten abzuwerfen. \\ \13 Ha! Was ist das? \\ \11 Andre Briefe melden, Daß eine Flotte Solimans bereits Von Rhodus ausgelaufen -- den Monarchen Von Spanien, laut des geschloßnen Bundes, Im mittelländ'schen Meere anzugreifen. \13 Ist's möglich? \\ \11 Eben diese Briefe lehren Die Reisen mich verstehn, die der Maltheser Durch ganz Europa jüngst gethan. Es galt Nichts Kleineres, als alle nord'schen Mächte Für der Flamänder Freiheit zu bewaffnen. \13 Das war er! \\ \11 Diesen Briefen endlich folgt Ein ausgeführter Plan des ganzen Krieges, Der von der span'schen Monarchie auf immer Die Niederlande trennen soll. Nichts, nichts Ist übersehen, Kraft und Widerstand Berechnet, alle Quellen, alle Kräfte Des Landes pünktlich angegeben, alle Maximen, welche zu befolgen, alle Bündnisse, die zu schließen. Der Entwurf Ist teuflisch, aber wahrlich -- göttlich. \13 Welch undurchdringlicher Verräther! \\ \11 Noch Beruft man sich in diesem Brief auf eine Geheime Unterredung, die der Prinz Am Abend seiner Flucht mit seiner Mutter Zu Stande bringen sollte. \\ \13 Wie? Das wäre Ja heute. \\ \11 Diese Mitternacht. Auch hab' ich Für diesen Fall Befehle schon gegeben. Sie sehen, daß es dringt. Kein Augenblick Ist zu verlieren -- Oeffnen Sie das Zimmer Der Königs. \\ \13 Nein! Der Eintritt ist verboten. \11 So öffn' ich selbst -- die wachsende Gefahr Rechtfertigt diese Kühnheit -- \\ \[Wie er gegen die Thür geht, wird sie geöffnet, und der König tritt heraus\] \13 Ha, er selbst! \Auftritt % 5.9 \(König zu den Vorigen\) \(Alle erschrecken über seinen Anblick, weichen zurück und lassen ihn ehrerbietig mitten durch. Er kommt in einem wachen Traume, wie eines Nachtwandlers. -- Sein Anzug und seine Gestalt zeigen noch die Unordnung, worein ihn die gehabte Ohnmacht versetzt hat. Mit langsamen Schritten geht er an den anwesenden Granden vorbei, sieht jeden starr an, ohne einen einzigen wahrzunehmen. Endlich bleibt er gedankenvoll stehen, die Augen zur Erde gesenkt, bis seine Gemüthsbewegung nach und nach\\laut wird\) \1 Gib diesen Todten mir heraus. Ich muß Ihn wieder haben. \\ \16 \[leise zum Herzog von Alba\] Reden Sie ihn an. \1 \[wie oben\] Er dachte klein von mir und starb. Ich muß Ihn wieder haben. Er maß anders von Mir denken. \\ \11 \[nähert sich mit Furcht\] Sire -- \\ \1 Wer redet hier? \\ \[Er sieht lange im ganzen Kreise herum\] Hat man Vergessen, wer ich bin? Warum nicht auf Den Knieen vor mir, Kreatur? Noch bin Ich König. Unterwerfung will ich sehen. Setzt Alles mich hintan, weil Einer mich Verachtet hat? \\ \11 Nichts mehr von ihm, mein König! Ein neuer Feind, bedeutender als dieser, Steht auf im Herzen Ihres Reichs. -- \\ \13 Prinz Carlos -- \1 Er hatte einen Freund, der in den Tod Gegangen ist für ihn -- für ihn! Mit mir Hätt' er ein Königreich getheilt! -- Wie er Auf mich herunter sah! So stolz sieht man Von Thronen nicht herunter. War's nicht sichtbar, Wie viel er sich mit \textit{der} Erobrung wußte? Was er verlor, gestand sein Schmerz. So wird Um nichts Vergängliches geweint -- Daß er noch lebte! Ich gäb' ein Indien dafür. Trostlose Allmacht, Die nicht einmal in Gräber ihren Arm Verlängern, eine kleine Uebereilung Mit Menschenleben nicht verbessern kann! Die Todten stehen nicht mehr auf. Wer darf Mir sagen, daß ich glücklich bin? Im Grabe Wohnt Einer, der mir Achtung vorenthalten. Was gehn die Lebenden mich an? Ein