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In deutscher Bearbeitung von Hermann Hauff.
Nach der Anordnung und unter Mitwirkung des Verfassers.
Einzige von A. v. Humboldt anerkannte Ausgabe in deutscher Sprache.
1865
Erster Band
Einem wissenschaftlichen Reisenden kann es wohl nicht verargt
werden, wenn er eine vollständige Uebersetzung seiner Arbeiten
jeder auch noch so geschmackvollen Abkürzung derselben vorzieht.
Bouquer´s und La Condamine´s mehr als hundertjährige Quartbände
werden noch heute mit großer Theilnahme gelesen; und da jeder
Reisende gewissermaßen den Zustand der Wissenschaften seiner
Zeit, oder vielmehr die Gesichtpunkte darstellt, welche von dem
Zustande des Wissens seiner Zeit abhangen, so ist das
wissenschaftliche Interesse um so lebendiger, als die Epoche der
Darstellung der Jetztzeit näher liegt. Damit aber die lebendige
Darstellung des Geschehenen weniger unterbrochen werde, habe ich
das Material, durch welches allgemeine kosmische Resultate
begründet werden, in besonderen Zugaben über stündliche
Barometer-Veränderungen, Neigung der Magnetnadel und Intensität
der magnetischen Erdkraft zusammengedrängt. Die Absonderung
solcher und anderer Zugaben hat allerdings, und ohne großen
Nachtheil, zu Abkürzungen in der Uebersetzung des Originaltextes
der Reise Anlaß geben können. Diese Betrachtung war auch
geeignet mich bald mit dem Unternehmen zu
abgekürzten Text der Reise in
die Tropen-Gegenden des Neuen Continents darzubieten. Die
Buchhandlung, welche aus edler, ich setze gern hinzu angeerbter
Freundschaft meinen Arbeiten eine so lange und sorgfältige
Pflege geschenkt hat, hat mich aufgefordert diese neue Ausgabe,
welche einem vielseitig unterrichteten Gelehrten, Herrn
Bibliothekar Professor Dr. Hauff anvertraut ist,
nicht bloß, so viel mein Uralter und meine gesunkenen Kräfte es
erlauben, zu revidiren, sondern auch mit Zusätzen und
Berichtigungen zu bereichern. Die Naturwissenschaft ist, wie die
Natur selbst, in ewigem Werden und Wechsel begriffen.
Seit der Herausgabe des ersten Bandes der Reise sind jetzt 45
Jahre verflossen. Die Berichtigungen müßten also zahlreich seyn:
in geognostischer Hinsicht wegen Bezeichnung der Gebirgs-Formationen
und der metamorphosirten Gebirge, des wohlthätigen
Einflusses der Chemie auf die Geognosie, wie in allem, was
anbetrifft die Vertheilung der Wärme auf dem Erdkörper und die
Ursach der verschiedenen Krümmung monatlicher Isothermen (nach
Dove´s meisterhaften Arbeiten). Die durch die neue Ausgabe
veranlaßte Erweiterung des Kreises wissenschaftlicher Anregung
kann ich nur freudig begrüßen; denn in dem Entwickelungsgange
physischer Forschungen wie in dem der politischen Institutionen
ist Stillstand durch unvermeidliches Verhängnis an den Anfang
eines verderblichen Rückschrittes geknüpft.
Es würde mir dazu eine innige Freude seyn noch zu erleben, wie
die Unternehmer es hoffen, daß meine in den Jahren freudig
aufstrebender Jugend ausgeführte Reise, deren einer Genosse,
mein theurer Freund, Aimé Bonpland, bereits, im hohen
Alter, dahingegangen ist, in unserer eigenen schönen Sprache von
demselben deutschen Volke mit einigem Vergnügen gelesen werde,
welches mehr denn zwei Menschenalter hindurch mich in meinen
wissenschaftlichen Bestrebungen und meiner Laufbahn durch ein
eifriges Wohlwollen beglückt und selbst meinen spätesten
Arbeiten durch seine partheiische Theilnahme eine Rechtfertigung
gewährt hat.
Berlin, 26. März 1859.
Alexander v. Humboldt.
Vorbereitungen — Abreise von Spanien — Aufenthalt auf den Kanarischen Inseln
Wenn eine Regierung eine jener Fahrten auf dem Weltmeer anordnet, durch welche die Kenntniß des Erdballes erweitert und die physischen Wissenschaften gefördert werden, so stellt sich ihrem Vorhaben keinerlei Hinderniß entgegen. Der Zeitpunkt der Abfahrt und der Plan der Reise können eingehalten werden, sobald die Schiffe ausgerüstet und die Astronomen und Naturforscher, welche unbekannte Meere befahren sollen, gewählt sind. Die Inseln und Küsten, deren Produkte die Seefahrer kennen lernen sollen, liegen außerhalb des Bereiches der staatlichen Bewegungen Europas. Wenn längere Kriege die Freiheit zur See beschränken, so stellen die kriegführenden Mächte gegenseitig Pässe aus; der Haß zwischen Volk und Volk tritt zurück, wenn es sich von der Förderung des Wissens handelt, das die gemeine Sache der Völker ist.
Anders, wenn nur ein Privatmann auf seine Kosten eine Reise in
das Innere eines Festlandes unternimmt, das Europa in sein
System von Kolonien gezogen hat. Wohl mag sich der Reisende
einen Plan entwerfen, wie er ihm für
Von früher Jugend auf lebte in mir der sehnliche Wunsch, ferne,
von Europäern wenig besuchte Länder bereisen
Im Jahre 1795 hatte ich einen Teil von Italien bereist, aber die vulkanischen Striche in Neapel und Sizilien nicht besuchen können. Ungern hätte ich Europa verlassen, ohne Vesuv, Stromboli und Aetna gesehen zu haben; ich sah ein, um zahlreiche geologische Erscheinungen, namentlich in der Trappformation, richtig aufzufassen, mußte ich mich mit den Erscheinungen, wie noch tätige Vulkane sie bieten, näher bekannt gemacht haben. Ich entschloß mich daher im November 1797, wieder nach Italien zu gehen. Ich hielt mich lange in Wien auf, wo die ausgezeichneten Sammlungen und die Freundlichkeit Jacquins und Josephs van der Schott mich in meinen vorbereitenden Studien ausnehmend förderten; ich durchzog mit Leopold von Buch, von dem seitdem ein treffliches Werk über Lappland erschienen ist, mehrere Teile des Salzburger Landes und Steiermark, Länder, die für den Geologen und Landschaftsmaler gleich viel Anziehendes haben; als ich aber über die Tiroler Alpen gehen wollte, sah ich mich durch den in ganz Italien ausgebrochenen Krieg genötigt, den Plan der Reise nach Neapel aufzugeben.
Kurz zuvor hatte ein leidenschaftlicher Kunstfreund, der bereits
die Küsten Illyriens und Griechenlands als Alter
Zur selben Zeit war in Frankreich eine Entdeckungsreise in die
Südsee unter dem Befehl des Kapitäns Baudin im Werk. Der
ursprüngliche Plan war großartig, kühn und hätte
verdient, unter umsichtiger Leitung ausgeführt zu werden. Man
wollte die spanischen Besitzungen in Südamerika von der Mündung
des Rio de la Plata bis zum Königreich Quito und der Landenge
von Panama besuchen. Die zwei Corvetten
Ich hatte mich einige Monate lang darauf gefreut, an einer so
großen und ehrenvollen Unternehmung Theil nehmen zu dürfen, da
brach der Krieg in Deutschland und Italien von neuen aus, so daß
die französische Regierung die Geldmittel, die sie zu der
Entdeckungsreise angewiesen, zurückzog und dieselbe auf
unbestimmte Zeit verschob. Mit Kummer sah ich alle meine
Aussichten vernichtet, ein einziger Tag hatte dem Plane, den ich
für mehrere Lebensjahre entworfen, ein Ende gemacht; da beschloß
ich nur so bald als möglich, wie
Ich wurde mit einen schwedischen Konsul, Skiöldebrand, bekannt,
der dem Dey von Algier Geschenke von seiten seines Hofes zu
überbringen hatte und durch Paris kam, um sich in Marseille
einzuschiffen. Dieser achtenswerthe Mann war lange auf der
afrikanischen Küste angestellt gewesen, und da er bei der
algerischen Regierung gut angeschrieben war, konnte er für mich
auswirken, daß ich den Theil der Atlaskette bereisen durfte, auf
den sich die bedeutenden Untersuchungen Desfontaines nicht
erstreckt hatten. Er schickte jedes Jahr ein Fahrzeug nach
Tunis, auf dem die Pilger nach Mekka gingen, und er versprach
mir, mich auf diesem Wege nach Egypten zu befördern. Ich
besann mich keinen Augenblick, eine so gute Gelegenheit
zu benutzen, und ich meinte nunmehr den Plan, den ich vor meiner
Reise nach Frankreich entworfen, sofort ausführen zu können. Bis
jetzt hatte kein Mineralog die hohe Bergkette untersucht, die in
Marokko bis zur Grenze des ewigen Schnees aufsteigt. Ich konnte
darauf rechnen, daß ich, nachdem ich in den Alpenstrichen der
Berberei einiges für die Wissenschaft gethan, in Egypten bei den
bedeutenden Gelehrten, die seit einigen Monaten zum Institut von
Cairo zusammengetreten waren, dasselbe Entgegenkommen fand, das
mir in Paris in so reichem Maße zu Theil geworden. Ich ergänzte
rasch meine Sammlung von Instrumenten und verschaffte mir die
Werke über die zu bereisenden Länder. Ich nahm Abschied von
meinem Bruder, der durch Rath und Beispiel meine Geistesrichtung
hatte bestimmen helfen. Er billigte die Beweggründe meines
Entschlusses, Europa zu verlassen; eine geheime Stimme sagte
uns, daß wir uns wieder
Die schwedische Fregatte, welche Skiöldebrand nach Algier überführen sollte, wurde zu Marseille in den letzten Tagen Oktobers erwartet. Bonpland und ich begaben uns um diese Zeit dahin, und eilten um so mehr, da wir während der Reise immer besorgten, zu spät zu kommen und das Schiff zu versäumen. Wir ahnten nicht, welche neuen Widerwärtigkeiten uns zunächst bevorstanden.
Skiöldebrand war so ungeduldig als wir, seinen Bestimmungsort zu erreichen. Wir bestiegen mehrmals am Tage den Berg Notre Dame de la Garde, von dem man weit ins Mittelmeer hinausblickt. Jedes Segel, das am Horizont sichtbar wurde, setzte uns in Aufregung; aber nachdem wir zwei Monate in großer Unruhe vergeblich geharrt, ersahen wir aus den Zeitungen, daß die schwedische Fregatte, die uns überführen sollte, in einem Sturm an den Küsten von Portugal stark gelitten und in den Hafen von Cadiz habe einlaufen müssen, um ausgebessert zu werden. Privatbriefe bestätigten die Nachricht, und es war gewiß, daß der Jaramas — so hieß die Fregatte — vor dem Frühjahr nicht nach Marseille kommen konnte.
Wir konnten es nicht über uns gewinnen, bis dahin in der
Provence zu bleiben. Das Land, zumal das Klima, fanden wir
herrlich; aber der Anblick des Meeres mahnte uns
Wir hielten immer noch am Gedanken fest, uns an die afrikanische
Küste zu begeben, und dieser zähe Entschluß wäre uns beinahe
verderblich geworden. Im Hafen von Marseille lag zur Zeit ein
kleines ragusanisches Fahrzeug, bereit nach Tunis unter Segel zu
gehen. Dies schien uns eine günstige Gelegenheit; wir kamen ja
auf diese Weise in die Nähe von Egypten und Syrien. Wir wurden
mit dem Kapitän wegen der Ueberfahrtspreises einig; am folgenden
Tage sollten wir unter Segel gehen, aber die Abreise verzögerte
sich glücklicherweise durch einen an sich ganz unbedeutenden
Umstand. Das Vieh, das uns als Proviant auf der Ueberfahrt
dienen sollte, war in der großen Kajüte untergebracht. Wir
verlangten, daß zur Bequemlichkeit der Reisenden und zur
sicheren Unterbringung unserer Instrumente das Notwendigste
vorgekehrt werde. Allermittelst erfuhr man in Marseille, daß die
tunesische Regierung die in der Berberei niedergelassenen
Franzosen verfolge, und daß alle aus französischen Häfen
ankommenden Personen ins Gefängnis geworfen würden. Durch diese
Kunde entgingen wir einer großen Gefahr; wir mußten
Wir reisten durch Katalonien und das Königreich Valencia nach Madrid. Wir besuchten auf dem Wege die Trümmer Tarragonas und des alten Sagunt, machten von Barcelona aus einen Ausflug auf den Montserrat, dessen hoch aufragende Gipfel von Einsiedlern bewohnt sind, und der durch die Contraste eines kräftigen Pflanzenwuchses und nackter, öder Felsmassen ein eigenthümliches Landschaftsbild bietet. Ich fand Gelegenheit, durch astronomische Rechnung die Lage mehrerer für die Geographie Spaniens wichtiger Punkte zu bestimmen; ich maß mittels des Barometers die Höhe des Centralplateaus und stellte einige Beobachtungen über die Inclination der Magnetnadel und die Intensität der magnetischen Kraft an. Die Ergebnisse dieser Beobachtungen sind die sich erschienen, und ich verbreite mich hier nicht weiter über die Naturbeschaffenheit eines Landes, in dem ich mich nur ein halbes Jahr aufhielt, und das in neuerer Zeit von so vielen unterrichteten Männern bereist worden ist.
Zu Madrid angelangt, fand ich bald Ursache, mir
Glück dazu zu wünschen, daß wir uns entschlossen, die Halbinsel
zu besuchen. Der Baron Forell, sächsischer Gesandter am
spanischen Hofe, kam mir auf eine Weise entgegen, die meinen
Zwecken sehr förderlich wurde. Er verband mit ausgebreiteten
mineralogischen Kenntnissen das regste Interesse für
Unternehmungen zur Förderung der Wissenschaft. Er bedeutete mir,
daß ich unter der Verwaltung eines aufgeklärten Ministers,
Im März 1799 wurde ich dem Hofe von Aranjuez vorgestellt. Der König nahm mich äußerst wohlwollend auf. Ich entwickelte die Gründe, die mich bewogen, eine Reise in den neuen Kontinent und auf die Philippinen zu unternehmen, und reichte dem Staatssecretär eine darauf bezügliche Denkschrift ein. Der Ritter d'Urquijo unterstützte mein Gesuch und räumte alle Schwierigkeiten aus dem Wege. Der Minister handelte hierbei desto großmüthiger, da ich in gar keiner persönlichen Beziehung zu ihn stand. Der Eifer, mit dem er fortwährend meine Absichten unterstützte, hatte keinen anderen Beweggrund als seine Liebe zu den Wissenschaften. Es wird mir zu angenehmen Pflicht, in diesem Werke der Dienste, die er mir erwiesen, dankbar zu gedenken.
Ich erhielt zwei Pässe, den einen vom ersten Staatsecretär, den
anderen vom Rath von Indien. Nie war einem Reisenden mit der
Erlaubniß, die man ihm ertheilte, mehr zugestanden worden, nie
hatte die spanische Regierung einem Fremden größeres Vertrauen
bewiesen. Um alle Bedenken zu beseitigen, welche die Vicekönige
oder Generalcapitäne, als Vertreter der königlichen Gewalt in
Amerika, hinsichtlich des Zweckes und Wesens meiner
Beschäftigungen erheben könnten, hieß es im Paß der primera
secretaria de estado: »ich sey ermächtigt, mich meiner
physikalischen und geodätischen Instrumente mit voller Freiheit
zu bedienen; ich dürfe in allen spanischen Besitzungen
astronomische Beobachtungen anstellen, die
Verschiedene Gründe hätten uns eigentlich bewegen sollen, noch
länger in Spanien zu verweilen. Abbé Cavanilles, ein Mann gleich
geistreich wie mannigfaltig unterrichtet; Née, der mit Hänke die
Expedition Malaspinas als Botaniker mitgemacht und allein eine
der größten Kräutersammlungen, die man je in Europa gesehen,
zusammengebracht hat; Don Casimir Ortega, Abbé Pourret und die
gelehrten Verfasser der
Wir verließen Madrid gegen die Mitte Mais. Wir reisten durch
einen Theil von Altcastilien, durch das Königreich Leon und
Galizien nach Corunna, wo wir uns nach der Insel Cuba
einschiffen sollten. Der Winter war streng und lang gewesen, und
jetzt genossen wir auf der Reise der milden Frühlingstemperatur,
die schon so weit gegen Süd gewöhnlich nur den Monaten Mai und
April eigen ist. Schnee bedeckte noch die hohen Granitgipfel der
Guadarama; aber in den tiefen Thälern Galiziens, welche an die
malerischen Landschaften der Schweiz und Tirols erinnern, waren
alle
Kommt man im Königreich Valencia von der Küste des Mittelmeeres
gegen die Hochebene von Mancha und Castilien herauf, so meint
man, tief im Land, in weithin gestreckten schroffen Abhängen die
alte Küste der Halbinsel vor sich zu haben. Dieses merkwürdige
Phänomen erinnert an die Sagen der Samothracier und andere
geschichtliche Zeugnisse, welche
Zwischen Astorga und Corunna, besonders von Lugo an, werden die Berge allmählich höher. Die secundären Gebirgsbildungen verschwinden mehr und mehr, und die Uebergangsgebirgsarten, die sie ablösen, verkünden die Nähe des Urgebirgs. Wir sahen ansehnliche Berge aufgebaut aus altem Sandstein, den die Mineralogen der Freiberger Schule als Grauwacke und Grauwackenschiefer aufführen. Ich weiß nicht, ob diese Formation, die im südlichen Europa nicht häufig vorkommt, auch in andern Strichen Spaniens aufgefunden worden ist. Eckige Bruchstücke von lydischem Stein, die in den Thälern am Boden liegen, schienen uns darauf zu deuten, daß die Grauwacke dem Uebergangsschiefer aufgelagert ist. Bei Corunna selbst erheben sich Granitgipfel, die bis zum Cap Ortegal fortstreichen. Diese Granite, welche einst mit denen in Bretagne und Wales in Zusammenhang gestanden haben mögen, sind vielleicht die Trümmer einer von den Fluthen zertrümmerten und verschlungenen Bergkette. Schöne große Feldspathkrystalle sind für dieses Gestein charakteristisch, Zinnstein ist darin eingesprengt, und von den Galiciern wird darauf ein mühsamer, wenig ergiebiger Bergbau betrieben.
In Corunna angelangt, fanden wir den Hafen von zwei englischen
Fregatten und einem Linienschiff blokirt. Diese Fahrzeuge
sollten den Verkehr zwischen dem Mutterland und
(Correo
maritimo) nach der Havana aus und alle zwei Monate ein
anderes nach Buenos Aires oder der Mündung des la Plata. Ich
werde später den Zustand der Posten auf dem neuen Continent
genau beschreiben; hier nur so viel, daß seit dem Ministerium
des Grafen Florida Blanca der Dienst der »Landcouriere« so gut
eingerichtet ist, daß Einer in Paraquay oder in der Provinz Jaen
de Bracamoros nur durch sie ziemlich regelmäßig mit Einem in
Neumexiko oder an der Küste von Neukalifornien correspondiren
kann, also so weit, als es von Paris nach Siam oder von Wien an
das Cap der Guten Hoffnung ist. Ebenso gelangt ein Brief, den
man in einer kleinen Stadt in Aragonien zur Post gibt, nach
Chili oder in die Missionen am Orinoko, wenn nur der Name des
Coregimiento oder Bezirks, in dem das betreffende indianische
Dorf liegt, genau angegeben ist. Mit Vergnügen verweilt der
Gedanke bei Einrichtungen, die für eine der größten Wohlthaten
der Cultur der neueren Zeit gelten können. Die Einrichtung der
Curiere zur See und im inneren Lande hat das Band zwischen den
Kolonien unter sich und mit dem Mutterlande enger geknüpft. Der
Gedankenaustausch wurde dadurch beschleunigt, die Beschwerden
der Colonisten drangen leichter nach Europa und die Staatsgewelt
konnte hin und wieder Bedrückungen ein Ende machen, die sonst
aus so weiter Ferne nie zu ihrer Kenntniß gelangt wären.
Der Minister hatte uns ganz besonders dem Brigadier Don Rafael
Clavijo empfohlen, der seit kurzem die Oberaufsicht über den
Seeposten hatte. Dieser Officier, bekannt als ausgezeichneter
Schiffsbauer, war in Corunna mit der
Pizarro [Nach dem spanischen
Sprachgebrauch war der Pizarro eine leichte Fregatte (Fregata
lijera).] einzuschiffen, die nach der Havana
und Mexico ging. Dieses Fahrzeug, das die Post für Juni an Bord
hatte, sollte mit der Alcudia segeln, dem Paketboot für den Mai,
das wegen der Blokade seit drei Wochen nicht hatte auslaufen
können. Der Pizarro galt für keinen guten Segler, aber durch
einen glücklichen Zufall war er vor kurzem auf seiner langen
Fahrt von Rio de la Plata nach Corunna den kreuzenden englischen
Fahrzeugen entgangen. Clavijo ließ an Bord der Korvette
Einrichtungen treffen, daß wir unsere Instrumente aufstellen und
während der Ueberfahrt unsere chemischen Versuche
über die atmosphärische Luft vornehmen konnten. Der Capitän des
Pizarro erhielt Befehl, bei Tenerifa so lange anzulegen, daß wir
den Hafen von Orotava besuchen und den Gipfel des Pic besteigen
könnten.
Die Einschiffung verzögerte sich nur zehn Tage, dennoch kam uns
der Aufenthalt gewaltig lang vor. Wir benutzten die Zeit, die
Pflanzen einzulegen, die wir in den schönen, noch von keinem
Naturforscher betretenen Thälern Galiciens gesammelt; wir
untersuchten die Tange und Weichthiere, welche die Fluth von
Nordwest her in Menge an den Fuß des steilen Felsen wirft, auf
dem der Wachtturm des Herkules steht. Dieser Thurm, auch »der
eiserne Thurm« genannt, wurde im Jahre 1788 restauriert. Er ist
92 Fuß [30 m] hoch, seine Mauern sind 4 und einen halben Fuß
[1,46 m] dick, und nach seiner Bauart ist er unzweifelhaft ein
Werk der Römer. Eine in der Nähe
Aqua
Flavia (Chaves), erbaut und dem Mars geweiht. Warum heißt
der eiserne Thurm der Herkulesthurm? Sollten ihn die Römer auf
den Trümmern eines griechischen oder phönicischen Bauwerkes
errichtet haben? Wirklich behauptet Strabo, Galizien, das Land
der Galläci, sey von griechischen Colonien bevölkert gewesen.
Nach einer Angabe des Asklepiades von Myrläa in seiner
Geographie von Spanien hätten sich nach einer alten Sage die
Gefährten des Herkules in diesen Landstrichen niedergelassen.
[Die Phönicier und die Griechen besuchten die Küsten von Galizien
(Gallaecia) wegen des Handels mit Zinn, das sie von hier
wie von den Cassiteridischen Inseln bezogen.]
Die Höhen von Ferrol und Corunna sind an derselben Bai gelegen,
so daß ein Schiff, das bei schlimmem Wetter gegen das Land
getrieben wird, je nach der Richtung des Windes, im einen oder
im anderen Hafen vor Anker gehen kann. Ein solcher Vortheil ist
unschätzbar in Strichen, wo die See fast beständig hoch geht,
wie zwischen den Vorgebirgen Ortegal und Finisterre, den
Vorgebirgen Trileucum und Artabrum der algen Geographen. Ein
enger, von steilen Granitfelsen gebildeter Canal führt in das
weite Becken von Ferrol. In ganz Europa findet sich kein zweiter
Ankerplatz, der so merkwürdig weit ins Land hineinschnitte.
Dieser enge, geschlängelte Paß, durch den die Schiffe in den
Hafen gelangen, sieht aus, als wäre er durch eine Fluth oder
durch wiederholte Stöße heftiger Erdbeben eingerissen. In der
Neuen Welt, an der Küste von Neuandalusien, hat die
Laguna des Opisco, der »Bischofsee«, genau
dieselbe Gestalt wie der Hafen von Ferrol. Die auffallendsten
geologischen Erscheinungen wiederholen sich auf den Festländern
an weit entlegenen Punkten, und der Forscher, der Gelegenheit
gehabt, verschiedene Welttheile zu sehen, erstaunt über die
durchgehende Gleichförmigkeit im Ausschnitt der
Küsten, im krummen Zug der Thäler, im Anblick der Berge und
ihrer Gruppirung. Das zufällige Zusammentreffen derselben
Ursachen mußte allerorten dieselben Wirkungen hervorbringen, und
mitten aus der Mannigfaltigkeit der Natur tritt uns in der
Anordnung der todten Stoffe, wie in der Organisation der
Pflanzen und Thiere, eine gewisse Uebereinstimmung in Bau und
Gestaltung eingegen.
Auf der Ueberfahrt von Corunna nach Ferrol machten wir über
einer Untiefe beim »weißen Signal,« in der Bai, die nach
d'Anville der portus magnus der Alten war, mittels einer
Thermometersonde mit Ventilen einige Beobachtungen über die
Temperatur der See und über die Abnahme der Wärme in den über
einander gelagerten Wasserschichten. Ueber der Bank zeigte das
Instrument an der Meeresfläche 12°5 bis
13°3 Grad der hunderttheiligen Scale, während
ringsumher, wo das Meer sehr tief war, der Thermometer bei
12°8 Lufttemperatur auf 15° –
15°3 stand. Der berühmte Franklin und Jonathan
Williams, der Verfasser des zu Philadelphia erschienenen Werkes
»thermometric Navigation,« haben zuerst die Physiker
darauf aufmerksam gemacht, wie abweichend sich die
Temperaturverhältnisse der See über Untiefen gestalten, sowie in
der Zone warmer Wasserströme, die aus dem Meerbusen von Mexico
zur Bank von Neufoundland und hinüber an die Nordküsten von
Europa sich erstreckt.
Eine Aufregung des Meeres von Nordwest her unterbrach unsere
Versuche über die Meerestemperatur in der Bai von Ferrol. Die
Wellen gingen so hoch, weil auf offener See ein heftiger Wind
geweht hatte, in dessen Folge die englischen Schiffe sich hatten
von der Küste entfernen müssen. Man wollte die Gelegenheit zum
Auslaufen benutzen; man schiffte alsbald unsere Instrumente,
unsere Bücher, unser ganzes Gepäcke ein; aber der Westwind
wurde immer stärker und man konnte die Anker nicht
lichten. Wir benutzten den Aufschub, um an unsere Freunde in
Deutschland und Frankreich zu schreiben. Der Augenblick, wo man
zum erstenmal von Europa scheidet, hat etwas Ergreifendes. Wenn
man sich
Unter den Briefen, die ich kurz vor unserer Einschiffung
schrieb, befand sich einer, der für die Richtung unserer Reise
und den Verlauf unserer späteren Forschungen sehr folgereich
wurde. Als ich Paris verließ, um die Küste von Afrika zu
besuchen, schien die Entdeckungsreise in die Südsee auf mehrere
Jahre verschoben. Ich hatte mit Kapitän Baudin die Verabredung
getroffen, daß ich, wenn er wider Vermuthen die Reise früher
antreten könnte und ich davon Kenntniß bekäme, von Algier aus in
einen französischen oder spanischen Hafen eilen wolle, um die
Expedition mitzumachen. Im Begriff, in die Neue Welt abzugehen,
wiederholte ich jetzt dieses Versprechen. Ich schrieb Kapitän
Baudin, wenn die Regierung in auch jetzt noch den Weg um Cap
Horn nehmen lassen wolle, so werde ich mich bemühen, mit ihm
zusammenzutreffen, in Montevideo, in Chili, in Lima, wo immer er
in den spanischen Kolonien anlegen möchte. Treu dieser Zusage,
änderte ich meinen Reiseplan, sobald die amerikanischen Blätter
im Jahre 1801 die Nachricht brachten, die französische
Ich hatte auf die Reise nach Spanien nicht meine ganze Sammlung
physikalischer, geodätischer und astronomischer Werzeuge
mitnehmen können; ich hatte die Doubletten in Marselle in
Verwahrung gegeben und wollte sie, sobald ich Gelegenheit
gefunden hätte, an die Küste der Berberei zu gelangen, nach
Algier oder Tunis nachkommen lassen. In ruhigen Zeiten ist
Reisenden sehr zu rathen, daß sie sich nicht mit allen ihren
Instrumenten beladen; man läßt sie besser nachkommen, um nach
einigen Jahren diejenigen, zu ersetzen, die durch den Gebrauch
oder auf dem Transport gelitten
Getrennt von unseren Instrumenten, die sich an Bord der Corvette
befanden, brachten wir noch zwei Tage in Corunna zu. Ein dichter
Nebel, der den Horizont bedeckte verkündete endlich die sehnlich
erwartete Aenderung des Wetters. Am 4. Juni abends drehte sich
der Wind nach Nordost, welche Windrichtung an der Küste von
Galizien in der schönen Jahreszeit für sehr beständig gilt. Am
fünften ging der Pizarro wirklich unter Segel, obgleich wenige
Stunden zuvor die Nachricht angelangt war, eine englische
Escadre sey vom Wachtposten Sisarga signalisirt worden und
scheine nach der Mündung des Tajo zu segeln. Die Leute, welche
unsere Corvette die Anker lichten sahen, äußerten laut, ehe drei
Tage vergehen, seyen wir aufgebracht und mit dem Schiffe, dessen
Los wir teilen müßten, auf dem Wege nach Lissabon. Diese
Prophezeiung beunruhigte uns um so mehr, als wir in Madrid
Mexicaner kennengelernt hatten, die sich dreimal in Cadiz nach
Veracruz eingeschifft hatten, jedesmal
Um zwei Uhr nachmittags war der Pizarro unter Segel. Der Canal, durch den man aus dem Hafen von Corunna fährt, ist lang und schmal; da er sich gegen Nord öffnet und der Wind uns entgegen war, mußten wir acht kleine Schläge machen, von denen drei so gut wie verloren waren. Gewendet wurde immer äußerst langsam, und einmal, unter dem Fort St. Amarro, schwebten wir in Gefahr, da uns die Strömung sehr nahe an die Klippen trieb, an denen sich das Meer mit Ungestüm bricht. Unsere Blicke hingen am Schloß St. Antonio, wo damals der unglückliche Malaspina als Staatsgefangener saß. Im Augenblick, da wir Europa verließen, um Länder zu besuchen, welche dieser bedeutende Forscher mit so vielem Erfolg bereist hat, hätte ich mit meinen Gefährten gern bei einem minder traurigen Gegenstande verweilt.
Um sechs ein halb Uhr kamen wir am Thurm des Herkules vorüber,
von dem oben die Rege war, der Corunna als Leuchtthurm dient,
und auf dem man seit ältesten Zeiten ein Steinkohlenfeuer
unterhält. Der Schein dieses Feuers steht in schlechtem
Verhältnis mit dem schönen stattlichen Bauwerk; es ist so
schwach, daß die Schiffe es erst gewahr werden, wenn sie bereits
Gefahr laufen zu stranden. Bei Einbruch der Nacht wurde die See
sehr unruhig und der Wind bedeutend frischer. Wir steuerten
gegen Nordwest, um nicht den englischen Fregatten zu begegnen,
die, wie man glaubte, in diesen Strichen kreuzten. Gegen neun
Uhr sahen wir das Licht in einer Fischerhütte von Sisarga, das
letzte, was uns von der Küste von Europa zu Gesicht kam. Mit
Wir mußten die Segel einziehen. Wir segelten zehn Knoten in der Stunde, obgleich die Corvette nicht zum Schnellsegeln gebaut war. Um sechs Uhr morgens wurde das Schlingern so heftig, daß die kleine Bramstange brach. Der Unfall hatte indessen keine schlimmen Folgen. Wir brauchten zu Ueberfahrt von Corunna nach den Canarien dreizehn Tage, und dies war lang genug, um uns in so stark befahrenen Strichen wie die Küsten von Portugal der Gefahr auszusetzen, auf englische Schiffe zu stoßen. Die ersten drei Tage zeigte sich kein Segel am Horizont, und dies beruhigte nachgerade unsere Mannschaft, die sich auf kein Gefecht einlassen konnte.
Am 7. liefen wir über den Parallelkreis von Cap Finisterre. Die Gruppe von Granitfelsen, die dieses Vorgebirge, wie das Vorgebirge Toriañes und den Berg Corcubion bilden, heißt Sierra de Toriñona. Das Cap Finisterre ist niedriger als das Land umher, aber die Toriñona ist auf hoher See 76,5 km weit sichtbar, woraus folgt, daß die höchsten Gipfel derselben nicht unter 582 m hoch seyn können.
Am 8. bei Sonnenuntergang wurde von den Masten
Eine Fahrt von der spanischen Küste nach den Canarien und von da nach Südamerika bietet wenig Bemerkenswerthes, zumal in der guten Jahreszeit. Es ist weniger Gefahr dabei, als oft bei der Ueberfahrt über die großen Schweizer Seen. Ich theile daher hier nur die allgemeinen Ergebnisse meiner magnetischen und meteorologischen Versuche in diesem Meeresstriche mit.
Am 9. Juni, unter 39° 50' der Breite und 16° 10' westlicher
Länge vom Meridian der Pariser Sternwarte, fingen wir an die
Wirkung der großen Strömung zu spüren, welche von den azorischen
Inseln nach der Meerenge von Gibraltar und nach den canarischen
Inseln geht. Indem ich
Gemeinhin erklärt man die Strömung, die sich zwischen den
azorischen Inseln, der Südküste von Portugal und den Canarien
merkbar macht, daraus, daß das Wasser des atlantischen Oceans
durch die Meerenge von Gibraltar einen Zug nach Osten erhalte.
De Fleurieu behauptet sogar in den Anmerkungen zur Reise des
Capitän Marchand, der Umstand, daß das Mittelmeer durch die
Verdunstung mehr Wasser verliere, als die Flüsse einwerfen,
bringe im benachbarten Weltmeer eine Bewegung hervor, und der
Einfluß der Meerenge sey sechshundert Meilen [2700 km] weit
auf offener See zu spüren. Bei aller Hochachtung, die ich einem
Seefahrer schuldig bin, dessen mit Recht sehr geschätzten Werken
ich viel zu danken habe,
Wirft man einen Blick auf das atlantische Meer oder das tiefe
Thal, das die Westküsten von Europa und Afrika von den Ostküsten
des neuen Continent trennt, so bemerkt man in der Bewegung der
Wasser entgegengesetzte Richtungen. Zwischen den Wendekreisen,
namentlich zwischen der afrikanischen Küste am Senegal und dem
Meere der Antillen, geht die allgemeine, den Seefahrern am
längsten bekannte Strömung fortwährend von Morgen nach Abend.
Dieselbe wird mit dem Namen Aequinoctialstrom bezeichnet.
Die mittlere Geschwindigkeit derselben unter verschiedenen
Breiten ist sich im Atlantischen Ozean und in der Südsee
ungefähr gleich. Man kann sie auf 9 bis 10 Meilen [40 bis 45 km] in 24 Stunden, somit auf 0,59 bis 0,65 Fuß
[0,18 bis 0,21 m]
in der Secunde schätzen
Im Canal, den der atlantische Ocean zwischen Guyana und Guinea auf 20 bis 23 Längengrade, vom 8. oder 9. bis zum 2. oder 3. Grad nördlicher Breite gegraben hat, wo die Passatwinde häufig durch Winde aus Süd ode Süd-Süd-West unterbrochen werden, ist die Richtung des Aequinoctialstroms weniger constant. Der afrikanischen Küste zu werden die Schiffe nach Südost fortgetrieben, während der Allerheiligenbai und dem Vorgebirge St. Augustin zu, denen die Schiffe, die nach der Mündung des La Plata steuern, nicht gerne nahe kommen, der allgemeine Zug der Wasser durch eine besondere Strömung maskirt ist. Letztere Strömung ist vom Cap St. Roch bis zur Insel Trinidad fühlbar, sie ist gegen Nordwest gerichtet mit einer Geschwindigkeit von einem bis anderthalb Fuß in der Secunde.
Der Aequinoctialstrom ist, wenn auch schwach, sogar jenseits des
Wendekreises des Krebses unter 26 und 28 Grad der Breite
fühlbar. Im weiten Becken des atlantischen Oceans, sieben- bis
achthundert Meilen von der afrikanischen Küste, beschleunigt
sich der Lauf der europäischen Schiffe, welche nach den Antillen
gehen, ehe sie in die heiße Zone gelangen. Weiter gegen Nord,
unter dem 28. bis 35. Grad, zwischen den Parallelkreisen von
Teneriffe und Ceuta, unter 46 bis 48 Grad der Länge, bemerkt man
keine constante Bewegung; denn eine 140 Meilen breite Zone
trennt den Aequinoktialstrom, der nach West geht, von der großen
Wassermasse, die nach Ost strömt und sich durch auffallend hohe
Temperatur auszeichnet.
Golfstrom (Golfstream),
sind die Physiker seit 1776 durch Franklins und Sir
Charles Blagdens schöne Beobachtungen aufmerksam geworden. Da in
neuerer Zeit amerikanische und englsiche Seefahrer eifrig bemüht
sind, die Richtung desselben zu ermitteln, so müssen wir weiter
ausholen, um ienen allgemeinen Gesichtspunkt für das Phänomen
zugewinnen.
Der Aequinoctialstrom treibt die Wasser des atlantischen Oceans
an die Küsten der Moskito-Indianer und von Honduras. Der von Süd
nach Nord gestreckte neue Continent hält diese Strömung auf wie
ein Damm. Die Gewässer erhalten zuerst die Richtung nach
Nordwest, gelangen durch die Meerenge zwischen Cap Catoche und
Cap. St. Antonio in den Meerbusen von Mexico, und folgen den
Krümmungen der mexicanischen Küste von Vera-Cruz zur Mündung des
Rio del Norte, und von da zur Mündung des Mississippi und
denUntiefen westwärts von der Ostspitze von Florida. Nach dieser
großen Drehung nach West, Nord, Ost und Süd nimmt die Strömung
wieder die Richtung nach Nord und drängt sich mit Ungestüm in
den Canal von Bahama. Dort habe ich im Mai 1804, unter 26 und
27 Grad der Breite, eine Geschwindigkeit von 80 Meilen in
24 Stunden, also von 5 Fuß in der Secunde beobachtet, obgleich
gerade ein sehr starker Nordwind wehte. Beim Ausgang des Canals
von Bahama, unter dem Parallel von Cap Cañaveral, kehr
sich der Golfstrom oder Strom von Florida nach Nordost. Er
gleicht hier einem reißenden Strome und erreicht zuweilen die
Geschwindigkeit von fünf Meilen in der Stunde. Der Steuermann
kann, sobald er den Rand der Strömung erreicht, mit ziemlicher
Sicherheit annehmen, um was er sich in seiner
Vom Hafen von Boston an und unter dem Meridian von Halifax,
unter 14° 25' der Breite und 67° der Länge, erreicht der Strom
gegen 80 Seemeilen Breite. Hier kehrt er sich auf einmal nach
Ost, so daß sein westlicher Rand bei der Umbiegung zur
nördlichen Grenze der bewegten Wasser wird und er an der Spitze
der großen Bank von Neufoundland wegstreicht, die Bolney
sinnreich die Barre an der Mündung dieses ungeheurn Meerstroms
nennt. Höchst auffallend
Von der Bank von Neufoundland, oder vom 52. Grad der Breite bis
zu den Azoren bleibt der Golfstrom nach Ost oder Ost-Süd-Ost
gerichtet. Noch immer wirkt hier in den Gewässern der Stoß nach,
den sie tausend Meilen von da in der Meerende von Florida,
zwischen der Insel Cuba und den Untiefen der Schildkröteninseln,
erhalten haben. Diese Entfernung ist das Doppelte von der Länge
des Laufs des Amazonenstromes von Jaen oder dem Paß von
Manseriche zum Gran-Para. Im Meridian der Inseln Corvo und
Flores, der westlichsten der Gruppe der Azoren, nimmt die
Strömung eine Meeresstrecke von 160 Meilen in der Breite ein.
Wenn die Schiffe auf der Rückreise aus
Von den Azoren an nimmt der Strom von Florida seine Richtung gegen die Meerenge von Gibraltar, die Insel Madera und die Gruppe der Canarien. Die Pforte bei den Säulen des Herkules beschleunigt ohne Zweifel den Zug des Wassers gegen Ost. Und in diesem Sinne mag man mit Recht behaupten, die Meerenge, durch welche Mittelmeer und Atlantischer Ozean zusammenhängen, äußere ihren Einfluß auf sehr weite Ferne; sehr wahrscheinlich würden aber, auch wenn die Meerenge nicht bestände, Fahrzeuge, die nach Teneriffa segeln, dennoch nach Südost getrieben, und zwar infolge eines Anstoßes, dessen Ursprung man an den Küsten der neuen Welt zu suchen hat. Im weiten Meeresbecken pflanzen sich alle Bewegungen fort, gerade wie im Luftmeer. Verfolgt man die Strömungen rückwärts zu ihren fernen Quellen, gibt man sich Rechenschaft von dem Wechsel in ihrer Geschwindigkeit, warum sie bald abnimmt, wie zwischen dem Canal von Bahama und der Bank von Neufoundland, bald wieder wächst, wie in der Nähe der Meerenge von Gibraltar und bei den canarischen Inseln, so kann man nicht darüber im Zweifel seyn, daß dieselbe Ursache, welche die Gewässer im Meerbusen von Mexiko herumdreht, sie auch bei der Insel Madera in Bewegung setzt.
Südlich von letztgenannter Insel läßt sich die Strömung
Wie nun aber die nördliche Grenze des tropischen Stroms und der
Passatwinde nach den Jahreszeiten sich verschiebt, so zeigt sich
auch der Golfstrom nach Stellung und Richtung veränderlich.
Diese Schwankungen sind besonders auffallend vom 28. Breitegrad
bis zur großen Band von Neufoundland, ebenso zwischen dem 48. Grad
westlicher Länge von Paris und dem Meridian der Azoren. Die
wechselnden Winde in der gemäßigten Zone und das Schmelzen des
Eises am Nordpol
Wir haben gesehen, daß zwischen dem 11. und 43. Grad der Breite die Gewässer des atlantischen Oceans mittelst Strömungen fortwährend im Kreise umhergeführt werden. Angenommen, ein Wassertheilchen gelange zu derselben Stelle zurück, von der es ausgegangen, so läßt sich, nach dem, was wir bis jetzt von der Geschwindigkeit der Strömungen wissen, berechnen, daß es zu seinem 3800 Meilen langen Umlauf zwei Jahre und zehn Monate brauchte. Ein Fahrzeug, bei dem man von der Wirkung des Windes absähe, gelangte in dreizehn Monaten von den canarischen Inseln an die Küste von Caracas. Es brauchte zehn Monate, um im Meerbusen von Mexico herum zu kommen und um zu den Untiefen der Schildkröteninseln gegenüber vom Hafen von Havana zu gelangen, aber nur vierzig bis fünfzig Tage vom Eingang der Meerenge von Florida bis Neufoundland. Die Geschwindigkeit der rückläufigen Strömung von jener Bank bis an die Küste von Afrika ist schwer zu schätzen; nimmt man sie im Mittel auf 7 oder 8 Meilen in vierundzwanzig Stunden an, so ergeben sich für diese letzte Strecke zehn bis elf Monate. Solches sind die Wirkungen des langsamen, aber regelmäßigen Zuges, der die Gewässer des Oceans herumführt. Das Wasser des Amazonenstroms braucht von Tomependa bis zum Gran-Para etwa fünfundvierzig Tage.