Geist, \textit{Ein} freier Mann stand auf in diesem ganzen Jahrhundert -- Einer -- Er verachtet mich Und stirbt. \\ \11 So lebten wir umsonst! -- Laßt uns Zu Grabe gehen, Spanier! Auch noch Im Tode raubt uns dieser Mensch das Herz Des Königs! \\ \1 \[Er setzt sich nieder, den Kopf auf den Arm gestützt\] Wär' er \textit{mir} also gestorben! Ich hab' ihn lieb gehabt, sehr lieb. Er war Mir theuer, wie ein Sohn. In diesem Jüngling Ging mir ein neuer, schönrer Morgen auf. Wer weiß, was ich ihm aufbehalten! Er War meine erste Liebe. Ganz Europa Verfluche mich! Europa mag mir fluchen. Von diesem hab' ich Dank verdient. \\ \16 Durch welche Bezauberung -- \\ \1 Und wem bracht' er dies Opfer? Dem Knaben, meinem Sohne? Nimmermehr. Ich glaub' es nicht. Für einen Knaben stirbt Ein Posa nicht. Der Freundschaft arme Flamme Füllt eines Posa Herz nicht aus. Das schlug Der ganzen Menschheit. Seine Neigung war Die Welt mit allen kommenden Geschlechtern. Sie zu vergnügen fand er einen Thron -- Und geht vorüber? Diesen Hochverrath An seiner Menschheit sollte Posa sich Vergeben? Nein. Ich kenn' ihn besser. Nicht Den Philipp opfert er dem Carlos, nur Den alten Mann dem Jüngling, seinem Schüler. Der Vaters untergehnde Sonne lohnt Das neue Tagwerk nicht mehr. Das verspart man Dem nahen Aufgang seines Sohns -- O, es ist klar! Auf meinen Hintritt wird gewartet. \\ \11 Lesen Sie In diesen Briefen die Bekräftigung. \1 \[steht auf\] Er könnte sich verrechnet haben. Noch, Noch bin ich. Habe Dank, Natur! Ich fühle In meinen Sehnen Jünglingskraft. Ich will Ihn zum Gelächter machen. Seine Tugend Sei eines Träumers Hirngespinst gewesen. Er sei gestorben als ein Thor. Sein Sturz Erdrücke seinen Freund und sein Jahrhundert! Laß sehen, wie man mich entbehrt. Die Welt Ist noch auf einen Abend mein. Ich will Ihn nützen, diesen Abend, daß nach mir Kein Pflanzer mehr in zehen Menschenaltern Auf dieser Brandstatt ernten soll. Er brachte Der Menschheit, seinem Götzen, mich zum Opfer; Die Menschheit büße mir für ihn -- Und jetzt -- Mit seiner Puppe fang' ich an.\\ \[Zum Herzog von Alba\] Was war's Mit dem Infanten? Wiederholt es mir. Was lehren Mich diese Briefe? \\ \11 Diese Briefe, Sire, Enthalten die Verlassenschaft des Marquis Von Posa an Prinz Carl. \\ \1 \[durchläuft die Papiere, wobei er von allen Umstehenden scharf beobachtet wird. Nachdem er eine Zeit lang gelesen, legt er sie weg und geht stillschweigend durch das Zimmer\] Man rufe mir Den Inquisitor Cardinal. Ich lass' Ihn bitten, eine Stunde mir zu schenken. \[Einer von den Granden geht hinaus. Der König nimmt die Papiere wieder, liest fort und legt sie abermals weg\] In dieser Nacht also? \\ \15 Schlag zwei Uhr soll Die Post vor dem Karthäuserkloster halten. \11 Und Leute, die ich ausgesendet, sahen Verschiednes Reis'geräthe, an dem Wappen Der Krone kenntlich, nach dem Kloster tragen. \13 Auch sollen große Summen auf den Namen Der Königin bei maurischen Agenten Betrieben worden sein, in Brüssel zu Erheben. \\ \1 Wo verließ man den Infanten? \11 Beim Leichnam des Malthesers. \\ \1 Ist noch Licht im Zimmer? Der Königin? \\ \11 Dort ist Alles still. Auch hat Sie ihre Kammerfrauen zeitiger, Als sonsten zu geschehen pflegt, entlassen. Die Herzogin von Arcos, die zuletzt Aus ihrem Zimmer ging, verließ sie schon In tiefem Schlaf. \\ \[Ein Officier von der Leibwache tritt herein, zieht den Herzog von Feria auf die Seite und spricht leise mit ihm. Dieser wendet sich betreten zum Herzog von Alba, Andre drängen sich hinzu, und es entsteht ein Gemurmel\] \personae{Feria, Taxis, Domingo} \[gleichzeitig\] Sonderbar! \1 Was gibt es? \\ \13 Eine Nachricht, Sire, die kaum Zu glauben ist -- \\ \16 Zwei Schweizer, die so eben Von ihrem Posten kommen, melden -- es Ist lächerlich, es nachzusagen. \\ \1 Nun? \11 Daß in dem linken Flügel des Palasts Der Geist des Kaisers sich erblicken lassen Und mit beherztem, feierlichem Schritt an ihnen Vorbei gegangen. Eben diese Nachricht Bekräft'gen alle Wachen, die durch diesen Pavillon verbreitet stehn, und setzen Hinzu, daß die Erscheinung in den Zimmern Der Königin verschwunden. \\ \1 Und in welcher Gestalt erschien er? \\ \persona{Officier} In dem nämlichen Gewand, das er zum letzten Mal in Justi Als Hieronymitermönch getragen. \1 Als Mönch? Und also haben ihn die Wachen Im Leben noch gekannt? Denn woher wußten Sie sonst, daß es der Kaiser war? \\ \persona{Officier} Daß es Der Kaiser müsse sein, bewies das Scepter, Das er in Händen trug. \\ \16 Auch will man ihn Schon öfters, wie die Sage geht, in dieser Gestalt gesehen haben. \\ \1 Angeredet hat Ihn Niemand? \\ \persona{Officier} Niemand unterstand sich. Die Wachen sprachen ihr Gebet und ließen Ihn ehrerbietig mitten durch. \\ \1 Und in den Zimmern Der Königin verlor sich die Erscheinung? \persona{Officier} Im Vorgemach der Königin. \\ \[Allgemeines Stillschweigen\] \1 \[wendet sich schnell um\] Was sagt ihr? \11 Sire, wir sind stumm. \\ \1 \[nach einigem Besinnen zu dem Officier\] Laßt meine Garden unter Die Waffen treten und jedweden Zugang Zu diesem Flügel sperren. Ich bin lüstern, Ein Wort mit diesem Geist zu reden. \\ \[Der Officier geht ab. Gleich darauf ein Page\] \19 Sire! Der Inquisitor Cardinal. \\ \1 \[zu den Anwesenden\] Verlaßt uns. \\ \[Der Cardinal Großinquisitor, ein Greis von neunzig Jahren und blind, auf einen Stab gestützt und von zwei Dominicanern geführt. Wie er durch ihre Reihen geht, werfen sich alle Granden vor ihm nieder und berühren den Saum seines Kleides. Er ertheilt ihnen den Segen. Alle entfernen sich\] \Auftritt % 5.10 \(Der König und der Großinquisitor\) \[Ein langes Stillschweigen\] \17 Steh' Ich vor dem König? \\ \1 Ja. \\ \17 Ich war mir's nicht mehr Vermuthend. \\ \1 Ich erneure einen Auftritt Vergangner Jahre. Philipp, der Infant, Holt Rath bei seinem Lehrer. \\ \17 Rath bedurfte Mein Zögling Carl, Ihr großer Vater, niemals. \1 Um so viel glücklicher war er. Ich habe Gemordet, Cardinal, und keine Ruhe -- \17 Weßwegen haben Sie gemordet? \\ \1 Ein Betrug, der ohne Beispiel ist -- \\ \17 Ich weiß ihn. \1 Was wisset Ihr? Durch wen? Seit wann? \\ \17 Seit Jahren, Was \textit{Sie} seit Sonnenuntergang. \\ \1 \[mit Befremdung\] Ihr habt Von diesem Menschen schon gewußt? \\ \17 Sein Leben Liegt angefangen und beschlossen in Der Santa Casa heiligen Registern. \1 Und er ging frei herum? \\ \17 Das Seil, an dem Er flatterte, war lang, doch unzerreißbar. \1 Er war schon außer meines Reiches Grenzen. \17 Wo er sein mochte, war ich auch. \\ \1 \[geht unwillig auf und nieder\] Man wußte, In wessen Hand ich war -- Warum versäumte man, Mich zu erinnern? \\ \17 Diese Frage geb' ich Zurücke -- Warum fragten \textit{Sie} nicht an, Da Sie in dieses Menschen Arm sich warfen? Sie kannten ihn! \textit{Ein} Blick