Kurz vor meiner Ankunft auf Teneriffa hatte das Meer auf der
Rhede von Santa Cruz einen Stamm der Cedrela odorata,
noch mit der Rinde, ausgeworfen. Dieser
Zu einer Zeit, wo die Schifffahrtskunst noch wenig entwickelt
war, bot der Golfstrom dem Geiste eines Christoph Columbus
sichere Anzeichen vom Daseyn westwärts gelegener Länder. Zwei
Leichname, die nach ihrer Körperlichkeit einem unbekannten
Menschenstamme angehörten, wurden gegen Ende des
15. Jahrhunderts bei den azorischen Inseln ans Land geworfen.
Ungefähr um dieselbe Zeit fand Columbus Schwager, Peter Borrea,
Statthalter von Porto Santo, am Strande dieser Insel mächtige
Stücke Bambusrohr, die von der Strömung und den Westwinden
angeschwemmt worden
Mit dieser Uebersicht der Strömungen im Atlantischen Meere
wollte ich hauptsächlich darthun, daß der Zug der Gewässer gegen
Südost, von Kap St. Vincent zu den canarischen Inseln, eine
Wirkung der allgemeinen Bewegung ist, in der sich die Oberfläche
des Ozeans an seinem Westende befindet. Wir erwähnen daher nur
kurz des Arms des Golfstroms, der unter dem 45. und 50. Grad der
Breite, bei der Bank Bonnet Flamand, von Südwest nach Nordost
gegen die Küsten von Europa gerichtet ist. Diese Abtheilung des
Stromes wird sehr reißend, wenn der Wind lange aus West geblasen
hat. Gleich dem, der an Ferro und Gomera vorüberstreicht, wirft
er alle Jahre an die Westküsten von Irland und Norwegen Früchte
von Bäumen, welche dem heißen Erdstrich Amerikas eigenthümlich
sind. Am Strande der Hebriden findet man Samen von Mimosa
scandens, Dolichos urens,
Guilandina bonduc, und verschiedener anderer
Pflanzen von Jamaika, Cuba und dem benachbarten Festland. Die
Strömung treibt nicht selten wohl erhaltene Fässer mit
französischen Wein an, von Schiffen, die im Meere
der Antillen Schiffbruch gelitten. Neben diesen Beispielen von
den weiten Wanderungen der Gewächse stehen andere, welche die
Einbildungskraft beschäftigen. Die Trümmer des englischen
Schiffes Tilbury, das bei Jamaika verbrannt war, wurden an der
schottischen Küste gefunden. In denselben Strichen kommen
zuweilen verschiedene Arten von Schildkröten vor, welche das
Meer der Antillen bewohnen. Hat der Westwind lange angehalten,
so entsteht in den hohen Breiten eine Strömung, die von den
Küsten von Grönland und Labrador bis nordwärts von Schottland
gerade nach Ost-Süd-Ost gerichtet ist. Wie Wallace berichtet,
gelangten zweimal, in den Jahren 1682 und 1864, amerikanische
Wilde vom Stamme der Eskimos, die ein Sturm in ihren Canoes aus
Fellen auf die hohe See verschlagen, mittels der Strömung zu den
orcadischen Inseln. Dieser letztere Fall verdient um so mehr
Aufmerksamkeit, als man daraus ersieht, wie zu einer Zeit, wo
die Schifffahrt noch in ihrer Kindheit war, die Bewegung der
Gewässer des Oceans ein Mittel werden konnte, um die
verschiedenen Menschenstämme über die Erde zu verbreiten.
Das Wenige, was wir bis jetzt über die wahre Lage und die Breite
des Golfstroms, so wie über die Fortsetzung desselben gegen die
Küsten von Europa und Afrika wissen, ist die Frucht der
zufälligen Beobachtung einiger unterrichteten Männer, welche in
verschiedenen Richtungen über das atlantische Meer gefahren
sind. Da die Kenntiß der Strömungen zu Abkürzung der Seefahrten
wesentlich beitragen kann, so wäre
Denkt man den Ursachen der Strömungen nach,
so erkennt man, daß sie viel häufiger vorkommen müssen, als man
gemeiniglich glaubt. Die Gewässer des Meeres können durch gar
mancherlei in Bewegung gesetzt werden, durch einen äußern Anstoß,
durch Verschiedenheiten in Temperatur und Salzgehalt, durch das
zeitweise, Schmelzen des Polareises, endlich durch das ungleiche
Maaß der Verdunstung unter verschiedenen Breiten. Bald wirken
mehrere dieser Ursachen zum selben Effekt zusammen, bald bringen
sie entgegengesetzte Effekte hervor. Schwache, aber beständig in
einem gnazen Erdgürtel wehende Winde, wie die Passatwinde,
bedingen eine Bewegung vorwärts, wie wir sie selbst bei den
stärksten Stürmen nicht beobachten, weil diese auf ein kleines
Gebiet beschränkt sind. Wenn in einer großen Wassermasse die
Wassertheilchen an der Oberfläche specifisch verschieden schwer
werden, so bildet sich an der Fläche ein Strom dem Punkte zu, wo
das Wasser am kältesten ist, oder am meisten salzsaures Natron,
schwefelsauren Kalk und schwefelsaure oder salzsaure Bittererde
enthält. In den Meeren unter den Wendekreisen zeigt der
Thermometer in großen Tiefen nicht mehr als 7 – 8 Grad der
hunterttheiligen Scale. Dieß ergibt sich aus zahlreichen
Beobachtungen des Commodore Ellis und Perons. Da in diesen
Strichen die Lufttemperatur nie unter 19 – 20 Grad sinkt, so kann
das Wasser einen dem Gefrierpunkt und dem Maximum der Dichtigkeit
des Wassers so nahe gerückten Kältegrad nicht an der Oberfläche
angenommen haben. Die Existenz solcher kalten Wasserschichten in
niedern Breiten weist somit auf einen Strom hin, der in der
Tiefe von den Polen zum Aequator geht; sie weist ferner darauf
hin, daß die Salze, welche das specifische Gewicht des Wassers
verändern, im Ocean
Bedenkt man, daß in Folge der Umdrehung der Erde die Wassertheilchen je nach der Breite eine verschiedene Geschwindigkeit haben, so sollte man voraussetzen, daß jede von Süd nach Nord gehende Strömung zugleich nach Ost, die Gewässer dagegen, die vom Pol zum Aequator strömen, nach West abgelenken müßten. Man sollte ferner glauben, daß diese Neigung den tropischen Strom bis zu einem gewissen Grad einerseits verlangsamen, andererseits dem Polarstrom, der sich im Juli und August, wenn das Eis schmilzt, unter der Breite der Bank von Neufoundland und weiter nordwärts regelmäßig einstellt, eine andere Richtung geben müßte. Sehr alte nautische Beobachtungen, die ich bestätigen Gelegenheit hatte, indem ich die vom Chronometer angegebene Länge mit der Schätzung des Schiffers verglich, widersprechen diesen theoretischen Annahmen. In beiden Hemisphären weichen die Polarströme, wenn sie merkbar sind, ein wenig nach Ost ab; und nach unserer Ansicht ist der Grund dieser Erscheinung in der Beständigkeit der in hohen Breiten herrschenden Westwinde zu suchen. Ueberdieß bewegen sich die Wassertheilchen nicht mit derselben Geschwindigkeit wie die Lufttheilchen, und die stärksten Meereströmungen, die wir kennen, legen nur 8 bis 9 Fuß in der Secunde zurück; es ist demnach höchst wahrscheinlich, daß das Wasser, indem es durch verschiedene Breiten geht, die denselben entsprechende Geschwindigkeit annimmt, und daß die Umdrehung der Erde ohne Einfluß auf die Richtung der Strömungen bleibt.
Der verschiedene Druck, dem die Meeresfläche in Folge der
wechselnden Schwere der Luft unterliegt, erscheint als eine
weitere
Ueberall wo eine solche durch die Ungleichheit im specifischen
Gewicht der Wassertheile entsteht, bildet sich ein doppelter
Strom, ein oberer und ein unterer, die entgegengesetzte
Richtungen haben. Daher ist in den meisten Meerengen wie in den
tropischen Meeren, welche die kalten Gewässer der Polarregionen
aufnehmen, die ganze Wassermasse bis zu bedeutender Tiefe in
Bewegung. Wir wissen nicht, ob es sich eben so verhält, wenn die
Vorwärtsbewegung, die man nicht mit dem Wellenschlag verwechseln
darf, Folge eines äußern Anstoßes ist. De Fleurien führt in
seinem Bericht über die Expedition der Isis mehrere Thatsachen
an, die darauf hinweisen, daß das Meer in der Tiefe weit weniger
ruhig ist,
Sir Erasmus Gower bemerkt, auf der Ueberfahrt von England nach
den canarischen Inseln gerathe man in die Strömung und dieselbe
treibe vom 39. Breitegrade an die Schiffe nach Südost. Auf
unerer Fahrt von Corunna nach
Wir fuhren am Cap Vincent, das aus Besalt besteht, auf mehr als 80 Meilen [360 km] Entfernung vorüber. Auf 15 Meilen [67,5 km] erkennt man es nicht mehr deutlich, aber die Foya von Monchique, ein Granitberg in der Nähe des Caps, soll, wie die Steuerleute behaupten, auf 26 Meilen [117 km] in See sichtbar seyn. Verhält es sich wirklich so, so ist die Foya 700 Toisen (1363 Meter) hoch, also 116 Toisen (225 Meter) höher als der Vesuv. Es ist auffallend, daß die portugiesische Regierung kein Feuer auf einem Punkte unterhält, nach dem sich alle vom Cap der guten Hoffnung und vom Cap Horn kommenden Schiffe richten müssen; nach keinem anderen Punkte wird mit so viel Ungeduld ausgeschaut, bis er in Sicht kommt. Die Feuer auf dem Turm des Herkules und am Cap Spichel sind so schwach und so wenig weit sichtbar, daß man sie gar nicht rechnen kann. Dazu wäre das Capuzinerkloster, das auf Kap Vincent steht, ganz der geeignete Platz zu einem Leuchtturm mit sich drehendem Feuer, wie zu Cadix und an der Garonnemündung.
Seit unserer Abfahrt von Corunna und bis zum 36. Breitegrad
hatten wir außer Meerschwalben und einigen Delphinen fast kein
lebendes Wesen gesehen. Umsonst sahen wir
Medusa aurita von Baster und der M. pelagica
von Bosc mit acht Tentakeln (Pelagia
denticulata, Peron) eine dritte Art, die sich der M. hysocella
nähert, die Vandelli an der Mündung des Tajo
gefunden hat. Sie ist ausgezeichnet durch die braungelbe Farbe
und dadurch, daß die Tentakeln länger sind als der Körper.
Manche dieser Meernesseln hatten vier Zoll [10 cm] im
Durchmesser; ihr fast metallischer Glanz, ihre violett und
purpurn schillernde Färbung hob sich vom Blau der See äußerst
angenehm ab.
Unter den Medusen fand Bonpland Bündel der Dagysa notata,
eines Weichthiers von sonderbarem Bau, das Sir Joseph Banks
zuerst kennen gelernt hat. Es sind kleine gallertartige
Dagysa, die zur Zeit von Cooks erster
Reise zuerst aufgestellt wurde, scheint zu den Salpen zu
gehören. Auch die Salpen wandern in Schwärmen, wobei sie sich zu
Schnüren an einander hängen, wie wir bei der Dagysa
gesehen.
Am 13. Juni Morgens unter 34° 33' Breite sahen wir
wieder bei vollkommen ruhiger See große Haufen des
letzterwähnten Thiers vorbeitreiben. Bei Nacht machten wir die
Beobachtung, daß alle drei Medusenarten, die wir gefangen, nur
leuchteten, wenn man sie ganz leicht anstieß. Diese Eigenschaft
kommt also nicht der von Forskael in seiner Fauna
Aegytiaca beschriebenen Medusa noctiluca allein zu,
die Gmelin mit der Medusa pelagica Löflings vereinigt,
obgleich sie rote Tentakeln und braune Körperwarzen hat. Legt
man eine sehr reizbare Meduse auf einen Zinnteller und schlägt
mit irgendeinem Metall an den Teller, so wird das Tier schon
durch die leichte Schwingung des Zinns leuchtend. Galvanisirt
man Medusen, so zeigt sich zuweilen der phosphorische Schein im
Moment, wo man die Kette schließt, wenn auch die Excitatoren die
Organe des Tieres nicht unmittelbar berühren. Die Finger, mit
denen man es berührt, bleiben ein paar Minuten leuchtend, wie
man dies auch beobachtet, wenn man das Gehäuse der Pholaden
zerbricht. Reibt man Holz mit
Zwischen Madera und der afrikanischen Küste hatten wir gelinde
Winde oder Windstille, wodurch ich mich bei den magnetischen
Versuchen, mit denen ich mich bei der Ueberfahrt beschäftigte,
sehr gefördert sah. Wir wurden nicht satt, die Pracht der Nächte
zu bewundern; nichts geht über die Klarheit und Heiterkeit des
afrikanischen Himmels. Wir wunderten uns über die ungeheure
Menge Sternschnuppen, die jeden Augenblick niedergingen. Je
weiter wir nach Süden kamen, desto häufiger wurden sie,
besonders bei den canarischen Inseln. Ich glaube auf meinen
Reisen die Beobachtung gemacht zu haben, daß diese Feuermeteore
überhaupt in manchen
Wir bekamen auf unserer Fahrt weder die
Inseln Desiertas noch Madera zu Gesicht. Gerne hätte ich die
Länge dieser Inseln berichtigt und von den vulkanischen Bergen
nordwärts von Funchal Höhenwinkel genommen. De Borda berichtet,
man sehe diese Berge auf 20 Meilen [90 km], was nur auf eine
Höhe von 414 Toisen (806 Meter) hinweise; wir wissen aber, daß
nach neueren Messungen der höchste Gipfel von Madera 5167
englische Fuß oder 807 Toisen [1573 m] hoch ist. Die kleinen
Inseln Desiertas und Salvages, auf denen man Orseille und
Mesembryanthemum crystallinum sammelt, haben nicht 200
Toisen senkrechter Hähe. Es scheint mir von Nutzen, die
Seefahrer auf dergleichen Bestimmungen hinzweisen, weil sich
mittelst einer Methode, deren in dieser Reisebeschreibung öfter
Erwähnung geschieht und deren sich Borda, Lord Mulgrave, de
Rossel und Don Cosme Churruca auf ihren Reisen mit Erfolg
bedient haben, durch Höhenwinkel, die man mit guten
Reflexionsinstrumenten nimmt, mit hinlänglicher Genauigkeit
ermitteln läßt, wie weit sich das Schiff von einem Vorgebirge
oder von einer gebirgigen Insel befindet.
Als wir 40 Meilen [180 km] ostwärts von Madera waren, setzte
sich eine Schwalbe auf die Marsstenge. Sie war so müde, daß sie
sich leicht fangen ließ. Es war eine Rauchschwalbe (Hierundo
rustica, Lin.). Was mag einen Vogel veranlassen, in dieser
Jahreszeit und bei stiller Luft so weit zu fliegen? Bei
d´Entrecasteaux´ Expedition sah man gleichfalls eine
Rauchschwalbe 60 Meilen [270 km] weit vom weißen Vorgebirge;
das war aber Ende Oktobers, und Labillardière war der Meinung,
sie komme eben aus Europa. Wir befuhren diese Striche im Juni,
und seit langer Zeit hatte kein Sturm das Meer aufgerührt. Ich
betone den letzteren Umstand, weil
Der Pizarro hatte Befehl, bei der Insel Lanzarota, einer der sieben großen Canarien, anzulegen, um sich zu erkundigen, ob die Engländer die Rhede von Santa Cruz auf Teneriffa blokirten. Seit dem 15. Juni war man im Zweifel, welchen Weg man einschlagen sollte. Bis jetzt hatten die Steuerleute, die mit den Seeuhren nicht recht umzugehen wußten, keine großen Stücke auf die Länge gehalten, die ich fast immer zweimal des Tags bestimmte, indem ich zum Uebertrag der Zeit Morgens und Abends Stundenwinkel aufnahm. Endlich am 16. Juni, um neun Uhr morgens, als wir schon unter 20° 26' der Breite waren, änderte der Capitän den Curs und steuerte gegen Ost. Da zeigte sich bald, wie genau Louis Berthouds Chronometer war; um 2 Uhr nachmittags kam Land in Sicht, das wie eine kleine Wolke am Horizont erschien. Um fünf Uhr, bei niedriger stehender Sonne, lag die Insel Lanzarota so deutlich vor uns, daß ich den Höhenwinkel eines Kegelberges messen konnte, der majestätisch die anderen Gipfel überragt und den wir für den großen Vulkan hielten, der in der Nacht vom ersten September 1730 so große Verwüstungen angerichtet hat.
Die Strömung trieb uns schneller gegen die Küste, als wir
wünschten. Im Hinfahren sahen wir zuerst die Insel Fortaventura,
bekannt durch die vielen Kameele
Am 17. Morgens war der Horizont nebligt und der Himmel leicht umzogen. Desto schärfer traten die Berge von Lanzerota in ihren Umrissen hervor. Die Feuchtigkeit erhöht die Durchsichtigkeit der Luft und rückt zugleich scheinbar die Gegenstände näher. Diese Erscheinung ist jedem bekannt, der Gelegenheit gehabt hat, an Orten, wo man die Ketten der Hochalpen oder der Anden sieht, hygrometrische Betrachtungen anzustellen. Wir liefen, mit dem Senkblei in der Hand, durch den Canal zwischen den Inseln Alegranza und Montaña Clara. Wir untersuchten den Archipel kleiner Eilande nördlich von Lanzerota, die sowohl auf der sonst sehr genauen Karte von de Fleurieu, als auf der Karte, die zur Reise der Fregatte Flora gehört, so schlecht gezeichnet sind. Die auf Befehl des Herrn de Castries i. J. 1786 veröffentlichte Karte des Atlantischen Oceans hat dieselben irrigen Angaben. Da die Strömungen in diesen Strichen ausnehmend rasch sind, so mag die für die Sicherheit der Schiffahrt nicht unwichtige Bemerkung hier stehen, daß die Lage der fünf kleinen Inseln Alegranza, Clara, Graciosa, Roca del Este und Infierno nur auf der Karte der canarischen Inseln von Borda und im Atlas von Tofiño genau angegeben ist, welcher letztere sich dabei an die Beobachtungen von Don Jose Varela hielt, die mit denen der Fregatte Boussole ziemlich übereinstimmen.
Inmitten dieses Archipels, den Schiffe, die nach Teneriffa
gehen, selten befahren, machte die Gestaltung der Küsten den
eigenthümlichsten Eindruck auf uns. Wir glaubten uns in die
euganäischen Berge im Vincentinischen oder an die Ufer des
Rheins bei Bonn versetzt (Siebengebirge). Die Gestaltung der
organischen Wesen wechselt nach den Klimaten, und diese
erstaunliche Mannigfaltigkeit gibt dem Studium der Vertheilung
Der ganze westliche Theil von Lanzerota, den wir in der Nähe
sahen, hat ganz das Ansehen eines in neuester Zeit von
vulkanischem Feuer verwüsteten Landes. Alles ist schwarz, dürr,
von Dammerde entblößt. Wir erkannten mit dem Fernrohr Basalt in
ziemlich dünnen, stark fallenden Schichten. Mehrere Hügel
gleichen dem Monte nuovo bei Neapel oder den Schlacken- und
Aschenhügeln, welche am Fuße des Vulkanes Jorullo in Mexiko in
Einer Nacht aus dem berstenden Boden emporgestiegen sind. Nach
Abbé Viera wurde auch im Jahre 1730 mehr als die Hälfte der
Insel völlig umgewandelt. Der »große Vulkan«, dessen wir oben
erwähnt, und der bei den Eingeborenen der Vulkan von
Temanfaya heißt, verheerte das fruchtbarste und
bestangebaute Gebiet; neun Dörfer wurden durch die Lavaströme
völlig zerstört. Ein heftiges Erdbeben war der Katastrophe
vorangegangen, und gleich starke Stöße wurden noch mehrere Jahre
nachher gespürt. Letztere
Die Insel Lanzerota hieß früher Titeroigotra. Bei der
Ankunft der Spanier zeichneten sich die Bewohner vor den anderen
Canariern durch Merkmale höherer Kultur aus. Sie hatten Häuser
aus behauenen Steinen, während die Guanchen auf Teneriffa,
als wahre Troglodyten, in Höhlen wohnten. Auf
Lanzerota herrschte zu jener Zeit ein seltsamer Gebrauch, der
nur bei den Tibetanern vorkommt. [In Tibet ist übrigens die
Vielmännerei nicht so häufig, als man glaubt, und von der
Priesterschaft mißbilligt.] Eine Frau hatte mehrere Männer,
welche in der Ausübung der Rechte des Familienhauptes
wechselten. Der eine Ehemann war als solcher nur während eines
Mondumlaufs anerkannt, sofort übernahm ein anderer das Amt und
jener trat in das Hausgesinde
Wegen des Windes mußten wir zwischen den Inseln Alegranza und
Montaña Clara durchfahren. Da Niemand am Bord der Corvette je in
diesem Canal gewesen war, so mußte das Senkblei ausgeworfen
werden. Wir fanden Grund bei 25 und 32 Faden [45 bis 60 m].
Mit dem Senkbleu wurde eine organische Substanz von so
sonderbarem Bau aufgezogen, daß wir lange nicht wußten, ob wir
sie für einen Zoophyten oder für eine Tangart halten sollten.
Auf einem bräunlichen, drei Zoll langen Stiel sitzen runde
lappige Blätter mit gezahntem Rand. Sie sind hellgrün,
lederartig und gestreift wie die Blätter der Adianten und des
Ginkgo biloba. Ihre Fläche ist mit steifen, weißlichen
Haaren bedeckt; vor der Entwicklung sind die concav und in
einander geschachtelt. Wir konnten keine Spur von willkührlicher
Bewegung, von Irritabilität daran bemerken, auch nicht als wir
es mit dem Galvanismus versuchten. Der Stiel ist nicht holzig,
sondern besteht aus einem hornartigen Stoff, gleich der Achse
der Gorgonen. Da Stickstoff und Phosphor in Menge in
verschiedenen cryptogamischen Gewächsen nachgewiesen sind, so
wäre nichts dabei herausgekommen, wenn wur auf chemischem Wege
hätte ermitteln wollen, ob dieser organische Körper dem Pflanzen-
oder dem
Fucus vitifolius. Die Haare, mit denen das Gewächs
bedeckt ist, kommen bei vielen andern Tangen vor. Allerdings
zeigte das Blatt, als es frisch aus der See unter dem Mikroscop
untersucht wurde, nicht die drüsigen Körper in Häufchen oder die
dunkeln Punkte, welche bei den Gattungen Ulva und
Fucus die Fructificationen enthalten; aber wie oft findet
man Tange, die vermöge ihrer Entwicklungsstufe in ihrem
durchsichtigen Paranchym noch keine Spur von Körnern zeigen.
Ich hätte diese Einzelheiten, die in die beschreibende
Naturgeschichte gehören, hier übergangen, wenn sich nicht am
Fucus mit weinblattähnlichen Blättern ein physiologische
Erscheinung von allgemeinerem Interesse beobachten ließe. Unser
Seetang hatte, an Madreporen befestigt, 192 Fuß tief am
Meeresboden vegetirt, und doch waren seine Blätter so grün wie
unsere Gräser. Nach de Bouguers VersuchenLepidium saticum
beim glänzenden Lichte zweier Argandschen Lampen kaum merkbar
grün.
Turner, der so viel für die Familie der Tange geleistet hat, und viele andere bedeutende Botaniker sind der Ansicht, die Tange, die man an der Meeresfläche findet, und die unter dem 23. und 35. Grad der Breite und dem 32. der Länge sich dem Seefahrer als eine weite überschwemmte Wiese darstellen, wachsen ursprünglich auf dem Meeresgrund und schwimmen an der Oberfläche nur im ausgebildeten Zustand, nachdem sie von den Wellen losgerissen worden. Ist dem wirklich so, so ist nicht zu läugnen, daß die Familie der Seealgen große Schwierigkeiten macht, wenn man am Glauben festhält, daß Farblosigkeit die nothwendige Folge des Mangels an Licht ist; denn wie sollte man voraussetzen können, daß so viele Arten von Ulvaceen und Dictyoteen mit grünen Stengeln und Blättern auf Gestein unmittelbar unter der Meeresfläche gewachsen sind?
Nach den Angaben eines alten portugiesischen Wegweisers meinte
der Capitän des Pizarro sich einem kleinen Fort nördlich von
Teguise, dem Hauptort von Lancerota, gegenüber zu befinden. Man
hielt einen Basaltfelsen für ein Kastell, man salutirte es durch
Aufhissen der spanischen Flagge und warf das Boot aus, um sich
durch einen Officier beim Commandanten des vermeintlichen Forts
erkundigen zu lassen, ob die Engländer in der Umgegend kreuzten.
Wir wunderten uns
Wir benutzten das Boot, um ans Land zu gehen, das den Schlußpunkt einer weiten Bai bildete. Ganz unbeschreiblich ist das Gefühl des Naturforschers, der zum erstenmal einen außereuropäischen Boden betritt. Die Aufmerksamkeit wird von so vielen Gegenständen in Anspruch genommen, daß man sich von seinen Empfindungen kaum Rechenschaft zu geben vermag. Bei jedem Schritt glaubt man einen neuen Naturkörper vor sich zu haben, und in der Aufregung erkennt man häufig Dinge nicht wieder, die in unseren botanischen Gärten und naturgeschichtlichen Sammlungen zu den gemeinsten gehören. 100 Toisen [ca. 200 m] vom Ufer sahen wir einen Mann mit der Angelruthe fischen. Man fuhr im Boot auf ihn zu, aber er ergriff die Flucht und versteckte sich hinter Felsen. Die Matrosen hatten Mühe, seiner habhaft zu werden. Der Anblick der Corvette, der Kanonendonner am einsamen, jedoch zuweilen von Kapern besuchten Orte, das Landen des Bootes, Alles hatte dem armen Fischer Angst eingejagt. Wir erfuhren von ihm, die kleine Insel Graciosa, an der wir gelandet, sey von Lanzerota durch einen engen Canal, el Rio genannt, getrennt. Er erbot sich, uns in den Hafen los Colorados zu führen, wo wir uns hinsichtlich der Blokade von Tenerifa erkundigen könnten; da er aber zugleich versicherte, seit mehreren Wochen kein Fahrzeug auf offener See gesehen zu haben, so beschloß der Kapitän, geradezu nach Santa Cruz zu steuern.
Das kleine Stück der Insel Graciosa, das wir kennengelernt,
gleicht den aus Laven aufgebauten Vorgebirgen bei
Mit Sonnenuntergang schifften wir uns wieder ein und gingen unter Segel, aber er Wind war zu schwach, als daß wir unseren Weg nach Teneriffa hätten fortsetzen können. Die See war ruhig; ein röthlicher Dunst umzog den Horizont und ließ alle Gegenstände größer erscheinen. In solcher Einsamkeit, ringsum so viele unbewohnte Eilande, schwelgten wir lange im Anblick einer wilden, großartigen Natur. Die schwarzen Berge von Graciosa zeigten fünf, sechshundert Fuß [160 bis 200 m] hohe senkrechte Wände. Ihre Schatten, die auf die Meeresfläche fielen, gaben der Landschaft einen schwermüthigen Charakter. Gleich den Trümmern eines gewaltigen Gebäudes stiegen Basaltfelsen aus dem Wasser auf. Ihr Dasein mahnte uns an die weit entlegene Zeit, wo unterseeische Vulkane neue Inseln emporhoben oder die Festländer zertrümmerten. Alles umher verkündete Verwüstung und Unfruchtbarkeit; aber einen freundlicheren Anblick bot im Hintergrunde des Bildes die Küste von Lanzerota. In einer engen Schlucht, zwischen zwei mit verstreuten Baumgruppen gekrönten Hügeln, zog sich ein kleiner bebauter Landstrich hin. Die letzten Strahlen der Sonne beleuchteten das zur Ernte reife Korn. Selbst die Wüste belebt sich, sobald man den Spuren der arbeitsamen Menschenhand begegnet.
Wir versuchten aus der Bucht
herauszukommen, und zwar durch den Canal zwischen Alegranza und
Montaña Clara, durch den wir ohne Schwierigkeit hereingelangt
waren, um an der Nordspitze von Graciosa ans Land zu gehen. Da
der Wind sehr flau wurde, so trieb uns die Strömung nahe zu
einem Riff, an dem sich die See ungestüm brach, und das die
alten Karten als »Infierno« bezeichneten. Als wir das Riff auf
zwei Kabellängen vom Vordertheil der Corvette vor uns hatten,
sahen wir, daß es eine drei, vier Klafter [5,8 bis 7,8 m] hohe
Lavakuppe ist, voll Höhlungen und bedeckt mit Schlacken, die den
Coaks [Koks] oder der schwammigen Masse der entschwefelten
Steinkohle ähnlich ist. Wahrscheinlich ist die Klippe InfiernoRoca del Oeste (westlicher Fels) nennen,
durch das vulkanische Feuer emporgehoben. Sie kann sogar früher
weit höher gewesen seyn; denn die »neue Insel« der
Azoren, die zu wiederholten malen aus dem Meere gestiegen, in
den Jahren 1638 und 1719, war 354 Fuß [115 m] hoch [Im Jahre
1720 war die Insel auf 7 – 8 Meilen
(31 bis 36 km) sichtbar. In
denselben Strichen ist im Jahre 1811 wieder eine Insel
erschienen.] geworden, als sie im Jahre 1728 so gänzlich
verschwand, daß man da, wo sie gestanden das Meer 80 Faden
[146 m] tief fand. Meine Ansicht vom Ursprung der Basaltkuppe
Infierno wird durch ein Ereigniß bestätigt, das um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts in derselben Gegend beobachtet wurde. Beim
Ausbruch des Vulkanes Temanfaya erhoben sich vom Meeresboden
zwei pyramidale Hügel von
Da der schwache Wind und die Strömung uns aus dem Canal von
Alegranza nicht herauskommen ließen, beschloß man, während der
Nacht zwischen der Insel Clara und der Roca del Oeste zu
kreuzen. Dieß hätte beinahe sehr schlimme Folgen für uns gehabt.
Es ist gefährlich, sich bei Windstille in der Nähe dieses Riffes
aufzuhalten, gegen das die Strömung ausnehmend stark hinzieht.
Um Mitternacht fingen wir an, die Wirkung der Strömung gewahr zu
werden. Die nahe vor uns senkrecht aus dem Wasser aufsteigenden
Felsmassen benahmen uns den wenigen Wind, der wehte; die
Corvette gehorchte dem Steuer fast nicht mehr und jeden
Augenblick fürchtete man zu stranden. Es ist schwer begreiflich,
wie eine einzelne Basaltkuppe mitten im weiten Weltmeer das
Wasser in solche Aufregung versetzen kann. Diese Erscheinungen,
welche die volle Aufmerksamkeit der Physiker verdienen, sind
übrigens den Seefahrern wohl bekannt; sie treten in der Südsee,
namentlich im kleinen Archipel der Galapagos-inseln, in
furchtbarem Maßstab auf. Der Temperaturunterschied zwischen der
Flüssigkeit und der Felsmasse vermag den Zug der Strömung zu
ihnen hin nicht zu erklären, und wie sollte man es glaublich
finden, daß sich das Wasser am Fuße der Klippen in die Tiefe
stürzt, und daß bei diesem fortwährenden Zug nach unten die
Wassertheilchen den entstehenden leeren Raum auszufüllen suchen
Practical Navigator von Hamilton Moore, p. 200,
in Folge der Massenattractien oder der allgemeinen Schwere
komme ein Fahrzeug schwer von der Küste weg und werde die
Schaluppe einer Fregatte von dieser selbst angezogen.
Am 18. Morgens wurde der Wind etwas frischer, und so gelang es uns, aus dem Canal zu kommen. Wir kamen dem Infierno noch einmal sehr nahe, und jetzt bemerkten wir im Gestein große Spalten, durch welche wahrscheinlich die Gase entwichen, als die Basaltkuppe emporgehoben wurde. Wir verloren die kleinen Inseln Alegranza, Montaña Clara und Graciosa aus dem Gesicht. Sie scheinen nie von Guanchen bewohnt gewesen zu seyn und man besucht sie jetzt nur, um Orseille dort zu sammeln; diese Pflanze ist übrigens weniger gesucht, seit so viele andere Flechtenarten aus dem nördlichen Europa kostbare Farbstoffe liefern. Montaña Clara ist berühmt weger der schönen Canarienvögel, die dort vorkommen. Der Gesang dieser Vögel wechselt nach Schwärmen, wie ja auch bei uns der Gesang der Finken in zwei benachbarten Landstrichen häufig ein anderer ist. Auf Montaña Clara gibt es auch Ziegen, zum Beweis, daß das Eiland im Inneren nicht so öde ist als die Küste, die wir gesehen. Der Name Alegranza kommt her von »La Joyeuse«, wie die ersten Eroberer der Canarien, zwei normännische Barone, Jean de Béthencourt und Gadifer de Salle, die Insel benannten. Es war der erste Punkt, wo sie gelandet. Nach einem Aufenthalt von einigen Tagen auf der Insel Graciosa, von der wir ein kleines Stück gesehen, beschlossen sie, sich der benachbarten Insel Lanzerota zu bemächtigen, und wurden von Guadarfia, dem Häuptling der Guanchen, so gastfreundlich empfangen, wie Cortez im Palast Montezumas. Der Hirtenkönig, der keine anderen Schätze hatte als seine Ziegen, wurde so schmählich verraten, wie der mexikanische Sultan.
Wir fuhren an den Küsten von Lanzerota, Lobos und Fortaventura
hin. Die zweite scheint früher mit den andern
Da der Horizont dunstig war, konnten wir auf der ganzen
Ueberfahrt von Lanzerota nach Teneriffa des Gipfels des Pik de
Teyde nicht ansichtig werden. Ist der Vulkan wirklich 1905
Toisen [3712 m] hoch, wie Bordas letzte trigonometrische Messung
angibt, so muß sein Gipfel auf 43 Seemeilen [80 km] zu sehen
sey, das Auge am Meeresspiegel angenommen und die Refraction
gleich 0,079 der Entfernung. Man hat in Zweifel gezogen, ob der
Pic zwischen Lanzerota und Fortaventura, der nach Varelas Karte
2° 29' oder gegen 50 Meilen (Lieues) davon
entfernt ist, je gesehen worden sey. Der Punkt scheint indessen
durch einige Offiziere der königlich spanischen Marine
entschieden worden zu seyn; ich habe an Bord der Corvette
Pizarro ein Schifftagebuch in Händen gehabt, in dem stand, der
Pic von Tenerifa sey in 135 Seemeilen [250 km] Entfernung beim
südlichen Vorgebirg von Lanzerota, genannt Pichiguera, gesehen
worden, und zwar erschien der Gipfel unter einem so großen
Winkel, daß der Beobachter, Don Manuel Bazuti, glaubt, der
Vulkan hätte noch 9 Meilen weiter weg gesehen werden
können. Das war im September, gegen Abend, bei sehr feuchtem
Wetter. Rechnet man 15 Fuß als Erhöhung des Auges über der See,
so finde ich, daß
Seeleute, die häufig diese Striche befahren und über die
Ursachen der Naturerscheinungen nachdenken, wundern sich, daß
der Pic de Teyde und der der AzorenPiton oder Zuckerhut, der die
oberste Spitze des Pics bildet, wirft allerdings vieles Licht
zurück, weil der aus dem Krater ausgeworfene Bimsstein von
weißlicher Farbe ist; aber dieser kleine abgestutzte Kegel mißt
nur ein Zwanzigtheil der ganzen Höhe. Die Wände des Vulkans sind
entweder mit schwarzen, verschlackten Lavablöcken oder mit einem
kräftigen Pflanzenwuchse bedeckt, dessen Masse um so weniger
Licht zurückwirft, als die Baumblätter voneinander durch
Schatten getrennt sind, die einen größeren Umfang haben als die
beleuchteten Theile.
Daraus geht hervor, daß der Pic von Tenerifa, abgesehen vom
Piton, zu den Bergen gehört, die man, wie Bouguer sich
ausdrückt, auf weite Entfernung nur negativ sieht, weil
sie das Licht auffangen, das von der äußersten Grenze des
Luftkreises zu uns gelangt, und wir ihr Daseyn
positiv
sichtbar, weil er weißes Licht reflektirt und sich vom Himmel
hell abhebt; da aber dieser Kegel nur 80 Toisen [156 m] hoch
und an der Spizte 40 Toisen [78 m] breit ist, so hat man
neuerdings die Frage aufgeworfen, ob er bei so unbedeutender
Masse auf weiter als 40 Meilen sichtbar seyn kann,
und ob es nicht wahrscheinlicher ist, daß man in See den Pic
erst dann als ein Wölkchen über dem Horizont gewahr
wird, wenn bereits die Basis des Piton heraufzurücken beginnt.
Nimmt man die mittlere Breite des Zuckerhutes zu 100 Toisen
[200 m] an, so findet man, daß der kleine Kegel in 40 Meilen
Entfernung in horizontaler Richtung noch unter einem
Winkel von mehr als 3 Minuten erscheint. Dieser Winkel ist groß
genug, um einen Gegenstand sichtbar zu machen, und wenn der
Piton beträchtlich höher wäre, als in der Basis breit, so dürfte
der Winkel in horizontaler Richtung noch kleiner seyn, und der
Gegenstand machte doch noch einen Eindruck auf unsere Organe;
aus mikrometrischen Beobachtungen geht hervor, daß eine Minute
nur dann die Grenze der Sichtbarkeit ist, wenn die Gegenstände
nach allen Richtungen von gleichem Durchmesser sind, Man erkennt
in einer weiten Ebene einzelne Baumstämme mit bloßem Auge,
obgleich der Sehwinkel nur 25 Secunden beträgt.
Da die Sichtbarkeit eines Gegenstandes, der
sich dunkelfarbig abhebt, von der Lichtmenge abhängt, die auf
zwei Linien zum Auge gelangen, deren eine am Berg endet,
während die andere bis zur Grenze des Luftmeers fortläuft, so
folgt daraus, daß, je weiter man vom Gegenstand wegrückt, desto
kleiner der Unterschiede wird zwischen Licht der umgebenden Luft
und dem Licht der vor dem Berg befindlichen Luftschichten. Daher
kommt, daß nicht sehr hohe Berggipfel, wenn sie sich über dem
Horizont zu zeigen anfangen, anfangs dunkler erscheinen als
Gipfel, die man auf sehr große Entfernung sieht. Ebenso hängt
die Sichtbarkeit von Bergen, die man nur negativ gewahr wird,
nicht allein vom Zustand der untern Luftschichten ab, auf die
unsere meteorologischen Beobachtungen beschränkt sind, sondern
auch von der Durchsichtigkeit und der physischen Beschaffenheit
der höheren Regionen; denn das Bild hebt sich desto besser ab,
je stärker das Licht in der Luft, das von den Grenzen der
Atmosphäre herkommt, ursprünglich ist, oder je weniger Verlust
es auf seinem Durchgang erlitten hat. Dieser Umstand macht es
bis zu einem gewissen Grade erklärlich, warum bei gleich
heiterem Himmel, bei ganz gleichem Thermometer- und
Hygrometerstand nahe an der Erdoberfläche, der Pic auf Schiffen,
die gleich weit davon entfernt sind, des einemal sichtbar ist,
das anderemal nicht. Wahrscheinlich würde man sogar den Vulkan
nicht häufiger sehen können, wenn die Höhe des Aschenkegels, an
dessen Spitze sich die Krateröffnung befindet, ein Viertheil der
ganzen Berghöhe wäre, wies es beim Vesuv der Fall ist. Die
Asche, zu Pulver zerriebener Bimsstein, wirft das Licht nicht so
stark zurück als der Schnee der Anden. Sie macht, daß der Berg
bei sehr großem Abstand sich nicht
Los Pajonales, von
paja, Gras. So heißt die Zone der grasartigen Gewächse,
welche unter der Region des ewigen Schnees liegt.] die goldgelb
sind, treten allerdings in geringer Entfernung deutlicher hervor
als Gegenstände, die man negativ sieht; aber nach der Theorie
besteht eine gewisse Grenze, jenseits welcher diese letzteren
sich bestimmter vom Blau des Himmels abheben.
Bei den colossalen Berggipfeln von Quito und Peru, die über die
Grenze des ewigen Schnees hinausragen, wirken alle günstigen
Umstände zusammen, um sie unter sehr kleinen Winkeln sichtbar zu
machen. Wir haben oben gesehen, daß der abgestumpfte Gipfel des
Pic von Tenerifa nur gegen 300 Toisen [580 m] Durchmesser
hat. Nach den Messungen, die ich im Jahre 1803 zu Riobamba
angestellt, ist die Kuppe des Chimborazo 153 Toisen [298 m]
unter der Spitze, also an einer Stelle, die 1300 Toisen [2533 m]
höher liegt als der Pik, noch 673 Toisen (1312 Meter) breit.
Ferner nimmt die Zone des ewigen Schnees ein Viertheil der
ganzen Berghöhe ein, und die Basis dieser Zone ist, von der
Südsee gesehen, 3437 Toisen (6700 Meter) breit. Obgleich aber
der Chimborazo um zwei Drittel höher ist als der Pic, sieht man
ihn doch wegen der Krümmung der Erde nur 38 1/3 Meilen
weiter. Wenn er im Hafen von Guayaquil am Ende der
Regenzeit am Horizont auftaucht, glänzt sein Schnee so stark,
daß man glauben sollte, er müßte sehr weit in der Südsee
sichtbar
Das in der Luft verbreitete Licht erhöht, indem es auf die Berge
fällt, die Sichtbarkeit derer, die positiv sichtbar sind; die
Stärke desselben vermindert im Gegentheil die Sichtbarkeit von
Gegenständen, die, wie der Pic von Teneriffa und der der Azoren,
sich dunkelfarbig abheben. Bouguer hat auf theoretischem Wege
gefunden, daß nach der Beschaffenheit unserer Atmosphäre Berge
negativ nicht weiter als auf 35 Meilen gesehen werden können.
Die Erfahrung — und diese Bemerkung ist wichtig — widerspricht
dieser Rechnung. Der Pik von Tenerifa ist häufig
auf 36, 38, sogar auf 40 Meilen gesehen
worden. Noch mehr, auf der Fahrt nach den Sandwichsinseln hat
man den Gipfel des Mowna-RoaMesa der alten spanischen Karten, seine
vereinzelte Lage im Weltmeer und die Häufigkeit gewisser Winde,
die durch den aufsteigenden Strom abgelenkt, in schiefer
Richtung wehen, mögen die vornehmsten Ursachen seyn. Es läßt
sich nicht wohl annehmen, daß sich Capitän Marchand in der
Schätzung des Abstandes, in dem er am 10. Oktober 1791 den
Gipfel des Mowna-Roa sah, bedeutend geirrt habe. Er hatte die
Insel O-Whyhee erst am 7. Abends verlassen, und nach der
Bewegung der Gewässer und den Mondsbeobachtungen am 10. betrug
die Entfernung wahrscheinlich sogar noch mehr als 53 Meilen.
Ueberdieß berichtet ein erfahrner Seemann, de Fleurien, daß der
Pic von Teneriffa selbst bei nicht ganz klarem Wetter auf 35 bis
36 Meilen zu sehen sey.
Ich glaubte diese Bemerkungen am Ende dieses Capitels zusammenstellen zu sollen, weil sie sich auf eines der wichtigsten Probleme der Optik beziehen, auf die Schwächung der Lichtstrahlen bei ihrem Durchgang durch die Schichten der Luft, und zugleich nicht ohne praktischen Nutzen sind. Die Vulkane Teneriffas und der Azoren, die Sierra Nevada von St. Martha, der Pic von Orizaba, die Silla bei Caracas, Mowna-Roa und der St. Eliasberg liegen vereinzelt in weiten Meeresstrecken oder auf den Küsten der Continente, und dienen so dem Seefahrer, der die Mittel nicht hat, um den Ort des Schiffes durch Sternbeobachtungen zu bestimmen, gleichsam als Bojen im Fahrwasser. Alles, was mit der Erkennbarkeit dieser natürlichen Bojen zusammenhängt, ist für die Sicherheit der Schifffahrt von Belang.
Aufenthalt auf Teneriffa — Reise von Santa Cruz nach Orotava — Besteigung des Pics
Von unserer Abreise von Graciosa an war der Horizont fortwährend
so dunstig, daß trotz der ansehnlichen Höhe der Berge Canarias
(Isla de la gran Canaria) die Insel erst am 19. Abends in
Sicht kam. Sie ist die Kornkammer des Archipels der
»glückseligen Inseln«, und man behauptet, was für ein Land
außerhalb der Tropen sehr auffallend ist, in einigen Strichen
erhalte man zwei Getreideernten im Jahre, eine im Februar, die
andere im Juni. Canaria ist noch nie von einem unterrichteten
Mineralogen besucht worden; sie verdiente es aber um so mehr,
als mir ihre in parallen Ketten streichenden Berge von ganz
andrem Charakter schienen, als die Gipfel von Lancerota und
Teneriffa. Nichts ist für den Geologen anziehender als die
Beobachtung, wie sich an einem bestimmten Punkte die
vulkanischen Bildungen zu den Urgebirgen und den securdären
Gebirgen verhalten. Sind einmal die canarischen Inseln in allen
ihren Gebirgsgliedern erforscht, so wird sich zeigen, daß man zu
voreilig die Bildung der ganzen Gruppe einer Hebung durch
unterseeische Feuerausbrüche zugeschrieben hat.
Am 19. Morgens sahen wir den Berggipfel Naga (Punta de Naga,
Anaga oder Nago), aber der Pik von Teneriffa
Alsbald hoben wir den Anker und der Pizarro näherte sich so viel
möglich dem Fort, um unter den Schutz desselben zu kommen. Hier
auf dieser Rhede, als zwei Jahre vor unserer Ankunft
die Engländer zu landen versuchten, riß eine Kanonenkugel
Admiral Nelson den Arm ab (im Juli 1797). Der Generalstatthalter
der canarischen Inseln [Don Andrès de Perlasca.] schickte an
den
Die Lage dieser Stadt hat große Aehnlichkeit mit der von Guayra,
dem besuchtesten Hafen der Provinz Caracas. An beiden Orten ist
die Hitze aus denselben Ursachen sehr groß; aber von außen
erscheint Santa Cruz trübseliger. Auf einem öden, sandigen
Strande stehen blendend weiße Häuser mit platten Dächern und
Fenstern ohne Glas vor einer schwarzen senkrechten Felsmauer
ohne allen Pflanzenwuchs. Ein hübscher Hafendamm aus gehauenen
Steinen und der öffentliche, mit Pappeln besetzte Spaziergang
bringen die einzige Abwechselung in das eintönige Bild. Von
Santa Cruz aus nimmt sich der Pic weit weniger malerisch aus als
im Hafen von Orotava. Dort ergreift der Gegensatz zwischen einer
lachenden, reich bebauten Ebene und der wilden Physiognomie des
Vulkanes. Von den Palmen- und Bananengruppen am Strande bis zu
der Region der Arbutus, der Lorbeeren und Pinien ist das
vulkanische Gestein mit kräftigem Pflanzenwuchs bedeckt. Man
begreift, wie sogar Völker, welche unter dem schönen Himmel von
Griechenland und Italien wohnen, im östlichen Teil von Teneriffa
eine der glückseligen Inseln gefunden zu haben meinten. Die
Ostküste dagegen, an der Santa Cruz liegt, trägt überall den
Stempel der Unfruchtbarkeit. Der Gipfel
Trotz diesem Unterschied, und obgleich am letzteren Orte der Vulkan kaum so weit über den Horizont aufsteigt, als der Vesuv, vom Molo von Neapel aus gesehen, so ist dennoch der Anblick des Pics, wenn man ihn vor Anker auf der Rhede zum erstenmal sieht, äußerst großartig. Wir sahen nur den Zuckerhut; sein Kegel hob sich vom reinsten Himmelsblau ab, während schwarze dicke Wolken den übrigen Berg bis auf 1800 Toisen [3500 m] Höhe einhüllten. Der Bimsstein, von den ersten Sonnenstrahlen beleuchtet, warf ein röthliches Licht zurück, dem ähnlich, das häufig die Gipfel der Hochalpen färbt. Allmählich ging dieser Schimmer in das blendendste Weiß über, und es ging uns wie den meisten Reisenden, wir meinten, der Pic sey noch mit Schnee bedeckt und wir werden nur mit großer Mühe an den Rand des Kraters gelangen können.
Wir haben in der Cordillere der Anden die Beobachtung gemacht,
daß Kegelberge, wie der Cotopaxi und der Tungurahua, sich öfter
unbewölkt zeigen als Berge, deren Krone mit vielen kleinen
Unebenheiten besetzt ist, wie der Antisana und der Pichincha;
aber der Pic von Teneriffa ist, trotz seiner Kegelgestalt, einen
großen Theil des Jahres in Dunst gehüllt, und zuweilen sieht man
ihn auf der Rhede von Santa Cruz
Lange und mit Ungeduld warteten wir auf die Erlaubnis von seiten
des Statthalters, ans Land gehen zu dürfen. Ich nützte die Zeit,
um die Länge des Hafendammes von Santa Cruz zu bestimmen und die
Inclination der Magnetnadel zu beobachten. Der Chronometer von
Louis Berthoud gab jene zu 18° 33' 10" an. Diese Bestimmung
weicht um 3–4 Bogenminuten von derjenigen ab,
die sich aus den
alten Beobachtungen von Fleurieu, Pingré, Borda, Vancouver und
la Peyrouse ergibt. Guenot hatte übrigens gleichfalls 18° 33' 36"
gefunden und der unglückliche Capitän Blight 18° 34' 30". Die
Genauigkeit meines Ergebnisses wurde drei Jahre darauf bei der
Expedition des Ritters Krusenstern bestätigt: man
Nachdem die Leute, die zu uns an Bord gekommen waren, um sich
nach politischen Neuigkeiten zu erkundigen, uns mit ihren
vielerlei Fragen geplagt hatten, stiegen wir endlich ans Land.
Das Boot wurde sogleich zur Corvette zurückgeschickt, weil die
auf der Rhede sehr gefährliche Brandung es leicht hätte am
Hafendamm zertrümmern können. Das erste, was uns zu Gesicht kam,
war ein hochgewachsenes, sehr gebräuntes, schlecht gekleidetes
Frauenzimmer, das die Capitana hieß. Hinter ihr kamen
einige andere in nicht anständigerem Aufzug; sie bestürmten uns
mit der Bitte, an Bord des Pizarro gehend zu dürfen, was ihnen
natürlich nicht bewilligt wurde. In diesem von Europäern so
stark besuchten Hafen ist die Ausschweifung diszipliniert. Die
Capitana ist von ihresgleichen als Anführerin gewählt, und sie
hat große
Als wir die Straßen von Santa Cruz betraten, kam es uns zum Ersticken heiß vor, und doch stand der Thermometer nur auf 25 Grad. Wenn man lange Seeluft geathmet hat, fühlt man sich unbehaglich, so oft man ans Land geht, nicht weil jene Luft mehr Sauerstoff enthält als die Luft am Land, wie man irrthümlich behauptet hat, sondern weil sie weniger mit den Gasgemischen geschwängert ist, welche die thierischen und Pflanzenstoffe und die Dammerde, die sich aus ihrer Zersetzung bildet, fortwährend in den Luftkreis entbinden. Miasmen, welche sich der chemischen Analyse entziehen, wirken gewaltig auf die Organe, zumal wenn sie nicht schon seit längerer Zeit denselben Reizen ausgesetzt gewesen sind.
Santa Cruz de Tenerifa, das Añaza der Guanchen, ist eine
ziemlich hübsche Stadt mit 8000 Einwohnern. Mir ist die Menge
von Mönchen und Weltgeistlichen, welche die Reisenden in allen
Ländern unter spanischem Zepter sehen zu müssen glauben, gar
nicht aufgefallen. Ich halte mich auch nicht damit auf, die
Kirchen zu beschreiben, die Bibliothek der Dominicaner, die kaum
ein paar hundert Bände zählt, den Hafendamm, wo die
Einwohnerschaft Abends zusammenkommt, um der Kühle zu genießen,
und das berühmte dreißig Fuß [10 m] hohe Denkmal aus
carrarischen Marmor, geweiht unserer lieben Frau von Candelaria,
zum Gedächtniß ihrer wunderbaren Erscheinung zu Chimisay bei
Guimar im Jahre 1362. Der Hafen von Santa Cruz ist eigentlich
ein großes Caravanserai
Die Empfehlungen des Madrider Hofes verschafften uns auf den
Canarien, wie in allen anderen spanischen Besitzungen, die
befriedigendste Aufnahme. Vor allem ertheilte uns der
Generalcapitän die Erlaubniß, die Insel zu bereisen. Der Oberst
Armiaga, Befehlshaber eines Infanterieregimentes, nahm uns in
seinem Hause auf und überhäufte uns mit Höflichkeit. Wir wurden
nicht müde, in seinem Garten im Freien gezogene
Gewächse zu bewundern, die wir bis jetzt nur in Treibhäusern
gesehen hatten, den Bananenbaum, den Melonenbaum, die
Poinciana pulcherrima und andere. Das Klima der Canarien
ist indessen nicht warm genug, um den ächten Platano
arton mit dreieckiger, sieben bis acht Zoll langer Frucht,
der eine mittlere Temperatur von etwa 24 Graden verlangt und
selbst nicht im Thale von Caracas fortkommt, reif werden zu
lassen. Die Bananen auf Teneriffa sind die, welche die
spanischen Colonisten Camburis oder Guineos und
Dominicos nennen. Der Camburi, der am wenigsten vom Frost
leidet, wird sogar in Malaga mit Erfolg gebaut [Die mittlere
Temperatur dieser Stadt beträgt nur 18°.]; aber die Früchte, die
man zuweilen zu Cadix sieht, kommen von den Canarien auf
Schiffen, welche die Ueberfahrt in drei, vier Tagen machen. Die
Musa, die allen Völkern der heißen Zone bekannt ist, und die man
bis jetzt nirgends
Am Abend machten wir eine botanische Excursion nach dem Fort
Passo Alto längs der Basaltfelsen, welche das Vorgebirge Naga
bilden. Wir waren mit unserer Ausbeute sehr schlecht zufrieben,
denn die Trockenheit und der Staub hatten die Vegetation so
ziemlich vernichtet. Cacalia Kleinia, Euphorbia
canariensis und sehr verschiedene andere Fettpflanzen,
welche ihre Nahrung vielmehr aus der Luft als aus dem Boden
ziehen, auf dem sie wachsen, mahnten uns durch ihren Habitus
daran, daß diese Inseln Afrika angehören, und zwar dem dürrsten
Striche dieses Festlandes.
Der Capitän der Corvette hatte zwar den Befehl, so lange zu verweilen, daß wir die Spitze des Pics besteigen könnten, wenn anders der Schnee es gestattete; man gab uns aber zu erkennen, wegen der Blockade der englischen Schiffe dürften wir nur auf einen Aufenthalt von vier, fünf Tagen rechnen. Wir eilten demnach, in den Hafen von Orotava zu kommen, der am Westabhang des Vulkans liegt, und wo wir Führer zu finden sollten. In Santa Cruz konnte ich Niemanden auffinden, der den Pic bestiegen gehabt hätte, und ich wunderte mich nicht darüber. Die merkwürdigsten Dinge haben desto weniger Reiz für uns, je näher sie uns sind, und ich kannte Schaffhauser, welche den Rheinfall niemals in der Nähe gesehen hatten.
Am 20. Juni vor Sonnenaufgang machten wir uns auf den Weg nach
Villa de la Laguna, die 350 Toisen [682 m] über dem Hafen von
Santa Cruz liegt. Wir konnten diese Höhenangabe
Barranco hin, der in der Regenzeit schöne
Fälle bildet; er ist schmal und vielfach gewunden. Nach meiner
Rückkehr habe ich gehört, Herr von Perlasca habe hier eine neue
Straße anlegen lassen, auf der Wagen fahren können. Bei der
Stadt begegneten uns weiße Kameele, die sehr leicht beladen
schienen. Diese Thiere werden vorzugsweise dazu gebraucht, die
Waaren von der Douane in die Magazine der Kaufleute zu schaffen.
Man ladet ihnen gewöhnlich zwei Kisten Havanazucker auf, die
zusammen 900 Pfund wiegen, man kann aber die Ladung
bis auf 13 Zentner oder 52 castilische Arrobas steigern. Auf
Teneriffa sind die Kameele nicht sehr häufig, während ihrer auf
Lanzerota und Fortaventura viele Tausende sind. Diese Inseln
liegen Afrika näher und kommen daher auch in Klima und
Vegetation mehr mit diesem Continent überein. Es ist sehr
auffallend, daß dieses nützliche Thier, das sich in Südamerika
fortpflanzt, dies auf Teneriffa fast nie thut. Nur im
fruchtbaren Distrikt von Adexe, wo die bedeutendsten
Zuckerrohrpflanzungen sind, hat man die Kameele zuweilen Junge
werfen sehen. Diese Lastthiere, wie die Pferde, sind im
fünfzehnten Jahrhundert durch die normännischen Eroberer auf den
Canarien eingeführt worden. Die Guanchen kannten sie nicht, und
dies erklärt sich wohl leicht daraus, daß ein so gewaltiges
Der Hügel, auf dem die Stadt San Christobal de la Laguna liegt,
gehört dem System von Basaltgebirgen an, die, unabhängig vom
System neuerer vulkanischer Gebirgsarten, einen weiten Gürtel um
den Pic von Teneriffa bilden. Der Basalt von Laguna ist nicht
säulenförmig, sondern zeigt nicht sehr dicke Schichten, die nach
Ost unter einem Winkel von 30 – 40 Grad fallen.
Nirgends hat er
das Ansehen eines Lavastroms, der an den Abhängen der Pics
ausgebrochen wäre. Hat der gegenwärtige Vulkan diese Basalte
hervorgebracht, so muß man annehmen, wie bei den Gesteinen, aus
denen die Somma neben dem Vesuv besteht, daß sie in Folge eines
unterseeischen Ausbruchs gebildet sind, wobei die weiche Masse
wirklich geschichtet wurde. Außer einigen baumartigen
Euphorbien, Cacalia Kleinia und Fackeldisteln (Cactus),
welche auf den Canarien, wie im südlichen Europa und auf dem
afrikanischen Festland verwildert sind, wächst nichts auf diesem
dürren Gestein. Unsere Maulthiere glitten jeden Augenblick auf
stark geneigten Steinlagern aus. Indessen sahen wir die
Ueberreste eines alten Pflasters. Bei jedem Schritt stößt man in
den Colonien auf Spuren der Thatkraft, welche die spanische
Nation im sechzehnten Jahrhundert entwickelt hat.
Je näher wir Laguna kamen, desto kühler wurde die Luft, und dies
thut um so wohler, da es in Santa Cruz zum Ersticken heiß ist.
Da widrige Eindrücke unsere Organe stärker angreifen, so ist der
Temperaturwechsel auf dem
Die fortwährende Kühle, die in Laguna herrscht, macht die Stadt
für die Canarier zu einem köstlichen Aufenthaltsort. Auf einer
kleinen Ebene, umgeben von Gärten, am Fuße eines Hügels, den
Lorbeeren, Myrten und Erdbeerbäume krönen, ist die Hauptstadt
von Teneriffa wirklich ungemein freundlich gelegen. Sie liegt
keineswegs, wie man nach meheren Reiseberichten glauben sollte,
an einem See. Das Regenwasser bildet hier periodisch einen
weiten Sumpf, und der Geolog, der überall in der Natur vielmehr
einen früheren Zustand der Dinge als den gegenwärtigen im Auge
hat, zweifelt nicht daran, daß die ganze Ebene ein großes
ausgetrockenetes Becken ist. Laguna ist in seinem Wohlstand
herabgekommen, seit die Seitenausbrüche des Vulkans den Hafen
von Garachico zerstört haben und Santa Cruz der
Haupthandelsplatz der Inseln geworden ist; es zählt nur noch
9000 Einwohner, worunter gegen 400 Mönche in sechs Klöstern.
Manche Reisende behaupten, die Hälfte der Bevölkerung bestehe
aus Kuttenträgern. Die Stadt ist mit zahlreichen Windmühlen
umgeben, ein Wahrzeichen des Getreidebaus in diesem
hochgelegenen Striche. Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, daß
tano, auf
Lanzerota triffa; die Gerste hieß auf Canaria
aramotanoque, auf Lanzerota tamosen. Geröstetes
Gerstenmehl (gofio) und Ziegenmilch waren die vornehmsten
Nahrungsmittel dieses Volkes, über dessen Ursprung so viele
systematische Träumereien ausgeheckt worden sind. Diese Nahrung
weist bestimmt darauf hin, daß die Guanchen zu den Völkern der
alten Welt gehörten, wohl selbst zur caucasischen Race, und
nicht, wie die andern Atlanten [Ich lasse mich hier auf keine
Verhandlung über die Existenz der Atlantis ein und erwähne nur,
daß nach Diodor von Sicilien die Atlanten die Cerealien nicht
kannten, weil sie von der übrigen Menschheit getrennt worden,
bevor überhaupt Getreide gebaut wurde.], zu den Volksstämmen
der neuen Welt; die letzteren kannten vor der Ankunft der
Europäer weder Getreide, noch Milch, noch Käse.
Eine Menge Capellen, von den Spaniern ermitas genannt,
liegen um die Stadt Laguna. Umgeben von immergrünen Bäumen auf
kleinen Anhöhen, erhöhen diese Capellen, wie überall den
malerischen Reiz der Landschaft. Das Innere der Stadt entspricht
dem Aeußern durchaus nicht. Die Häuser sind solid gebaut, aber
sehr alt und die Straßen öde. Der Botaniker hat übrigens nicht
zudauern, daß die Häuser so alt sind. Dächer und Mauern sind
bedeckt mit Sempervivum canariense und dem zierlichen
Trichomanes, dessen alle Reisende gedenken; die häufigen
Nebel geben diesen Gewächsen Unterhalt.
Anderson, der Naturforscher bei Capitän Cooks dritter Reise,
gibt den europäischen Aerzten den Rath, ihre Kranken nach
Teneriffa zu schicken, keineswegs auf der Rücksicht, welche
Im Winter ist das Klima von Laguna sehr nebligt und die
Einwohner beklagen sich häufig über Frost. Man hin indessen nie
schneien sehen, woraus man schließen sollte, daß die mittlere
Temperatur der Stadt über 18°,7 (15° R.)
Wegen der Nähe des Meeres ist das Klima von Laguna im Winter
milder, als es nach der Meereshöhe seyn sollte. Herr Broussonet
hat sogar, wie ich mit Verwunderung hörte, mitten in der Stadt,
im Garten des Marquis von Nava, Brotfruchtbäume (Artocarpus
incisa) und Zimmtbäume (Laurus cinnamomum)
angepflanzt. Diese köstlichen Gewächse der Südsee und Ostindiens
wurden hier einheimisch, wie auch in Orotava. Sollte dieser
Versuch nicht beweisen, daß der Brotfruchtbaum in Calabrien, auf
Sicilien und in Grenada fortkäme? Der Anbau des Kaffeebaumes ist
in Laguna nicht in gleichem Maaße gelungen, wenn auch die
Früchte bei Tegueste und zwischen dem Hafen von Orotava und dem
Dorfe San Juan de la Rambla reif werden. Wahrscheinlich sind
örtliche Verhältnisse, vielleicht die Beschaffenheit des Bodens
und die Winde, die in der Blüthezeit wehen, daran Schuld. In
andern Ländern, z. B. bei Neapel, trägt der Kaffeebaum ziemlich
reichlich Früchte, obgleich die mittlere Temperatur kaum über 18
Grad der hunderttheiligen Scale beträgt.
Auf Teneriffa ist die mittlere Höhe, in der jährlich Schnee
fällt, noch niemals bestimmt worden. Solches ist
Diese Tafel gibt nur das Durchschnittsverhältniß, das heißt die
Erscheinungen, wie sie sich im ganzen Jahre zeigen. Besondere
Lokalitäten können Ausnahmen herbeiführen. So schneit es
zuweilen, wenn auch sehr selten, in Neapel, Lissabon, sogar in
Malaga, also noch unter dem 37. Grad der Breite, und wie schon
bemerkt, hat man Schnee in der Stadt Mexiko fallen sehen, die
1173 Toisen [2286 m] über dem Meere liegt. Dies war seit
mehreren Jahrhunderten nicht vorgekommen, und das Ereigniß trat
gerade am Tage ein, da die Jesuiten vertrieben wurden, und wurde
vom Volke natürlich dieser Gewaltmaaßregel zugeschrieben. Noch
ein auffallenderes Beispiel bietet das Klima von Valladolid, der
Hauptstadt der
Auch auf Teneriffa hat man an einem Orte über Esperanza de la
Laguna, dicht bei der Stadt dieses Namens, in deren Gärten
Brotbäume wachsen, schneien sehen. Dieser außerordentliche Fall
wurde Broussonet von sehr alten Leuten erzählt. Die Erica
arborea, die Mirica Faya und Arbutus
callycarpa litten nicht durch den Schnee; aber alle
Schweine, die im Freien waren, kamen dadurch um. Diese
Beobachtung ist für die Pflanzenphysiologie von Wichtigkeit. In
heißen Ländern sind die Gewächse so kräftig, daß ihnen der Frost
weniger schadet, wenn er nur nicht lange anhält. Ich habe auf
der Insel Cuba den Bananenbaum an Orten angebaut gesehen, wo der
hunderttheilige Thermometer auf 7 Grad, ja zuweilen fast auf den
Gefrierpunkt fällt. In Italien und Spanien gehen Orangen- und
Dattelbäume nicht zu Grunde, wenn es auch bei Nacht zwei Grad
Kälte hat. Im Allgemeinen macht man beim Garten- und Landbau die
Bemerkung, daß Pflanzen in fruchtbarem Boden weniger zärtlich
und somit auch für ungewöhnlich niedrige Temperaturgrade weniger
empfindlich sind, als solche, die in einem Erdreich wachsen, daß
ihnen nur wenig Nahrungssäfte bietet
Zwischen der Stadt Laguna, und dem Hafen von Orotava und der Westküste von Teneriffa kommt man zuerst durch ein hügligtes Land mit schwarzer thonigter Dammerde, in der man hin und wieder kleine Augitkrystalle findet. Wahrscheinlich reißt das Wasser diese Krystalle vom anstehenden Gestein ab, wie zu Frascati bei Rom. Leider entziehen eisenhaltige Flötzschichten den Boden der geologischen Untersuchung. Nur in einigen Schluchten kommen säulenförmige, etwas gebogene Basalte zu Tag, und darüber sehr neue, den vulkanischen Tuffen ähnliche Mengsteine. In denselben sind Bruchstücke des unterliegenden Basalts eingeschlossen, und wie versichert wird, finden sich Versteinerungen von Seethieren darin; ganz dasselbe kommt im Vicentinischen bei Montechio maggiore vor.
Wenn man ins Tal von Tacoronte hinabkommt, betritt man das herrliche Land, von dem die Reisenden aller Nationen mit Begeisterung sprechen. Ich habe im heißen Erdgürtel Landschaften gesehen, wo die Natur großartiger ist, reicher in der Entwicklung organischer Formen; aber nachdem ich die Ufer des Orinoko, die Cordilleren in Peru und die schönen Thäler von Mexiko durchwandert, muß ich gestehen, nirgends ein so mannigfaltiges, so anziehendes, durch die Vertheilung von Grün und Felsmassen so harmonisches Gemälde vor mir gehabt zu haben.
Das Meeresufer schmücken Dattelpalmen und Cocosnußbäume; weiter
oben stechen Bananengebüsche von Drachenbäumen ab, deren Stamm
man ganz richtig mit einem Schlangenleib vergleicht. Die Abhänge
sind mit Reben bepflanzt, die sich um sehr hohe Spaliere ranken.
Mit Blüthen bedeckte Orangenbäume, Myrten und
Cypressen umgeben Capellen, welche die Andacht auf freistehenden
Hügeln errichtet
Von Tegueste und Tacoronte bis zum Dorfe San Juan de la Rambla,
berühmt durch seinen trefflichen Malvasier, ist die Küste wie
ein Garten angebaut. Ich möchte sie mit der Umgegend von Capua
oder Valencia vergleichen, nur ist die Westseite von Teneriffa
unendlich schöner wegen der Nähe des Pics, der bei jedem Schritt
wieder eine andere Ansicht bietet. Der Anblick dieses Berges ist
nicht allein wegen seiner imposanten Masse anziehend; er
beschäftigt lebhaft des Geist und läßt uns den geheimnisvollen
Quellen der vulkanischen Kräfte nachdenken. Seit Tausenden von
Jahren ist kein Lichtschimmer auf der Spitze des Piton gesehen
worden, aber ungeheure Seitenausbrüche, deren letzter im Jahre
1798 erfolgte, beweisen die fortwährende Thätigkeit eines nicht
erlöschenden Feuers. Der Anblick eines Feuerschlundes mitten in
einem
Auf unserem Wege zum Hafen von Orotava kamen wir durch die
hübschen Dörfer Matanza und Victoria. Diese beiden Namen findet
man in allen spanischen Colonien neben einander; sie machen
einen widrigen Eindruck in einem Lande, wo alles Ruhe und
Frieden atmet. Matanza bedeutet Schlachtbank, Blutbad,
und schon das Wort deutet an, um welchen Preis der Sieg erkauft
worden. In der neuen Welt weist er gewöhnlich auf eine
Niederlage der Eingeborenen hin; auf Teneriffa bezeichnet
Matanza den Ort, wo die Spanier von denselben Guanchen
geschlagen wurden, die man bald auf den spanischen Märkten als
Sklaven verkaufte.
Ehe wir nach Orotava kamen, besuchten wir den botanischen Garten
nicht weit vom Hafen. Wir trafen da den französischen Viceconsul
Legros, der oft auf der Spitze des Pic gewesen war und an dem
wir einen vortrefflichen Führer fanden. Er hatte mit Capitän
Baudin eine Fahrt nach Antillen gemacht, durch die der Pariser
Pflanzengarten
Die Anlage eines botanischen Gartens auf Teneriffa ist ein sehr
glücklicher Gedanke, da derselbe sowohl für die
wissenschaftliche Botanik als für die Einführung nützlicher
Gewächse in Europa sehr förderlich werden kann. Die erste Idee
eines solchen verdankt man dem Marquis von Nava (Marquis von
Villanueva del Prado), einem Mann, der Poivre an die Seite
gestellt zu werden verdient und im Triebe, das Gute zu fördern,
von seinem Vermögen den edelsten Gebrauch gemacht hat. Mit
ungeheuren Kosten ließ er den Hügel von Durasno, der
amphitheatralisch aufsteigt, abheben, und im Jahr 1795 machte
man mit den Anpflanzungen den Anfang. Nava war der Ansicht, daß
die Canarien, vermöge des midlen Klimas und der geographischen
Lage, der geeignetste Punkt seyen, um die Naturprodukte beider
Indien zu acclimatisiren, um die Gewächse aufzunehmen, die sich
allmählich an die niedrigere Temperatur des südlichen Europa
gewöhnen sollen. Asiatisch, afrikanische, südamerikanische
Pflanzen gelangen leicht in den Garten bei Orotava, um den
Chinabaum [Ich meine die Chinaarten, die in Peru und im
Königreich Neu-Grenada auf dem Rücken der Cordilleren, zwischen
1000 und 1500 Toisen Meereshöhe an Orten wachsen, wo der
Thermometer bei Tag zwischen 9 und 10 Grad, bei Nacht zwischen 3
und 4 Grad steht. Die orangegelbe Quinquina (Cinchona
lancifolia) ist weit weniger empfindlich als die rothe
(C. oblongifolia)]
systema vegetabilium genommen
schienen. Diese Anordnung der Gewächse nach den Classen des
Sexualsystems, die man leider auch in manchen europäischen
Gärten findet, ist dem Anbau sehr hinderlich. In Durasno wachsen
Proteen, der Gojavabaum, der Jambusenbaum, die Chirimoya aus
Peru, [Annona Cherimolia Lamarck.] Mimosen und
Heliconien im Freien. Wir pflückten reife Samen von mehreren
schönen Glycinearten aus Neuholland,
Wir kamen sehr spät in den Hafen von Orotava, [Puerto de la
Cruz. Der einzige schöne Hafen der Canarien ist der von San
Sebastiano auf der Insel Gomera.] wenn man anders diesen Namen
einer Rhede geben kann, auf der die Fahrzeuge unter Segel gehen
müssen, wenn der Wind stark aus Nordwest bläst. Man kann nicht
von Orotova sprechen, ohne die Freunde der Wissenschaft an
Cologan zu erinnern, dessen Haus von jeher den Reisenden aller
Nationen offen stand. Mehrere Glieder dieser achtungswerthen
Familie sind in London und Paris erzogen worden. Don Bernardo
Cologan ist bei gründlichen, mannigfaltigen Kenntnissen der
feurigste Patriot. Man ist freudig überrascht, auf einer
Inselgruppe an der Küste von Afrika der liebenswürdigen
Geselligkeit, der edlen Wißbegierde, dem Kunstsinn zu begegnen,
die man ausschließlich in einem kleinen Theile von Europa zu
Hause glaubt.
Gerne hätten wir einige Zeit in Cologans Hause
verweilt und mit ihm in der Umgegend von Orotava die herrlichen
Punkte San Juan de la Rambla und Rialexo de Abaxo besucht. Aber
auf einer Reise wie die, welche ich angetreten, kommt man selten
dazu, der Gegenwart zu genießen. Die quälende Besorgniß, nicht
ausführen zu können, was man den andern Tag vorhat, erhält einen
in beständiger Unruhe. Leidenschaftliche Natur- und Kunstfreunde
sind auf der Reise durch die Schweiz oder Italien in ganz
ähnlicher Gemüthsverfassung; da sie die Gegenstände, die
Interesse für sie haben, immer nur zum kleinsten Theil sehen
können, so wird ihnen
Bereits am 21. Morgens waren wir auf dem Weg nach dem Gipfel des Vulkans. Legros, dessen zuvorkommende Gefälligkeit wir nicht genug loben können, der Secretär des französischen Consulats zu Santa Cruz und der englische Gärtner von Durasno teilten mit uns die Beschwerden der Reise. Der Tag war nicht sehr schön, und der Gipfel des Pic, den man in Orotava fast immer sieht, von Sonnenaufgang bis zehn Uhr in dicke Wolken gehüllt. Ein einziger Weg führt auf den Vulkan durch Villa de Orotava, die Ginsterebene und das Malpays, derselbe, den Pater Feullée, Borda, Labillardière, Barrow eingeschlagen, und überhaupt alle Reisenden, die sich nur kurze Zeit in Teneriffa aufhalten konnten. Wenn man den Pic besteigt, ist es gerade, wie wenn man das Chamounithal oder den Aetna besucht: man muß seinen Führern nachgehen und man bekommt nur zu sehen, was schon andere Reisende gesehen und beschrieben haben.
Der Contrast zwischen der Vegetation in diesem Striche von
Teneriffa und der in der Umgegend von Santa Cruz überraschte uns
angenehm. Beim kühlen, feuchten Klima war der Boden mit schönem
Grün bedeckt, während auf dem Weg von Santa Cruz nach Laguna die
Pflanzen nichts als Hülsen hatten, aus denen bereits der Samen
ausgefallen war. Beim Hafen von Orotava wird der kräftige
Pflanzenwuchs den geologischen Beobachtungen hinderlich. Wir
kamen an zwei kleinen glockenförmigen Hügeln vorüber.
Beobachtungen am Vesuv und in der Auvergne weisen darauf hin,
daß dergleichen runde Erhöhungen von Seitenausbrüchen des großen
Vulkans herrühren. Der Hügel Montannitta de la Villa
Dépôt des cartes de la Marine
aufgewahrt wird. Sie führt den Titel. Résumé des opérations
géographiques des côtes d´Espagne et de Portugal sur l´Océan,
d´une partie des côtes occidentales de l´Afrique et des îles
Canaries, par le chevalier de Borda. Es ist dies die
Handschrift, von der de Fleurien in seinen Noten zu Marchands
Reise spricht und die mir Borda zum Theil schon vor meiner
Abreise mitgetheilt hatte. Ich habe wichtige, noch nicht
veröffentlichte Beobachtungen daraus ausgezogen.] Ueberall, wo
das Gestein zu Tag ausgeht, fanden wir basaltartigen Mandelstein
(Werner) und Bimssteinconglomerat, in dem Rapilli oder
Bruchstücke von Bimsstein eingeschlosen sind. Letztere Formation
hat Aehnlichkeit mit dem Tuff von Pausilipp und mit den
Puzzolanschichten, die ich im Thal von Quito, am Fuße des
Vulkans Pichincha, gefunden habe. Der Mandelstein hat
langgezogene Poren, wie die obern Lavaschichten des Vesuv. Es
scheint dieß darauf hinzudeuten, daß eine elastische Flüssigkeit
durch die geschmolzene Materie durchgegangen ist. Trotz diesen
Uebereinstimmungen muß ich noch einmal bemerken, daß ich in der
ganzen unteren Region des Pics von Tenerifa auf der Seite gegen
Orotava keinen Lavastrom, überhaupt keinen vulkanischen Ausbruch
gesehen habe, der scharf begrenzt wäre. Regengüsse und
Ueberschwemmungen wandeln die Erdoberfläche um, und wenn
zahlreiche Lavaströme sich vereinigen und über eine Ebene
ergießen, wie ich es am Vesuv im Atrio dei Cavalli
Villa de Orotava macht schon von weitem einen guten Eindruck
durch die Fülle der Gewässer, die auf den Ort zueilen und durch
die Hauptstraßen fließen. Die Quelle Aqua mansa, in zwei
große Becken gefaßt, treibt mehrere Mühlen und wird dann in die
Weingärten des anliegenden Geländes geleitet. Das Klima in der
Villa ist noch kühler als am Hafen, da dort von morgens
zehn Uhr ein starker Wind weht. Das Wasser, das sich bei höherer
Temperatur in der Luft aufgelöst hat, schlägt sich häufig
nieder, und dadurch wird das Klima sehr nebligt. Die Villa liegt
etwa 160 Toisen (312 Meter) über dem Meer, also zweihundert
Toisen niedriger als Laguna; man bemerkt auch, daß dieselben
Pflanzen an letzterem Orte einen Monat später blühen.
Orotava, das alte Taoro der Guanchen, liegt am steilen Abhang
eines Hügels; die Straßen schienen uns öde, die Häuser, solid
gebaut, aber trübselig anzusehen, gehören fast durch einem Adel,
der für sehr stolz gilt und sich selbst anspruchsvoll als
dozo casas bezeichnet. Wir kamen an einer sehr hohen, mit
einer Menge schöner Farn bewachsenen Wasserleitung vorüber. Wir
besuchten mehrere Gärten, in denen die Obstbäume des nördlichen
Europas neben Orangen, Granatbäumen und Dattelpalmen stehen. Man
versicherte uns, letztere tragen hier so wenig Früchte als in
Terra Firma an der Küste von Cumana. Obgleich wir den
Drachenbaum in Herrn Franquis Garten aus Reiseberichten kannten,
so setzte uns seine ungeheure Dicke dennoch in Erstaunen. Man
behauptet, der Stamm dieses Baumes, der in mehreren
sehr alten Urkunden erwähnt wird, weil er als Grenzmarke eines
Unter den organischen Bildungen ist dieser Baum, neben der
Adansonie oder Baobab in Senegal, ohne Zweifel einer der
ältesten Bewohner unseres Erdballs. Die Baobabs werden indessen
noch dickder als der Drachenbaum von Villa d´Orotava. Man kennt
welche, die an der Wurzel 34 Fuß Durchmesser haben, wobei sie
nicht höher sind als 50 bis 60 Fuß»eminentia altitudinis non quadrat magnitudini.«
Cadam. navig. c. 42. Am Senegeal und bei Praya auf den Cap
Verdischen Inseln haben Adanson und Staunton Adansonien gesehen,
deren Stamm 56 bis 60 Fuß im Umfang hatte. Den Baobab mit 34 Fuß
Durchmesser hat Golberry im Thal der zwei Gagnack gesehen.(Platanus
occidentalis), die Michaux zu Marietta am Ufer des Ohio
gemessen hat und die 20 Fuß über dem Boden noch 15 7/10 Fuß im
Durchmesser hatten. Die Taxus, die Kastanien, die Eichen, die
Platanen, die kahlen Cypressen, die Bombax, die Mimosen, die
Cäsalpinen, die Hymenäen und die Drachenbäume sind, wie mir
scheint, die Gewächse, bei denen in verschiedenen Klimaten Fälle
von so außerordentlichem Wachsthum vorkommen. Eine Eiche, die
zugelcih mit gallischen Helmen im Jahr 1809 in den Torfgruben im
Departement der Somme beim Dorf Aseux, sieben Lieues von
Abbéville, gefunden wurde, gibt dem Drachenbaum von Orotava in
der Dicke nichts nach. Nach Angabe von Traullée hatt der Stamm
der Eiche 14 Fuß Durchmesser.Aristoteles
de longit. vitae. cap. 6.], die eine unerschöpfliche Quelle
von Bewegung und Leben ist.
Der Drachenbaum, der nur in den angebauten Strichen der
Canarien, auf Madera und Porto Santo vorkommt, ist eine
merkwürdige Erscheinung in Beziehung auf die Wanderung der
Gewächse. Auf dem Kontinent und AfrikaDracaena borealis d'Aitons
ist eine Convallaria, deren Habitus sie auch hat. Der im
Handel unter dem Namen Drachenblut bekannte adstringierende Saft
kommt nach unseren Untersuchungen an Ort und Stelle von
verschiedenen amerikanischen Pflanzen, die nicht derselben
Gattung angehören, unter denen sich einige Lianen befinden. In
Laguna verfertigt man in Nonnenklöstern Zahnstocher, die mit dem
Saft des Drachenbaumes gefärbt sind, und die man uns sehr
anpries, weil sie das Zahnfleische conserviren sollten.
Von Villa da Orotava gelangten wir auf einem schmalen steinigen
Pfad durch einen schönen Kastanienwald (el Monte de
Castaños) in eine Gegend, die mit einigen Lorbeerarten und
der baumartigen Heide bewachsen ist. Der Stamm der letzteren
wird hier ausnehmend dick, und die Blüthen, mit denen der
Strauch einen großen Teil des Jahres bedeckt ist, stechen
angenehm ab von den Blüthen des Hypericum canariense, das
in dieser Höhe sehr häufig vorkommt. Wir machten unter einer
schönen Tanne halt, um uns mit Wasser zu versehen. Dieser Platz
ist im Lande unter dem Namen Pino del Dornajito bekannt;
seine Meereshöhe beträgt nach Borda´s barometrischer Messung 522
Toisen [1017 m]. Man hat da eine prachtvolle Aussicht auf das
Meer und die ganze Westseite der Insel. Beim Pino
del Dornajito, etwas rechts vom Weg sprudelt eine ziemlich
reiche Quelle; wir tauchten ein Thermometer hinein, es fiel auf
15°,4. Hundert Toisen davon ist eine andere eben so klare
Quelle. Nimmt man an, daß diese Gewässer ungefähr die mittlere
Wärme des Orts, wo sie zu Tage kommen, anzeigen, so findet man
als absolute Höhe des Platzes 520 Toisen, die mittlere
Temperatur der Küste zu 21° und unter dieser Zone eine Abnahme
der Wärme um einen Grad auf 93 Toisen angenommen. Man dürfte
sich nicht wundern, wenn diese Quelle etwas unter der mittleren
Lufttemperatur bliebe, weil sich sich wahrscheinlich weiter oben
am Pic bildet, und vielleicht sogar mit den kleinen
unterirdischen Gletschern zusammenhängt, von denen weiterhin die
Rede seyn wird. Die eben erwähnte Uebereinstimmung der
barometrischen und der thermometrischen Messung ist desto
auffallender,
Vom Pino del Dornajito bis zum Krater zieht sich der Weg bergan,
aber durch kein einziges Thal mehr; denn die kleinen Schluchten
(Barancos) verdienen diesen Namen nicht. Geologisch
betrachtet, ist die ganze Insel Teneriffa nichts als ein Berg,
dessen fast eiförmige Grundfläche sich gegen Nordost verlängert,
und der mehrere Systeme vulkanischer, zu verschiedenen Zeiten
gebildeter Gebirgsarten aufzuweisen hat. Was man im Lande für
besondere Vulkane ansieht, wie der Chahorra oder
Montaña Colorada und die Urca, das sind nur Hügel,
die sich an den Pic anlehnen und seine Pyramide maskiren. Der
große Vulkan, dessen Seitenausbrüche mächtige Vorgebirge
gebildet haben, liegt indessen nicht
Monte Verde genannt, folgt die
der Farn. Nirgends in der gemäßigten Zone habe ich
Pteris, Blechnum und Asplenium in solcher
Menge gesehen; indessen hat keines dieser Gewächse den Wuchs der
Baumfarn, die in Südamerika, in fünf, sechshundert Toisen Höhe,
ein Hauptschmuck der Wälder sind. Die Wurzel der Pteris
aquilina dient den Bewohnern von Palma und Gomera zur
Nahrung; sie zerreiben sie zu Pulver und mischen ein wenig
Gerstenmehl darunter. Dieses Gemisch wird geröstet und heißt
Gofio; ein so rohes Nahrungsmittel ist ein Beweis dafür,
wie elend das niedere Volk auf den Canarien lebt.
Der Monte Verde wird von mehreren kleinen, sehr dürren
Schluchten (cañadas) durchzogen. Ueber der Region der Farn
kommt man durch ein Gehölz von Wachholderbäumen (cedro)
und Tannen, das durch die Stürme sehr gelitten hat. An diesen
Ort, den einige Reisende la Caravela nenne, will Edens
[Die Reise wurde im August 1715 gemacht. Carabela heißt ein
Fahrzeug mit lateinischen Segeln. Die Tannen vom Pic dienten
früher als Mastholz und die königliche Marine ließ im Monte
Verde schlagen.] kleine Flammen gesehen haben, die er nach den
physikalischen Begriffen seiner Zeit schwefligten Ausdünstungen
zuschreibt, die sich von selbst entzünden. Es ging immer
aufwärts bis zum Felsen Gayta oder Portillo;
hinter diesem Engpaß, zwischen zwei Basalthügeln, betritt man
die große
los
Llanos del Retama). Bei Laperouses Expedition hatte Manneron
den Pic bis zu dieser etwa 1400 Toisen über dem Meere gelegenen
Ebene gemessen, er hatte aber wegen Wassermangels und des üblen
Willens der Führer die Messung nicht bis zum Gipfel des Vulkans
fortsetzen können. Das Ergebniß dieser zu zwei Drittheilen
vollendeten Operation ist leider nicht nach Europa gelangt, und
so ist das Geschäft von der Küste an noch einmal vorzunehmen.