entlarvte Ihnen Den Ketzer. -- Was vermochte Sie, dies Opfer Dem heil'gen Amt zu unterschlagen? Spielt Man \textit{so} mit uns? Wenn sich die Majestät Zur Hehlerin erniedrigt -- hinter unserm Rücken Mit unsern schlimmsten Feinden sich versteht, Was wird mit uns? Darf \textit{Einer} Gnade finden, Mit welchem Rechte wurden Hunderttausend Geopfert? \\ \1 Er ist auch geopfert. \\ \17 Nein, Er ist ermordet -- ruhmlos! freventlich! -- Das Blut, Das unsrer Ehre glorreich fließen sollte, Hat eines Meuchelmörders Hand verspritzt. Der Mensch war unser -- Was befugte \textit{Sie}, Des Ordens heil'ge Güter anzutasten? Durch uns zu sterben, war er da. Ihn schenkte Der Nothdurft dieses Zeitenlaufes Gott, In seines Geistes feierlicher Schändung Die prahlende Vernunft zur Schau zu führen. Das war mein überlegter Plan. Nun liegt Sie hingestreckt, die Arbeit vieler Jahre! Wir sind bestohlen, und Sie haben nichts Als blut'ge Hände. \\ \1 Leidenschaft riß mich Dahin. Vergib mir. \\ \17 Leidenschaft? -- Antwortet Mir Philipp, der Infant? Bin ich allein Zum alten Mann geworden? -- Leidenschaft! \[Mit unwilligem Kopfschütteln\] Gibt die Gewissen frei in deinen Reichen, Wenn du in deinen Ketten gehst. \\ \1 Ich bin In diesen Dingen noch ein Neuling. Habe Geduld mit mir. \\ \17 Nein! Ich bin nicht mit Ihnen Zufrieden. -- Ihren ganzen vorigen Regentenlauf zu lästern! Wo war damals Der Philipp, dessen feste Seele, wie Der Angelstern am Himmel, unverändert Und ewig um sich selber treibt? War eine ganze Vergangenheit versunken hinter Ihnen? War in dem Augenblick die Welt nicht mehr Die nämliche, da Sie die Hand ihm boten? Gift nicht mehr Gift? War zwischen Gut und Uebel Und Wahr und Falsch die Scheidewand gefallen? Was ist ein Vorsatz, was Beständigkeit, Was Männertreue, wenn in einer lauen Minute eine sechzigjähr'ge Regel Wie eines Weibes Laune schmilzt? \1 Ich sah in seine Augen -- Halte mir Den Rückfall in die Sterblichkeit zu gut. Die Welt hat einen Zugang weniger Zu deinem Herzen. Deine Augen sind erloschen. \17 Was sollte Ihnen dieser Mensch? Was konnte Er Neues Ihnen vorzuzeigen haben, Worauf Sie nicht bereitet waren? Kennen Sie Schwärmersinn und Neuerung so wenig? Der Weltverbeßrer prahlerische Sprache Klang Ihrem Ohr so ungewohnt? Wenn das Gebäude Ihrer Ueberzeugung schon Von Worten fällt -- mit welcher Stirne, muß Ich fragen, schrieben Sie das Bluturtheil Der hunderttausend schwachen Seelen, die Den Holzstoß für nichts Schlimmeres bestiegen? \1Mich lüsterte nach einem Menschen. Diese Domingo -- \\ \17 Wozu Menschen? Menschen sind Für Sie nur Zahlen, weiter nichts. Muß ich Die Elemente der Monarchenkunst Mit meinem grauen Schüler überhören? Der Erde Gott verlerne zu bedürfen, Was ihm verweigert werden kann. Wenn \textit{Sie} Um Mitgefühle wimmern, haben Sie Der Welt nicht Ihresgleichen zugestanden? Und welche Rechte, möcht' ich wissen, haben Sie aufzuweisen über Ihresgleichen? \1 \[wirft sich in den Sessel\] Ich bin ein kleiner Mensch, ich fühl's -- Du forderst Von dem Geschöpf, was nur der Schöpfer leistet. \17 Nein, Sire, mich hintergeht man nicht. Sie sind Durchschaut -- uns wollten Sie entfliehen. Des Ordens schwere Ketten drückten Sie; Sie wollten frei und einzig sein. \[Er hält inne. Der König schweigt\] Wir sind gerochen -- Danken Sie der Kirche, Die sich begnügt, als Mutter Sie zu strafen. Die Wahl, die