Wir brauchten gegen zwei und eine halbe Stunde, um über die
Ebene des Ginsters zu kommen, die nichts ist als ein ungeheures
Sandmeer. Trotz der hohen Lage zeigte hier der hunderttheilige
Thermometer gegen Sonnenuntergang 13°,8, das heißt 3°,7 mehr als
mitten am Tage auf dem Monte Verde. Dieser höhere Wärmegrad kann
nur von der Strahlung des Bodnes und von der weiten Ausdehnung
der Hochebene herrühren. Wir litten sehr vom erstickenden
Bimsstaub, in den wir fortwährend gehüllt waren. Mitten in der
Ebene stehen Büsche von Retama, dem Spartium
nubigenum d´Aitons. Dieser schöne Strauch, den de Martinière
[Einer der Botaniker, die auf Laperouses Seereise umkamen.] in
Languedoc, wo Feuermaterial selten ist, einzuführen räth, wird
neun Fuß hoch, er ist mit wohlriechenden Blüthen bedeckt, und
die Ziegenjäger, denen wir unterwegs begegneten, hatten ihre
Strohhüte damit geschmückt. Die dunkelbraunen Ziegen des Pics
gelten für Leckerbissen; sie nähren sich von den Blättern des
Spartium und sind in diesen Einöden seit unvordenklicher Zeit
verwildert. Man hat sie sogar nach Madera verpflanzt, wo sie
geschätzter sind, als die Ziegen aus Europa.
Bis zum Felsen Gayta, das heißt bis zum Anfang der großen Ebene des Ginsters ist der Pic von Teneriffa mit schönem Pflanzenwuchs überzogen, und nichts weist auf Verwüstungen in neuerer Zeit hin. Man meint einen Vulkan zu besteigen, dessen Feuer so lange erloschen ist, wie das des Monte Cavo bei Rom. Kaum hat man die mit Bimsstein bedeckte Ebene betreten, so nimmt die Landschaft einen ganz anderen Charakter an; bei jedem Schritt stößt man auf ungeheure Obsidianblöcke, die der Vulkan ausgeworfen. Alles ringsum ist öd und still; ein paar Ziegen und Kaninchen sind die einzigen Bewohner dieser Hochebene. Das unfruchtbare Stück des Pics mißt über zehn Quadratmeilen, und da die unteren Regionen, von ferne gesehen, in Verkürzung erscheinen, so stellt sich die ganze Insel als ein ungeheurer Haufen verbrannten Gesteins dar, um den sich die Vegetation nur wie ein schmaler Gürtel zieht.
Ueber der Region des Spartium nubigenum kamen wir durch
enge Schründe und kleine, sehr alte, vom Regenwasser ausgespülte
Schluchten zuerst auf ein höheres Plateau und dann an den Ort,
wo wir die Nacht zubringen sollten. Dieser Platz, der mehr als
1530 Toisen [2982 m] über der Küste liegt, heißt Estancia
de los InglesesStancha; es ist Bordas Station des rochers, wie
aus den daselbst beobachteten Barometerhöhen hervorgeht. Diese
Höhen waren nach Cordier im Jahr 1803 19 Zoll 9,5 Linien, und
nach Borda und Varela im Jahr 1776 19 Zoll 9,8 Linien, während
er Barometer zu Orotava bis auf eine Linie ebenso hoch stand.
Gegen drei Uhr morgens brachen wir beim trüben Schein einiger
Kienfackeln nach der Spitze des Piton auf. Man beginnt die
Besteigung an der Nordostseite, wo der Abhang
Alta
Vista heißt. Hier halten sich auch die Neveros auf,
das heißt die Eingeborenen, die gewerbsmäßig Eis und Schnee
suchen und in den benachbarten Städten verkaufen. Ihre
Maulthiere, die das Klettern mehr gewöhnt sind, als die, welche
man den Reisenden gibt, gehen bis zur Alta Vista und die Neveros
müssen den Schnee dahin auf dem Rücken tragen. Ueber diesem
Punkte beginnt das Malpays, wie man in Mexiko, in Peru
und überall, wo es Vulkane gibt, einen von Dammerde entblößten
und mit Lavabruchstücken bedeckten Landstrich nennt.
Wir bogen rechts von Wege am, um die Eishöhle zu besehen,
die in 1728 Toisen [3367 m] Höhe liegt, also unter der Grenze
des ewigen Schnees in dieser Breite. Wahrscheinlich rührt die
Kälte, die in dieser Höhle herrscht, von denselben Ursachen her,
aus denen sich das Eis in den Gebirgsspalten des Jura und der
Pyrenäen erhält, und über welche die Ansichten der Physiker noch
ziemlich auseinander gehen
Bei der Eishöhe (Cueva del Hielo) stellten bei Laperouses
Seereise Lamanon und Mongès ihren Versuch über die Temperatur
des siedenden Wassers an. Sie fanden dieselbe 88°,7, während der
Barometer auf 19 Zoll 1 Linie stand. Im Königreich Neugranada,
bei der Capelle Guadeloupe in der Nähe von Santa Fe de Bogota,
sah ich das Wasser bei 89°,9 unter einem Luftdruck von 19 Zoll
1,9 Linien sieden. Zu Tambores, in der Provinz Popayan, fand
Caldas 89°,5 für die Temperatur des siedenden Wassers bei einen
Barometerstand von 18 Zoll 11,6 Linien. Nach diesen Ergebnissen
könnte man vermuthen, daß bei Lamanons Versuch
Der Tag brach an, als wir die Eishöhle verließen. Da beobachteten wir in der Dämmerung eine Erscheinung, die auf hohen Bergen häufig ist, die aber bei der Lage des Vulkanes, auf dem wir uns befanden, besonders auffallend hervortrat. Eine weiße flockige Wolkenschicht entzog das Meer und die niedrigeren Regionen der Insel unseren Blicken. Die Schicht schien nicht über 800 Toisen [1560 m] hoch; die Wolken waren so gleichmäßig verbreitet und lagen so genau in Einer Fläche, daß sie sich ganz wie eine ungeheure mit Schnee bedeckte Ebene darstellten. Die colossale Pyramide des Piks, die vulkanischen Gipfel von Lanzerota, Forteventura und Palma ragten wie Klippen aus dem weiten Dunstmeer empor. Ihre dunkle Färbung stach grell vom Weiß der Wolken ab.
Während wir auf den zertrümmerten Laven des Malpays
emporklommen, wobei wir oft die Hände zu Hülfe nehmen mußten,
beobachteten wir eine merkwürdige optische Erscheinung. Wir
glaubten gegen Ost kleine Raketen in die Luft steigen zu sehen.
Leuchtende Punkte, 7 – 8 Grad über dem Horizont,
schienen sich zuerst senkrecht aufwärts zu bewegen, aber
allmählich ging die Bewegung in eine waagrechte Oszillation
über, die acht Minuten anhielt. Unsere Reisegefährten, sogar die
Führer äußerten ihre Verwunderung über die Erscheinung, ohne daß
wir sie darauf aufmerksam zu machen brauchten. Auf den ersten
Blick glaubten wir, diese sich hin und her bewegenden
Lichtpunkte seyen die Vorläufer eines neuen Ausbruchs des großen
Vulkanes von Lanzerota. Wir erinnerten uns, daß Bouquer und La
Condamine bei der Besteigung des Vulkans Pichincha den Ausbruch
des Cotopaxi mit angesehen
Ich wünschte in so bedeutender Höhe wie die, welche wir am Pic
von Teneriffa erreicht hatten, den Moment des Sonnenaufganges
genau zu beobachten. Kein mit Instrumenten versehener Reisender
hatte noch eine solche Beobachtung angestellt. Ich hatte ein
Fernrohr und ein Chronometer, dessen Gang mir sehr genau bekannt
war. Der Himmelsstrich, wo die Sonnenscheibe erscheinen sollte,
war dunstfrei. Wir sahen den obersten Rand um 4 Uhr 48' 55"
wahrer Zeit, und, was ziemlich auffallend ist, der erste
Lichtpunkt der Scheibe berührte unmittelbar die Grenze des
Horizonts; wir sahen demnach den wahren Horizont, das heißt
einen Strich Meers auf mehr als 43 Meilen Entfernung. Die
Rechnung ergibt, daß unter dieser Breite in der Ebene die Sonne
um 5 Uhr 1 Minute 50 Secunden, oder 11 Minuten 51,3 Secunden
später als auf dem Pic hätte anfangen sonnen aufzugehen. Der
beobachete Unterschied betrug 12 Minuten 55 Secunden, und dieß
kommt ohne Zweifel von der Ungewißheit hinsichtlich der
Refractionsverhältnisse für einen Abstand vom Zenith, wofür
keine Beobachtungen vorliegen
Wir wunderten uns, wie ungemein langsam der untere Rand der Sonne sich vom Horizont zu lösen schien. Dieser Rand wurde erst um 4 Uhr 56 Min. 56 Sec. sichtbar. Die stark abgeplattete Sonnenscheibe war scharf begrenzt; es zeigte sich während des Aufgangs weder ein doppeltes Bild noch eine Verlängerung des untern Randes. Der Sonnenaufgang dauerte dreimal länger, als wir in dieser Breite hätten erwarten sollen, und so ist anzunehmen, daß eine sehr gleichförmig verbreitete Dunstschicht den wahren Horizont verdeckte und der aufsteigenden Sonne nachrückte. Trotz des Schwankens der Sterne, das wir vorhin im Osten beobachtet, kann man die Langsamkeit des Sonnenaufgangs nicht wohl einer ungewöhnlich starken Brechung der vom Meereshorizont zu uns gelangenden Strahlen zuschrieben; denn, wie le Gentil es täglich in Pondichery und ich öffers in Cumana beobachet haben, erniedrigt sich der Horizont gerade bei Sonnenaufgang, weil die Temperatur der Luftschicht unmittelbar auf der Meeresfläche sich erhöht.
Der Weg, den wir uns durch das Malpays bahnen mußten, ist
äußerst ermüdend. Der Abhang ist steil und die Lavablöcke wichen
unter unseren Füßen. Ich kann dieses Stück des Weges nur mit den
Moränen der Alpen vergleichen, jenen Haufen von
Rollsteinen, welche am untern Ende der Gletscher liegen; die
Lavatrümmer auf dem Pic
Nach dreistündigem Marsch erreichten wir das Ende des Malpays
bei einer kleinen Ebene, la Rambleta genannt; aus ihrem
Mittelpunkte steigt der Piton oder Zuckerhut empor. Gegen
Orotava zu gleicht der Berg jenen Treppenpyramiden in Fejoum und
in Mexiko, denn die Plateaus der Retama und die Rambleta bilden
zwei Stockwerke, deren ersteres viermal höher ist als letzteres.
Nimmt man die ganze Höhe des Piks zu 1904 Toisen [3710 m] an,
so liegt die Rambleta 1820 Toisen [3546 m] über dem Meere.
Hier befinden sich die Luftlöcher, welche bei den Eingeborenen
Nasenlöcher des Piks (Narices des Pico) heißen.
Aus mehreren Spalten im Gestein dringen hier in Absätzen warme
Wasserdünste; wir sahen den Thermometer darin auf 43°,2 steigen;
Labillardière hatte acht Jahre vor uns diese Dämpfe 53°,7 heiß
gefunden, ein Unterschied, der vielleicht nicht sowohl auf eine
Abnahme der vulkanischen Thätigkeit als auf einen lokalen
Wechsel in der
Naslöcher des Pic
als die Mündungen eines ungeheuren Destillierapparates, dessen
Boden unter der Meeresfläche liegt, zu betrachten seyn sollen.
Seit man die Vulkane sorgfältiger beobachetet und der Hang zum
Wunderbaren sich in geologischen Büchern weniger bemerkbar
macht, fängt man an den unmittelbaren beständigen Zusammenhang
zwischen dem Meer und den Herden des vulkanischen Feuers mit
Recht stark in Zweifel zu ziehenIntroduzzione alle
Geologia erörtert. Der Cotopaxi und der Popocatepetl, die
ich im Jahr 1804 Rauch und Asche auswerfen sah, liegen weiter
vom großen Ocean und dem Meere der Antillen als Grenoble vom
Mittelmeer und Orleans vom atlantischen Meer. Man kann es
allerdings nicht als einen bloßen Zufall ansehen, daß man keinen
thätigen Vulkan entdeckt hat, der über 40 Seemeilen von der
Meeresküste läge; aber die Hypothese, nach der das Meerwasser
von den Vulkanen aufgesogen, destillirt und zersetzt würde,
scheint mit sehr zweifelhaft.
Wir hatten jetzt noch den steilsten Theil des Berges, der die Spitze bildet, den Piton, zu ersteigen. Der Abhang dieses kleinen, mit vulkanischer Asche und Bimssteinstücken bedeckten Kegels ist so schroff, daß es fast unmöglich wäre, auf den Gipfel zu gelangen, wenn man nicht einem alten Lavastrom nachginge, der aus dem Krater geflossen scheint und dessen Trümmer dem Zahn der Zeit getrotzt haben. Diese Trümmer bilden eine verschlackte Felswand, die sich mitten durch die lose Asche hinzieht. Wir erstiegen den Piton, indem wir uns an diesen Schlacken anklammerten, die scharfe Kanten haben und, halb verwittert, wie sie sind, uns nicht selten in der Hand blieben. Wir brauchten gegen eine halbe Stunde, um einen Hügel zu ersteigen, dessen senkrechte Höhe kaum 90 Toisen [175 m] beträgt. Der Vesuv, der dreimal niedriger ist als der Vulkan auf Teneriffa, läuft in einen fast dreimal höheren Aschenkegel aus, der aber nicht so steil und zugänglicher ist. Unter allen Vulkanen, die ich besucht, ist nur der Jorullo in Mexiko noch schwerer zu besteigen, weil der ganze Berg mit loser Asche bedeckt ist.
Wenn der Zuckerhut mit Schnee bedeckt ist, wie bei Eintritt des
Winters, so kann die Steilheit des Anhanges den Reisenden in die
größte Gefahr bringen. Le Gros zeigte uns die Stelle, wo Kapitän
Baudin auf seiner Reise nach Teneriffa beinahe ums Leben
gekommen wäre. Muthig hatte er gegen Ende Dezembers 1797 mit den
Naturforschern Advenier, Mauger und Riedlé die Besteigung des
Gipfels des Vulkans
Auf der Spitze des Piton angelangt, wunderten wir uns nicht
wenig, daß wir kaum Platz fanden, bequem niederzusitzen. Wir
standen vor einer kleinen kreisförmigen Mauer aus porphyrartiger
Lava mit Pechsteinbasis; diese Mauer hinterte uns, in den Krater
hinabzusehen. [La Caldera oder der Kessel des Pics. Der Name
erinnert an die Oules der Pyrenäen.] Der Wind blies so
heftig aus West, daß wir uns kaum auf den Beinen halten konnten.
Es war acht Uhr morgens und wir waren starr vor Kälte, obgleich
der Thermometer etwas über dem Gefrierpunkt stand. Seit lange
waren wir an eine sehr hohe Temperatur gewöhnt, und der trockene
Wind steigerte das Frostgefühl, weil er die kleine Schicht
warmer und feuchter Luft, welche sich durch die Hautausdünstung
um uns her bildete, fortwährend wegführte.
Der Krater des Pic hat, was den Rand betrifft, mit den Kratern
der meisten anderen Vulkane, die ich besucht, z. B. mit dem des
Vesuvs, des Jorullo und Pipincha, keine Aehnlichkeit. Bei diesen
behält der Piton seine Kegelgestalt bis zum Gipfel; der ganze
Abhang ist im selben Winkel geneigt und gleichförmig mit
einer Schicht sehr fein zertheilten Bimssteins bedeckt;
hat man die Spitze dieser drei Vulkane erreicht, so blickt man
frei bis auf den Boden des Schlunds.
Caldera gelangen ließe, wenn sich nicht gegen
Ost eine Lücke darin befände, die von einem sehr alten Lavaerguß
herzurühren scheint. Durch diese Lücke stiegen wir auf den Boden
des Trichters hinab, der elliptisch ist; die große Achse läuft
von Nordwest nach Südost, etwa Nord 35° Ost. Die
größte Breite der Öffnung schätzten wir auf 300 Fuß [97 m],
die kleinste auf 200 Fuß [65 m]. Diese Angaben stimmen
ziemlich mit den Messungen von Berguin, Verela und Borda; nach
diesen Reisenden messen die zwei Axen 40 und 30 Toisen.
[Cordier, der den Gipfel des Pics vier Jahre nach mir besucht
hat, schätzt die große Axe auf 65 Toisen. Lamanon gibt dafür
50 T. an, Odonnell aber gibt dem Krater 550 Baras (236 Toisen)
Umfang.]
Man sieht leicht ein, daß die Größe eines Kraters nicht allein
von der Höhe und der Masse des Berges abhängt, dessen
Hauptöffnung er bildet. Seine Weite steht sogar selten im
Verhältniß mit der Intensität des vulkanischen Feuers oder der
Thätigkeit des Vulkans. Beim Vesuv, der gegen den Pik von
Teneriffa nur ein Hügel ist, hat der Krater einen fünfmal
größeren Durchmesser. Bedenkt man, daß sehr hohe Vulkane aus
ihrem Gipfel weniger Stoffe auswerfen als aus Seitenspalten, so
könnte man versucht seyn anzunehmen, daß,
Die äußeren Ränder der Caldera sind beinahe senkrecht;
sie stellen sich ungefähr dar wie die Somma, vom Atrio dei
Cavalli aus gesehen. Wir stiegen auf den Boden des Kraters auf
einen Streif zerbrochener Laven, der zu der Lücke in der
Umfassungsmauer hinaufläuft. Hitze war nur über einigen Spalten
zu spüren, aus denen Wasserdampf mit einem eigenthümlichen
Sumsen strömte. Einige dieser Luftlöcher oder Spalten befinden
sich äußerhalb des Kraterumfanges, am äußeren Rand der Brüstung,
welche den Krater umgibt. Ein in dieselben gebrachter
Thermometer stieg rasch auf 68 und 75 Grad. Er zeigte ohne
Zweifel eine noch höhere Temperatur an; aber wir konnten das
Instrument erst ansehen,
Ich habe an Ort und Stelle die Ansicht des inneren Kraterrandes
gezeichnet, wie er sich darstellt, wenn man durch die gegen Ort
gelegene Lücke hinabsteigt. Nichts merkwürdiger als diese
Aufeinanderlagerung von Lavaschichten, die Krümmungen zeigen,
wie der Alpenkalkstein. Diese ungeheuren Bänke sind bald
wagrecht, bald geneigt und wellenförmig gewunden, und Alles
weist darauf hin, daß einst die ganze Masse flüssig war, und daß
mehrere störende Ursachen zusammenwirkten, um jedem Strom seine
bestimmte Richtung zu geben. An der obenumlaufenden Mauer sieht
man das seltsame Astwerk, wie man es an der entschwefelten
Steinkohle beobachtet. Der nördliche Rand ist der höchste; gegen
Südwest erniedrigt sich die Mauer bedeutend und am äußersten
Rand ist eine ungeheure verschlackte Lavamasse angebacken. Gegen
West ist das Gestein durchbrochen, und durch eine weite Spalte
sieht man den Meereshorizont. Vielleicht hat die
Das Innere des Trichters weist darauf hin, daß der Vulkan seit Jahrtausenden nur noch aus seinen Seiten Feuer gespieen hat. Diese Behauptung gründet sich nicht darauf, weil sich am Boden der Caldera keine großen Oeffnungen zeigen, wie man erwarten könnte. Die Physiker, die die Natur selbst beobachtet haben, wissen, daß viele Vulkane in der Zwischenzeit zweier Ausbrüche ausgefüllt und fast erloschen scheinen, daß sich dann aber im vulkanischen Schlund Schichten sehr rauher, klingender und glänzender Schlacken finden. Man bemerkt kleine Erhöhungen, Auftreibungen durch die elastischen Dämpfe, kleine Schlacken- und Aschenkegel, unter denen die Oeffnungen liegen. Der Krater des Pic von Teneriffa zeigt keiens dieser Merkmale; sein Boden ist nicht im Zustand geblieben, wie ein Ausbruch ihn zurückläßt. Durch den Zahn der Zeit und den Einfluß der Dämpfe sind die Wände abgebröckelt und haben das Becken mit großen Blöcken steinigter Lava bedeckt.
Man gelangt gefahrlos auf den Boden des Kraters. Bei einem
Vulkan, dessen Hauptthätigkeit dem Gipfel zu geht, wie beim
Vesuv, wechselt die Tiefe des Kraters vor und nach jedem
Ausbruch; auf dem Pic von Teneriffa dagegen scheint die Tiefe
seit langer Zeit sich gleichgeblieben zu seyn. Edens schätzte
sie im Jahre 1715 auf 115 Fuß [37 m], Cordier im J. 1803 auf
110 [35,5 m]. Nach dem Augenmaaß hätte ich
geglaubt, daß der Trichter nicht einmal so tief wäre. In seinem
jetzigen Zustand ist er eigentlich eine Solfatara; er ist ein
weites Feld für interessante Beobachtungen, aber imposant ist
sein Anblick nicht. Großartig wird der Punkt nur durch die Höhe
über
Die Besteigung des Vulkans von Teneriffa ist nicht nur dadurch anziehend, daß sie uns so reichen Stoff für wissenschaftliche Forschung liefert; sie ist es noch weit mehr dadurch, daß sie den, der Sinn hat für die Größe der Natur, eine Fülle malerischer Reize bietet. Solche Empfindungen zu schildern, ist eine schwere Aufgabe; sie regen uns desto tiefer auf, da sie etwas Unbestimmtes haben, wie es die Unermeßlichkeit des Raums und die Größe, Neuheit und Mannigfaltigkeit der uns umgebenden Gegenstände mit sich bringen. Wenn ein Reisender die hohen Berggipfel unseres Erdballs, die Cataracten der großen Ströme, die gewundenen Thäler der Anden zu beschreiben hat, so läuft er Gefahr den Leser durch den eintönigen Ausdruck seiner Bewunderung zu ermüden. Es scheint mir den Zwecken, die ich bei dieser Reisebeschreibung im Auge habe, angemessener, den eigenthümlichen Charakter zu schildern, der jeden Landstrich auszeichnet. Man lehrt die Physiognomie einer Landschaft deste besser kennen, je genauer man die einzelnen Züge auffaßt, sie unter einander vergleicht und so auf dem Wege der Analysis den Quellen der Genüsse nachgeht, die uns das große Naturgemälde bietet.
Die Reisenden wissen aus Erfahrung, daß man auf der Spitze hoher
Berge selten eine so schöne Aussicht hat und so mannigfaltige
malerische Effekte beobachtet als auf den Gipfeln von der Höhe
des Vesuvs, des Rigi, des Puy de Dome. Colossale Berge wie der
Chimborazo, der Antisana oder der Montblanc haben eine so große
Masse, daß man die mit reichem Pflanzenwuchs bedeckten Ebenen
nur in großer Entfernung
Wir lagerten uns am äußern Rande des Kraters und blickten zuerst
nach Nordwest, wo die Küsten mit Dörfern und Weilern geschmückt
sind. Vom Winde fortwährend hin und her getriebene Dunstmassen
zu unser Füßen boten uns das mannigfaltigste Schauspiel. Eine
ebene Wolkenschicht zwischen uns den tiefen Regionen der Insel,
dieselbe, von der oben die Rede war, war da und dort durch die
kleinen Luftströme durchbrochen, welche nachgerade die von der
Sonne erwärmte Erdoberfläche zu uns heraufsandte. Der Hafen von
Orotava, die darin ankernden Schiffe, die Gärten und Weinberge
um die Stadt wurden durch eine Oeffnung sichtbar, welche jeden
Augenblick größer zu werden schien. Aus diesen einsamen Regionen
blickten wir nieder in eine bewohnte Welt; wir ergötzten uns am
lebhaften Contrast zwischen den dürren
Viola
cheiranthifolia], das der Viola decumbens nahe
steht, geht am Abhang des Vulkans bis zu 1740 Toisen [3390 m]
Höhe, höher nicht allein als die andern krautartigen Gewächse,
sondern sogar höher als die Gräser, welche in den
Alpen und auf dem Rücken der Kordilleren unmittelbar an die
Gewächse aus der Familie der Kryptogamen stoßen. Mit Blüthen
bedechte Retamabüsche schmücken die kleinen, von den
Regenströmen eingerissenen und durch die Seitenausbrüche
verstopften Thäler; unter der Retama folgt die Region der Farn
und auf diese die der baumartigen Heiden. Wälder von Lorbeeren,
Rhamnus und Erdbeerbäumen liegen zwischen den Heidekräutern und
den mit Reben und Obstbäumen bepflanzten Geländen. Ein reicher
grüner Teppich breitet sich von der Ebene der Ginster und der
Zone der Alpenkräuter bis zu den Gruppen von Dattelpalmen und
Musen, deren Fuß das Weltmeer zu bespülen scheint. Ich deute
hier nur die Hauptzüge dieser Pflanzenkarte an; im Folgenden
gebe ich einiges Nähere über die Pflanzengeographie der Insel
Teneriffa.
Daß auf der Spitze des Pics die Dörfchen, Weinberge und Gärten
an der Küste einem so nahe gerückt scheinen, dazu trägt die
erstaunliche Durchsichtigkeit der Luft viel bei. Trotz der
bedeutenden Entfernung erkannten wir nicht nur die Häuser,
Umsonst verlängerten wir unseren Aufenthalt auf dem Gipfel des
Pics, des Moments harrend, wo wir den ganzen Archipel der
glückseligen InselnLa refraction de par
todo.« Wir haben schon oben bemerkt, daß die amerikanischen
Früchte, welche das Meer häufig an die Küsten von Ferro und
Gomera wirft, früher für Gewächse der Insel San Borondon
gehalten wurden. Dieses Land, das nach der Volkssage von einen
Erzbischof und sechs Bischöfen regiert wurde, und das, nach
Pater Feijoos Ansicht, das auf einer Nebelschicht projicirte
Bild der Insel Ferro ist, wurde im sechzehnten Jahrhundert vom
König von Portugal Ludwig Perdigon geschenkt, als dieser sich
zur Eroberung desselben rüstete.
Die Kälte, die wir auf dem Gipfel des Pics empfanden, war für
die Jahreszeit sehr bedeutend. Der hunderttheilige Thermometer
Anders verhält es sich mit dem Einflusse der Windrichtung und
der Geschwindigkeit des aufsteigenden Stroms; letzterer erhöht
nicht selten die Temperatur der höchsten Berge in erstaunlichem
Grade. Am Abhang des Antisana im Königreich Quito sah ich in
2837 Toisen Höhe den Thermometer auf 19° stehen; Labillardière
beobachtete am Kraterrand des Pic von Teneriffa 18°,7, wobei er
alle erdenkliche Vorsicht gebraucht hatte, um
Wir wurden auf dem Gipfel des Pics nicht müde, die Farbe des blauen Himmelsgewölbes zu bewundern. Ihre Intensität im Zenith schien uns gleich 41° des Cyanometers. Man weiß nach Saussures Versuchen, daß diese Intensität mit der Verdünnung der Luft zunimmt, und daß dasselbe Instrument zu selben Zeit bei der Priorei von Chamouni 39° und auf der Spitze des Montblanc 40° zeigte. Dieser Berg ist um 540 Toisen höher als der Vulkan von Teneriffa, und wenn trotz diesem Unterschied auf ersterem das Himmelsblau nicht so dunkel ist, so rührt dies wohl von der Trockenheit der afrikanischen Luft und der Nähe der heißen Zone her.
Wir fingen am Kraterrand Luft auf, um sie auf der Fahrt nach
Amerika chemisch zu zerlegen. Die Flasche war so gut
verschlossen, daß, als wir sie nach zehn Tagen öffneten, das
Wasser mit Gewalt hineindrang. Nach mehreren Versuchen mit
Salpetergas in der engen Röhre des Fontanaschen Eudiometers
enthielt die Luft im Krater neun Hunderttheile weniger
Sauerstoff als die Seeluft; ich gebe aber wenig auf dieses
Resultat, da die Methode jetzt für ziemlich unzuverlässig gilt.
Der Krater des Pics hat so wenig Tiefe und die Luft darin
erneuert sich so leicht, daß schwerlich mehr Stickstoff darin
ist als an der Küste. Wir wissen überdem aus Gay-Lussacs und
Theodor Saussures Versuchen, daß die Luft in den höchsten
Luftregionen wie in den tiefsten 0,21 Sauerstoff enthält.
Wir sahen auf dem Gipfel des Pics keine Spur von Psora, Lecidium
oder andern Crytogamen, kein Insekt flatterte in der Luft.
Indessen findet man hie und da ein hautflügligtes Insekt an den
Schwefelmassen angeklebt, die von schwefligter Säure feucht sind
und die Oeffnungen der Fumarolen auskleiden. Es sind Bienen, die
wahrscheinlich die Blüthen des Spartium nubigenum
aufgesucht hatten und vom Winde schief aufwärts in diese Höhe
getrieben worden waren, wie die Schmetterlinge, welche Ramond
auf dem Gipfel des Mont-Perdu gefunden. Die letzteren gehen
durch die Kälte zu Grunde, während die Bienen auf dem Pic
geröstet werden, wenn sie unvorsichtig den Spalten, an denen sie
sich wärmen wollen, zu nahe kommen.
Trotz dieser Wärme, die man am Rande des Kraters unter den Füßen spürt, ist der Aschenkegel im Winter mehrere Monate mit Schnee bedeckt. Wahrscheinlich bilden sich unter der Schneehaube große Höhlungen, ähnlich denen unter den Gletschern in der Schweiz, die beständig eine niedrigere Temperatur haben als der Boden, auf dem sie ruhen. Der heftige kalte Wind, der seit Sonnenaufgang blies, zwang uns, am Fuße des Piton Schutz zu suchen. Hände und Gesicht waren uns erstarrt, während unsere Stiefel auf dem Boden, auf den wir den Fuß setzten, verbrannten. In wenigen Minuten waren wir am Fuß des Zuckerhuts, den wir so mühsam erklommen, und diese Geschwindigkeit war zum Theil unwillkürlich, da man häufig in der Asche hinunterrutscht. Ungern schieden wir von dem einsamen Ort, wo sich die Natur in ihrer ganzen Großartigkeit vor uns aufthut; wir hofften die canarischen Inseln noch einmal besuchen zu können, aber aus dem Plan wurde nichts, wie aus so vielen, die wir damals entwarfen.
Wir gingen langsam durch das Malpays; auf losen Lavablöcken tritt man nicht sicher auf. Der Station bei den Felsen zu wird der Weg abwärts äußerst beschwerlich; der dichte kurze Rasen ist so glatt, daß man sich beständig nach hinten überbeugen muß, um nicht zu stürzen. Auf der sandigen Ebene der Retama zeigte der Thermometer 22°,5, und dieß schien uns nach dem Frost, der uns auf dem Gipfel geschüttelt, eine erstickende Hitze. Wir hatten gar kein Wasser; die Führer hatten nicht allein den kleinen Vorrath Malvasier, den wir der freundlichen Vorsage Cologans verdankten, heimlich getrunken, sondern sogar die Wassergefäße zerbrochen. Zum Glück war die Flasche mit der Kraterluft unversehrt geblieben.
In der schönen Region der Farn und der baumartigen Heiden genossen wir endlich einiger Kühlung. Eine dicke Wolkenschicht hüllte uns ein; sie hielt sich in 600 Toisen Höhe über der Niederung. Während wir durch diese Schicht kamen, hatten wir Gelegenheit, eine Erscheinung zu beobachten, die uns später am Abhang der Cordilleren öfters vorgekommen ist. Kleine Luftströme trieben Wolkenstreifen mit verschiedener Geschwindigkeit nach entgegengesetzten Richtungen. Dieß nahm sich aus, als ob in einer großen stehenden Wassermasse kleine Wasserströme sich rasch nach allen Seiten bewegten. Diese theilweise Bewegung der Wolken rührt wahrscheinlich von sehr verschiedenen Ursachen her, und man kann sich denken, daß der Anstoß dazu sehr weit her kommen mag. Man kann den Grund in den kleinen Unebenheiten des Bodens suchen, die mehr oder weniger Wärme strahlen, in einem auf irgend einem chemischen Proceß beruhenden Temperaturunterschied, oder endlich in einer starken elektrischen Ladung der Dunstbläschen.
In der Nähe der Stadt Orotava trafen wir große Schwärme von
Canarienvögeln [Fringilla Canaria. La Caille erzählt in
seiner Reisebeschreibung nach dem Cap, auf der Insel Salvage
fänden sich diese Vögel in so ungeheurer Menge, daß man in einer
gewissen Jahreszeit nicht umhergehen könne, ohne Eier zu
zertreten.] Diese in Europa so wohl bekannten Vögel waren
ziemlich gleichförmig grün, einige auf dem Rücken gelblich; ihr
Schlag glich dem der zahmen Canarienvögel, man bemerkt indessen,
daß die, welche auf der Insel Gran Canaria und auf dem kleinen
Eiland Monte Clara bei Lanzerota gefanden werden, einen
stärkeren und zugleich harmonischeren Schlag haben. In allen
Himmelsstrichen hat jeder Schwarm derselben Vogelart seine
eigene
Wir kamen, als der Tag sich neigte, im Hafen von Orotava an und
erhielten daselbst die unerwartete Nachricht, daß der Pizarro
erst in der Nach vom 24. zum 25. unter Segel gehen werde. Hätten
wir auf diesen Aufschub rechnen können, so wären wir entweder
länger auf dem Pic geblieben
Am Vorabend des Johannistages wohnten wir einem ländlichen Feste
in Herrn Littles Garten bei. Dieser Handelsmann, der den
Canarien bei der letzten Getreidetheuerung bedeutende Dienste
erwiesen, hat einen mit vulkanischen Trümmern
bedeckten Hügel angepflanzt und an diesem köstlichen Punkt einen
englischen Garten angelegt, wo man eine herrliche Aussicht auf
die Pyramide des Pics, auf die Dörfer an der Küste und die Insel
Palme hat, welche die weite Meeresfläche begrenzt. Ich kann
diese Aussicht nur mit der in den Golfen von Neapel und Genua
vergleichen, aber hinsichtlich der Großartigkeit der Massen und
der Fülle des Pflanzenwuchses steht Orotave über beiden. Bei
Einbruch der Nacht bot uns der Abhang des Vulkans auf einmal ein
eigenthümliches Schauspiel. Nach einem Brauch, den ohne Zweifel
die Spanier eingeführt hatten, obgleich er an sich uralt ist,
hatten die Hirten die Johannisfeuer angezündet. Die zerstreuten
Lichtmassen, die vom Winde gejagten Rauchsäulen hoben sich an
den Seiten des Pics vom Dunkelgrün der
Die Familie Cologan besitzt ein Landhaus näher an der Küste als
das eben beschriebene. Der Name, den ihm der Eigenthümer
gegeben, bezeichnet den Eindruck, den dieser Landsitz macht.
Das Haus la Paz hatte zudem noch besonderes Interesse für
uns. Borda, dessen Tod wir bedauerten, hatte hier bei seiner
letzten Reise nach den Canarien gewohnt. Auf einer kleinen Ebene
in der Nähe hat er die Standlinie zur Messung der Höhe des Pics
abgesteckt. Bei dieser trigonometrischen Messung diente der
große Drachenbaum von Orotava als Signal. Wollte einmal ein
unterrichteter Reisender eine genauere Messung des Vulkans
mittelst astronomischer Repetitionskreise vornehmen, so müßte er
die Standlinie nicht bei Orotava, sondern bei los Silos,
an einem Orte, Bante genannt, messen; nach Broussonet
ist keine Ebene in der Nähe des Pics so groß wie diese. Wir
botanisirten bei la Paz und fanden in Menge das Lichen
roccella auf basaltischem, von der See bespülten Gestein.
Die Orseille der Canarien ist ein sehr alter Handelsartikel; man
bezieht aber das Moos weniger von Teneriffa als von den
unbewohnten Inseln Salvage, Graciosa, Alagranza, sogar von
Canaria und Hierro.
Am 24. Juni Morgens verließen wir den Hafen von Orotava; in
Laguna speisten wir beim französischen Consul. Er hatte die
Gefälligkeit, die Besorgung der geologischen Sammlungen zu
übernehmen, die wir dem Naturaliencabinett des Königs von
Spanien übermachten. Als wir vor der Stadt auf die Rhede
hinausblickten, sahen wir zu unserem Schreck
Ehe wir den Archipel der Canarien verlassen, werfen wir einen Blick auf die Geschichte des Landes.
Vergeblich sehen wir uns im Periplus des Hanno und dem des
Scylax nach den ersten schriftlichen Urkunden über die Ausbrüche
des Pics von Teneriffa um. Diese Seefahrer hielten sich
ängstlich an die Küsten, sie liefen jeden Abend in eine Bay und
ankerten, uns so konnten sie nichts von einem Vulkan wissen, der
56 Meilen vom Festland von Afrika liegt. Hanno berichtet
indessen von leuchtenden Strömen, die sich in das Meer zu
ergießen schienen; jede Nacht haben sich auf der Küste viele
Feuer gezeigt, und der große Berg, der Götterwagen
genannt, habe Feuergarben ausgeworfen, die bis zu den Wolken
aufgestiegen. Aber dieser Berg, nordwärts von der Insel der
Gorillas,
Obgleich in den Reisetagebüchern des Hanno und des Scylax, so
weit sie uns erhalten sind, keine Stelle vorkommt, die sich mit
einigen Schein von Recht auf die canarischen Inseln beziehen
ließe, ist es doch sehr wahrscheinlich, daß die Carthager und
auch die Phönicier den Pic von Teneriffa gekannt haben. [Einer
der angesehensten deutschen Gelehrten, Heeren, hält die
glückseligen Inseln Diodors von Sicilien für Madera und Porto
Santo.] Zu Platos und Aristoteles Zeit waren dunkle Gerüchte
davon zu den Griechen gedrungen, nach deren Vorstellung die
ganze Küste von Afrika jenseits der Säulen des Hercules von
vulkanischem Feuer verheert war.Aristoteles, Mirab.
Auscultat. Solinus sagt vom Atlas: vertex semper nivalis
lucet nocturnis ignibus; aber dieser Atlas ist gleich dem
Berge Meru der Hindus ein aus richtigen Begriffen und mythischen
Fictionen zusammengesetztes Ding, und lag nicht auf einer der
hesperischen Inseln, wie Abbé Viera und nach ihm verschiedene
Reisende annehmen, die den Pic von Teneriffa beschreiben. Die
folgenden Stellen lassen keinen Zweifel hierüber: Herodot IV, 184.
Strabo XVII. Mela III, 10. Plinius V, 1.
Solinus I, 24,
sogar Diodor von Sicilien III.Dorado
bei den ersten Eroberern Amerikas. Man versetzte das Glück an
das Ende der Welt, wie man den lebhaftesten Geistesgenuß in
einer idealen Welt jenseits der Grenzen der Wirklichkeit sucht.
Es ist nicht zu verwundern, daß vor Aristoteles die griechischen Geographen keine genaue Kenntniß von den canarischen Inseln und ihren Vulkanen hatten. Das einzige Volk, das weit nach West und Nord die See befuhr, die Carthager, fanden ihren Vortheil dabei, wenn sie diese entlegenen Landstriche in den Schleier des Geheimnisses hüllten. Der carthagische Senat duldete keine Auswanderung Einzelner und ersah diese Inseln als Zufluchtsort in Zeiten der Unruhe und politischen Unfälle; so sollten für die Carthager seyn, was der freie Boden von Amerika für die Europäer bei ihren bürgerlichen und religiösen Zwistigkeiten geworden ist.
Die Römer wurden erst achtzig Jahre vor Octavians Regierung
näher mit den canarischen Inseln bekannt. Ein bloßer Privatmann
wollte den Gedanken verwirklichen, den der carthagische Senat
mit weiser Vorsicht gefaßt. Nach seiner Niederlage durch Sylla
sucht Sertorius, müde des Waffenlärms, eine sichere, ruhige
Zufluchtsstätte. Er wählt die glückseligen Inseln, von denen man
ihm an den Küsten von Bätika eine reizende Schilderung entwirft.
Er sammelt sorgfältig, was ihm von Reisenden an Nachrichten
zukommt; aber in den wenigen Stücken dieser Nachrichten, die auf
uns gekommen sind, und in den umständlicheren Beschreibungen des
Sebosus und des Juba ist niemals von Vulkanen und vulkanischen
Nivaria, der einer der
glückseligen Inseln beigelegt wird. Man könnte darnach annehmen,
daß der Vulkan damals kein Feuer gespien habe, wenn sich aus dem
Stillschweigen von Schriftstellern etwas schließen ließe, von
denen wir nichts besitzen als Bruchstücke und trockene
Namenverzeichnisse. Umsonst sucht der Physiker in der Geschichte
Urkunden über die ältesten Ausbrüche des Pics; er findet
nirgends welche außer in der Sprache der Guanchen, in der das
Wort »Echeyde«Aya-dyrma, in welchem
Wort Horn (de Origin. Americ. p. 155 und 185) den alten
Namen des Atlas findet, der nach Strabo, Plinius und Solinus
Dyris war. Diese Ableitung ist höchst zweifelhaft; lagt
man auf die Vokale mehr Werth, als sie bei den orientalischen
Völkern haben, so findet man Dyris fast ganz in
Daran, wie die arabischen Geographen den östlichen Theil
des Atlasgebirges nennen.
Die älteste schriftliche Nachricht von der Thätigkeit des
Vulkans, die ich habe auffinden können, kommt aus dem Anfang des
sechzehnten Jahrhunderts. Sie findet sich in der
ReisebeschreibungNon silendum puto de insula Teneriffa quae
et eximie colitur et inter orbis insulas est eminentior. Nam
coelo sereno eminus conspicitur, adeo ut qui absunt ab ea ad
leucas hispanas sexaginta vel septuaginta, non difficulter eam
intueantur. Quod cernatur a longe id efficit acuminatus lapis
adamantinus, instar pyramidis, in medio. Qui metiti sunt lapidem
ajunt altitudine leucarum quindecim mensuram excedere ab imo ad
summum verticem. Is lapis jugiter flagrat, instar Aetnae montis;
id affirmant nostri Christiani qui capti aliquando haec
animadvertere. Al. Cadamusti Navigatio ad terras
incognitas c. 8.
Ich habe zu Orotava die Frage besprechen hören, ob anzunehmen sey, daß der Krater des Pics im Lauf der Jahrhunderte wieder in Thätigkeit treten werde. In einer so zweifelhaften Sache kann man sich nur an die Analogie halten. Nun war nach Braccinis Bericht im Jahr 1611 der Krater des Vesuvs im Innern mit Gebüsch bewachsen. Alles verkündete die tiefste Ruhe, und dennoch warf derselbe Schlund, der sich in ein schattiges Thal verwandeln zu wollen schien, zwanzig Jahre später Feuersäulen und ungeheure Massen Asche aus. Der Vesuv wurde im Jahr 1631 wieder so thätig, als er im Jahr 1500 gewesen war. So könnte möglicherweise auch der Krater des Pics sich eines Tags wieder umwandeln. Er ist jetzt eine Solfatare, ähnlich der friedlichen Solfatare von Puzzuoli; aber sie ist auf der Spitze eines noch thätigen Vulkans gelegen.
Die Ausbrüche des Pics waren seit zweihundert Jahren sehr
selten, und solche lange Pausen scheinen charakteristisch für
sehr hohe Vulkane. Der kleinste von allen, der Stromboli, ist
fast in beständiger Thätigkeit. Beim Vesuv sind die
Ich habe anderwo ausgeführt, daß der genze gebirgigte Theil des Königreichs Quito anzusehen ist als ein ungeheurer Vulkan von 700 Quadratmeilen Oberfläche, der aus verschiedenen Kegeln mit eigenen Namen, Cotopaxi, Tungurahua, Pichincha, Feuer speit. Ebenso ruht die ganze Gruppe der canarischen Inseln gleichsam auf Einem untermeerischen Vulkan. Das Feuer brach sich bald durch diese, bald durch jene der Inseln Bahn. Nur Teneriffa trägt in seiner Mitte eine ungeheure Pyramide mit einem Krater auf der Spitze, die in jahrhundertlangen Perioden aus ihren Seiten Lavaströme ergießt. Auf den andern Inseln haben die verschiedenen Ausbrüche an verschiedenen Stellen stattgefunden, und man findet dort keinen vereinzelnten Berg, an den die vulkanische Thätigkeit gebunden wäre. Die von uralten Vulkanen gebildete Basaltrinde scheint dort aller Orten unterhöhlt, und die Lavaströme, die auf Lanzerota und Palma ausgebrochen sind, kommen geologisch durchaus mit dem Ausbruch überein, der im Jahr 1301 auf der Insel Ischia durch die Tuffe des Epomeo erfolgte.
Es folgt hier die Liste der Ausbrüche, deren Andenken
Jahr 1558. — Am 15. April. Zur selben Zeit wurde
Teneriffa zum erstenmal von der aus der Levante eingeschleppten
Pest verheert. Ein Vulkan öffnet sich auf der Insel Palma, nahe
einer Quelle im Partido de los Llanos. Ein Berg steigt
aus dem Boden; auf der Spitze bildet sich ein Krater, der einen
hundert Toisen breiten und über 2500 Toisen langen Lavastrom
ergießt. Die Lava stürzt sich ins Meer, und durch die Erhitzung
des Wassers gehen die Fische in weitem Umkreis zu Grunde.
[Dieselbe Erscheinung wiederholte sich 1811 bei den Azoren, als
der Vulkan Sabrina auf dem Meeresboden ausbrach. Das calcinirte
Skelett eines Haifisches wurde im erloschenen, mit Wasser
gefüllten Krater gefunden.]
Jahr 1646. — Am 13. November thut sich ein Schlund auf
der Insel Palma bei Tigalate auf; zwei andere bilden sich am
Meeresufer. Die Laven, die sich aus diesen Spalten ergießen,
machen die berühmte Quelle Foncaliente oder Fuente Santa
versiegen, deren Mineralwasser Kranke sogar aus Europa
herbeizog. Nach einer Volkssage wurde dem Ausbruch durch ein
seltsames Mittel Einhalt geboten. Das Bild unserer lieben Frau
zum Schnee wurde aus Santa Cruz an den Schlund des Vulkans
gebracht, und alsbald fiel eine so ungeheure Masse Schnee, daß
das Feuer dadurch erlosch. In den Anden von Quito wollen die
Indianer die Bemerkung gemacht haben, daß die Thätigkeit der
Vulkane durch vieles einsickerndes Schneewasser gesteigert wird.
Jahr 1677. — Dritter Ausbruch auf der Insel Palma. Der
Berg las Cabras wirft aus einer Menge kleienr Oeffnungen, die
sich nacheinander bilden, Schlacken und Asche aus.
Jahr 1704. — Am 31. December. Der Pic von Teneriffa macht
einen Seitenausbruch in der Ebene les Infantes, oberhalb Ocore,
im Bezirk Guimar. Furchtbare Erdbeben gingen dem Ausbruch voran.
Am 5. Januar 1705 thut sich ein zweiter Schlund in der Schlucht
Almerchiga, eine Meile von Icore auf. Die Lava ist so stark, daß
sie das ganze Thal Fasnia oder Areza ausfüllt. Dieser zweite
Schlund hört am 13. Januar zu speien auf. Ein dritter bildet
sich am 2. Februar in der Cañada de Araso. Die Lava in drei
Strömen bedroht das Dorf Guimar, wird aber im Thal Melosar durch
einen Felsgrat aufgehalten, der einen unübersteiglichen Damm
bildet. Während dieser Ausbrüche spürt die Stadt Orotava, die
nur einen schmaler Damm von den neuen Schlünden trennt, starke
Erdstöße.
Jahr 1706. — Am 5. Mai. Ein weiterer Seitenausbruch des
Pics von Teneriffa. Der Schlund bricht ab südlich vom Hafen von
Garachico, damls dem schönsten und besuchtesten der Insel. Die
volkreiche, wohlhabende Stadt hatte eine malerische Lage am Saum
eines Lorbeerwaldes. Zwei Lavaströme zerstören sie in wenigen
Stunden; kein Haus blieb stehen. Der Hafen, der schon im Jahr
1645 gelitten hatte, weil ein Hochwasser viel Erdreich
hineingeführt, wurde so ausgefüllt, daß die sich aufthürmenden
Laven in der Mitte seines Umfangs ein Vorgebirge bildeten.
Ueberall, rings um Garachico, wurde das Erdreich völlig
umgewandelt. Aus der Ebene stiegen Hügel auf, die Quellen
blieben aus, und Felsmassen wurden durch die häufigen Erdstöße
der Dammerde und des Pflanzenwuchses beraubt und blieben nackst
stehen. Nur die Fischer ließen nicht vom heimathlichen Boden.
Muthig, wie die Einwohner von Torre del Greco, erbauten
Jahr 1730. — Am 1. September. Eine der furchtbarsten
Catastrophen zerstört den Landungsplatz der Insel Lancerota. Ein
neuer Vulkan bildet sich bei Temenfaya. Die Lavaströme und die
Erdstöße, welche den Ausbruch begleiten, zerstören eine Menge
Dörfer, worunter die alten Flecken der Guanchen Tingafa,
Macintase und Guatisca. Die Stöße dauern bis 1736 fort, und die
Bewohner von Lancerota flüchten sich großen Theils auf die Insel
Fortanventra. Während dieses Ausbruchs, von dem schon im vorigen
Capitel die Rede war, sieht man eine dicke Rauchsäule aus der
See aufsteigen. Pyramidalische Felsen erheben sich über der
Meeresfläche, die Klippen werden immer größer und verschmelzen
allmählich mit der Insel selbst.
Jahr 1798. — Am 9. Juni. Seitenausbruch des Pics von
Teneriffa, am Abhang des Berges Charhorra oder Venge, [Der
Abhang des Berges Venge, auf dem Ausbruch stattfand, heißt
Chazajañe.] an einem völlig unbebauten Ort. Dieser Berg,
der sich an den Pic anlehnt, galt von jeher für eine erloschenen
Vulkan. Er besteht zwar aus festen Gebirgsarten, verhält sich
aber doch zum Pic wie der Monte Rosso, der im Jahr 1661
aufstieg, oder die boche nueve, die im Jahr 1794
aufbrachen, zum Aetna und zum Vesuv. Der Ausbruch des Chahorra
währte drei Monate und sechs Tage. Die Lava und die Schlacken
wurden aus vier Mündungen in Einer Reihe ausgeworfen. Die drei
bis vier Toisen hoch aufgethürmte Lava legte drei Fuß in der
Stunde zurück. Da dieser Ausbruch
Essai sur les îles fortunées. Ich
beschränke mich hier darauf, Einiges über die Höhe mitzutheilen,
zu der sehr ansehnliche Felstücke aus den Oeffnungen des
Chahorra emporgeschleudert wurden. Cologan zählte während des
Falls der Steine 12–15 Secunden, [Cologan bemerkt, der Fall
habe sogar über 15 Sekunden gedauert, weil er den Stein mit dem
Auge nicht verfolgen konnte, bis er auffiel.] das heißt er fing
im Moment zu zählen an, wo sie ihre höchste Höhe erreicht
hatten. Aus dieser interessanten Beobachtung geht hervor, daß
die Felstücke aus der Oeffnung über dreitausend Fuß hoch
geschleudert wurden.
Alle in dieser chronologischen Uebersicht verzeichneten
Ausbrüche gehören den drei Inseln Palma, Teneriffa und Lancerota
an. Wahrscheinlich sind vor dem sechzehnten Jahrhundert die
übrigen Inseln auch vom vulkanischen Feuer heimgesucht worden.
Nach mit mitgetheilten unbestimmten Notizen läge mitten auf der
Insel Ferro ein erloschener Vulkan und ein anderer auf der
Großen Canaria bei Arguineguin. Es wäre aber wichtig zu
erfahren, ob sich an der Kalkformation
Die rein seitliche vulkanische Thätigkeit des Pics von Teneriffa ist geologisch um so merkwürdiger, als sie dazu beiträgt, die Berge, die sich an den Hauptvulkan anlehnen, isolirt erscheinen zu lassen. Allerdings kommen auch beim Aetna und beim Vesuv die großen Lavaströme auch nicht aus dem Krater selbst, und die Masse geschmolzener Stoffe steht meist im umgekehrten Verhältniß mit der Höhe, in der sich die Spalte bildet, welche die Lava auswirft. Aber beim Vesuv und Aetna endet ein Seitenausbruch immer damit, daß der Krater, das heißt die eigentliche Spitze des Bergs, Feuer und Asche auswirft. Beim Pic von Teneriffa ist solches seit Jahrhunderten nicht vorgekommen. Auch beim letzten Ausbruch im Jahr 1798 blieb der Krater vollkommen unthätig. Sein Grund hat sich nicht gesenkt, während nach Leopolds von Buch scharfsinniger Bemerkung beim Vesuv die größere oder geringere Tiefe des Kraters fast ein untrügliches Zeichen ist, ob ein neuer Ausbruch bevorsteht oder nicht.
Werfen wir jetzt einen Blick darauf, wie einst geschmolzenen Felsmassen des Pics, wie die Basalte und Mandelsteine sich allmählich mit einer Pflanzendecke überzogen haben, wie die Gewächse an den steilen Abhängen des Vulkans vertheilt sind, welcher Charakter der Pflanzenwelt der canarischen Inseln zukommt.
Im nördlichen Theile des gemäßigten Erdstrichs bedecken
cryptogamische Gewächse zuerst die steinigte Erdrinde. Auf die
Flechten und Moose, deren Lauf sich unter dem Schnee entwickelt,
folgen grasartige und anderen phanerogame Pflanzen. Anders an
den Grenzen des heißen Erdstrichs und zwischen den
In seinem gegenwärtigen Zustand zeigt die Insel Teneriffa oder
das Chinerfe [Aus Chinerfe haben die Europäer
durch Corruption Tschineriffe, Teneriffa gemacht.]
der Guanchen fünf Pflanzenzonen, die man bezeichnen kann als
die Regionen der Weinreben, der Lorbeeren, der Fichten, der
Retama, der Gräser. Diese
Die erste Zone, die der Reben, erstreckt sich vom
Meeresufer bis in 2–300 Toisen Höhe; sie ist die am stärksten
bewohnte und die einzige, wo der Boden sorgfältig bebaut ist. In
dieser tiefen Lage, im Hafen von Orotava und überall, wo die
Winde freien Zutritt haben, hält sich der
Cheiranthus longifolius von Orotava z. B.
erfriert in Marseille, wie de Candolle beobachtet hat, während
der Cheiranthus mutabilis von Madera dort im Freien
überwintert. Die Sommerhitze dauert auf Madera nicht so lang als
auf Teneriffa.
In der Region der Reben kommen vor acht Arten baumartiger
Euphorbien, Mesembryanthemum-Arten, die vom Cap der guten
Hoffnung bis zum Peloponnes verbreitet sind, die Cacalia
Kleinia, der Drachenbaum, und andere Gewächse, die mit ihrem
nackten, gewundenen Stamm, mit den saftigen Blättern und der
blaugrünen Färbung den Typus der Vegetation Afrikas tragen. In
dieser Zone werden der Dattelbaum, der Bananenbaum, der
Zuckerrohr, der indische Feigenbaum, Arum colocasia,
dessen Wurzel dem gemeinen Volk ein nahrhaftes Mehl liefert, der
Oelbaum, die europäischen Obstarten, der Weinstock und die
Getreidearten gebaut. Das
Bei der Musterung der Sippen einheimischer Gewächse vermißt man
ungern die Bäume mit den zartgefiederten Blättern und die
baumartigen Gräser. Keine Art der zahlreichen Familie der
Sensitiven ist auf ihrer Wanderung zum Archipel der Canarien
vorgedrungen, während sie auf beiden Continenten bis zum 38. und
40. Breitegrad vorkommen. In Amerika ist die Schrankchia
uncinata Wildenows [Mimosa horridula, Michaux] bis
hinauf in die Wälder von Virginien verbreitet; in Afrika wächst
die Acacia gummifera auf den Hügeln bei Mogador, in
Asien, westwärts vom caspischen Meer, hat v. Biberstein die
Ebenen
Acacia
stephaniana bedeckt gesehen. Wenn man die Pflanzen von
Lancerota und Fortaventura, die der Küste von Marocco am
nächsten liegen, genauer untersuchte, könnten sich doch unter so
vielen Gewächsen der afrikanischen Flora leicht ein paar Mimosen
finden.
Die zweite Zone, die der Lorbeeren, begreift den
bewaldeten Strich von Teneriffa; es ist dieß auch die Region der
Quellen, die aus dem immer frischen, feuchten Rasen sprudeln.
Herrliche Wälder krönen die an den Vulkan sich lehnenden Hügel
Hier wachsen vier Lorbeerarten [Laurus indica, L. foetens,
L. nobilis und L. Til.. Zwischen diesen Bäumen
wachsen Aridisia excelsa, Rhamnus glandulosus,
Erica arborea,
Erica Texo.], eine der Quercus Turneri aus den
Bergen Tibets nahestehende Eiche, [Quercus Canariensis,
Broussonet.] die Visnea Mocanera, die Myrica
Faya der Azoren, ein einheimischer Olivenbaum (Olea
excelsa), der größte Baum in dieser Zone, zwei Arten
Sideroxylon mit ausnehmend schönem Laub, Arbutus
callycarpa und andere immergrüne Baume aus der Familie der
Myrten. Winden und ein vom europäischen sehr verschiedener Epheu
(Hedera canariensis) überziehen die Lorbeerstämme, und zu
ihren Füßen wuchern zahllose Farn, [Woodwardia radicans,
Asplenium palmatum, A. canariense, A. latifolium, Nothalaena
subcurdata, Trichomanes canariensis, T. speciosus und
Davallia canariensis.] von denen nur drei Arten [Zwei
Acrostichum und das Ophyoglossum lusitanicum.]
schon in der Regin der Reben vorkommen. Auf dem mit Moosen und
zartem Grad überzogenen Boden prangen überall die Blüthen der
Campanula aurea, des Chrysanthemum pinnatifidum,
der Mentha canariensis und mehrerer strauchartiger
Hypericum canariense,
H. floribundum und H. glandulosum.]. Pflanzungen
von wilden und geimpften Kastanien bilden einen weiten Gürtel um
das Gebiet der Quellen, welches das grünste und lieblichste von
allen ist.
Die dritte Zone beginnt in 900 Toisen absoluter Höhe, da
wo die letzten Gebüsche von Erdbeerbäumen, Myrica Faya
und des schönen Heidekrauts stehen, das bei den Eingeborenen
Texo heißt. Diese 400 Toisen breite Zone besteht ganz aus einem
mächtigen Fichtenwald, in dem auch Broussonets Juniperus
Cedro vorkommt. Die Fichten haben sehr lange, ziemlich
steife Blätter, deren zuweilen zwei, meist aber drei in einer
Scheide stecken. Da wir ihre Früchte nicht untersuchen konnten,
wissen wir nicht, ob diese Art, die im Wuchs der schottischen
Fichte gleicht, sich wirklich von den achtzehn Fichtenarten
unterscheidet, die wir bereits in der alten Welt kennen. Nach
der Ansicht eines berühmten Botanikers, dessen Reisen die
Pflanzengeographie Europas sehr gefördert haben, de Candolle,
unterscheidet sich die Fichte von Teneriffa sowohl von der
Pinus atlantica in den Bergen bei Mogador, als von der
Fichte von Aleppo,Pinus halepensis. Nach de Candolles
Bemerkung hieße diese Fichte, die in Portugal fehlt und am
Abhang von Frankreicht und Spanien gegen das Mittelmeer in
Italien, in Kleinasien und in der Barbarei vorkommt besser
Pinus mediterranea. Sie ist der herrschende Baum in den
Fichtenwäldern des südöstlichen Frankreichs, wo sie von Gonan
und Gerard mit der Pinus sylvestris verwechselt worden
ist.
Die vierte und fünfte Zone, die der Retama und der
Gräser, liegen so hoch wie die unzugänglichsten Gipfel der
Pyrenäen. Es ist dieß der öde Landstrich der Insel, wo Haufen
von Bimsstein, Obsidian und zertrümmerter Lava wenig
Pflanzenwuchs aufkommen lassen. Schon oben war von den blühenden
Büschen des Alpenginsters (Spartium nubigenum) die Rede,
welche Oasen in einem weiten Aschenmeer bilden. Zwei krautartige
Gewächse, Scrophularia glabrata und Viola
cheiranthifolia, gehen weiter hinauf bis ins Malpays. Ueber
einem vom der afrikanischen Sonne ausgebrannten Rasen bedeckt
die Cladonia paschalis dürre Strecken; die Hirten zünden
sie häufig an, wobei sich dann das Feuer sehr weit verbreitet.
Dem Gipfel des Pic zu arbeiten Urceolarien und andere Flechten
an der Zersetzung des verschlackten Gesteins, und so erweitert
sich auf von Vulkanen verheerten Eilanden Floras Reich durch die
nie stockende Thätigkeit organischer Kräfte.
Ueberblicken wir die Vegetationszonen von Teneriffa, so sehen
wir, daß die ganze Insel als ein Wald von Lorbeeren,
Erdbeerbäumen und Fichten erscheint, der kaum an seinen
Euphorbia mauritanica, Atropa
frutescens und Sonchus arborescens wuchern im losen
Sand und dienen wie in Afrika den Kameelen als Futter. Auf der
westlichen Gruppe der Canarien ist das Land höher, stärker
bewaltet, und besser von Quellen bewässert.
Auf dem ganzen Archipel finden sich zwar mehrere Gewächse, die
auch in PortugalSatyrium diphyllum
(Orchis cordata, Willd.) erkannt, die Link in Portugal
gefunden. Die Canarien haben nicht die Dicksonia Culcita,
den einzigen Baumfarn, der unter 39° der Breite vorkommt, wohl
aber Asplenium palmatun und Myrica Faya mit der
Flora der Azoren gemein. Letzterer Baum findet sich in Portugal
wild, Hofmannsegg hat sehr alte Stämme gesehen, es bleibt aber
zweifelhaft, ob er in diesen Theil unseres Continents
einheimisch oder eingeführt ist. Denkt man über die Wanderungen
der Gewächse nach zieht man in Betracht, daß es geologisch
möglich ist, daß Portugal, die Azoren, die Canarien und die
Atlaskette einst durch nunmehr im Meer versunkene Länder
zusammengehangen habe, so erscheint das Vorkommen der Myrica
Facya im westlichen Europa zum mindestens ebenso auffallend,
als wenn die Fichte von Aleppe auf den Azoren vorkäme.Mocanera, Plocama,
Bosea, Canarina, Drusa,
Pittosporum.Ein Typus, der sich als ein nördlicher
ansprechen läßt, der der Kreuzblüthen, [Von den wenigen
Cruciferen in der Flora von Teneriffa führen wir an:
Cheiranthus longifolius, Ch. frutescens, Ch.
scoparis, Erysimum bicorne, Crambe strigosa,
C. laevigata.] ist auf den Canarien schon weit seltener
als in Spanien und Griechenland. Weiter nach Süden, im
tropischen Landstrich beider Continente, wo die mittlere
Lufttemperatur über 22° ist, verschwinden die Kreuzblüthen fast
gänzlich.
Eine Frage, die für die Geschichte der fortschreitenden Entwicklung des organischen Lebens auf dem Erdball von großer Bedeutung erscheint, ist in neuerer Zeit viel besprochen worden, nämlich, ob polymorphe Gewächse auf vulkanischen Inseln häufiger sind als anderswo? Die Vegetation von Teneriffa unterstützt keineswegs die Annahme, daß die Natur auf neugebildetem Boden in Pflanzenformen weniger streng festhält. Broussonet, der sich so lang auf den Canarien aufgehalten, versichert, veränderlich Gewächse seyen nicht häufiger als im südlichen Europa. Wenn auf der Inseln Bourbon so viele polymorphe Arten vorkommen, sollte dies nicht vielmehr von der Beschaffenheit Bodens und des Klimas herrühren, als davon, daß die Vegetation jung ist?
Wohl darf ich mir schmeicheln, mit dieser Naturskizze von
Teneriffa einiges Licht über Gegenstände verbreitet zu haben,
die bereits von so vielen Reisenden besprochen worden sind;
indessen glaube ich, daß die Naturgeschichte dieses Archipels
der Forschung noch ein weites Feld darbietet. Die Leiter
Bevor ich die alte Welt verlasse und in die neue übersetze, habe
ich einen Gegenstand zu berühren, der allgmeineres Interesse
bietet, weil der sich auf die Geschichte der Menschheit und die
historischen Verhängnisse bezieht, durch welche ganze
Volkssstämme vom Erdboden verschwunden sind. Auf Cuba, St.
Domingo, Jamaica fragt man sich, wo die Ureinwohner dieser
Länder hingekommen sind; auf Teneriffa fragt man sich, was aus
den Guanchen geworden ist, deren in Höhlen versteckte,
vertrocknete Mumien ganz allein der Vernichtung entgangen sind.
Im fünfzehnten Jahrhundert holten fast alle Handelsvölker,
besonders aber die Spanier und Portugiesen,
Auf dem Archipel der Canarien bestanden mehrere kleine, einander
feindlich gegenüber stehende Staaten. Oft war dieselbe Insel
zwei unabhängigen Fürsten unterworfen, wie in der Südsee und
überall, wo die Cultur noch auf tiefer Stufe steht. Die
Handelsvölker befolgten damals hier dieselbe arglistige Politik,
wie jetzt auf den Küsten von Afrika: sie leisteten den
Bürgerkriegen Vorschub. So wurde ein Guanche Eigenthum des
andern, und dieser verkaufte jenen den Europäern; manche zogen
den Tod der Sklaverei vor und tödteten sich und ihre Kinder. So
hatte die Bevölkerung der Canarien durch den Sklavenhandel,
durch die Menschenräuberei der Piraten, besonders aber durch
lange blutige Zwiste bereits starke Verluste erlitten, als
Alonso de Lugo sie vollends eroberte. Den Ueberrest der Guanchen
raffte im Jahr 1494 größtentheils die berühmte Pest, die
sogenannte Modorra hin, die man
Es ist ein tröstlicher Gedanke, daß die Weißen es nicht immer
verschmäht haben, sich mit den Eingeborenen zu vermischen; aber
die heutigen Canarier, die bei den Spaniers schlechtweg
Isleños heißen, haben triftige Gründe, eine solche
Mischung in Abrede zu ziehen. In einer langen Geschlechtsfolge
verwischen sich die charakteristischen Merkmale der Racen, und
da die Nachkommen der Andalusier, die sich auf Teneriffa
niedergelassen, selbst von ziemlich dunkler Gesichtsfarbe sind,
so kann die Hautfarbe der Weißen durch die Kreuzung der Racen
nicht merkbar verändert worden seyn. Es ist Thatsache, daß
gegenwärtig kein Eingeborener von reiner Race mehr lebt, und
sonst ganz wahrheitsliebende Reisende sind im Irrthum, wenn sie
glauben, bei der Besteigung des Pics schlanke, schnellfüßige
Guanchen zu Führern gehabt zu haben. Allerdings wollen einige
canarische Familien vom letzten Hirtenkönig von Guimar
abstammen, aber diese Ansprüche haben wenig Grund; sie werden
von Zeit zu Zeit wieder laut, wenn einer aus dem Volk, der
brauner ist als seine Landsleute, Lust bekommt, sich um eine
Officiersstelle im Dienste des Königs von Spanien umzuthun.
Kurz nach der Entdeckung von Amerika, als Spanien
Die Einwohner der zuletzt genannten Inseln, die man wohl zu
stark gepriesen hat und die einst Menschenfresser waren, haben
in mehr als einer Beziehung Aehnlichkeit mit den Guanchen von
Teneriffa. Beide sehen wir unter dem Joche eines feudalen
Regiments seufzen, und bei den Guanchen war diese Staatsform,
welche so leicht Kriege herbeiführt und sie nicht enden läßt,
durch die Religion geheiligt. Die Priester sprachen zum Volk:
»Achaman, der große Geist, hat zuerst die Edlen, die
Achimenceys, geschaffen und ihnen alle Ziegen in der Welt
zugetheilt. Nach den Edeln hat Achaman das gemeine Volk
geschaffen, die Achicaxnas; dieses jüngere
Geschlecht nahm sich heraus, gleichfalls Ziegen zu verlangen;
aber das höchste Wesen erwiederte, das Volk sey dazu da, den
Edeln dienstbar zu seyn, und habe kein Eigenthum nöthig.«
Die Guanchen waren berühmt durch ihren hohen Wuchs; sie
erschienen als die Patagonen der alten Welt und die
Geschichtschreiber übertrieben ihre Muskelkraft, wie man vor
Bougainvilles und Cordobas Reisen dem Volksstamm am Südende von
Amerika eine colossale Körpergröße zuschrieb. Mumien von
Guanchen habe ich nur in den europäischen Cabinetten gesehen;
zur Zeit meiner Reise waren sie auf Teneriffa sehr selten; man
müßte sie aber in Menge finden, wenn man die Grabhöhlen, die am
östlichen Abhang des Pics zwischen Arico und Guimar in den Fels
gehauen sind, bergmännisch aufbrechen ließe. Diese Mumien sind
so stark vertrocknet, daß ganze Körper mit der Haut oft nicht
mehr als sechs bis sieben Pfund wiegen, das heißt ein Drittheil
weniger als das Skelett eines gleich großen Individuums, von dem
man eben das Muskelfleisch abgenommen hat. Die Schädelbildung
ähnelt einigermaßen der der weißen Race der alten Egypter, und
die Schneidezähne sind auch bei den Guanchen stumpf, wie bei den
Mumien vom Nil. Aber diese Zahnform ist rein künstlich und bei
genauerer Untersuchung der Kopfbildung der alten Guanchen haben
geübte
Decas
quinta collectionis craniorum diversarum gentium illustrium.]
gefunden, daß sie im Jochbein un dim Unterkiefer von den
ägyptischen Mumien bedeutend abweicht. Oeffnet man Mumien von
Guanchen, so findet man Ueberbleibsel aromatischer Kräuter,
unter denen immer das Chenopodium ambrosioides vorkommt;
zuweilen sind die Leichen mit Schnüren geschmückt, an denen
kleine Scheiben aus gebrannter Erde hängen, die als Zahlzeichen
gedient zu haben scheinen und die mt den Quippos der Peruaner,
Mexicaner und Chinesen Aehnlichkeit haben.
Da im Allgemeinen die Bevölkerung von Inseln den umwandelnden Einflüssen, wie sie Folgen von Wanderungen sind, weniger ausgesetzt ist als die Bevölkerung der Festländer, so läßt sich annehmen, daß der Archipel der Canarien zur Zeit der Carthager und Griechen vom selben Menschenstamm bewohnt war, den die normännischen und spanischen Eroberer vorfanden. Das einzige Denkmal, das einiges Licht auf die Herkunft der Guanchen werfen kann, ist ihre Sprache; leider sind uns aber davon nur etwa hundert fünfzig Worte aufbehalten, die zum Theil dasselbe in der Mundart der verschiedenen Inseln bedeuten. Außer diesen Worten, die man sorgfältig gesammelt, hat man in den Namen vieler Dörfer, Hügel und Thäler wichtige Sprachreste vor sich. Die Guanchen, wie Basken, Hindus, Peruvianer und alle sehr alten Völker, benannten die Oertlichkeiten nach der Beschaffenheit des Bodens, den sie bebauten, nach der Gestalt der Felsen, deren Höhlen ihnen als Wohnstätten dienten, nach den Baumarten, welche die Quellen beschatteten.
Man war lange der Meinung, die Sprache der Guanchen habe keine
Aehnlichkeit mit den lebenden Sprachen; aber seit die
Wir führen folgende Beispiele an:
Ich glaube nicht, daß diese Sprachähnlichkeit ein Beweis für
gemeinsamen Ursprung ist; aber sie deutet darauf hin, daß die
Guanchen in alter Zeit in Verkehr standen mit den Berbern, einem
Gebirgsvolk, zu dem die Numidier, Getuler und Garamanten
verschmolzen sind und das vom Ostende des Atlas durch das
Harudjé und Fezzan bis zur Oase von Syuah und Audjelah
sich ausbreitet. Die Eingeborenen der Canarien nannten sich
Guanchen, von Guan, Mensch, wie die Tongusen sich
Pye und Donky nennen, welche Worte dasselbe
bedeuten, wie Guan. Indessen sind die Völker, welche die
Berbersprache sprechen, nicht alle desselben Stammes, und wenn
Scylax in seinem Periplus die Einwohner von Cerne als ein
Hirtenvolk von hohem Wuchs mit langen Haaren beschreibt, so
erinnert dieß an die körperlichen Eigenschaften der canarischen
Guanchen.
Je genauer man die Sprachen aus philosophischem Gesichtspunkte
untersucht, desto mehr zeigt sich, daß keine ganz allein steht;
diesen Anschein würde auch die Sprache der
aguienon, bei den Guanchen aguyan; Mensch bei den
Peruanern cari, bei den Guanchen coran;
König bei den Mandingos in Afrika monso, bei den
Guanchen monsey. Der Name der Insel Gomera kommt um Worte
Gomer zum Vorschein, das der Name eines Berberstammes ist.
(Vater, Untersuchungen über Amerika, S. 170.) Die
Guanchischen Worte alcorac, Gott, und almogaron,
Tempel, scheinen arabischen Ursprungs, wenigstens bedeutet in
letzterer Sprache almoharram heilig.
Gelehrt, die überall, wo es Mumien, Hieroglyphen und Pyramiden gibt, Egypten sehen, sind vielleicht der Ansicht, das Geschlecht Typhons und die Guanchen stehen in Zusammenhang mittelst der Berbern, ächter Atlanten, zu denen die Tibbos und Tuarycks der Wüste gehören. [Hornemanns Reise von Cairo nach Mourzouk.] Es genügt hier aber an der Bemerkung, daß eine solche Annahme durch keinerlei Aehnlichkeit zwischen der Berbersprache und dem Coptischen, das mit Recht für ein Ueberbleibsel des alten Egyptischen gilt, unterstützt wird.
Das Volk, das die Guanchen verdrängt hat, stammt von Spaniern
und zu einem sehr kleinen Theil von Normannen ab. Obgleich diese
beiden Volksstämme drei Jahrhunderte
Isleños sind
vielleicht in der neuen Welt mehr als in ihrer alten Heimath.
An Wein werden auf Teneriffa geerntet 20–24,000 Pipes,
worunter 5000 Malvasier; jährliche Ausfuhr von Wein 8–9000
Pipes; Gesammt-Getreideernte des Archipels 54,000 Fanegas zu
hundert Pfund. In gemeinen Jahren reicht diese Ernte aus zum
Unterhalt der Einwohner, die großentheils von Mais, Kartoffeln
und Bohnen (Frisoles)
Auf nationalökonomische Erörterungen über die Wichtigkeit der canarischen Inseln für die Handelsvölker Europas lasse ich mich nicht ein. Ich beschäftigte mich während meines Aufenthalts zu Caracas und in der Havana lange mit statistischen Untersuchungen über die spanischen Colonien, ich stand in genauer Verbindung mit Männern, die auf Teneriffe bedeutende Aemter bekleidet, und so hatte ich Gelegenheit, viele Angaben über den Handel von Santa Cruz und Orotava zu sammeln. Da aber mehrere Gelehrte nach mir die Canarien besucht haben, standen ihnen dieselben Quellen zu Gebot, und ich entferne ohne Bedenken aus meinem Tagebuch, was in Werken, die vor dem meinigen erschienen sind, genau verzeichnet steht. Ich beschränke mich hier auf einige Bemerkungen, mit denen die Schildung, die ich vom Archipel der Canarien entworfen, geschlossen seyn mag.
Es ergeht diesen Inseln, wie Egypten, der Krimm und so vielen
Ländern, welche von Reisenden, welche in Contrasten Wirkung
suchen, über das Maaß gepriesen oder heruntergesetzt worden
sind. Die einen schildern von Orotava aus, wo sie ans Land
gestiegen, Teneriffa als einen Garten der Hesperiden; sie können
das milde Klima, den fruchtbaren Boden, den reichen Anbau nicht
genug rühmen; andere, die sich in Santa Cruz aufhalten mußten,
sahen in den glückseligen Inseln nichts als ein kahles, dürres,
von einem elenden, geistesbeschränkten Volke bewohntes Land. Wir
haben gefunden, daß die Natur auf diesem Archipelagus, wie in
Die gegenwärtige Bevölkerung der Canarien erscheint allerdings unbedeutend, wenn man sie mit der Bevölkerung mancher europäischen Länder vergleicht. Die Insel Madera, deren fleißige Bewohner einen fast von Pflanzenerde entblößten Felsen bebauen, ist siebenmal kleiner als Teneriffa, und doch doppelt so stark bevölkert; aber die Schriftsteller, die sich darin gefallen, die Entvölkerung der spanischen Colonien mit so grellen Farben zu schildern und den Grund davon in der kirchlichen Hierarchie suchen, übersehen, daß überall seit der Regierung Philipps V. die Zahl der Einwohner in mehr oder minder rascher Zunahme begriffen ist. Bereits ist auf den Canaren die Bevölkerung relativ stärker als in beiden Castilien, in Estremadure und in Schottland. Alle Inseln zusammengerückt stellen ein Gebirgsland dar, das um ein Siebentheil weniger Flächeninhalt hat als die Insel Corsica und doch gleich viel Einwohner zählt.
Obgleich die Inseln Fortaventura und Lancerota, die
Die Bewohner der Canarien sind ihrem Charakter nach ein Gebirgsvolk und ein Inselvolk zugleich. Will man sie richtig beurtheilen, muß man sie nicht nur in ihrer Heimath sehen, wo ihr Fleiß auf gewaltige Hemmnisse stößt; man muß sie beobachten in den Steppen der Provinz Caracas, auf dem Rücken der Anden, auf den glühenden Ebenen der Philippinen, überall wo sie, einsam in unbewohnten Ländern, Gelegenheit finden die Kraft und die Thätigkeit zu entwickeln, welcher der wahre Reichthum des Colonisten sind.
Die Canarier gefallen sich darin, ihr Land als einen Theil des
europäischen Spaniens zu betrachten, und sie haben auch wirklich
die castilianische Literatur bereichert. Die Namen Clavigo
(Verfasser des Pensador), Viera, Yriarte und Betancourt
sind in Wissenschaft und Literatur mit Ehren genannt; das
canarische Volk besietzt die lebhafte Einbildungskraft, die den
Bewohnern von Andalusien und Grenada eigen ist, und es ist zu
hoffen, daß die glückseligen Inseln, wo der Mensch wie überall
die Segnungen und die harte Hand der Natur empfindet, dereinst
einen eingebornen Dichter finden, der sie würdig besingt.
Überfahrt von Teneriffa an die Küste von Südamerika — Ankunft in Cumana
Am 25. Juni Abends verließen wir die Rhede von Santa Cruz und schlugen den Weg nach Südamerika ein. Es wehte stark aus Nordost und das Meer schlug in Folge der Gegenströmungen kurze gedrängte Wellen. Die canarischen Inseln, auf deren hohen Bergen ein röthlicher Duft lag, verloren wir bald aus dem Gesicht. Nur der Pic zeigte sich von Zeit zu Zeit in Blinken, wahrscheinlich, weil der in der hohen Luftregion herrschende Wind dann und wann die Wolken um den Piton verjagte. Zum erstenmal empfanden wir, welchen lebhaften Eindruck der Anblick von Ländern an der Grenze des heißen Erdgürtels, wo die Natur so reich, so großartig und so wundervoll auftritt, auf unser Gemüth macht. Wir hatten nur kurze Zeit auf Teneriffa verweilt, und doch schieden wir von der Insel, als hätten wir lange dort gelebt.
Unsere Ueberfahrt von Santa Cruz nach Cumana, dem östlichsten
Hafen von Terra Firma, war so schön als je eine. Wir schnitten
den Wendekreis des Krebses am 27., und obgleich der
Pizarro eben kein guter Segler war, legten wir doch den
neunhundert Meilen [4050 km] langen Weg von Küste von Afrika
zur Küste der neuen Welt in zwanzig Tagen zurück.
Unser Weg war derselbe, den seit Kolumbus erster Reise alle
Fahrzeuge nach den Antillen einschlagen. Vom Parallel von Madera
bis zum Wendekreis nimmt dabei die Breite rasch ab, während man
an Länge fast nichts zulegt; hat man die Zone des beständigen
Passatwindes erreicht, so fährt man von Ost nach West auf einer
ruhigen, friedlichen See, die bei den spanischen Seefahrern
el Golfo de las Damas heißt. Wie alle, welche diese
Striche befahren, machten auch wir die Beobachtung, daß, je
weiter man gegen Westen rückt, der Passat, der Anfangs Ost-Nord-Ost
war, immer mehr Ostwind wird.
Hadley
Es ist bekannt, daß auf der Ueberfahrt von
Santa Cruz nach Cumana, wie von Acapulco nach den Philippinen,
die Matrosen fast keine Hand an die Segel zu legen brauchen. Man
fährt in diesen Strichen, als ginge es auf einem Flusse
hinunter, und es ist zu glauben, daß es kein gewagtes
Unternehmen wäre, die Fahrt mit einer Schaluppe ohne Verdeck zu
machen. Weiter westwärts aber, an der Küste von St. Marta und im
Meerbusen von Mexico weht der Wind sehr stark und macht die See
sehr unruhig.los brisotes de la Santa Martha
und im Meerbusen von Mexico las brizas pardas. Bei
letzteren Winden ist der Himmel grau und umwölkt.
Je weiter wir uns von der afrikanischen Küste entfernten, desto
schwächer wurde der Wind; oft blieb er einige Stunden ganz aus,
und diese Windstillen wurden regelmäßig durch elektrische
Erscheinungen unterbrochen. Schwarze, dichte, scharf umrissene
Wolken zogen sich im Ost zusammen; man konnte meinen, es sey
eine Bö im Anzug und man werde die Marssegel einreffen müssen,
aber nicht lange, so erhob sich der Wind wieder, es fielen
einige schwere Regentropfen und das Gewitter verzog sich, ohne
daß man hatte donnern hören. Es war interessant, während dessen
die Wirkung schwarzer Wolken zu beobachten, die einzeln und sehr
tief durch das Zenith liefen. Man spürte, wie der Wind allmählig
stärker oder schwäcker wurde, je nachdem die kleinen Haufen von
Dunstbläschen sich näherten oder entfernten, ohne daß die
Elektrometer mit langer Metallstange und brennendem Docht in den
untern Luftschichten eine Aenderung in der elektrischen Spannung
anzeigten. Mittels solcher kleinen, mit Windstillen
Einige spanische Seefahrer haben neuerlich einen andern Weg nach den Antillen und zur Küste von Terra Firma als den von Christoph Columbus zuerst eingeschlagenen zur Sprache gebracht. Sie schlagen vor, man sollte nicht gerade nach Süd steuern, um den Passat aufzusuchen, sondern auf einer Diagonale zwischen Cap St. Vincent und Amerika in Länge und Breite zugleich vorrücken. Dieser Weg, der die Fahrt abkürzt, da man den Wendekreis etwa 20° westwärts vom Punkte schneidet, wo ohn die Schiffe gewöhnlich schneiden, ist von Admiral Gravina mehreremale mit Glück eingeschlagen worden. Dieser erfahrene Seemann, der in der Schlacht von Trafalgar einen rühmlichen Tod fand, kam im Jahr 1802 auf diesem schiefen Wege mehrere Tage vor der französischen Flotte nach St. Domingo, obgleich er zufolge eines Befehls des Madrider Hofs mit seinem Geschwader im Hafen von Ferrel hatte einlaufen und sich dort eine Zeitlang aufhalten müssen.
Diese neue Verfahren kürzt die Ueberfahrt von Cadix nach Cumana etwa um ein Zwanzigtheil ab; da man aber erst unter dem 40. Grad der Länge die Tropen betritt, so läuft man Gefahr, länger mit den veränderlichen Winden zu thun zu haben, die bald aus Süd, bald aus Südwest blasen. Beim alten Verfahren wird der Nachtheil, daß man einen längeren Weg macht, dadruch ausgeglichen, daß man sicher ist, in den Passat zu gelangen und ihn auf einem größeren Stück der Ueberfarht benützen zu können. Während meines Aufenthalt in den spanischen Colonien sah ich mehrere Kauffahrer an kommen, die aus Furcht vor Kapern den schiefen Weg eingeschlagen hatten und ausnehmend rasch herübergekommen waren; nur nach wiederholten Versuchen wird man sich bestimmt über einen Punkt aussprechen können, der zum mindesten so wichtig ist als die Wahl des Meridians, auf dem man bei der Fahrt nach Buenos Ayres oder Cap Horn den Aequator schneiden soll.
Nichts geht über die Pracht und die Milde des Klimas im
tropischen Weltmeer. Während der Passatwind stark blies, stand
der Thermometer bei Tage auf 23–24 Grad, bei Nacht zwischen 22
und 22,5. Um den Reiz dieser glücklichen Erdstriche
in der Nähe des Aequators voll zu empfinden, muß man in rauher
Jahreszeit von Acapulco oder von den Küsten von Chili nach
Europa gesegelt haben. Welcher Abstand zwischen den stürmischen
Meeren in nördlichen Breiten und diesen Strichen, wo in der
Natur ewige Ruhe herrscht! Wenn die Rückfahrt aus Mexiko oder
Südamerika nach den spanischen Küsten zu kurz und so angenehm
wäre als die Reise aus der alten in die neue Welt, so wäre die
Zahl der Europäer, die sich in den Kolonien niedergelassen,
lange nicht so groß, als
Golfe de las
Yeguas. [Der Meerbusen der Stuten.] Colonisten, die an die
See nicht gewöhnt sind, und lange einsam in den Wäldern von
Guyana, in den Savanen von Caracas oder auf den Cordilleren von
Peru gelebt haben, fürchten sich vor dem Seestrich bei den
Bermuden mehr als jetzt die Bewohner von Lima vor der Fahrt um
Cap Horn. Sie übertreiben in der Einbildung die Gefahren einer
Ueberfahrt, die nur im Winter bedenktlich ist. Sie verschieben
es von Jahr zu Jahr, ein Vorhaben auszuführen, das ihnen gewagt
erscheint, und meist überrascht sie der Tod, während sie sich
zur Rückreise rüsten.
Nördlich von den Inseln des Grünen Vorgebirges stießen wir auf
große Bündel schwimmenden Tangs. Es war die tropische Seetraube,
Fucus natans, die nur bis zu 40° nördlicher und südlicher
Breite auf dem Gestein unter dem Meeresspiegel wächst. Diese
Algen schienen hier, wie südwestlich von der Bank von
Neufoundland, das Vorhandenseyn der Strömungen anzuzeigen. Die
Seestriche, wo viel einzelner Tag vorkommt, und die mit
Seegewächsen bedeckten Strecken, welche Columbus mit großen
Wiesen vergleicht und die der Mannschaft der Santa Maria unter
42° der Länge Schrecken einjagten, sind nicht mit einander
zu verwechseln. Durch die Vergleichung vieler Schiffstagebücher
habe ich mich überzeugt, daß es im Becken des nördlichen
Atlantischen Oceans zwei solcher mit Algen bedeckten Strecken
gibt, die nichts miteinander zu tun haben. Die größte
derselbenGrasmeer gekommen zu seyn, das bei
den Spaniern und Portugiesen Mar de Sargazo heißt. Ich
habe anderswo dargetan, daß diese Stelle im Buche des
Aristoteles »De Mirabilibus« sich nicht wohl, wie eine
ähnliche Stelle im Periplus des Scylax, auf die Küste von Afrika
beziehen kann. Setzt man voraus, daß das Gras bedeckte Meer, das
die phönicischen Schiffe in ihrem Lauf aufhielt, das Mar de
Sargazo gar, so braucht man nicht anzunehmen, daß die Alten
im Atlantischen Meer über den 30. Grad westlicher Länge vom
Meridian von Paris hinausgekommen seyen.