man Sie blindlings treffen lassen, War Ihre Züchtigung. Sie sind belehrt. Jetzt kehren Sie zu uns zurück -- Stünd' ich Nicht jetzt vor Ihnen -- beim lebend'gen Gott! -- Sie wären morgen so vor mir gestanden. \1 Nicht diese Sprache! Mäßige dich, Priester! Ich duld' es nicht. Ich kann in diesem Ton Nicht mit mir sprechen hören. \\ \17 Warum rufen Sie Den Schatten Samuels herauf? Ich gab Zwei Könige dem span'schen Thron und hoffte, Ein fest gegründet Werk zu hinterlassen. Verloren seh' ich meines Lebens Frucht, Don Philipp selbst erschüttert mein Gebäude. Und jetzo, Sire -- Wozu bin ich gerufen? Was soll ich hier? -- Ich bin nicht Willens, diesen Besuch zu wiederholen. \\ \1 Eine Arbeit noch, Die letzte -- dann magst du in Frieden scheiden. Vorbei sei das Vergangne, Friede sei Geschlossen zwischen uns -- Wir sind versöhnt? \17 Wenn Philipp sich in Demuth beugt. \\ \1 \[nach einer Pause\] Mein Sohn Sinnt auf Empörung. \\ \17 Was beschließen Sie? \1 Nichts -- oder Alles. \\ \17 Und was heißt hier Alles? \1 Ich lass' ihn fliehen, wenn ich ihn Nicht sterben lassen kann. \\ \17 Nun, Sire? \1 Kannst du mir einen neuen Glauben gründen, Der eines Kindes blut'gen Mord vertheidigt? \17 Die ewige Gerechtigkeit zu sühnen, Starb an dem Holze Gottes Sohn. \\ \1 Du willst Durch ganz Europa diese Meinung pflanzen? \17 So weit, als man das Kreuz verehrt. \\ \1 Ich frevle An der Natur -- auch diese mächt'ge Stimme Willst du zum Schweigen bringen? \\ \17 Vor dem Glauben Gilt keine Stimme der Natur. \\ \1 Ich lege Mein Richteramt in deine Hände. -- Kann Ich ganz zurücke treten? \\ \17 Geben Sie Ihn mir. \\ \1 Es ist mein einz'ger Sohn -- Wem hab' ich Gesammelt? \\ \17 Der Verwesung lieber, als Der Freiheit. \\ \1 \[steht auf\] Wir sind einig. Kommt. \\ \17 Wohin? \1 Aus meiner Hand das Opfer zu empfangen. \[Er führt ihn hinweg\] \Szene {Zimmer der Königin} \Auftritt [Letzter] \(Carlos. Die Königin. Zuletzt der König mit Gefolge\) \3 \[in einem Mönchsgewand, eine Maske vor dem Gesichte, die er eben jetzt abnimmt, unter dem Arm ein bloßes Schwert. Es ist ganz finster. Er nähert sich einer Thüre, welche geöffnet wird. Die Königin tritt heraus im Nachtkleide, mit einem brennenden Licht. Carlos läßt sich vor ihr auf ein Knie nieder\] Elisabeth! \\ \2 \[mit stiller Wehmuth auf seinem Anblick verweilend\] So sehen wir uns wieder? \3 So sehen wir uns wieder! \\ \[Stillschweigen\] \2 \[sucht sich zu fassen\] Stehn Sie auf. Wir wollen Einander nicht erweichen, Carl. Nicht durch Ohnmächt'ge Thränen will der große Todte Gefeiert werden. Thränen mögen fließen Für kleinre Leiden! -- Er hat sich geopfert Für *Sie!* Mit seinem theuern Leben Hat er das Ihrige erkauft -- Und diese Blut Wär' einem Hirngespinst geflossen? -- Carlos! Ich selber habe gut gesagt für Sie. Auf meine Bürgschaft schied er freudiger Von hinnen. Werden Sie zur Lügnerin Mich machen? \\ \3 \[mit Begeisterung\] Einen Leichenstein will ich Ihm setzen, wie noch keinem Könige Geworden -- Ueber seiner Asche blühe Ein Paradies! \\ \2 So hab' ich Sie gewollt! Das war die große Meinung seines Todes! Mich wählte er zu seines letzten Willens Vollstreckerin. Ich mahne Sie. Ich werde Auf die Erfüllung dieses Eides halten. -- Und noch ein anderes Vermächtnis legte Der Sterbende in meine Hand -- Ich gab ihm Mein Wort -- und -- warum soll ich es verschweigen? Er übergab mir seinen Carl -- Ich