Allerdings kennt man Tangarten mit 800 Fuß [260 m] langen
Stengeln [Fucus giganteus, Forster oder
Laminaria pyrifera, Lamouroux.], und diese
Cryptogamen der hohen See wachsen sehr rasch; dennoch ist kein
Zweifel darüber, daß in den oben beschriebenen Strichen die
Tange keinesweg am Meeresboden haften, sondern in einzelnen
Bündeln auf dem Wasser schwimmen. In diesem Zustand können diese
Gewächse nicht viel länger fortvegetiren als ein vom Stamm
abgerissener Baumast.
Golfstrom
zusammengetrieben, wie manche Seeleute meinen. Es wäre zu
wünschen, daß die Schiffer in diesen mit Pflanzen bedeckten
Strichen häufiger das Senkblei auswärfen; man versichert,
holländische Seeleute haben mittelst Leinen aus Seidenfäden
zwischen der Bank von Neufoundland und der schottischen Küste
eine Reihe von Untiefen gefunden.
Wie und wodurch die Algen in Tiefen, in denen nach der allgemeinen Annahme das Meer wenig bewegt ist, losgerissen werden, darüber ist man noch nicht im Klaren. Wir wissen nur nach den schönen Beobachtungen von Lamouroux, daß die Algen zwar vor der Entwicklung ihrer Fructificationen ausnehmend fest am Gestein hängen, dagegen nach dieser Zeit oder in der Jahreszeit, wo bei ihnen wie bei den Landpflanzen die Vegetation stockt, sehr leicht abzureißen sind. Fische und Weichthiere, welche die Stengel der Tange benagen, mögen wohl auch dazu beitragen, sie von ihren Wurzeln zu lösen.
Vom 22. Breitengrad an fanden wir die Meeresfläche mit
fliegenden Fischen [Exocoetus volitans.] bedeckt; sie
schnellten sich fünfzehn, ja achtzehn Fuß [4,5, ja 6 m] in die
Höhe und fielen auf den Oberlauf
Ich erwähne der fliegenden Fische, um die Naturkundigen auf die
ungeheure Größe ihrer Schwimmblase aufmerksam zu machen, die bei
einem 6,4 Zoll langen Fisch 3,6 Zoll lang und 0,9 breit ist und
3½ Kubikzoll [60 ml] Luft enthält.
Die Blase nimmt über die Hälfte
vom Körperinhalt des Thieres ein, und trägt somit wahrscheinlich
dazu bei, daß es so leicht ist. Man könnte sagen, dieser
Luftbehälter diese ihm vielmehr zum Fliegen als zum Schwimmen,
denn die Versuche, die Provenzal und ich angestellt, beweisen,
daß dieses Organ selbst bei den Arten, die damit versehen sind,
zu der Bewegung an die Wasserfläche herauf nicht durchaus
nothwendig ist. Bei einem jungen 5,0 Zoll langen Exocoetus bot
jede der Brustflossen, die als Flügen diesen, der Luft bereits
eine Oberfläche von 3 7/10 Quadratzoll dar.
Wir haben gefunden,
daß die neun Nervenstränge, die zu den zwölf Strahlen dieser
Flossen verlaufen, fast dreimal dicker sind als die Nerven der
Bauchflossen. Wenn man die ersteren Nerven galvanisch reizt, so
gehen die Strahlen, welche die Haut der Brustflossen tragen,
fünfmal kräftiger auseinander, als die der andern Flossen, wenn
man sie mit denselben Metallen galvanisirt. Der
Scorpaena
porcus, S. scrofa, S. dactyloptera, Delaroche.].
Die Exocoetus können, wie die meisten Kiementhiere, ziemlich
lange und mittelst derselben Organe im Wasser und in der Luft
athmen, das heißt der Luft wie dem Wasser den darin enthaltenen
Sauerstoff entziehen. Sie bringen einen großen Theil ihres
Lebens in der Luft zu, aber ihr elendes Leben wird ihnen dadurch
nicht leichter gemacht. Verlassen sie das Meer, um den
gefräßigen Goldbrassen zu entgehen, so begegnen sie in der Luft
den Fregatten, Albatrossen und andern Vögeln, die sie im Flug
erschnappen. So werden an den Ufern des Orinoco Rudel von
Cabiais, [Cavia Capybara. L.] wenn sie vor den
Krokodilen aus dem Wasser flüchten, am Ufer die Beute der
Jaguars.
Ich bezweifle indessen, daß sich die fliegenden Fische allein um
der Verfolgung ihrer Feinde zu entgehen, aus dem Wasser
schnellen. Gleich den Schwalben schießen sie zu Tausenden Fort,
gerade aus und immer gegen die Richtung der Wellen.
Exocoetus exiliens, Trigla volitans und
T. horundo auch so große Schwimmblasen haben wie der tropische
Exocoetus. Dieser geht mit dem warmen Wasser des Golfstroms nach
Norden. Die Schiffsjungen schneiden ihm zum Spaß ein Stück der
Brustflossen ab und behaupten, diese wachsen wieder, was mir mit
den bei andern Fischfamilien gemachten Beobachtungen nicht zu
stimmen scheint.
Zur Zeit, da ich von Paris abreiste, hatten die Versuche, welche
Dr. Broddelt in Jamaica mit der Luft in der Schwimmblase
des Schwertfisches angestellt, einige Physiker zur Annahme
veranlaßt, daß unter den Tropen dieses Organ bei den Seefischen
reines Sauerstoffgas enthalte. Auch ich hatte diese Vorstellung,
und so war ich überrascht, als ich in der Schwimmblase des
Exocoetus nur 0,04 Sauerstoff auf 0,94 Stickstoff und 0,02
Kohlensäure fand. Der Antheil des letzteren Gases, der mittelst
der Absorption durch Kalkwasser in graduirten Röhren gemessen
wurde, [Anthracometer, gekrümmte Röhren mit einer großen Kugel.]
schien constanter als der des Sauerstoffs, von dem einige
Exemplare fast noch einmal so viel zeigten. Nach Biots,
Cosigliachi´s und
Am 1. Juli, unter 17° 42' der Breite und 34° 21' der Länge stießen wir auf die Trümmer eines Wrackes. Wir konnten einen Mastbaum sehen, der mit schwimmendem Tang überzogen war. In einem Strich, wo die See beständig ruhig ist, konnte das Fahrzeug nicht Schiffbruch gelitten haben. Vielleicht daß diese Trümmer aus den nördlichen stürmischen Meeren kamen, und infolge der merkwürdigen Drehung, welche die Wasser des Atlantischen Meeres in der nördlichen Halbkugel erleiden, wieder zum Fleck zurückwanderte, wo das Schiff zugrunde gegangen.
Am dritten und vierten fuhren wir über den Theil des Oceans, wo
die Karten die Bank des Maalstroms verzeichne; mit Einbruch der
Nacht änderte man den Curs, um einer Gefahr auszuweichen, deren
Vorhandenseyn so zweifelhaft ist, als das der Inseln Fonseco und
Santa Anna.
Seit unserem Eintritt in die heiße Zone wurden wir nicht müde,
in jeder Nacht die Schönheit des südlichen Himmels zu bewundern,
an dem, je weiter wir nach Süden vorrückten, immer neue
Sternbilder vor unseren Blicken aufstiegen. Ein sonderbares, bis
jetzt ganz unbekanntes Gefühl wird in einem rege, wenn man dem
Aequator zu, und namentlich beim Uebergang aus der einen
Halbkugel in die andere, die Sterne, die man von Kindheit auf
kennt, immer tiefer hinabrücken und endlich verschwinden sieht.
Nichts mahnt den
Die niedrigen Luftregionen waren seit einigen Tage mit Dunst erfüllt. Erst in der Nacht vom vierten zum fünften Juli, unter 16° Breite, sahen wir das südliche Kreuz zum erstenmal deutlich; es war stark geneigt und erschien von Zeit zu Zeit zwischen den Wolken, deren Mittelpunkt, wenn das Wetterleuchten dadurch hinzuckte, wie Silberlicht aufflammte. Wenn es einem Reisenden gestattet ist, von seinen persönlichen Empfindungen zu sprechen, so darf ich sagen, daß ich in dieser Nacht einen der Träume meiner frühesten Jugend in Erfüllung gehen sah.
Wenn man anfängt geographische Karten zu betrachten und
Schilderungen der Seefahrer zu lesen, so fühlt man für
(Nach Kannegießers Uebersetzung).
Unsere Freude beim Erscheinen des südlichen Kreuzes wurde lebhaft von denjenigen unter der Mannschaft getheilt, die in den Colonien gelebt hatten. In der Meereseinsamkeit begrüßt man einen Stern wie einen Freund, von dem man lange Zeit getrennt gewesen. Bei den Portugiesen und Spaniern steigert sich diese gemüthliche Theilnahme noch durch besondere Gründe: religiöses Gefühl zieht sie zu einem Sternbild hin, dessen Gestalt an das Wahrzeichen des Glaubens mahnt, das ihre Väter in den Einöden der neuen Welt aufgepflanzt.
Da die zwei großen Sterne, welche Spitze und Fuß des Kreuzes bezeichnen, ungefährt dieselbe Rectascension haben, so muß das Sternbild, wenn es durch den Meridian geht, fast senkrecht stehen. Dieser Umstand ist allen Völkern jenseits des Wendekreises und in der südlichen Halbkugel bekannt. Man hat sich gemerkt, zu welcher Zeit bei Nacht in den verschiedenen Jahreszeiten das südliche Kreuz aufrecht oder geneigt ist. Es ist eine Uhr, die sehr regelmäßig etwa vier Minuten im Tag vorgeht, und an keiner anderen Sterngruppe läßt sich die Zeit mit bloßem Auge so genau beobachten. Wie oft haben wir unsere Führer in den Savannen von Venezuela oder in der Wüste zwischen Lima und Truxillo sagen hören: »Mitternacht ist vorüber, das Kreuz fängt an sich zu neigen!« Wie oft haben wir uns bei diesen Worten an den rührenden Auftritt erinnert, wo Paul und Virginie an der Quelle des Fächerpalmenflusses zum letztenmale mit einander sprechen und der Greis beim Anblick des südlichen Kreuzes sie mahnt, daß es Zeit sey zu scheiden!
Die letzten Tage unserer Ueberfahrt waren nicht so günstig, als
das milde Klima und die ruhige See hoffen
Am achten Juli genas ein Matrose, der schon in den letzten Zügen
lag, durch einen Zufall, der der Erwähnung wohl werth ist. Seine
Hängematte war so befestigt, daß zwischen seinen Gesicht und dem
Deck keine zehn Zoll [26 cm] Raum blieben. In dieser Lage
konnte man ihm unmöglich die
Seit mehreren Tagen war die Schätzung der Steuerleute um 1° 12'
von der Länge abgewichen, die mir mein Chronometer angab. Dieser
Unterschied rührte weniger von der allgemeinen Strömung her, die
ich den »Rotationsstrom« genannte habe, als von dem
eigenthümlichen Zuge des Wassers nach Nordwest, von der Küste
von Brasilien gegen die kleinen Antillen, wodurch die Ueberfahrt
von Cayenne nach der Insel Guadeloupe abgekürzt wird.
Die Steuerleute verließen sich mehr auf das Log als auf den Gang
eines Chronometers; sie lächelten zu der Behauptung, daß bald
Land in Sicht kommen müsse, und glaubten, man habe noch zwei,
drei Tage zu fahren. Es gereichte mir daher zu großer
Befriedigung, als ich am dreizehnten gegen sechs Uhr Morgens
hörte, man sehe von den Masten ein sehr hohes Land, jedoch wegen
des Nebels, der darauf lag, nur undeutlich. Es windete sehr
stark und die See war sehr unruhig. Es regnete hie und da in
großen Tropfen und Alles deutete auf ungestümes Wetter. Der
Capitän des Pizarro hatte beabsichtigt, durch den Canal zwischen
Tabago und Trinidad zu laufen, und da er wußte, daß unsere
Corvette sehr langsam wendete, so fürchtete er gegen Süden unter
dem Wind und der Mündung des Dragon nahe zu kommen. Wir waren
allerdings unserer Länge sicherer als der Breite, da seit dem
elften keine Beobachtung um Mittag gemacht worden war.
Obgleich das Ergebnis der doppelten Sonnenhöhen hinlänglich bewies, daß das hohe Land, das am Horizont aufstieg, nicht Trinidad war, sondern Tabago, steuerte der Capitän dennoch nach Nord-Nord-West fort, um letztere Insel aufzusuchen, die sogar auf Bordas schöner Karte des atlantischen Oceans fünf Minuten zu weit südlich gesetzt ist. Man sollte kaum glauben, daß an Küsten, welche von allen Handelsvölkern besucht werden, so auffallende Irrthümer in der Breite sich Jahrhunderte lang erhalten könnten. Ich habe diesen Gegenstand anderswo besprochen, und so bemerke ich hier nur, daß sogar auf der neuesten Karte von Westindien von Arrowsmith, die im Jahr 1803, also lange nach Churrucas Beobachtungen erschienen ist, die Breiten der verschiedenen Vorgebirge von Tabago und Trinidad um 6–11 Minuten falsch angegeben sind.
Durch die Beobachtung der Sonnenhöhe um Mittag wurde die Breite,
wie ich sie nach Douwes Verfahren erhalten,
Der Anblick der Insel Tabago ist höchst malerisch. Es ist ein
sorgfältig bebauter Felsklumpen. Des blendende Weiß des
Gesteines sticht angenehm vom Grün zerstreuter Baumgruppen ab.
Sehr hohe cylindrische Fackeldisteln krönen die Bergkämme und
geben der tropischen Landschaft einen ganz eigenen Charakter.
Schon ihr Anblick sagt dem Reisenden, daß er eine amerikanische
Küste vor sich hat: denn die Cactus gehören ausschließlich der
neuen Welt an, wie die Heidekräuter der alten. Der nordöstliche
Theil der Insel Tabago ist der gebirgigste, nach den
Höhenwinkeln, die ich mit dem Sextanten genommen, scheinen
indessen die höchsten Gipfel an der Küste nicht über 140–150
Toisen [270 bis 290 m] hoch zu seyn. Am südlichen Vorgebirge
senkt sich das Land und läuft in die »Sandspitze« aus, die nach
meiner Rechnung unter 10° 20' 13" der Breite und
62° 47' 30" der
Länge liegt. Wir sahen mehrere Felsen über dem Wasserspiegel, an
denen sich die See mit Ungestüm brach, und beobachteten große
Regelmäßigkeit in der Neigung und dem Streichen der Schichten,
die unter einem Winkel von 60° nach Südost fallen. Es wäre zu
wünschen
Wir waren eben um das Nordcap von Tabago und die kleine Insel St. Giles gelaufen, als man vom Mastkorb ein feindliches Geschwader signalisirte. Wir wendeten sogleich und die Passagiere wurden unruhig, da mehrere ihr kleines Vermögen in Waaren gesteckt hatten, die sie in den spanischen Colonien zu verwerthen gedachten. Das Geschwader schien sich nicht zu rühren, und es zeigte sich bald, daß man eine Menge einzelner Klippen für Segel angesehen hatte.
Wir fuhren über die Untiefe zwischen Tabago und la Grenada. Die Farbe der See war nicht merkbar verändert, aber ein paar Zoll unter der Oberfläche zeigte der Thermometer nur 23°, während er ostwärts auf hoher See unter derselben Breite und gleichfalls an der Meeresfläche auf 25°,6 stand. Trotz der Strömung zeigte die geringe Temperatur des Wassers die Untiefe an, die nur auf wenigen Karten angegeben ist. Nach Sonnenuntergang wurde der Wind schwächer, und je näher der Mond zum Zenith rückte, desto mehr klärte sich der Himmel auf. In dieser und in den folgenden Nächten fielen wieder sehr viele Sternschnuppen; gegen Nord zeigten sie sich nicht so häufig als gegen Süd, über Terra Firma, an deren Küste wir jetzt hinzufahren anfingen. Diese Vertheilung weist darauf hin, daß diese Meteore, über deren Wesen wir noch so sehr im Unklaren sind, zum Theil von örtlichen Ursachen abhängig seyn mögen.
Am 14. bei Sonnenaufgang kam die Bocca de Dragon
Punte de la Baca, wurden wir gewahr, daß
eine eigenthümliche Strömung die Corvette nach Süd trieb. Durch
den Zug des Wassers, das aus der Bocca de Dragon kommt, und
durch die Bewegung von Ebbe und Fluth entsteht eine
Gegenströmung. Man warf das Senkblei aus und fand 36–43 Faden
Tiefe über einem Grund von grünlichem, sehr feinem Thon. Nach
Dampiers Grundsätzen hätten wir in der Nähe einer von sehr
hohen, steil aufsteigenden Gebirgen gebildeten Küste keine so
geringe Meerestiefe erwartet. Wir lotheten fort bis zum Cabo
de tres puntas und fanden überall erhöhten Meeresgrund,
dessen Umriß das Streichen der ehemaligen Meeresküste zu
bezeichnen scheint. Die Temperatur des Meeres war hier 23–24 Grad,
somit 1,5 bis 2 Grad niedriger als auf hoher See, das
heißt jenseits der Ränder der Bank.
Das Cabo de tres puntas, von Columbus selbst so benannt
[Im August 1598.], liegt nach meinen Beobachtungen unter
65° 4' 5" der Länge.
Es erschien uns um so höher, da seine gezackten
Gipfel in Wolken gehüllt waren. Das ganze Ansehen der Berge von
Paria, ihre Farbe und besonders ihre meist runden Umrisse ließen
uns vermuthen, daß die Küste aus Granit bestehe; die Folge
zeigte aber, wie sehr man sich, selbst wenn man sein Lebenlang
in Gebirgen gereist ist, irren kann, wenn man über die
Beschaffenheit der Gebirgsart aus der Ferne urtheilt.
Wir benützten eine Windstille, die ein
paar Stunden anhielt, um die Intensität der magnetischen Kraft
beim Cabo de tres puntas genau zu bestimmen. Wir fanden
sie größer als auf hoher See ostwärts von Tabago, im Verhältniß
von 257 zu 229. Während der Windstille trieb uns die Strömung
rasch nach West. Ihre Geschwindigkeit betrug 3 Meilen in der
Stunde; sie nahm zu, je näher wir dem Meridian der
Testigos kamen, eines Haufens von Klippen, die aus der
weiten See aufsteigen. Als der Mond unterging, bedeckte sich der
Himmel mit Wolken, der Wind wurde wieder stärker und es stürzte
ein Platzregen nieder, wie sie dem heißen Erdstrich eigen sind
und wir auf unsern Zügen im Binnenlande sie so oft durchgemacht
haben.
Die an Bord des Pizarro ausgebrochene Seuche breitete sich rasch aus, seit wir uns nahe der Küste von Terra Firma befanden; der Thermometer stand bei Nacht regelmäßig zwischen 22 und 23°, bei Tag zwischen 24 und 27°. Die Congestionen gegen den Kopf, die ausnehmende Trockenheit der Haut, das Daniederliegen der Kräfte, alle Symptome wurden immer bedenklicher; wir waren aber so ziemlich am Ziele unserer Fahrt, und so hofften wir alle Kranke genesen zu sehen, wenn man sie an der Insel Margarita oder im Hafen von Cumana, die für sehr gesund gelten, ans Land bringen könnte.
Diese Hoffnung ging nicht ganz in Erfüllung. Der jüngste
Passagier bekam das bösartige Fieber und unterlag ihm, blieb
aber zum Glück das einzige Opfer. Es war ein junger Asturier von
neunzehn Jahren, der einzige Sohn einer armen Wittwe. Mehrere
Umstände machten den Tod des junge Mannes, aus dessen Gesicht
viel Gefühl und große
Wir standen beisammen auf dem Verdeck in trüben Gedanken. Es war
kein Zweifel mehr, das Fieber, das an Bord herrschte, hatte seit
einigen Tagen einen bösartigen Charakter angenommen. Unsere
Blicke hingen an einer gebirgigen, wüsten Küste, auf die
zuweilen ein Mondstrahl durch die Wolken fiel. Die leise bewegte
See leuchtete in schwachem phosphorischen Schein; man hörte
nichts als das eintönige Geschrei einiger großer Seevögel, die
das Land zu suchen schienen. Tiefe Ruhe herrschte ringsum am
einsamen Ort; aber diese Ruhe der Natur stand im Widerspiel mit
den
Der eben erzählte Vorfall zeigte uns, wie gefährlich dieses
bösartige oder atactische Fieder sey, und wenn die langen
Windstillen die Ueberfahrt von Cumana nach Havana verzögerten,
so mußte man besorgen, daß es viele Opfer fordern könnte. An
Bord eines Kriegsschiffs oder eines Transportschiffs machen
einige Todesfälle gewöhnlich nicht mehr Eindruck, als wenn man
in einer volkreichen Stadt einem Leichenzug begegnet. Anders an
Bord eines Paketboots mit kleiner Mannschaft, wo zwischen
Menschen, die dasselbe Reiseziel haben, sich nähere Beziehungen
knüpfen. Die Passagiere auf dem Pizarro spürten zwar noch nichts
von den Vorboten der Krankheit, beschlossen aber doch, das
Fahrzeug am nächsten Landungsplatz zu verlassen und die Ankunft
eines andern Postschiffes zu erwarten, um ihren Weg nach Cuba
oder Mexico fortzusetzen. Sie betrachteten das Zwischendeck des
Schiffes als einen Herd der Ansteckung, und obgleich es mir
Der Entschluß, den wir in der Nacht vom vierzehnten auf den fünfzehnten Juli faßten, äußerte einen glücklichen Einfluß auf den Verfolg unserer Reisen. Statt einiger Wochen verweilten wir ein ganzes Jahr in Terra Firma; ohne die Seuche an Bord des Pizarro wären wir nie an den Orinoco, an den Cassiquiare und an die Grenze der portugiesischen Besitzungen am Rio Negro gekommen. Vielleicht verdanken wir es auch dieser unserer Reiserichtung, daß wir während eines so langen Aufenthaltes in den Aequinoctialländern so gesund blieben.
Bekanntlich schweben die Europäer in den ersten Monaten, nachdem
sie unter den glühenden Himmel der Tropen versetzt worden, in
sehr großer Gefahr. Sie betrachten sich als acclimatisirt, wenn
sie die Regenzeit auf den Antillen, in Vera Cruz oder Carthagena
überstanden haben. Diese Meinung ist nicht unbegründet, obgleich
es nicht an Beispielen fehlt, daß Leute, die bei der ersten
Epidemie des
Aleudia theilen können, das mit dem Pizarro in die
Havana kam, als eben das schwarze Erbrechen auf Cuba und
an der Ostküste von Mexico schreckliche Verheerungen anrichtete.
Am 15. Morgens, ungefähr gegenüber dem kleinen Berge St. Joseph,
waren wir von einer Menge schwimmenden Tangs umgeben. Die
Stengel desselben hatten die sonderbaren, wie Blumenkelche und
Federbüsche gestalteten Anhänge, wie sie Don Hypolite Ruiz auf
seiner Rückkehr aus Chili beobachtet und in einer besondern
Abhandlung als die Geschlechtsorgane des Fucus natans
beschrieben hat. Ein glücklicher Zufall setzte uns in den Stand,
eine Beobachtung zu berichtigen, die sich nur Einmal der
Naturforschung dargeboten hatte. Die
Die Küste von Paria zieht sich nach West fort und bildet eine
nicht sehr hohe Felsmauer mit abgerundeten Gipfeln und
wellenförmigen Umrissen. Es dauerte lange, bis wir die hohe
Küste der Insel Margarita zu sehen bekamen, wo wir einlaufen
sollten, um hinsichtlich der englischen Kreuzer, und ob es
gefährlich sey, bei Guayra anzulegen, Erkundigung
Capo de tres
Puntas 15–20 Meilen weiter nach Norden, als auf den vor dem
Jahr 1800 erschienenen Karten angegeben ist.
Gegen elf Uhr Morgens kam uns ein sehr niedriges Eiland zu Gesicht, auf dem sich einige Sanddünen erhoben. Durch das Fernrohr ließ sich keine Spur von Bewohnern oder von Anbau entdecken. Hin und wieder standen cylindrische Cactus wie Kandelaber. Der fast pflanzenlose Boden schien sich wellenförmig zu bewegen infolge der starken Brechung, welche die Sonnenstrahlen erleiden, wenn sie durch Luftschichten hindurchgehen, die auf einer stark erhitzten Fläche aufliegen. Die Luftspiegelung macht, daß in allen Zonen Wüsten und sandiger Strand sich wie bewegte See ausnehmen.
Das flache Land, das wir vor uns hatten, stimmte schlecht zu der Vorstellung, die wir uns von der Insel Margarita gemacht. Während man beschäftigt war, die Angaben der Karten zu vergleichen, ohne sie in Uebereinstimmung bringen zu können, signalisirte man vom Mast einige kleine Fischerboote. Der Capitän des Pizarro rief sie durch einen Kanonenschuß herbei; aber ein solches Zeichen dient zu nichts in Ländern, wo der Schwache, wenn er dem Starken begegnet, glaubt sich nur auf Vergewaltigungen gefaßt machen zu müssen. Die Boote ergriffen die Flucht nach Westen zu, und wir sahen uns hier in derselben Verlegenheit, wie bei unserer Ankunft auf den Canarien vor der kleinen Insel Graciosa. Niemand an Bord war je in der Gegend am Land gewesen. So ruhig die See war, so schien doch die Nähe eines kaum ein paar Fuß hohen Eilandes Vorsichtsmaßregeln zu erheischen. Man steuerte nicht weiter dem Lande zu, und warf eilends den Anker aus.
Küsten, aus der Ferne gesehen, verhalten sich wie Wolken, in
denen jeder Beobachter die Gegenstände erblickt, die seine
Einbildungskraft beschäftigen. Da unsere Aufnahmen und die
Angabe des Chronometers mit den Karten, die uns zur Hand waren,
im Widerspruch standen, so verlor man sich in eitlen
Muthmaßungen. Die einen hielten Sandhaufen für Indianerhütten
und deuteten auf den Punkt, wo nach ihnen das Fort Pampatar
liegen mußte; andere sahen die Ziegenheerden, welche im dürren
Thal von San Juan so häufig sind; sie zeigten die hohen Berge
von Macanao, die ihnen halb in Wolken gehüllt schienen. Der
Capitän beschloß einen Steuermann ans Land zu schicken; man
legte Hand an, um die
Als wir uns eben anschickten, ans Land zu gehen, sah man zwei Piroguen an der Küste hinfahren. Man rief sie durch einen zweiten Kanonenschuß an, und obgleich man die Flagge von Castilien aufgezogen hatte, kamen sie doch nur zögernd herbei. Diese Piroguen waren, wie alle der Eingeborenen, aus Einem Baumstamm, und in jeder befanden sich achtzehn Indianer vom Stamme der Guayqueries [Guaykari], nackt bis zum Gürtel und von hohem Wuchs. Ihr Körperbau zeugte von großer Muskelkraft und ihre Hautfarbe war ein Mittelding zwischen braun und kupferroth. Von weitem, wie sie unbeweglich dasaßen und sich vom Horizont abhoben, konnte man sie für Bronzestatuen halten. Dieß war uns um so auffallender, da es so wenig dem Begriff entsprach, den wir uns nach manchen Reiseberichten von der eigenthümlichen Körperbildung und der großen Körperschwäche der Eingeborenen gemacht hatten. Wir machten in der Folge die Erfahrung, und brauchten deshalb die Grenzen der Provinz Cumana nicht zu überschreiten, wie auffallend die Guayqueries äußerlich von den Chaymas und den Caraiben verschieden sind. So nahe alle Völker Amerikas miteinander verwandt scheinen, da sie ja derselben Race angehören, so unterscheiden sich doch die Stämme nicht selten bedeutend im Körperwuchs, in der mehr oder weniger dunkeln Hautfarbe, im Blick, aus dem den einen Seelenruhe und Sanftmuth, bei andern ein unheimliches Mittelding von Trübsinn und Wildheit spricht.
Sobald die Piroguen so nahe waren, daß man die
Die Guayqueries gehören zum Stamm civilisirter Indianer, welche
auf den Küsten von Margarita und in den Vorstädten von Cumana
wohnen. Nach den Caraiben des spanischen Guyana sind sie der
schönste Menschenschlag in Terra Firma. Sie genießen
verschiedener Vorrechte, da sie seit der ersten Zeit der
Eroberung sich als treue Freunde der Castilianer bewährt haben.
Der König von Spanien nennt sie daher auch in seinen
Handschreiben »seine lieben, edlen und getreuen Guayqueries«.
Die Indianer, auf die wir in den zwei Piroguen gestoßen, hatten
den Hafen von Cumana in der Nacht verlassen. Sie wollten Bauholz
in den
Cedrela
odorata Linné] holen, die sich vom Cap San José bis
über die Mündung des Rio Carupano hinaus erstrecken. Sie gaben
uns frische Cocosnüsse und einige Fische von der Gattung
Choetodon, deren Farben wir nicht genug bewundern
konnten. Welche Schätze enthielten in unseren Augen die Kähne
der armen Indianer! Ungeheure Vijaoblätter [Heliconia
bihai.] bedeckten Bananenbüschel; der Schuppenpanzer eines
Tatou [Armadill, Dasypus, Cachicamo], die Frucht
der Crescentia cujete, die den Eingeborenen als
Trinkgefäße dienen, Naturkörper, die in den europäischen
Cabinetten zu den gemeinsten gehören, hatten ungemeinen Reiz für
uns, weil sie uns lebhaft daran mahnten, daß wir uns im heißen
Erdgürtel befanden und das längstersehnte Ziel erreicht hatten.
Der Patron einer der Piroguen erbot sich, an Bord des
Pizarro zu bleiben, um uns als Lootse zu dienen. Der Mann
empfahl sich durch sein ganzes Wesen; er war ein scharfsinniger
Beobachter und hatte sich in lebhafter Wißbegier mit den
Meeresprodukten wie mit den einheimischen Gewächsen abgegeben.
Ein glücklicher Zufall fügte es, daß der erste Indianer, dem wir
bei unserer Landung begegneten, der Mann war, dessen
Bekanntschaft unseren Reisezwecken äußerst förderlich wurde. Mit
Vergnügen schreibe ich in dieser Erzählung den Namen Carlos del
Pino nieder, so hieß der Mann, der uns sechzehn Monate lang auf
unseren Zügen längs der Küsten und im inneren Lande begleitet
hat.
Gegen Abend ließ der Capitän der Corvette den Anker lichten.
Bevor wir die Untiefe oder den Placer bei Coche
verließen, bestimmte ich die Länge des östlichen Vorgebirges
In diesem Striche angelangt, sahen wir die hohen Berge von Kap Macanao im Westen der Insel Margarita majestätisch am Horizont aufsteigen. Nach den Höhenwinkeln, die wir in 18 Meilen Entfernung nahmen, mögen diese Gipfel 500–600 Toisen absolute Höhe haben. Nach Louis Berthoud´s Chronometer liegt Cap Macanao unter 66° 47' 5" Länge. Ich nahm die Felsen am Ende des Vorgebirges auf, nicht die sehr niedrige Landzunge, die nach West fortstreicht und sich in eine Untiefe verliert. Die Länge, die ich für Macanao gefunden, und die, welche ich oben für die Ostspitze der Insel Coche angegeben, weichen von Fidalgos Beobachtungen nur um 4 Zeitsecunden ab.
Der Wind war sehr schwach; der Capitän hielt es für
Wir brachten die Nacht zum Theil auf dem Verdeck zu. Der
indianische Lootse unterhielt uns von den Thieren und Gewächsen
seines Landes. Wir hörten zu unserer großen Freude, wenige
Meilen von der Küste sey ein gebirgiger, von Spaniern bewohnter
Landstrich, wo empfindliche Kälte herrsche, und auf den Ebenen
kommen zwei sehr verschiedene Krokodile [Crocodilus
acutus und C. Bava.] vor, ferner Boas, elektrische
Aale [Gymnotus electricus, Temblador.] und
mehrere Tigerarten. Obgleich die Worte Bava,
Cachicamo und Temblador uns ganz unbekannt waren,
ließ uns die naive Beschreibung der Gestalt und der Sitten der
Thiere alsbald die Arten erkennen, welche die Creolen so
benennen. Wir dachten nicht daran, daß diese Thiere über
ungeheure Landstriche zerstreut sind, und hofften, sie gleich in
den Wäldern bei Cumana beobachten zu können. Nichts reizt die
Neugierde des Naturkundigen mehr als der Bericht von den Wundern
eines Landes, das er betreten soll.
Am 16. Juli 1799, bei Tagesanbruch, lag eine grüne, malerische
Küste vor uns. Die Berge von Neuandalusien begrenzten, halb von
Wolken verschleiert, nach Süden den
Erster Auftenthalt in Cumana. — Die Ufer des Manzanares
Wir waren am 16. Juli mit Tagesanbruch auf dem Ankerplatz,
gegenüber der Mündung des Rio Manzanares, angelangt, konnten uns
aber erst spät am Morgen ausschiffen, weil wir den Besuch der
Hafenbeamten abwarten mußten. Unsere Blicke hingen an den
Gruppen von Cocosbäumen, die das Ufer säumten und deren über
sechzig Fuß [20 m] hohe Stämme die Landschaft beherrschten.
Die Ebene war bedeckt mit Büschen von Cassien, Capparis und den
baumartigen Mimosen, die gleich den Pinien Italiens ihre Zweige
schirmartig ausbreiten. Die gefiederten Blätter der Palmen hoben
sich von einem Himmelsblau ab, das keine Spur von Dunst trübte.
Die Sonne stieg rasch zum Zenith auf; ein blendendes Licht war
in der Luft verbreitet und lag auf den weißlichen Hügeln mit
zerstreuten cylindrischen Cactus und auf dem ewig ruhigen Meere,
dessen Ufer von Alcatras [Ein brauner Pelikan von der Größe des
Schwans. Pelicanus fuscus, Linné.], Reihern und
Flamingo bevölkert sind. Das glänzende Tageslicht, die Kraft der
Pflanzenfarben, die Gestalten der Gewächse, das bunte Gefieder
der Vögel, alles trug den großartigen Stempel der tropischen
Natur.
Cumana, die Hauptstadt von Neuandalusien,
liegt eine Meile [4,5 km] vom Landungsplatz oder der Batterie
de la Bocca, bei der wir ans Land gestiegen, nachdem wir
über die Barre des Manzanares gefahren. Wir hatten über eine
weite Ebene [El Salado] zu gehen, die zwischen der
Vorstadt der Guayqueries und der Küste liegt. Die starke Hitze
wurde durch die Strahlung des zum Theil pflanzenlosen Bodens
noch gesteigert. Der hunderttheilige Thermometer, in den weißen
Sand gesteckt, zeigte 37°,7. In kleinen Salzwasserlachen stand
er auf 30°,5, während im Hafen von Cumana die Temperatur des
Meeres an der Oberfläche meist 25°,2 bis 26°,3 beträgt. Die
erste Pflanze, die wir auf dem amerikanischen Festland
pflückten, war die Avicennia tomentosa (Mangle
prieto), die hier kaum zwei Fuß hoch wird. Dieser Strauch,
das Sesuvium, die gelbe Gomphrena und die Cactus
bedecken den mit salzsaurem Natron geschwängerten Boden; sie
gehören zu den wenigen Pflanzen, die, wie die europäischen
Heiden, gesellig leben, und dergleichen in der heißen Zone nur
am Meeresufer und auf den hohen Plateaus der Anden vorkommen.
Nicht weniger interessant ist die die cumanische Avicennia durch
eine andere Eigenthümlichkeit: diese Pflanze gehört dem Gestade
und der Küste von Malabar gemeinschaftlich an.
Der indische Lootse führte uns durch seinen Garten, der viel
mehr einem Gehölz als einem bebauten Lande glich. Er zeigte uns
als Beweis der Fruchtbarkeit des Klimas einen Käsebaum
(Bombax heptaphyllum), dessen Stamm im vierten Jahre
bereits gegen dritthalb Fuß [75 cm] Durchmesser hatte. Wir
Cupressus disticha wählt, die zwischen neun und fünfzehn
Fuß [3 und 4,5 m] dick werden. Im Garten des Lootsen am
Gestade von Cumana sahen wir auch zum erstenmal einen
GuamaInga spuria. Die weißen Staubfäden, 60 bis
70 an der Zahl, sitzen an einer grünlichen Blumenkrone, haben
Seidenglanz und an der Spitze einen gelben Staubbeutel. Die
Blüthe der Guama ist 18 Linien [4 cm] lang. Dieser schöne
Baum, der am liebsten an feuchten Orten wächst, wird zwischen 8
und 10 Toisen [15,5 und 19,5 m] hoch.
Wir wurden vom Capitän des Pizarro zum Statthalter der Provinz, Don Vicente Emparan, geführt, um ihm die Pässe zu überreichen, die das Staatssecretariat uns ausgestellt. Er empfing uns mit der Offenheit und edlen Einfachheit, die von jeher Züge des baskischen Volkscharakters waren. Ehe er zum Statthalter von Portobelo und Cumana ernannt wurde, hatte er sich als Schiffscapitän in der königlichen Marine ausgezeichnet. Sein Name erinnert an einen der merkwürdigsten und traurigsten Vorfälle in der Geschichte der Seekriege. Nach dem letzten Bruch zwischen Spanien und England schlugen sich zwei Brüder des Statthalters Emparan bei Nacht vor dem Hafen von Cadix mit ihren Schiffen, weil jeder das andere Schiff für ein feindliches hielt. Der Kampf war so furchtbar, daß beide Schiffe fast zugleich sanken. Nur ein sehr kleiner Theil der beiderseitigen Mannschaft wurde gerettet, und die beiden Brüder hatten das Unglück, einander kurz vor ihrem Tode zu erkennen.
Der Statthalter von Cumana äußerte sich sehr zufrieden über
unseren Entschluß, uns eine Zeitlang in Neuandalusien
aufzuhalten, das zu jener Zeit in Europa kaum dem Namen nach
bekannt war, und das in seinen Gebirgen und an den Ufern seiner
zahlreichen Ströme der Naturforschung das reichste Feld der
Beobachtung bietet. Der Statthalter zeigte uns mit einheimischen
Pflanzen gefärbte Baumwolle und schöne Möbeln ganz
aus einheimischen Hölzern; er interessirte sich lebhaft für alle
physischen Wissenschaften und fragte uns zu unserer großen
Verwunderung, ob wir nicht glaubten, daß die Luft unter dem
schönen tropischen Himmel weniger Stickstoff (azotico)
enthalte als in Spanien, oder ob, wenn das Eisen hierzulande
rascher oxydire, dies allein von der größeren
Am Abend ließen wir unsere Instrumente ausschiffen und fanden zu
unserer Befriedigung keines beschädigt. Wir mietheten ein
geräumiges, für die astronomischen Beobachtungen günstig
gelegenes Haus. Man genoß darin, wenn der Südwind wehte, einer
angenehmen Kühle; die Fenster waren ohne Scheiben, nicht einmal
mit Papier bezogen, das in Cumana meist statt des Glases dient.
Sämmtliche Passagiere des Pizarro verließen das Schiff, aber die
vom bösartigen Fieber Befallenen genasen sehr langsam. Wir sahen
welche, die nach einem Monat, trotz der guten Pflege, die ihnen
von ihren Landsleuten geworden, noch erschrecklich blaß
Pulpero (Krämer) Aufnahme
zu finden, ob er nun nach Chile oder nach Mexiko oder auf die
Philippinen kommt. Ich habe die rührendsten Beispiele gesehen,
wie für unbekannte Menschen ganze Jahre lang unverdrossen
gesorgt wird. Man kann hören, Gastfreundschaft sey leicht zu
üben in einem herrlichen Klima, wo es Nahrungsmittel im
Ueberfluß gibt, wo die einheimischen Gewächse wirksame
Heilmittel liefern, und der Kranke in seiner Hängematte unter
einem Schuppen das nöthige Obdach findet. Soll man aber die
Ueberlast, welche die Ankunft eines Fremden, dessen Gemüthsart
man nicht kennt, einer Familie verursacht, für nichts rechnen?
und die Beweise gefühlvoller Theilnahme, die aufopfernde
Sorgfalt der Frauen, die Geduld, die während einer langen,
schweren Wiedergenesung nimmer ermüdet, soll man von dem allen
absehen? Man will die Beobachtung gemacht haben, daß, vielleicht
mit Ausnahme einiger sehr volkreichen Städte, seit den ersten
Niederlassungen spanischer Ansiedler in der neuen Welt die
Gastfreundschaft nicht merkbar abgenommen habe. Der Gedanke thut
wehe, daß dieß allerdings anders werden muß, wenn einmal
Bevölkerung und Industrie in den
Unter den Kranken, die in Cumana an Land kamen, befand sich ein Neger, der einige Tage nach unserer Ankunft in Raserei verfiel; er starb in diesem kläglichen Zustand, obgleich sein Herr, ein siebzigjähriger Mann, der Europa verlassen hatte, um in San Blas, am Eingang des Golfs von Californien, eine neue Heimath zu suchen, ihm alle erdenkliche Pflege hatte zu Theil werden lassen. Ich erwähne dieses Falls, um zu zeigen, daß zuweilen Menschen, die im heißen Erdstrich geboren sind, aber in einem gemäßigten Klima gelebt haben, den verderblichen Einflüssen der tropischen Hitze erliegen. Der Neger war ein junger Mensch von achtzehn Jahren, sehr kräftig und auf der Küste von Guinea geboren. Durch mehrjährigen Aufenthalt auf der Hochebene von Castilien hatte aber seine Constitution den Grad von Reizbarkeit erhalten, der die Miasmen der heißen Zone für die Bewohner nördlicher Länger so gefährlich macht.
Der Boden, auf dem die Stadt Cumana liegt, gehört einer
geologisch sehr interessanten Bildung an. Da mir aber seit
meiner Rückkehr nach Europa einige Reisende mit der Beschreibung
von Küstenstrichen, die sie nach mir besucht, zuvorgekommen
sind, so beschränke ich mich hier auf Bemerkungen, die außerhalb
des Kreises ihrer Beobachtungen fallen. Die Kette der Kalkalpen
des Brigantin und Tataraqual streicht von Ost nach West vom
Gipfel Imposible bis zum Hafen von Mochima und nach
Campanario. In einer sehr fernen Zeit scheint das Meer diesen
Gebirgsdamm von der Felsen
Die Stadt Cumana lehnt sich an diese Hügel, die einst ein Eiland
im Golf von Cariaco waren. Das Stück der Ebene norwärts von der
Stadt heißt »der kleine Strand« (Plaga chica); sie dehnt
sich gegen Ost bis zur Punta Delgada aus, und hier bezeichnet
ein enges mit Gomphrena flava bedecktes Thal den Punkt,
wo einst der Durchbruch der Gewässer stattfand. Dieses Tal,
dessen Eingang durch kein Außenwerk vertheidigt wird, erscheint
als der Punkt, von wo der Platz einem Angriff am meisten
ausgesetzt ist. Der Feind kann in voller Sicherheit zwischen der
Punta Arenas del Barigon und der Mündung des Manzanares
durchgehen, wo die See 40–50 [73–91 m] und weiter nach Südost
sogar 87 Faden [159 m] tief ist. Er kann an der Punta
Delgada landen und das Fort St. Antonio und die Stadt Cumana
im Rücken angreifen, ohne daß er vom Feuer der westlichen Batterien
auf der Playa Chica an der Mündung des Stroms und beim Cerro
Colorado etwas zu fürchten hätte.
Der Hügel aus Kalkstein, den wir, wie oben bemerkt, als eine
Insel im ehemaligen Golf betrachten, ist mit
Die Cactusgebüsche spielen auf dürrem Boden in Südamerika
dieselbe Rolle wie in unseren nördlichen Ländern die mit Binsen
und Hydrocharideen bewachsenen Brüche. Ein Ort, wo
stachlichte Cactus von hohem Wuchs in Reihen stehen, gilt fast
für undurchdringlich. Solche Stellen, Tunales genannt,
halten nicht allein den Eingeborenen auf, der bis zum Gürtel
nackt ist, sie sind ebensosehr von den Stämmen gefürchtet, die
ganz bekleidet gehen. Auf unsern einsamen Spaziergängen
Tunal
einzudringen, der die Spitze des Schloßberges krönt und durch
den zum Theil ein Fußweg führt. Hier ließe sich der Bau dieses
sonderbaren Gewächses an Tausenden von Exemplaren beobachten.
Zuweilen wurden wir von der Nacht überrascht, denn in diesem
Klima gibt es fast keine Dämmerung. Unsere Lage war dann desto
bedenklicher, da der Cascabel oder die Klapperschlange,
der Coral und andere Schlangen mit Giftzähnen zur
Legezeit solche heißen trockenen Orte aufsuchen, um ihre Eier in
den Sand zu legen.
Das Schloß St. Antonio liegt auf der westlichen Spitze des
Hügels, aber nicht auf dem höchsten Punkt; es wird gegen Osten
von einer nicht befestigten Höhe beherrscht. Der Tunal
gilt hier und überall in den spanischen Niederlassungen für ein
nicht unwichtiges militärisches Vertheidigungsmittel. Wo man
Erdwerke anlegt, suchen die Ingenieurs recht viele stachlichte
Fackeldisteln darauf anzubringen und ihr Wachsthum zu befördern,
wie man auch die Krokodile in den Wassergräben der festen Plätze
hegt. In einem Klima, wo die organische Natur eine so gewaltige
Triebkraft hat, zieht der Mensch fleischfressende Reptilien und
mit furchtbaren Stacheln bewehrte Gewächse zu seiner
Vertheidigung herbei.
Das Schloß St. Antonio, wo man an Festtagen die Flagge von
Castilien aufzieht, liegt nur 30 Toisen [58,5 m] über dem
Wasserspiegel des Meerbusens von Cariaco. Auf seinem kahlen
Kalkhügel beherrscht es die Stadt und liegt, wenn man in den
Hafen einfährt, höchst malerisch da. Es hebt sich hell von der
dunkeln Wand der Gebirge ab, deren Gipfel bis zur Schneeregion
aufsteigen und deren duftiges Blau mit dem Himmelsblau
verschmilzt. Geht man vom Fort St. Antonio
Die eigentliche Stadt Cumana liegt zwischen dem Schlosse St.
Antonio und den kleinen Flüssen Manzanares und Santa Catalina.
Das durch die Arme des ersteren Flusses gebildete Delta ist ein
fruchtbares Land, bewachsen mit Mammea, Achra, Bananen und
anderen Gewächsen, die in den Gärten oder Charas der
Indianer gebaut werden. Die Stadt hat kein ausgezeichnetes
Gebäude aufzuweisen, und bei der Häufigkeit von Erdbeben wird
sie schwerlich je welche haben. Starke Erdstöße kommen zwar im
selben Jahre in Cumana nicht so häufig vor als in Quito, wo
durch prächtige, sehr hohe Kirchen stehen;
succusio und die
inclinatio des Seneca (Quaestiones naturales. Lib. VI.
c. 21). Aber schon der Scharfsinn der Alten machte die
Bemerkung, daß die Art und Weise der Erdstöße viel zu
veränderlich ist, als daß man sie unter solche vermeintliche
Gesetze bringen könnte. (Plato bei Plutarch de placit.
Philos. L. III. c. 15.)
Die Vorstädte von Cumana sind fast so stark bevölkert wie die
alte Stadt. Es sind ihrer drei: Die der Serritos auf dem
Wege nach der Plaga chica, wo einige schöne Tamarindenbäume
stehen, die südöstlich gelegene, San Francisco genannt, und die
große Vorstadt der Guayqueries. Der Name dieses Indianerstammes
war vor der Eroberung ganz unbekannt. Die Eingeborenen, die
denselben jetzt führen, gehörten früher zu der Nation der
Guaraunos, die nur noch auf dem Sumpfboden zwischen den Armen
des Orinoco lebt. Alte Männer versicherten mich, die Sprache
ihrer Vorfahren sey eine Mundart des Guaraunosprache gewesen,
aber seit hundert Jahren gebe es in Cumana und auf
Das Wort Guayqueries verdankt, gerade wie die Worte
Peru und Peruaner, seinen Ursprung einem bloßen
Mißverständnisse. Als die Begleiter des Columbus an der Insel
Margarita hinfuhren, auf deren Nordküste noch jetzt der am
höchsten stehende Theil dieser Nation wohnt, stießen sie auf
einige Eingeborene, die Fische harpunirten, indem sie einen mit
einer sehr feinen Spitze versehenen, an einen Strick gebundenen
Stock gegen sie schleuderten. Sie fragten sie in haytischer
Sprache, wie sie hießen: die Indianer aber meinten, die Fremden
erkundigten sich nach den Harpunen aus dem harten, schweren Holz
der Macanapalme und antworteten: Guaike, Guaike,
das heißt: spitziger Stock. Die Guayqueries, ein
gewandtes, civilisirtes Fischervolk, unterscheiden sich jetzt
auffallend von den wilden Guaraunos am Orinoco, die ihre Hütten
an den Stämmen der Morichepalme aufhängen.
Die Bevölkerung von Cumana ist in der neuesten Zeit viel zu hoch
angegeben worden. Im Jahre 1800 schätzten sie Ansiedler, die in
nationalökonomischen Untersuchungen wenig Bescheid wissen, auf
20,000 Seelen, wogegen königliche bei der Landesregierung
angestellte Beamte meinten, die Stadt samt den Vorstädten habe
nicht 12,000. Depons gibt in seinem schätzbaren Werk über die
Provinz Caracas der Stadt im Jahre 1802 gegen 28,000 Einwohner;
andere geben im Jahr 1810 30,000 an. Wenn man bedenkt, wie
langsam die Bevölkerung in Terra Firma zunimmt, und zwar nicht
auf dem Land, sondern in den Städten, so läßt sich bezweifeln,
daß Cumana bereits um ein Drittheil volkreicher seyn sollte als
Vera Cruz, der vornehmste Hafen des Königreichs
Eine im Jahr 1792 vorgenommene Zählung ergab für die Stadt Cumana, ihre Vorstädte und die einzelnen Häuser auf eine Meile in der Runde nur 10,740 Einwohner. Ein Schatzbeamter, Don Manuel Navarete, versichert, daß man sich bei dieser Zählung höchstens um ein Drittheil oder ein Viertheil geirrt haben könne. Vergleicht man die jährlichen Taufregister, so macht sich von 1792 bis 1800 nur eine geringe Zunahme bemerklich. Die Weiber sind allerdings sehr fruchtbar, besonders die eingeborenen, aber wenn auch die Pocken im Lande noch unbekannt sind, so ist doch die Sterblichkeit unter den kleinen Kindern furchtbar groß, weil sie in völliger Verwahrlosung aufwachsen und die üble Gewohnheit haben, unreife, unverdauliche Früchte zu genießen. Die Zahl der Geburten beträgt im Durchschnitt 520 bis 600, was auf eine Bevölkerung von höchstens 16,800 Seelen schließen läßt. Man kann versichert seyn, daß sämmtliche Indianerkinder getauft und in das Taufregister der Pfarre eingetragen sind, und nimmt man an, die Bevölkerung sey im Jahr 1800 26,000 Seelen stark gewesen, so käme auf dreiundvierzig Köpfe nur Eine Geburt, während sich die Geburten zur Gesammtbevölkerung in Frankreich wie 28 zu 100 und in den tropischen Strichen von Mexico wie 17 zu 100 verhalten.
Vermuthlich wird sich die indianische Vorstadt allmählich bis zum Landungsplatz ausdehnen, da die Fläche, auf der noch keine Häuser oder Hütten stehen, höchstens 340 Toisen lang ist. Dem Strande zu ist die Hitze etwas weniger drückend als in der Altstadt, wo wegen des Zurückprallens der Sonnenstrahlen vom Kalkboden und der Nähe des Berges St. Antonio die Temperatur der Luft ungemein hoch steigt. In der Vorstadt der Guayqueries haben die Seewinde freien Zutritt, der Boden ist Thon und damit, wie man glaubt, den heftigen Stößen der Erdbeben weniger ausgesetzt, als die Häuser, die sich an die Felsen und Hügel am rechten Ufer des Manzanares lehnen.
Bei der Mündung des kleinen Flusses Santa Catalina ist der Saum des Ufers
mit sogenannten Wurzelträgern [Rhizophora Mangle.] besetzt; aber
diese Manglares sind nicht groß genug, um der Salubrität der Luft in
Cumana Eintrag zu thun. Im übrigen ist die Ebene theils kahl, theils
bedeckt mit Büschen von Sesubium portulacastrum, Gomphrena
flava, Gomphrena myrtifolia, Talinum cuspidatum,
Talinum cumanense und Portulaca lanuginosa. Unter diesen
krautartigen Gewächsen erheben sich da und dort die Avicennia
tomentosa, die Scoparia dulcus, eine strauchartige Mimose mit
sehr reizbaren Blättern, besonders aber Cassien, deren in Südamerika so
viele vorkommen, daß wir auf unsern Reisen mehr als dreißig neue Arten
zusammengebracht haben.
Geht man zur indischen Vorstadt hinaus und am Fluß gegen Süd
hinauf, so kommt man zuerst an ein
Den Einwohnern Cumanas ist die Kühlung durch den Seewind lieber
als der Blick ins Grüne, und so kennen sie fast keinen andern
Spaziergang als den großen Strand. Die Castilianer, denen man
nachsagt, sie seyen im allgemeinen keine Freunde von Bäumen und
Vogelgesang, haben ihre Sitten und ihre Vorurtheile in die
Colonien mitgenommen. In Terra Firma, Mexico und Peru sieht man
selten einen Eingeborenen einen Baum pflanzen allein in der
Absicht,
Cavia
capybara, Linné], Galinazogeier [Vultur
aura, Linné], dem Krokodil, den Vipern
und Klapperschlangen. Die Gase, die das Vehikel dieses Aromas
sind, scheinen sich nur in dem Maaße zu entwickeln, als der
Boden, der die Reste zahlloser Reptilien, Würmer und Insekten
enthält, sich mit Wasser schwängert. Ich habe indianische Kinder
vom Stamme der Chaymas achtzehn Zoll lange und sieben Linien
breite [40 cm lange und 15 mm breite] Scolopender oder
Tausendfüße aus dem Boden ziehen und verzehren sehen. Wo man den
Boden aufgräbt, muß man staunen über die Massen organischer
Stoffe, die wechselnd sich entwickeln, sich umwandeln oder
zersetzen. Die Natur scheint in diesen Himmelsstrichen
kraftvoller, fruchtbarer, man möchte sagen mit dem Leben
verschwenderischer.
Am Strande und bei den Melkereien, von denen eben die Rede war,
hat man, besonders bei Sonnenaufgang, eine sehr schöne Aussicht
auf die Gruppe hoher Kalkberge. Da diese Gruppe im Hause, wo wir
wohnten, nur unter einem Winkel von drei Grad erscheint, diente
sie mir lange dazu, die Veränderungen in der irdischen
Refraction mit den meteorologischen Veränderungen in der
irdischen Refraction zu vergleichen. Die Gewitter bilden sich
mitten in dieser Cordillere, und man sieht von
mesa. Diese eigenthümliche Bildung und
die symmetrische Lage einiger Kegel, die den Brigantin umgeben,
brachten mich anfänglich auf die Vermuthung, daß diese
Berggruppe, die ganz aus Kalkstein besteht, Glieder der Basalt-
oder Trappformation enthalten möchte.
Der Statthalter von Cumana hatte im Jahr 1797 muthige Männer
ausgeschickt, die das völlig unbewohnte Land untersuchen und
einen geraden Weg nach Neu-Barcelona über den Gipfel der
Mesa eröffnen sollten. Man vermuthete mit Recht, dieser
Weg werde kürzer und für die Gesundheit der Reisenden nicht so
gefährlich seyn als der längs der Küste, den die Couriere von
Caracas einschlagen; aber alle Bemühungen, über die Bergkette zu
kommen waren fruchtlos. In diesen Ländern Amerikas, wie in
NeuhollandCerro de San
Antonio gebildete Längenthal fließt der Manzanares. In der
ganzen Umgegend von Cumana ist dieß der einzige ganz bewaldete
Landstrich; er heißt die Ebene der Charas,
[Chacra, verdorben Chara, heißt eine von einem
Garten umgebene Hütte.] wegen der vielen Pflanzungen, welche
die Einwohner seit einigen Jahren den Fluß entlang versucht
haben. Ein schmaler Pfad führt vom Hügel von San Francisco durch
den Forst zum Kapuzinerhospiz, einem höchst angenehmen Landhaus,
das die aragonesischen Mönche für alte entkräftete Missionäre,
die ihres Amtes nicht mehr walten können, gebaut haben. Gegen
Ost werden die Waldbäume immer kräftiger und man sieht hier und
da einen Affen [Der gemeine Machi oder Heulaffe.], die
sonst in der Gegend sehr selten sind. Zu den Füßen der Capparis,
Bauhinien und des Zygophyllum mit goldgelben Blüthen breitet
sich ein Teppich vom Bromelien [Chihuchihue, aus der Familie
der Ananas.] aus, deren Geruch und deren kühles Laub die
Klapperschlangen hieher ziehen.
Der Manzanares hat sehr klares Wasser und zum Glück nichts mit
dem Madrider Manzanares gemein, der unter seiner prächtigen
Brücke noch schmäler erscheint. Er entspringt, wie alle Flüsse
Neuandalusiens, in einem Striche der Savanen (Llanos), der unter
dem Namen der Plateaus von Jonoro, Amana und Guanipa bekannt ist
und beim indianischen Dorfe San Fernando die Gewässer des Rio
Juanillo aufnimmt. Man hat der Regierung öfter, aber immer
Ipure
ein Wehr bauen zu lassen, um die Ebene der Charas künstlich zu
bewässern, denn der Boden ist trotz seiner scheinbaren Dürre
ausnehmend fruchtbar, sobald Feuchtigkeit zu der herrschenden
Hitze hinzukommt. Die Landleute, die im Allgemeinen in Cumana
nicht wohlhabend sind, sollten nach und nach die Auslagen für
die Schleuße ersetzen. Bis das Projekt in Ausführung kommt, hat
man Schöpfräder, durch Maulthiere getriebene Pumpen und andere
sehr unvollkommene Wasserwerke angelegt.
Die Ufer des Manzanares sind sehr freundlich, von Mimosen,
Erythrina, Ceiba und anderen Bäumen von riesenhaftem Wuchs
beschattet. Ein Fluß, dessen Temperatur zur Zeit des
Hochwassers auf 22° fällt, während der Thermometer der Luft auf
30–33° steht, ist eine unschätzbare Wohltat in einem Lande,
wo das ganze Jahr eine furchtbare Hitze herrscht und man den
Trieb hat, mehrere Male des Tages zu baden. Die Kinder bringen
sozusagen einen Teil ihres Lebens im Wasser zu; alle Einwohner,
selbst die weiblichen Glieder der reichsten Familien, können
schwimmen, und in einem Lande, wo der Mensch dem Naturstande
noch so nahe ist, hat man sich, wenn man morgens einander
begegnet, nichts Wichtigeres zu fragen, als ob der Fluß heute
kühler sey als gestern. Man hat verschiedene Bademethoden. So
besuchten wir jeden Abend eine Zirkel sehr achtungswerter
Personen in der Vorstadt der Guaykari. Da stellte man bei
schönem Mondschein Stühle ins Wasser; Männer und Frauen waren
leicht bekleidet, wie in manchen Bädern des nördlichen Europas,
und die Familie und die Fremden blieben ein paar Stunden im
Flusse sitzen, rauchten
Bavas oder kleinen
Krokodile, die jetzt sehr selten sind und den Menschen nahe
kommen, ohne anzugreifen, ließ sich die Gesellschaft durchaus
nicht stören. Diese Tiere sind drei bis vier Fuß [1 bis
1,3 m] lang; wir haben nie
eines im Manzanares gesehen, wohl aber Delphine, die zuweilen
bei Nacht im Flusse heraufkommen und die Badenden erschrecken,
wenn sie durch ihre Luftlöcher Wasser spritzen.
Der Hafen von Cumana ist eine Reede, welche die Flotten von ganz
Europa aufnehmen könnte. Der ganze Meerbusen von Cariaco, der
sechsunddreißig Semeilen [67 km] lang und sechs bis acht
[11 bis 15 km] breit ist, bietet vortrefflichen
Ankergrund. Der Große Ozean an der Küste von Peru kann nicht
stiller und ruhiger seyn als das Meer der Antillen von
Portocabello an, namentlich aber vom Vorgebirge Codera bis zur
Landspitze von Paria. Von den Stürmen bei den Antillischen
Inseln spürt man nie etwas in diesem Strich, wo man in
Schaluppen ohne Verdeck das Meer befährt. Die einzige Gefahr im
Hafen von Cumana ist eine Untiefe, Baxo del Morro roxo,
die von West nach Ost 900 Toisen [1750 m] lang ist
und so steil abfällt, daß
man dicht dabei ist, ehe man sie gewahr wird.
Ich habe die Lage von Cumana etwas ausführlich beschrieben, weil
es mir wichtig schien, eine Gegend kennenzulernen, die seit
Jahrhunderten der Herd der fruchtbarsten Erdbeben war. Ehe wir
von diesen außerordentlichen
Die Stadt liegt am Fuße eines kahlen Hügels und wird von einem
Schlosse beherrscht. Kein Glockenturm, keine Kuppel fällt
von weitem dem Reisenden ins Auge, nur einige
Tamarinden-, Kokosnuß- und Dattelstämme erheben sich über die
Häuser mit platten Dächern. Die Ebene ringsum, besonders dem
Meere zu ist trübselig, staubig und dürr, wogegen ein frischer,
kräftiger Pflanzenwuchs von weitem den geschlängelten Lauf des
Flusses bezeichnet, der die Stadt von den Vorstädten, die
Bevölkerung von europäischer und gemischter Abkunft von den
kupferfarbenen Eingeborenen trennt. Der freistehende, kahle,
weiße Schloßberg San Antonio wirft zugleich eine große Masse Licht
und strahlender Wärme zurück; er besteht aus Breccien, deren
Schichten versteinerte Seetiere einschließen. In weiter Ferne
gegen Süden streicht dunkel ein mächtiger Gebirgszug hin. Dies
sind die hohen Kalkalpen von Neuandalusien, wo dem Kalk
Sandsteine und andere neuere Bildungen aufgelagert sind.
Majestätische Wälder bedecken diese Kordillere im innern Land
und hängen durch ein bewaldetes Tal mit dem nackten, tonigen und
salzhaltigen Boden zusamen, auf dem Cumana liegt. Einige Vögel
von bedeutender Größe tragen zur eigentümlichen Physiognomie des
Landes bei. Am Gestade und am Meerbusen sieht man Scharen von
Fischreihern und Alcatras, sehr plumpen Vögeln, die gleich den
Schwänen mit gehobenen Flügeln über das Wasser gleiten. Näher
bei den Wohnstätten der Menschen sind Tausende von
Galinazogeiern, wahre Chakals unter dem Gefieder, rastlos
beschäftigt, tote Tiere zu
Zu den Zügen, welche, wie oben angedeutet, der Küstenstrich
von Neu-Andalusien und der von Peru gemein haben, kommt nun noch,
daß die Erdbeben dort wie hier gleich häufig sind, und daß die
Natur für diese Erscheinungen beidemal dieselben Grenzen
einzuhalten scheint.
Wir selbst haben in Cumana sehr starke Erdstöße gespürt, eben
war man daran, die vor kurzem eingestürzten Gebäude wieder
aufzurichten, und so hatten wir Gelegenheit, uns an Ort und
Stelle über die Vorgänge bei der furchtbaren Katastrophe vom
14. Dezember 1797 genau zu erkundigen. Diese Angaben werden um so
mehr Interesse haben, da die Erdbeben bisher weniger aus
physischem und geologischem Gesichtspunkt, als vielmehr nur
Es ist eine an der Küste von Cumana und auf der Insel Margarita sehr verbreitete Meinung, daß der Meerbusen von Cariaco sich infolge der Zertrümmerung des Landes und eines gleichzeitigen Einbruches des Meeres gebildet habe. Die Erinnerung an diese gewaltige Umwälzung hatte sich unter den Indianern bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts erhalten, und wie erzählt wird, sprachen die Eingeborenen bei der dritten Reise des Christoph Kolumbus davon wie von einem ziemlich neuen Ereignis. Im Jahre 1530 wurden die Bewohner der Küsten von Paria und Cumana durch neue Erdstöße erschreckt. Das Meer stürzte über das Land her, und das kleine Fort, das Jakob Castellon bei Neutoledo gebaut hatte, wurde gänzlich zerstört. Zugleich bildete sich eine ungeheure Spalte in den Bergen von Cariaco, am Ufer des Meerbusens dieses Namens, und eine gewaltige Masse Salzwasser, mit Asphalt vermischt, sprang aus dem Glimmerschiefer hervor. Am Ende des sechzehnten Jahrhunderts waren die Erdbeben sehr häufig, und nach den Ueberlieferungen, die sich in Cumana erhalten haben, überschwemmte das Meer öfter den Strand und stieg 15–20 Toisen [30–39 m] hoch an. Die Einwohner flüchteten sich auf den Cerro de San Antonio und auf den Hügel, auf dem jetzt das kleine Kloster San Francisco steht. Man glaubt sogar, infolge dieser häufigen Ueberschwemmungen habe man das an den Berg gelehnte Stadtviertel angelegt, das zum Teil auf dem Anhang desselben liegt.
Da es keine Chronik von Cumana gibt, und da sich wegen der
beständigen Verheerungen der Termiten oder weißen
terra de hueca, hohler Boden, bekannt ist, weil sie
überall von warmen Quellen unterhöhlt zu seyn scheint. Während der
Jahre 1766 und 1767 lagerten die Einwohner von Cumana in den
Straßen und begannen mit dem Wiederaufbau ihrer Häuser erst, als
sich die Erdbeben nur noch alle Monate wiederholten. Hier auf
der Küste traten damals dieselben Erscheinungen ein, die man
auch im Königreich Quito unmittelbar nach der großen Katastrophe
vom 4. Februar 1797 beobachtet hat. Während sich der Boden
beständig wellenförmig bewegte, war es, als wollte sich die Luft
im Wasser auflösen. Durch ungeheure Regengüsse schwollen die
Flüsse an; das Jahr war ausnehmend fruchtbar, und die Indianer,
deren leichten Hütten die stärksten Erdstöße nichts anhaben,
feierten nach einen uralten
Nach der Ueberlieferung waren beim Erdbeben von 1766, wie bei
einem andern sehr merkwürdigen im Jahr 1794, die Stöße bloße
wagerechte wellenförmige Bewegungen; erst
am Unglückstage des 14. Dezember 1797 spürte man in Cumana zum
erstenmal eine hebende Bewegung von unten nach oben.
Ueber vier Fünftheile der Stadt wurden damals völlig zerstört,
und der Stoß, der von einem starken unterirdischen Getöse
begleitet war, glich, wie in Riobamba, der Explosion einer in
großer Tiefe angelegten Mine. Zum Glück ging dem heftigen Stoß
eine leichte wellenförmige Bewegung voraus, so daß die meisten
Bewohner sich auf die Straße flüchten konnten, und von denen,
die eben in den Kirchen waren, nur wenige das Leben verloren.
Man glaubt in Cumana allgemein, die verheerendsten Erdbeben
werden durch ganz schmale Schwingungen des Bodens und durch ein
Sausen angekündigt, und Leuten, die an solche Vorfälle gewöhnt
sind, entgeht solches nicht. In diesem verhängnisvollen
Augenblicke hört man überall den Ruf: Misericordia! tembla,
tembla! [Erbarmen! sie (die Erde) bebt! sie bebt!] und es
kommt selten vor, daß ein blinder Lärm durch einen Eingeborenen
veranlaßt wird. Die Aengstlichen achten auf das Benehmen der
Hunde, Ziegen und Schweine. Die letzteren, die einen ausnehmend
scharfen Geruch haben und gewöhnt sind im Boden zu wühlen,
verkünden die Nähe der Gefahr durch Unruhe und Geschrei. Wir
lassen es dahingestellt, ob sie das unterirdische Getöse zuerst
hören, weil sie näher am Boden sind, er ob etwa Gase, die der
Erde entsteigen, auf ihre Organe wirken.
In Cumana spürte man eine halbe Stunde vor der großen
Katastrophe am 14. Dezember 1797 am Klosterberg von San
Francisco einen starken Schwefelgeruch. Am selben Orte war das
unterirdische Getöse, das von Südost nach Südwest fortzurollen
schien, am stärksten. Zugleich sah man am Ufer des Manzanares,
beim Hospiz der Kapuziner und im Meerbusen von Cariaco bei
Mariguitar Flammen aus dem Boden schlagen. Wir werden in der Folge
sehen, daß letztere in nicht vulkanischen Ländern so auffallende
Erscheinung in den aus Alpenkalk bestehenden Gebirgen bei Cumanacao,
im Thale des Rio Bordones, auf der Insel Margarita und mitten in
dn Savanen oder LLanos von Neu-Andalusien ziemlich häufig
ist. In diesen Savanen steigen Feuergarben zu bedeutender Höhe auf;
man kann sie Stunden lang an den dürrsten Orten beobachten, und
man versichert, wenn man den Boden, dem der brennbare Stoff entströmt,
untersuche, sey keinerlei Spale darin zu bemerken. Dieses Feuer, das an
die Wasserstoffquellen oder Salse in Modena und an die
Irrlichter unserer Sümpfe erinnert, zündet das Gras nicht an,
wahrscheinlich weil die Säule des sich entbindenden Gases mit
Stickstoff und Kohlensäure vermengt ist und nicht bis zum Boden
herab brennt. Das Volk, da übrigens hier zu Land nicht so
abergläubisch ist als in Spanien, nennt diese röthlichen Flammen
el tirano spricht, so ist
immer der schändliche Lopez d'Aguirre gemeint, der im Jahr 1560
sich am Aufstand Fernandos de Guzman gegen den Statthalter von Omegua
und Dorado, Pedro de Ursua, betheiligtwe, und sich nachher selbst
traidor, Verräther, nannte.
Durch das große Erdbeben von 1797 ist die Untiefe an der Mündung des Rio Bordones in ihrem Umriß verändert worden. Ähnliche Hebungen sind bei der völligen Zerstörung Cumanas im Jahr 1766 bobachtet worden. Die Punta Delgada an der Westküste des Meerbusens von Cariaco wurde damals bedeutend größer, und im Rio Guarapiche beim Dorfe Maturin entstand eine Klippe, wobei ohne Zweifel der Boden des Flusses durch elastische Flüssigkeiten zerrissen und emporgehoben wurde.
Wir verfolgen die lokalen Veränderungen, welche die verschiedenen
Erdbeben in Cumana hervorgebracht, nicht weiter. Dem Plane dieses
Werkes entsprechend suchen wir vielmehr die Ideen unter allgemeine
Gesichtspunkte zu bringen und alles, was mit diesen schrecklichen
und zugleich so schwer zu erklärenden Vorgängen zusammenhängt, in
Einen Rahmen zusammenzufassen. Wenn Naturforscher, welche die
Schweizer Alpen oder die Küsten Lapplands besuchen, unsere Kenntniß
von den Gletschern und dem Nordlicht erweitern, so läßt sich von
Einem, der das spanische Amerika bereist hat, erwarten, daß er sein
Hauptaugenmerk auf Vulkane und Erdbeben gerichtet haben werde.
Jeder Strich des Erdballs liefert der Forschung eigenthümliche Stoffe,
und wenn wi nicht hoffen dürfen, die Ursachen der Naturerscheinungen
zu ergründen, so
Die großen Erdbeben, die nach einer langen Reihe kleiner Stöße eintreten, scheinen in Cumana nichts Periodisches zu haben. Man hat sie nach achtzig, nach hundert und manchmal nach nicht dreißig Jahren sich wiederholen sehen, während an der Küste von Peru, z. B. in Lima, die Epochen, die jedesmal durch die gänzliche Zerstörung der Stadt bezeichnet werden, unverkennbar mit einer gewissen Regelmäßigkeit eintreten. Daß die Einwohner selbst an einen solchen Typus glauben, ist auch vom besten Einfluß auf die öffentliche Ruhe und die Erhaltung des Gewerbefleißes. Man nimmt allgemein an, daß es ziemlich lange Zeit braucht, bis dieselben Ursachen wieder mit derselben Gewalt wirken können; aber dieser Schluß ist nur dann richtig, wenn man die Erdstöße als lokale Erscheinungen auffaßt, wenn man unter jedem Punkt des Erdballes, der großen Erschütterungen ausgesetzt ist, einen besonderen Herd annimmt. Ueberall, wo sich neue Gebäude auf den Trümmern der alten erhoben, hört man Leute, die nicht bauen wollen, äußern, auf die Zerstörung Lissabons am ersten November 1755 sey bald eine zweite, gleich schreckliche gefolgt, am 31. März 1761.
Nach einer uralten, auch in Cumana, Acapulco und Lima sehr
verbreiteten Meinung [Ariostoteles, Meteorologica, Lib. II.
Seneca, Quaest. natur., Lib. VI, c. 12.] stehen die
Erdbeben und der Zustand der Luft vor dem Eintreten derselben
sichtbar in Zusammenhang. An der Küste von Neu-Andalusien wird man
An den Tagen, wo die Erde durch starke Stöße erschüttert wird,
zeigt sich unter den Tropen keine Störung in der regelmäßigen
stündlichen Schwankung des Barometers. Ich
Es ist schwerlich in Zweifel zu ziehen, daß in weiter Ferne von
den Schlünden tätiger Vulkane der durch Erdstöße geborstene und
erschütterte Boden zuweilen Gase in die Luft ausströmen läßt.
Wie schon oben angeführt, brachen in Cumana aus dem trockensten
Boden Flammen und mit schweflichter Säure vermischte Dämpfe
hervor. An anderen Orten spie ebendaselbst der Boden Wasser und
Erdpech aus. In Riobamba bricht eine brennbare Schlammasse,
Moya genannt, aus Spalten, die sich wieder schließen, und
türmt sich zu ansehnlichen Hügeln auf. Sieben Meilen [31 km]
von Lissabon, bei Colares, sah man während des furchtbaren Erdbebens
In die Atmosphäre ausströmende elastische Flüssigkeiten können lokal auf den Barometer wirken, freilich nicht durch ihre Masse, die im Verhältnis zur ganzen Luftmasse sehr unbedeutend ist, sondern weil sich, sobald ein großer Ausbruch erfolgt, wahrscheinlich ein aufsteigender Strom bildet, der den Luftdruck vermindert. Ich bin geneigt, anuzunehmen, daß bei den meisten Erdbeben der erschütterte Boden nichts von sich gibt, und daß, wenn wirklich Gase und Dämpfe ausströmen, dieß weit nicht so oft vor den Stößen, als während derselben und hernach stattfindet. Aus diesem letzteren Umstand erklärt sich eine Erscheinung, die schwerlich abzuläugnen ist, ich meine den räthselhaften Einfluß, den die Erdbeben im tropischen Amerika auf das Klima und den Eintritt der nassen und der trockenen Jahreszeit äußern. Wenn die Erde erst im Moment der Erschütterung selbst eine Veränderung in der Luft hervorbringt, so sieht man ein, warum so selten ein auffallender meteorologischer Vorgang als Vorbote dieser großen Umwälzungen in der Natur erscheint.
Für die Annahme, daß bei den Erdbeben in Cumana elastische
Flüssigkeiten durch die Erdoberfläche zu entweichen suchen,
scheint das furchtbare Getöse zu sprechen, das man während der
Erdstöße auf der Ebene der Charas am Rande der Brunnen
vernimmt. Zuweilen werden Wasser und Sand über 6,5 m hoch
emporgeschleudert. Aehnliche Erscheinungen entgingen schon dem
Scharfsinn der Alten nicht, die
In puteis est remedium, quale et crebi specus
praebent: conceptum enim spiritum exhalant, quod in certis
notatur oppidis, quae minus quatiuntur, crebis ad eluviem
cuniculus cavata (Plin. L. II. c. 82). Noch gegenwärtig
glaubt man in der Hauptstadt von St. Domingo, daß die Brunnen die
Kraft der Erdstöße schwächen. Ich bemerke bei dieser
Gelegenheit, daß die Erklärung, die Seneca von den Erdbeben gibt
(Natur. Quaest. Lib. VI. c. 4 bis 31), den Keim
alles dessen enthält, was in unserer Zeit über die Wirkung
elastischer, im Inneren des Erdballes eingeschlossener Dämpfe
gesagt worden ist.Guaicos oder Höhlen am Pichincha zeigen.
Das unterirdische Getöse, das bei Erdbeben so häufig vorkommt, ist meist außer Verhältniß mit der Kraft der Erdstöße. In Cumana geht es denselben immer zuvor, während man in Quito und neuerdings in Caracas und auf den Antillen, nachdem die Stöße längst aufgehört haben, einen Donner wie vom Feuer einer Batterie gehört hat. Eine dritte Classe dieser Erscheinungen, und die merkwürdigste von allen ist das Monate lang fortwährende unterirdische Donnerrollen, ohne daß dabei die geringste Wellenbewegung des Bodens zu spüren wäre.
In allen den Erdbeben ausgesetzten Ländern sieht man als
die Veranlassung und den Herd der Erdstöße den Punkt an,
Wenn nun auch in den weitentlegensten Ländern die Urgebirge,
die secundären und die vulkanischen Gebirgsarten an den
krampfhaften Zuckungen des Erdballs in gleichem Maße theilnehmen
Man will beobachtet haben, daß auf dem Festlande wie
auf den Inseln die West- und Südküsten den Stößen am
meisten ausgesetzt seyen. Diese Beobachtung sieht im Zusammenhang
mit den Ideen hinsichtlich der Lage der großen Gebirgsketten
und der Richtung ihrer steilsten Abhänge, wie sie
sich schon lange in der Geologie geltend gemacht haben; das
Vorhandenseyn der Cordillere von Caracas und die Häufigkeit
der Erdbeben an den Ost- und Nordküsten von Terra Firma,
In Neu-Andalusien, wie in Chili und Peru, gehen die Erdstöße den Küsten nach und nicht weit ins Innere des Landes hinein. Dieser Umstand weist, wie wir bald sehen werden, darauf hin, daß die Ursachen der Erdbeben und der vulkanischen Ausbrüche in engem Verbande stehen. Würde der Boden an den Küsten deßhalb stärker erschüttert, weil diese die am tiefsten gelegenen Punkte des Landes sind, warum wären dann in den Savanen oder Prairien, die kaum acht oder zehn Toisen über dem Meeresspiegel liegen, die Stöße nicht eben so oft und eben so stark zu fühlen?
Die Erdbeben in Cumana sind mit denen auf den kleinen Antillen
verkettet, und man hat sogar vermutet, sie könnten mit
den vulkanischen Erscheinungen in den Kordilleren der Anden
in einigem Zusammenhang stehen. Am 11. Februar 1797 erlitt der
Boden der Provinz Quito eine Umwälzung, durch die, trotz der
sehr schwachen Bevölkerung des Landes, gegen 40,000 Eingeborene
unter den Trümmern ihrer Häuser begraben wurden, in Erdspalten
stürzten oder in den plötzlich neu gebildeten Seen ertranken.
Zur selben Zeit wurden die Bewohner der östlichen Antillen durch
Erdstöße erschreckt, die erst nach acht Monaten aufhörten, als der
Vulkan auf Guadeloupe Bimssteine, Asche und Wolken von
Schwefeldämpfen ausstieß. Auf diesen Ausbruch vom 29. September,
währenddessen man lange anhaltendes unterirdisches Brüllen
hörte, folgte am 14. Dezember das große Erdbeben von Cumana. Ein
anderer Vulkan der Antillen, der auf St. Vincent, hat seitdem
ein neues Beispiel solcher Wechselbeziehungen geliefert. Er
hatte seit 1718 kein Feuer mehr
Man hat längst die Bemerkung gemacht, daß die Wirkungen großer
Erdbeben sich ungleich weiter verbreiten als die Erscheinungen
der tätigen Vulkane. Beobachtet man in Italien die Umwälzungen
des Erdbodens, betrachtet man die Reihe der Ausbrüche des Vesuv
und des Aetna genau, so entdeckt man, so nahe auch diese Berge
beieinander liegen, kaum Spuren gleichzeitiger Tätigkeit.
Dagegen unterliegt es keinem Zweifel, daß bei den beiden letzten
Erdbeben von Lissabon Am 1. November
1755 und 31. März 1761.
Beim ersteren Erdbeben überschwemmte das Meer in Europa die
Küsten von Schweden, England und Spanien, in Amerika die Inseln
Antiqua, Barbados und Martinique. Auf Barbados, wo die Flut
gewöhnlich nur 24–28 Zoll
[640 bis 746 mm] hoch steigt, stieg das Wasser in
der Bucht von Carlisle zwanzig Fuß [6,5 m] hoch. Es wurde zugleich
»tintenschwarz«, ohne Zweifel, weil sich der Asphalt, der im
Meerbusen von Cariaco, wie bei der Insel Trinidad, auf dem
Meeresboden häufig vorkommt, mit dem Wasser vermengt hatte. Auf
den Antillen und auf mehreren Schweizer Seen wurde eine
auffallende Bewegung des Wassers sechs Stunden vor dem ersten Stoß,
den man in Lissabon spürte, beobachtet. In Cadiz sah man auf acht Meilen
[36 km] weit aus der offenen See einen sechzig Fuß [20 m]
hohen Wasserberg
anrücken; er stürzte sich auf die Küste und zerstörte eine Menge
Gebäude, ähnlich wie die achtzig Fuß [56 m] hohe Flutwelle,
die am 9. Juni
1586 beim Erdbeben von Lima den Hafen von Callao überschwemmte.
In Amerika hatte man auf dem Ontariosee seit Oktober 1755 eine
starke Aufregung des Wassers beobachtet. Diese Erscheinungen
weisen darauf hin, daß auf ungeheure Strecken hin unterirdische
Verbindungen bestehen. Bei der Zusammenstellung der meist weit
auseinanderliegenden Zeitpunkte, in denen Lima und Guatemala
völlig zerstört wurden, glaubte man hin und wieder die Bemerkung
zu machen, als ob sich eine Wirkung langsam den Kordilleren
entlang geäußert hätte, bald von Nord nach Süd, bald von Süd
nach Nord. Ich gebe hier vier dieser auffallenden Zeitpunkte: Ich gestehe, wenn die Erdstöße nicht gleichzeitig sind, oder
doch kurz nacheinander folgen, so erscheint die angebliche
Fortpflanzung der Bewegung sehr zweifelhaft.
Verschiedene Tatsachen weisen darauf hin, daß die Erdbeben und
die vulkanischen Ausbrüche
Alles weist darauf hin, daß das eigentlich Wirksame bei den
Erdbeben darin besteht, daß elastische Flüssigkeiten einen
Ausweg suchen, um sich in der Luft zu verbreiten. An den Küsten
der Südsee pflanzt sich diese Wirkung oft fast augenblicklich
sechshundert Meilen [2700 km] weit,
von Chile bis zum Meerbusen von Guayaquil fort,
und zwar scheinen, was sehr merkwürdig ist, die Erdstöße desto
stärker zu seyn, je weiter ein Ort von den thätigen Vulkanen
abliegt. Die mit Flötzen
von sehr neuer Bildung bedeckten Granitberge Calabriens, die
aus Kalk bestehende Kette des Apennins, die Grafschaft Perigord,
die Küsten von Spanien und Portugal, die von Peru
und Terra Firma liefern deutliche Belege für diese Behauptung.
Es ist als würde die Erde desto stärker erschüttert, je weniger
die Bodenfläche Oeffnungen hat, die mit den Höhlungen im
Innern in Verbindung stehen. In Neapel und Messina, am
Fuß des Cotopaxi und des Tunguragua fürchtet man die Erdbeben
nur, so lange nicht Rauch und Feuer aus der Mündung
der Vulkane bricht. Ja im Königreich Quito brachte die große
Katastrophe von Riobamba, von der oben die Rede war, mehrere
unterrichtete Männer auf den Gedanken, daß das unglückliche
Land wohl nicht so oft verwüstet würde, wenn das unterirdische
Feuer den Porphyrdom des Chimborazo durchbrechen
könnte und dieser kolossale Berg sich wieder in einen thätigen
Vulkan verwandelte. Zu allen Zeiten haben analoge Thatsachen
zu denselben Hypothesen geführt. Die Griechen, die, wie wir,
Wir haben versucht, am Schluß dieses Kapitels die allgemeinen Erscheinungen zusammenzustellen, welche die Erdbeben unter verschiedenen Himmelsstrichen begleiten. Wir haben gezeigt, daß die unterirdischen Meteore so festen Gesetzen unterliegen, wie die Mischung der Gase, die unsern Luftkreis bilden. Wir haben uns aller Betrachtungen über das Wesen der chemischen Agentien enthalten, die als Ursachen der großen Umwälzungen erscheinen, welche die Erdoberfläche von Zeit zu Zeit erleidet. Es sey hier nur daran erinnert, daß diese Ursachen in ungeheuren Tiefen liegen, und daß man sie in den Erdbildungen zu suchen hat, die wir Urgebirge nennen, wohl gar unter der erdigen, oxydierten Kruste, in Tiefen, wo die halbmetallischen Grundlagen der Kieselerde, der Kalkerde, der Soda und der Pottasche gelagert sind.
Man hat in neuester Zeit den Versuch gemacht, die Erscheinungen der Vulkane und Erdbeben als Wirkungen des Galvanismus aufzufassen, der sich bei eigenthümlicher Anordnung ungleichartiger Erdschichten entwickeln soll. Es läßt sich nicht läugnen, daß häufig, wenn im Verlauf einiger Stunden starke Erdstöße auf einander folgen, die elektrische Spannung der Luft im Augenblick, wo der Boden am stärksten erschüttert wird, merkbar zunimmt; um aber diese Erscheinung zu erklären, braucht man seine Zuflucht nicht zu einer Hypothese zu nehmen, die in geradem Widerspruch steht mit allem, was bis jetzt über den Bau unseres Planeten und die Anordnung seiner Erdschichten beobachtet worden ist.
Die Halbinsel Araya — Salzsümpfe — Die Trümmer des Schlosses Santiago
Die ersten Wochen unseres Aufenthaltes in Cumana verwendeten wir dazu, unsere Instrumente zu berichtigen, in der Umgegend zu botanisieren und die Spuren des Erdbebens vom 14. Dezember 1797 zu beobachten. Die Mannigfaltigkeit der Gegenstände, die uns zumal in Anspruch nahmen, ließ uns nur schwer den Weg zu geordneten Studien und Beobachtungen finden. Wenn unsere ganze Umgebung den lebhaftesten Reiz für uns hatte, so machten dagegen unsere Instrumente die Neugier der Einwohnerschaft rege. Wir wurden sehr durch Besuche von der Arbeit abgezogen, und wollte man nicht Leute vor den Kopf stoßen, die so seelevergnügt durch einen Dollond die Sonnenflecken betrachteten oder auf galvanische Berührung einen Frosch sich bewegen sahen, so mußte man sich wohl herbeilassen, auf oft verworrene Fragen Auskunft zu geben und stundenlang dieselben Versuche zu wiederholen.