trotze Dem Schein -- ich will vor Menschen nicht mehr zittern, Will einmal kühn sein, wie ein Freund. Mein Herz Soll reden. Tugend nannt' er unsre Liebe? Ich glaub' es ihm und will mein Herz nicht mehr -- \3 Vollenden Sie nicht, Königin -- Ich habe In einem langen, schweren Traum gelegen. Ich liebte -- Jetzt bin ich erwacht. Vergessen Sei das Vergangne! Hier sind Ihre Briefe Zurück. Vernichten Sie die meinen. Fürchten Sie keine Wallung mehr von mir. Es ist Vorbei. Ein reiner Feuer hat mein Wesen Geläutert. Meine Leidenschaft wohnt in den Gräbern Der Todten. Keine sterbliche Begierde Theilt diesen Busen mehr.\\ \[Nach einem Stillschweigen ihre Hand fassend\] Ich kam, um Abschied Zu nehmen -- Mutter, endlich seh' ich ein, Es gibt ein höher, wünschenswerther Gut, Als dich besitzen -- Eine kurze Nacht Hat meiner Jahre trägen Lauf beflügelt, Frühzeitig mich zum Mann gereift. Ich habe Für dieses Leben keine Arbeit mehr, Als die Erinnerung an ihn! Vorbei Sind alle meine Ernten --\\ \[Er nähert sich der Königin, welche das Gesicht verhüllt\] Sagen Sie Mir gar nichts, Mutter? \\ \2 Kehren Sie sich nicht An meine Thränen, Carl -- Ich kann nicht anders -- Doch, glauben Sie mir, ich bewundre Sie. \3 Sie waren unsers Bundes einzige Vertraute -- unter \textit{diesem} Namen werden Wie auf der ganzen Welt das Theuerste Mit bleiben. Meine Freundschaft kann ich Ihnen So wenig, als noch gestern meine Liebe Verschenken an ein andres Weib -- Doch heilig Sei mir die königliche Wittwe, führt Die Vorsicht mich auf diesen Thron. \\ \[Der König, begleitet vom Großinquisitor und seinen Granden, erscheint im Hintergrunde, ohne bemerkt zu werden\] Jetzt geh' ich Aus Spanien und sehe meinen Vater Nicht wieder -- nie in diesem Leben wieder. Ich schätz' ihn nicht mehr. Ausgestorben ist In meinem Busen die Natur -- Sei'n Sie Ihm wieder Gattin. Er hat einen Sohn Verloren. Treten Sie in Ihre Pflichten Zurück -- Ich eile, mein bedrängtes Volk Zu retten von Tyrannenhand. Madrid Sieht nur als König oder nie mich wieder. Und jetzt zum letzten Lebewohl!\\ \[Er küßt sie\] \2 O Carl! Was machen Sie aus mir? -- Ich darf mich nicht Empor zu dieser Männergröße wagen; Doch fassen und bewundern kann ich Sie. \3 Bin ich nicht stark, Elisabeth? Ich halte In meinen Armen Sie und wanke nicht. Von dieser Stelle hätten mich noch gestern Des nahen Todes Schrecken nicht gerissen. \[Er verläßt sie\] Das ist vorbei. Jetzt trotz' ich jedem Schicksal Der Sterblichkeit. Ich hielt Sie in den Armen Und wankte nicht. -- Still! Hörten Sie nicht etwas? \[Eine Uhr schlägt\] \2 Nichts hör' ich, als die fürchterliche Glocke, Die uns zur Trennung läutet. \\ \3 Gute Nacht, denn, Mutter. Aus Gent empfangen Sie den ersten Brief Von mir, der das Geheimniß unsers Umgangs Laut machen soll. Ich gehe, mit Don Philipp Jetzt einen öffentlichen Gang zu thun. Von nun an, will ich, sei nichts Heimliches Mehr unter uns. \textit{Sie} brauchen nicht das Auge Der Welt zu scheuen -- Dies hier sei mein letzter Betrug. \\ \[Er will nach der Maske greifen. Der König steht zwischen ihnen\] \1 Es ist dein letzter! \\ \[Die Königin fällt ohnmächtig nieder\] \3 \[eilt auf sie zu und empfängt sie mit den Armen\] Ist sie todt? O Himmel und Erde! \\ \1 \[kalt und still zum Großinquisitor\] Cardinal, ich habe Das Meinige gethan. Thun Sie das Ihre. \[Er geht ab\] \endVersus \endDrama \end{document}