So ging es uns fünf ganze Jahre, so oft wir uns an einem Orte
aufhielten, wo man in Erfahrung gebracht hatte,
nueva filosofia führen. Die Halbgelehrten sahen mit einer
gewissen Geringschätzung auf uns herab, wenn sie hörten,
daß sich unter unsern Büchern weder das spectac1e de la
nature vom Abbé Pluche, noch der cours de physique von
Sigand la Fond, noch das Wörterbuch von Valmont de Bomare
befanden. Diese drei Werke und der traité d'économie
politique von Baron Bielfeld sind die bekanntesten und
geachtetsten fremden Bücher im spanischen Amerika von Caracas
und Chili bis Guatimala und Nordmexico. Man gilt nur
dann für gelehrt, wenn man die Uebersetzungen derselben recht
oft citiren kann, und nur in den großen Hauptstädten, in Lima,
Santa Fe de Bogota und Mexico, fangen die Namen Haller,
Cavendish und Lavoisier an jene zu verdrängen, deren Ruf
seit einem halben Jahrhundert populär geworden ist.
Die Neugierde, mit der die Menschen sich mit den Himmelserscheinungen und verschiedenen naturwissenschaftlichen Gegenständen abgeben, äußert sich ganz anders bei altcivilisirten Völkern als da, wo die Geistesentwicklung noch geringe Fortschritte gemacht hat. In beiden Fällen finden sich in den höchsten Ständen viele Personen, die den Wissenschaften ferne stehen; aber in den Colonien und bei jungen Völkern ist die Wißbegier keineswegs müßig und vorübergehend, sondern entspringt aus dem lebendigen Trieb, sich zu belehren; sie äußert sich so arglos und naiv, wie sie in Europa nur in früher Jugend auftritt.
Erst am 28. Juli konnte ich eine ordentliche Reihe astronomischer Beobachtungen beginnen, obgleich mir viel daran lag, die Länge, wie sie Louis Berthouds Chronometer angab, kennen zu lernen. Der Zufall wollte, daß in einem Lande, wo der Himmel beständig rein und klar ist, mehrere Nächte sternlos waren. Zwei Stunden nach dem Durchgang der Sonne durch den Meridian zog jeden Tag ein Gewitter aus und es wurde mir schwer rorrespondirende Sonnenhöhen zu erhalten, obgleich ich in verschiedenen Intervallen drei, vier Gruppen aufnahm. Die vom Chronometer angegebene Länge von Cumana differirte nur um 4 Secunden Zeit von der, welche ich durch Himmelsbeobachtungen gefunden, und doch hatte unsere Ueberfahrt einundvierzig Tage gewährt und bei der Besteigung des Pic von Teneriffa war der Chronometer starken Temperaturwechseln ausgesetzt gewesen.
Aus meinen Beobachtungen in den Jahren 1799 und
1800 ergibt sich als Gesammtresultat, daß der große Platz
von Cumana unter 10° 27' 52" der Breite und 66° 30' 2"
der Länge liegt. Die Bestimmung der Länge gründet sich
auf den Uebertrag der Zeit, aus Monddistanzen, auf die
Sonnenfinsterniß vom 28. Oktober 1799 und aus zehn Immersionen
der Jupiterstrabanten, verglichen mit in Europa
angestellten Beobachtungen. Sie weicht nur um sehr weniges
von der ab, die Fidalgo vor mir, aber durch rein chronometrische
Mittel gefunden. Unsere älteste Karte des neuen
Continents, die von Diego Ribeiro, Geographen Kaiser Carls
des Fünften, setzt Cumana unter 9° 30' Breite, was um
58 Minuten von der wahren Breite abweicht und einen halben
Grad von der, die Jefferys in seinem im Jahr 1794
herausgegebenen »Amerikanischen Steuermann« angibt. Dreihundert
Am 17. August machte ein Hof oder eine Lichtkrone um den Mond den Einwohnern viel zu schaffen. Man betrachtete es als Vorboten eines starken Erdstoßes, denn nach der Volksphysik stehen alle ungewöhnlichen Erscheinungen in unmittelbarem Zusammenhang. Die farbigen Kreise um den Mond sind in den nördlichen Ländern weit seltener als in der Provence, in Italien und Spanien. Sie zeigen sich, und dieß ist auffallend, bei reinem Himmel, wenn das gute Wetter sehr beständig scheint. In der heißen Zone sieht man fast jede Nacht schöne prismatische Farben, selbst bei der größten Trockenheit. Zuweilen habe ich zwischen dem 15. Grad der Breite und dem Aequator sogar um die Venus kleine Höfe gesehen; man konnte Purpur, Orange und Violett unterscheiden; aber um Sirius, Canopus und Achernar habe ich niemals Farben gesehen.
Während der Mondhof in Cumana zu sehen war, zeigte der
Hygrometer große Feuchtigkeit an; die Wasserdünste schienen aber
so vollkommen aufgelöst, oder vielmehr so elastisch und gleichförmig
verbreitet, daß sie der Durchsichtigkeit der Luft keinen Eintrag
thaten. Der Mond ging nach einem Gewitterregen hinter dem Schlosse
San Antonio auf. Wie er am Horizont erschien, sah man zwei Kreise,
einen großen,
Wenn unser Haus in Cumana für die Beobachtung des Himmels und
der meteorologischen Vorgänge sehr günstig gelegen war, so
mußten wir dagegen zuweilen bei Tage etwas ansehen, was uns
empörte. Der große Platz ist zum Teil mit Bogengängen umgeben,
über denen eine lange hölzerne Galerie hinläuft, wie man sie in
allen heißen Ländern sieht. Hier wurden die Schwarzen verkauft,
die von der afrikanischen Küste herüberkommen. Unter allen
europäischen Regierungen war die von Dänemark die erste und
lange die einzige, die den Sklavenhandel abgeschafft hat, und
dennoch waren die
Die zum Verkauf ausgesetzten Sklaven waren junge
Leute von fünfzehn bis zwanzig Jahren. Man lieferte ihnen jeden
Morgen Kokosöl, um sich den Körper damit einzureiben und die
Haut glänzend schwarz zu machen. Jeden Augenblick erschienen
Käufer und schätzten nach der Beschaffenheit der Zähne Alter und
Gesundheitszustand der Sklaven; sie rissen ihnen den Mund auf,
ganz wie es auf dem Pferdemarkt geschieht. Dieser entwürdigende
Brauch schreibt sich aus Afrika her, wie die getreue Schilderung
zeigt, die Cervantes nach langer Gefangenschaft bei den Mauren
in einem seiner Theaterstücke [El trado de Argel.] vom
Verkauf der Christensklaven in Algier entwirft. Es ist ein
empörender Gedanke, daß es noch heutigen Tages auf den Antillen
spanische Ansiedler gibt, die ihre Sklaven mit dem Glüheisen
zeichnen, um sie wieder zu erkennen, wenn sie entlaufen. So
behandelt man Menschen, die anderen Menschen die Mühe des Säens,
Ackerns und Erntens ersparen
[La Bruyère, Charactères cap. XI.].
Je tieferen Eindruck der erste Verkauf von Negern in
Cumana auf uns gemacht hatte, desto mehr wünschten wir
uns Glück, daß wir uns bei einem Volk und auf einem
Continent befanden, wo ein solches Schauspiel sehr selten
vorkommt und die Zahl der Sklaven im Allgemeinen höchst
unbedeutend ist. Dieselbe betrug im Jahr 1800 in den Provinzen
Cumana und Barcelona nicht über sechstausend, während
Unser erster Ausflug galt der Halbinsel Araya und jenen ehemals
durch Sklavenhandel und die Perlenfischerei vielberufenen
Landstrichen. Am 19. August gegen zwei Uhr nach Mitternacht
schifften wir uns bei der indischen Vorstadt auf dem
Manzanares ein. Unser Hauptzweck bei dieser kleinen Reise war,
die Trümmer des alten Schlosses von Araya zu besehen, die
Salzwerke zu besuchen und auf den Bergen, welche die
schmale
Elater noctilucus.] glänzten in der Luft, auf
dem mit Sesuvium bedeckten Boden und in den Mimosenbüschen am
Fluß. Es ist bekannt, wie häufig die Leuchtwürmer in Italien und
im ganzen mittaglichen Europa sind; aber ihr malerischer
Eindruck ist gar nicht zu vergleichen mit den zahllosen
zerstreuten, sich hin und her bewegenden Lichtpunkten, welche im
heißen Erdstrich der Schmuck der Nächte sind, wo einem ist, als
ob das Schauspiel, welches das Himmelsgewölbe bietet, sich auf
der Erde, auf der ungeheuren Ebene der Grasfluren wiederholte.
Als wir Fluß abwärts an die Pflanzungen oder Charas kamen,
sahen wir Freudenfeuer, die Neger angezündet hatten. Leichter,
gekräuselter Rauch stieg zu den Gipfeln der Palmen auf und gab
der Mondscheibe einen röthlichen Schein. Es war Sonntag Nacht und
die Sklaven tanzten zur rauschenden, eintönigen Musik einer
Guitarre. Der Grundzug im Charakter der afrikanischen Völker von
schwarzer Rasse ist ein unerschöpfliches Maß von Beweglichkeit
und Frohsinn. Nachdem er die Woche über hart gearbeitet, tanzt
und musicirt der Sklave am Feiertage dennoch lieber, als daß er
ausschläft. Hüten wir uns, über diese Sorglosigkeit,
diesen Leichtsinn hart zu urteilen, wird ja doch dadurch ein
Leben voll Entbehrung und Schmerz versüßt.
Die Barke, in der wir über den Meerbusen von Cariaco fuhren, war
sehr geräumig. Man hatte große Jaguarfelle ausgebreitet, damit
wir bei Nacht ruhen könnten. Noch waren
wir nicht zwei Monate in
Montagne Pelée auf Martiniques [der Berg
ist nach verschiedenen Angaben zwischen 666 und 736 Toisen hoch] haben er
und seine Begleiter vor Frost gebebt, obgleich die Wärme
noch 21 ½ Grad betrug. In der anziehenden
Reisebeschreibung des Capitän Bligh, der in Folge einer Meuterei an
Bord des Schiffes Bounty zwölfhundert Meilen in einer offenen
Schaluppe zurücklegen mußte, liest man, daß er zwischen dem
zehnten und zwölften Grad südlicher Breite weit mehr vom
Frost als vom Hunger gelitten."Que hielo! Estoy
emparamado!"emparamarse läßt
sich nur durch
lange Umschreibung wiedergeben. Paramo, peruanisch
Gegen acht Uhr Morgens stiegen wir an der Landspitze
Lancha del rey (königliche Barke) führt
ihm jede Woche von Cumana seine Lebensmittel zu. Man wundert
sich, daß bei einem Salzwert, das früher bei den Engländern,
Holländern und anderen Seemächten Eifersucht erregte, kein Dorf
oder auch nur ein Hof liegt. Kaum findet man am Ende der Landspitze
von Araya ein paar armselige indianische Fischerhütten.
Man übersieht von hier aus zugleich das Eiland Cubagua, die
hohen Berggipfel von Margarita, die Trümmer des Schlosses
St. Jakob, den Cerro de la Vela und das Kalkgebirge des Brigantin,
das gegen Süden den Horizont begrenzt. Wie reich die Halbinsel
Araya an Kochsalz ist, wurde schon Alonso Niño bekannt, als er im
Jahr 1499 in Colombo's, Djeda's und Amerigo Vespucci's Fußstapfen
diese Länder besuchte. Obgleich die Eingeborenen
Amerikas unter allen Völkern des Erdballes am wenigsten Salz
verbrauchen, weil sie fast allein von Pflanzenkost leben,
scheinen doch bereits die Guaykari im Ton- und Salzboden der
Punta Arenas gegraben zu haben. Selbst die jetzt die
neuen genannten Salzwerke, am Ende des Vorgebirgs Araya,
waren schon in der frühsten Zeit in Gang. Die Spanier, die sich
zuerst auf Cubagua und bald nachher auf der Küste von Cumana
niedergelassen hatten, beuteten schon zu Anfang des sechzehnten
Jahrhunderts die Salzsümpfe aus, die sich als Lagunen
nordwestlich vom Cerro de la Vela hinziehen. Da
Castillo de Santiago oder Real Fuerza de
Araya berühmt geworden ist.
Die großen Salzsümpfe sind auf den ältesten spanischen
Karten bald als Bucht, bald als Lagune angegeben. Laet,
der seinen Orbis novus im Jahr 1633 schrieb und sehr gute
Nachrichten von diesen Küsten hatte, sagt sogar ausdrücklich,
die Lagune sey von der See durch eine über der Fluthhöhe
gelegene Landenge getrennt gewesen. Im Jahr 1726 zerstörte
ein außerordentliches Ereigniß die Saline von Araya und
machte das Fort, das über eine Million harter Piaster
gekostet hatte, unnütz. Man spürte einen heftigen Windstoß,
eine große Seltenheit in diesen Strichen, wo die See meist
Tasajo genannt, ist im Handel von Barcelona
der vornehmste Ausfuhrartikel. Von neun bis zehn tausend
Fanegas Salz, welche die beiden Provinzen zusammen liefern,
kommen nur dreitausend vom Salzwerk von Araya; das
übrige wird bei Morro de Barcelona, Pozuelos, Piritu und
im Golfo triste aus Meerwasser gewonnen. In Mexico
liefert der einzige Salzsee Pennon Blanco jährlich über
250,000 Fanegas unreines Salz.
Die Provinz Caracas hat schöne Salzwerke bei den
Klippen los Noquez; das früher aus der kleinen Insel
Tortuga gelegene ist auf Befehl der spanischen Regierung zerstört
worden. Man grub einen Kanal, durch den das Meer zu
den Salzsümpfen dringen konnte. Andere Nationen, die auf
den kleinen Antillen Colonien haben, besuchten diese
unbewohnte Insel, und der Madrider Hof fürchtete in seiner
reales de plata ausgedrückt. Acht Realen gehen
auf einen harten Piaster oder 105 Sous französischen Geldes.]
aber das Salz war sehr unrein, grau,
und enthielt sehr viel salzsaure und schwefelsaure Bittererde.
Da zudem die Ausbeutung von Seiten der Arbeiter äußerst
unregelmäßig betrieben wurde, so fehlte es oft an Salz zum
Einsalzen des Fleisches und der Fische, das in diesen Ländern
für den Fortschritt des Gewerbfleißes von großem Belang ist,
da das indianische niedere Volk und die Sklaven von Fischen
und etwas Tasajo leben. Seit die Provinz Cumana unter
der Intendauz von Caracas steht, besteht die Salzregie, und
die Fanega, welche die Guayqueries für einen halben Piaster
verkauften, kostet anderthalb Piaster. Für diese Preiserhöhung
leistet nur geringen Ersatz, daß das Salz reiner ist und daß
die Fischer und Colonisten es das ganze Jahr im Ueberfluß
beziehen können. Die Salinenverwaltung von Araya brachte im
Jahr 1799 dem Schatze 8000 Piaster jährlich ein. Aus diesen
statistischen Notizen geht hervor, daß die Salzbereitung in Araya,
als Industriezweig betrachtet, von keinem großen Belang ist.
Der Thon, aus dem zu Araya das Salz gewonnen wird,
kommt mit dem Salzthon überein, der in Berchtesgaden und
Das Salz, das in Thonbildungen enthalten ist, darf nicht verwechselt werden mit dem Salz, das im Sand am Meeresufer vorkommt, und das an den Küsten der Normandie ausgebeutet wird. Diese beiden Erscheinungen haben, aus geologischen Gesichtspunkt betrachtet, so gut wie nichts mit einander gemein. Ich habe salzhaltigen Thon am Meeresspiegel, bei Punta Araya, und in 2000 Toisen Höhe in den Cordilleren von Neugrenada gesehen. Wenn derselbe am erstgenannten Ort unter einer Muschelbreccie von sehr neuer Bildung liegt, so tritt er dagegen bei Ischl in Oesterreich als mächtige Schicht im Alpenkalk auf, der, obgleich gleichfalls jünger als die Existenz organischer Wesen auf der Erde, doch sehr alt ist, wie die vielen Gebirgsglieder zeigen, die ihm aufgelagert sind. Wir wollen nicht in Zweifel ziehen, daß das reine [das von Wieliczka und Peru] oder mit salzhaltigem Thon vermengte Steinsalz [das von Hallein, Ischl und Zipaquira] der Niederschlag eines alten Meeres seyn könne; alles weist aber darauf hin, daß es sich unter Naturverhältnissen gebildet hat, die sehr bedeutend abweichen mußten von denen, unter welchen die jetzigen Meere in Folge allmähliger Verdunstung hie und da ein paar Körner salzsauren Natrons im Ufersande niederschlagen. Wie der Schwefel und die Steinkohle sehr weit auseinander liegenden Formationen angehören, kommt auch das Steinsalz bald im Uebergangsgips, bald im Alpenkalk, bald in einem mit sehr neuem Muschelsandstein bedeckten Salzthon (Punta Araya), bald in einem Gips vor, der jünger ist als die Kreide.
Das neue Salzwerk von Araya besteht aus fünf Behältern
oder Kasten, von denen die größten eine regelmäßige
Form und 2300 Quadrattoisen Oberfläche haben. Die
Obgleich das salzsaure Natron aus der Halbinsel Araya
nicht so sorgfältig bereitet wird als in den europäischen Salzwerken,
ist es dennoch reiner und enthält weniger salzsaure
und schwefelsaure Erden. Wir wissen nicht, ob diese Reinheit
dem Antheil von Salz, den das Meer liefert, zuzuschreiben
ist; denn wenn auch die Menge der im Meerwasser gelösten
Salze höchst wahrscheinlich unter allen Himmelsstrichen dieselbe
ist,
Nachdem wir die Salinen besehen und unsere geodätischen
Arbeiten beendet hatten, brachen wir gegen Abend auf, um einige
Meilen weiterhin in einer indianischen Hütte bei den Trümmern
des Schlosses von Araya die Nacht zu zuzubringen. Unsere
Instrumente und unseren Mundvorrat schickten wir voraus; denn
wenn wir von der großen Hitze und der Reverberation
des Bodens erschöpft waren, spürten wir in
diesen Ländern nur abends und in der Morgenkühle Eßlust. Wir
wandten uns nach Süd und gingen zuerst über die kahle mit
Salzton bedeckte Ebene und dann über zwei aus Sandstein
bestehende Hügelketten, zwischen denen die Lagune liegt. Die
Nacht überraschte uns, während wir einen schmalen Pfad
verfolgten, der einerseits vom Meer, andererseits von
senkrechten Felswänden begrenzt ist. Die Flut war im raschen
Steigen und engte unseren Weg mit jedem Schritt mehr ein.
Wir wollten Halt machen, um das großartige Schauspiel zu genießen
und den Untergang der Venus zu beobachten, deren Scheibe von
Zeit zu Zeit zwischen dem Gemäuer des Schlosses erschien; aber
der Mulatte, der uns als Führer diente, wollte verdursten und
drang lebhaft in uns, umzukehren. Er hatte längst gemerkt, daß
wir uns verirrt hatten, und da er hoffte, durch die Furcht auf
uns zu wirken, sprach er beständig von Tigern und
Klapperschlangen. Giftige Reptilien sind allerdings beim
Schlosse Araya sehr häufig, und erst vor kurzem waren beim
Eingang des Dorfes Maniquarez zwei Jaguars erlegt worden. Nach
den aufbehaltenen Fellen waren sie nicht viel kleiner als die
ostindischen Tiger. Vergeblich führten wir unserem Führer zu
Gemüt, daß diese Tiere an einer Küste, wo die Ziegen
ihnen reichliche Nahrung bieten, keinen Menschen anfallen; wir
mußten nachgeben und hingehen, woher wir gekommen waren. Nachdem
wir drei Viertelstunden über einen von der steigenden Flut
bedeckten Strand gegangen, stieß der Neger zu uns, der unsern
Mundvorrath getragen hatte; da er uns nicht kommen sah, war er
unruhig geworden und uns entgegengegangen. Er führte uns durch
ein Gebüsch von Fackeldisteln zu der Hütte einer
Des anderen Tages bei Sonnenaufgang sahen wir, daß die Hütte, in
der wir die Nacht zugebracht, zu einem Haufen kleienr Wohnungen
am Ufer des Salzsees gehörte. Es sind dies die schwachen
Ueberbleibsel eines ansehnlichen Dorfes, das sich einst um das
Schloß gebildet. Die Trümmer einer Kirche waren halb im Sand
begraben und mit Strauchwerk bewachsen. Nachdem im Jahre 1762
das Schloß von Araya, um die Unterhaltungskosten der Besatzung
zu sparen, gänzlich zerstört worden war, zogen sich die in der
Umgegend angesiedelten Indianer und Farbigen allmählich nach
Maniquarez, Cariaco und in die indianische Vorstadt von Cumana.
Nur wenige blieben aus Anhänglichkeit an den Heimathboden am
wilden, öden Ort. Diese armen Leute leben vom Fischfang, der an
den Küsten und auf dem Untiefen in der Nähe äußerst ergiebig
ist. Sie schienen mit ihrem Loos zufrieden und fanden die Frage
seltsam, warum sie keine Gärten hätten unsd keine nutzbaren Gewächse
bauten. »Unsere Gärten,« sagten sie, »sind drüben über der Meerenge;
wir bringen Fische nach Cumana und verschaffen uns dafür Bananen,
Cocosnüsse und Manioc.« Diese Wirtschaft, die der Trägheit zusagt,
ist in Maniquarez und auf der ganzen Halbinsel Araya Brauch.
Der Hauptreichtum der Einwohner besteht in Ziegen, die sehr
groß und schön sind. Sie laufen frei umher wie die Ziegen auf
dem Pic von Tenerifa; sie sind völlig verwildert
Unter den Farbigen, deren Hütten um den Salzsee stehen, befand
sich ein Schuhmacher von castilianischem Blute. Er nahm uns mit
dem Ernst und der Selbstgefälligkeit auf, die unter diese
Himmelsstrichen fast allen Leuten eigen sind, die sich für
besonders begabt halten. Er war eben daran, die Sehne seines
Bogens zu spannen und Pfeile zu spitzen, um Vögel zu schießen.
Sein Gewerbe als Schuster konnte in einem Lande, wo die meisten
Leute barfuß gehen, nicht viel eintragen; er beschwerte sich
auch, daß das europäische Pulver so teuer sey und ein Mann wie
er zu denselben Waffen greifen müsse wie die Indianer.
Der Mann war das gelehrte Orakel des Dorfs; er
wußte, wie sich das Salz durch den Einfluß der Sonne und
des Vollmonds bildet, er kannte die Vorzeichen der Erdbeben,
die Merkmale, wo sich Gold und Silber im Boden finden,
und die Arzneipflanzen, die er, wie alle Colonisten von Chili
bis Californien, in heiße und kalte [reizende oder schwächende,
sthenische oder asthenische nach Browns System] eintheilte. Er hatte
Nach einer langen Rede über die Eitelkeit menschlicher Herrlichkeit zog er aus einer Ledertasche sehr kleine und trübe Perlen und drang uns dieselben auf. Zugleich hieß er uns, es in unsere Schreibtafel aufzuzeichnen, daß ein armer Schuster von Araya, aber ein weißer Mann und von edlem castilischen Blute, uns etwas habe schenken können, das drüben über dem Meer für eine große Kostbarkeit gelte. Ich komme dem Versprechen, das ich dem braven Manne gab, etwas spät nach und freue mich, dabei bemerken zu können, daß seine Uneigennützigkeit ihm nicht gestattete, irgend eine Vergütung anzunehmen. An der Perlenküste sieht es allerdings so armselig aus, wie im »Gold- und Diamantenland,« in Choco und Brasilien; aber mit dem Elend paart sich hier nicht die zügellose Gewinnsucht, wie sie durch Schätze des Mineralreichs erzeugt wird.
Die Perlenmuschel ist auf den Untiefen, sie sich von Kap Paria
zum Kap Vela erstrecken, sehr häufig. Die Insel Margarita,
Cubagua, Coche, Punta Araya und die Mündung des Rio la Hacha
waren im sechzehnten Jahrhundert berühmt, wie im Altertum der Persische
Meerbusen und die Insel Taprobante. [Strabo lib. XV. Plinius
Lib. IX, c. 35, Lib. XII, c. 18. Solinus,
Polyhistor c. 68;
besonders Athenaeus, Deipnosoph. Lib. III, c. 45.]
Atlas pittoresque Tafel 1
und 2.] deren Kopfputz, der auch sonst mit der Calantica der
Isisköpfe Aehnlichkeit hat, mit Perlen besetzt ist. Las Casas und
Benzoni erzählen, und zwar nicht ohne Uebertreibung, wie grausam
man mit den Indianern und Negwern umging, die man zur Perlenfischerei
brauchte. In der ersten Zeit der Eroberung lieferte die Insel Coche
allein 1500 Mark Perlen monatlich. Der Quint, den die
königlichen Beamten vom Ertrag an Perlen erhoben, belief sich auf
15,000 Dukaten, nach dem damaligen Werth der Metalle und in Betracht
des starken Schmuggels eine sehr bedeutende Summe. Bis zum
Jahre 1530 scheint sich der Werth der nach Europa gesendeten
Perlen im Jahresdurchschnitt auf mehr als 800,000 Piaster
belaufen zu haben. Um zu ermessen, von welcher Bedeutung dieser
Handelszweig in Sevilla, Toledo, Antwerpen und Genua seyn
mochte, muß man bedenken, daß zur selben Zeit alle Bergwerke
Amerikas nicht zwei Millionen Piaster lieferten und daß die
Flotte Ovandos für unermeßlich reich galt, weil sie gegen 2600
Mark Silber führte.
Die Perlen waren desto gesuchter, da der asiatische Luxus auf
zwei gerade entgegengesetzten Wegen nach Europa gedrungen war,
von Konstantinopel her, wo die Paläologen reich mit Perlen
gestickte Kleider trugen, und von Granada her,
Gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts nahm die
Perlenfischerei rasch ab, und nach Laets AngabeInsularum
Cubaguae et Coches quondam fuit dignitos, quum unionum
captura floreret, nunc, illa deficiente, obscura admodum
fama« Laet. Nov. Orbis, p. 669. Dieser
sorgfältige Compilater sagt, wo er von der Punta Araya spricht, weiter,
das Land sey dergestalt in Vergessenheit gerathen, »ut vix
ulla alia Americae meridionalis pars hodie obscurior sit«
Gegenwärtig bringt das spanische Amerika nur noch die
Perlen in den Handel, die aus dem Meerbusen von Panama
und von der Mündung des Rio de la Hacha kommen. Auf
den Untiefen um Cubagua, Coche und Margarita ist die
Fischerei aufgegeben, wie an der californischen Küste.Unio in den peruanischen Flüssen
in großer Menge vor.
Am 20. Morgens führte uns der Sohn unseres Wirths, ein sehr
kräftiger Indianer, über den Barigon und Caney ins Dorf
Maniquarez. Es waren vier Stunden Weges. Durch das Rückprallen
der Sonnenstrahlen vom Sand stieg der Thermometer auf 31.3°. Die
Säulenkaktus, die am Wege stehen, geben der Landschaft einen
grünen Schein, ohne Kühle und Schatten zu bieten. Unser Führer
setzte sich, ehe er eine Meile [5 km] gegangen war,
jeden Augenblick nieder.
Im Schatten eines schönen Tamarindenbaumes bei den Casas de la
Vela wollte er sich gar niederlegen, um den Anbruch der Nacht
abzuwarten. Ich hebe diesen Charakterzug hervor, da er einem überall
entgegentritt, so oft man mit den Indianern reist, und zu den
irrigsten Vorstellungen von der Körperverfassung der verschiedenen
Menschenracen Anlaß gegeben hat. Der
Wir besahen in der Nähe die Trümmer des Schlosses
Santiago, das durch seine ausnehmend feste Bauart merkwürdig
ist. Die Mauern aus behauenen Steinen sind fünf
Fuß dick; man mußte sie mit Minen sprengen; man sieht noch
Mauerstücke von sieben-, achthundert Quadratfuß, die kaum
einen Riß zeigen. Unser Führer zeigte uns eine Cisterne (el
aljibe), die dreißig Fuß tief ist und, obgleich ziemlich schadhaft,
den Bewohnern der Halbinsel Araya Wasser liefert.
Diese Cisterne wurde im Jahr 1681 vom Statthalter Don
Juan Padilla Guardiola vollendet, demselben, der in Cumana
das kleine Fort Santa Maria gebaut hat. Da der Behälter
mit einem Gewölbe im Rundbogen geschlossen ist, so bleibt
das Wasser darin frisch und sehr gut. Conserven, die den
Kohlenwasserstoff zersetzen und zugleich Würmern und Insekten
zum Aufenthalt dienen, bilden sich nicht darin. Jahrhunderte
lang hatte man geglaubt, die Halbinsel Araya habe gar keine
Quellen süßen Wassers, aber im Jahr 1797 haben die
Als wir über die kahlen Hügel am Vorgebirge Cirial
gingen, spürten wir einen starken Bergölgeruch. Der Wind
kam vom Orte her, wo die Bergölquellen liegen, deren schon
die ersten Beschreibungen dieser Länder erwähnen. —
Das Töpfergeschirr von Maniquarez ist seit unvordenklicher Zeit
berühmt, und dieser Industriezweig ist ganz in den Händen der
Indianerweiber. Es wird noch gerade so fabriziert wie vor der
Eroberung. Dieses Verfahren ist einerseits eine Probe vom
Zustand der Künste in ihrer Kindheit und andererseits von der
Starrheit der Sitten, die allen eingeborenen Völkern Amerikas
als ein Charakterzug eigen ist. In dreihundert Jahren konnte die
Töpferscheibe keinen Eingang auf einer Küste finden, die von
Spanien nur dreißig bis vierzig Tagreisen zur See entfernt ist.
Die Eingeborenen haben eine
dunkle Vorstellung davon, daß es ein solches Werkzeug gibt,
und sie würden sich desselben bedienen, wenn man ihnen das
Muster in die Hand gäbe. Die Thongruben sind eine halbe
Meile östlich von Maniquarez. Dieser Thon ist das
Zersetzungsprodukt eines durch Eisenoxyd roth gefärbten Glimmerschiefers.
Die Indianerinnen nehmen vorzugsweise solchen,
der viel Glimmer enthält. Sie formen mit großem Geschick
Gefäße von zwei bis drei Fuß Durchmesser mit sehr regelmäßiger
Krümmung. Da sie den Brennofen nicht kennen,
so schichten sie Strauchwerk von Desmanthus, Cassia und
baumartiger Capparis um die Töpfe und brennen sie in freier
. Luft. Weiter westwärts von der Thongrube liegt die Schlucht
der Mina (Bergwerk). Nicht lange nach der Eroberung
sollen venetianische Goldschürfer dort Gold aus dem Glimmerschiefer
Wir trafen in Maniquarez Kreolen, die von einer Jagdpartie auf
Cubagua kamen. Die Hirsche von der kleinen Art sind auf diesem
unbewohnten Eilande so häufig, daß man täglich drei und vier
schießen kann. Ich weiß nicht, wie die
Thiere hinübergekommen sind; denn Laet und andere Chronisten
des Landes, die von der Gründung von Neucadix berichten,
sprechen nur von der Menge Kaninchen auf der Insel. Der
Venado auf Cubagua gehört zu einer der vielen kleinen
amerikanischen Hirscharten, die von den Zoologen lange unter
dem allgemeinen Namen Cervus Americanus zusammengeworfen
wurden. Er scheint mir nicht identisch mit der
Biche des Savanes von Guadeloupe oder dem
Für den merkwürdigsten, man kann sagen für den wunderbarsten
aller Naturkörper auf der Küste von Araya gilt beim Volke der
Augenstein, Piedra de los ojos. Dieses Gebilde aus
Kalkerde ist in aller Munde; nach der Volksphysik ist es ein
Stein und ein Thier zugleich. Man findet es im Sande,
und da rührt es sich nicht; nimmt man es
pietras de los
ojos wirken, wenn man sie ins Auge schiebt, wie die kleinen
Perlen und verschiedene runde Samen, deren sich die Wilden
in Amerika bedienen, um den Thränenfluß zu steigern. Diese
Erklärungen waren aber gar nicht nach dem Geschmack der Einwohner
von Araya. Die Natur erscheint dem Menschen desto
größer, je geheimnißvoller sie ist, und die Volksphysik weist
alles von sich, was einfach ist.
Ostwärts von Maniquarez an der Südküste liegen nahe an einander
drei Landzungen, genannt Punta de Soto, Punta de la Brea und Punta
Guaratarito. In dieser Gegend besteht der Meeresboden offenbar aus
Glimmerschiefer, und aus dieser Gebirgsart entspringt bei Punta de la Brea,
Naphthaquelle, deren Geruch sich weit in die Halbinsel
hinein verbreitet. Man mußte bis zum halben Leibe ins Wasser
gehen, um die interessante Erscheinung in der Nähe zu
beobachten. Das Wasser ist mit Zostera bedeckt, und mitten
in einer sehr großen Bank dieses Gewächses sieht man einen freien
runden Fleck von drei Fuß Durchmesser, auf dem einzelne Massen von
Ulva lactuca schwimmen. Hier kommen die Quellen zu Tag.
Der Boden des Meerbusens ist mit Sand bedeckt, und
das Bergöl, das durchsichtig und von gelber Farbe der
eigentlichen Naphtha nahe kommt, sprudelt stoßweise unter
Entwicklung von Luftblasen hervor. Stampft man den Boden mit den
Füßen fest, so sieht man die kleinen Quellen wegrücken. Die
Naphtha bedeckt das Meer über tausend Fuß [320 m] weit.
Nimmt man an, daß das Fallen der Schichten sich gleich bleibt, so muß der
Glimmerschiefer wenige Toisen unter dem Sande liegen.
Der Salzthon von Araya enthält festes, zerreibliches
Bergöl. Dieses geologische Verhältniß zwischen salzsaurem
Natron und Erdpech kommt in allen Steinsalzgruben und bei
allen Salzquellen vor; aber als ein höchst merkwürdiger
Fall erscheint das Vorkommen einer Naphtaquelle in einer
Urgebirgsart. Alle bis jetzt bekannten gehören secundären
Formationen an, und dieser Umstand schien für die Annahme zu
sprechen, daß alles mineralische Harz Produkt der Zersetzung
von Pflanzen und Thieren oder des Brandes der Steinkohlen
sey. Auf der Halbinsel Araya aber fließt Naphtha aus dem Urgebirge selbst,
und diese Erscheinung wird noch bedeutender, wenn man bedenkt,
daß in diesem Urgebirge der Herd des unterirdischen Feuers ist,
daß man am Rande brennender Krater zuweilen Naphthageruch
bemerkt, und daß die meisten heißen
Nachdem wir uns in der Umgegend von Maniquarez umgesehen,
bestiegen wir ein Fischerboot, um nach Cumana zurückzukehren.
Nichts zeigt so deutlich, wie ruhig die See in diesen Strichen
ist, als die Kleinheit und der schlechte Zustand dieser Kähne,
die ein sehr hohes Segel führen. Der Kahn, den wir ausgesucht
hatten, weil er noch am wenigsten beschädigt war, zeigte sich so
leck, daß der Sohn des Steuermannes fortwährend mit einer
Tutuma, der Frucht der Crescentia cujete, das Wasser
ausschöpfen mußte. Es kommt im Meerbusen von Cariaco, besonders
nordwärts von der Halbinsel Araya, nicht selten vor, daß die mit
Kokosnüssen beladenen Piroguen umschlagen, wenn sie zu nahe am
Winde gerade gegen den Wellenschlag steuern. Vor solchen
Unfällen fürchten sich aber nur Reisende, die nicht gut
schwimmen können; denn wird die Pirogue von einem indianischen
Fischer mit seinem Sohne geführt, so dreht der Vater den Kahn
wieder um und macht sich daran, das Wasser hinauszuschaffen,
während der Sohn schwimmend die Kokosnüsse zusammenholt. In
weniger als einer Viertelstunde ist die Pirogue
wieder unter Segel, ohne daß der Indianer in seinem
unerschöpflichen Gleichmut eine Klage hätte hören lassen.
Die Einwohner von Araya, die wir auf der Rückkehr
vom Orinoco noch einmal besuchten, haben nicht vergessen,
daß ihre Halbinsel einer der Punkte ist, wo sich am frühesten
Castilianer niedergelassen. Sie sprechen gerne von der Perlenfischerei,
von den Ruinen des Schlosses Santiago, das, wie
sie hoffen, einst wieder aufgebaut wird, überhaupt von dem,
was sie den ehemaligen Glanz des Landes nennen. In China
Bei den Alten, z. B. bei Phöniziern und Griechen, gingen
Ueberlieferungen und geschichtliches Bewußtseyn des Volks
vom Mutterland auf die Colonien über, erbten dort von
Geschlecht zu Geschlecht fort und äußerten fortwährend den
besten Einfluß auf Geist, Sitten und Politik der Ansiedler.
Das Klima in jenen ersten Niederlassungen über dem Meere
war vom Klima des Mutterlandes nicht sehr verschieden. Die
Griechen in Kleinasien und aus Sicilien entfremdeten sich
nicht den Einwohnern von Argos, Athen und Corinth, von
denen abzustammen ihr Stolz war. Große Uebereinstimmuug
in Sitte und Brauch that das ihrige dazu, eine Verbindung
zu befestigen, die sich auf religiöse und politische Interessen
gründete. Häufig opferten die Colonien die Erstlinge ihrer
Ernten in den Tempeln der Mutterstädte, und wenn durch
einen unheilvollen Zufall das heilige Feuer auf den Altären
von Hestia erloschen war, so schickte man von hinten in
Dieser und noch mancher andern Vortheile entbehren die heutigen Ansiedlungen. Die meisten wurden in einem Landstrich gegründet, wo Klima, Naturprodukte, der Anblick des Himmels und der Landschaft ganz anders sind als in Europa. Wenn auch der Ansiedler Bergen, Flüssen, Thälern Namen beilegt, die an vaterländische Landschaften erinnern, diese Namen verlieren bald ihren Reiz und sagen den nachkommenden Geschlechtern nichts mehr. In fremdartiger Naturumgebung erwachsen aus neuen Bedürfnissen andere Sitten; die geschichtlichen Erinnerungen verblassen allmählich, und die sich erhalten, knüpfen sich fortan gleich Phantasiegebilden weder an einen bestimmten Ort, noch an eine bestimmte Zeit. Der Ruhm Don Pelagio's und des Cid Campeador ist bis in die Gebirge und Wälder Amerikas gedrungen; dem Volk kommen je zuweilen diese glorreichen Namen auf die Zunge, aber sie schweben seiner Seele vor wie Wesen aus einer idealen Welt, aus dem Dämmer der Fabelzeit.
Der neue Himmel, das ganz veränderte Klima, die
physische Beschaffenheit des Landes wirken weit stärker auf die
gesellschaftlichen Zustände in den Colonien ein, als die gänzliche
Trennung vom Mutterland. Die Schifffahrt hat im
Bei den Alten waren die Geschichte, die religiösen Vorstellungen
und die physische Beschaffenheit des Landes durch
unauslösliche Bande verknüpft. Um die Landschaften und die
alten bürgerlichen Stürme des Mutterlandes zu vergessen,
hätte der Ansiedler auch dem von seinen Voreltern überlieferten
Götterglauben entsagen müssen. Bei den neueren Völkern
hat die Religion, so zu sagen, keine Localfarbe mehr.
Das Christenthum hat den Kreis der Vorstellungen erweitert,
es hat alle Völker darauf hingewiesen, daß sie Glieder Einer
Noch mehr: die amerikanischen Colonien sind fast durchaus
in Ländern angelegt, wo die dahingegangenen Geschlechter
kaum eine Spur ihres Daseyns hinterlassen haben. Nordwärts
vom Rio Gila, an den Usern des Missouri, auf den
Ebenen, die sich im Osten der Anden ausbreiten, gehen die
Ueberlieferungen nicht über ein Jahrhundert hinauf.
In Peru, in Guatimala und in Mexico sind allerdings Trümmer von Gebäuden,
historische Malereien und Bildwerke Zeugen der alten Kultur der
Eingeborenen; aber in einer ganzen Provinz findet man kaum ein
paar Familien, die einen klaren Begriff von der Geschichte der
Incas und der mexikanischen Fürsten haben. Der Eingeborene hat
seine Sprache, seine Tracht und seinen Volkscharakter behalten;
aber mit dem Aufhören des Gebrauches der Quippus und der
symbolischen Malereien, durch die Einführung des Christentums
und andere Umstände, die ich anderswo auseinander gesetzt,
sind die geschichtlichen und religiösen
Ueberlieferungen allmählich untergegangen. Andererseits sieht
der Ansiedler von europäischer Abkunft verächtlich auf alles
herab, was sich auf die unterworfenen Völker bezieht. Er sieht
sich in die Mitte gestellt
Aber auch welch ein Abstand zwischen der eintönigen Geschichte neuerer Niederlassungen und dem lebenvollen Bilde, das Gesetzgebung, Sitten und politische Stürme der alten Colonien darbieten! Ihre durch abweichende Regierungsformen verschieden gefärbte geistige Bildung machte nicht selten die Eifersucht der Mutterländer rege. Durch diesen glücklichen Wetteifer gelangten Kunst und Literatur in Jonien, Großgriechenland und Sicilien zur herrlichsten Entwicklung. Heutzutage dagegen haben die Colonien weder eine eigene Geschichte noch eine eigene Literatur. Die in der neuen Welt haben fast nie mächtige Nachbarn gehabt, und die gesellschaftlichen Zustände haben sich immer nur allgemach umgewandelt. Des politischen Lebens bar, haben diese Handels- und Ackerbaustaaten an den großen Welthändeln immer nur passiven Antheil genommen.
Die Geschichte der neuen Kolonien hat nur zwei merkwürdige
Ereignisse aufzuweisen, ihre Gründung und ihre Trennung vom
Mutterlande. Da Erstere ist reich an Erinnerungen, die sich
wesentlich an die von den Colonisten bewohnten Länder knüpfen;
aber statt Bilder des friedlichen Fortschrittes des
Gewerbefleißes und der Entwickelung der Gesetzgebung in den
Kolonien vorzuführen, erzählt diese Geschichte nur von verübtem
Unrecht und von Gewaltthaten. Welchen Reiz können jene
außerordentlichen Zeiten haben, wo die Spanier unter Carls V.
Regierung mehr Mut als sittliche
Ich glaube hiermit die hauptsächlichsten Ursachen angegeben zu haben, aus denen in den heutigen Kolonien die Nationalerinnerungen sich verlieren, ohne daß andere, auf das nunmehr bewohnte Land sich beziehende, würdig in ihre Stelle träten. Dieser Umstand, wir können es nicht genug wiederholen, äußert einen bedeutenden Einfluß auf die ganze Lage der Ansiedler. In der stürmevollen Zeit einer staatlichen Wiedergeburt sehen sie sich auf sich selbst gestellt, und es ergeht ihnen, wie einem Volke, das es verschmähte, seine Geschichtsbücher zu befragen und aus den Unfällen vergangner Jahrhunderte Lehren der Weisheit zu schöpfen.
Die Berge von Neuandalusien — Das Tal von Cumanacoa — Der Gipfel des Cocollar — Missionen der Chaymasindianer
Unserem ersten Ausflug auf die Halbinsel Araya folgte bald ein
zweiter und lehrreicherer ins Innere des Gebirges zu den
Missionen der Chaymasindianer. Gegenstände von mannigfaltiger
Anziehungskraft sollten uns dort in Anspruch nehmen. Wir
betraten jetzt ein mit Wäldern bedecktes Land; wir sollten ein
Kloster besuchen, das im Schatten von Palmen und Baumfarnen in
einem engen Thale liegt, wo man, mitten im heißen Erdstrich,
köstliche Kühle genießt. In den benachbarten Bergen gibt es dort
Höhlen, welchen von Tausenden von Nachtvögeln bewohnt sind, und
was noch lebendiger zur Einbildungskraft spricht als alle Wunder
der physischen Welt, jenseits dieser Berge lebt ein vor Kurzem
noch nomadisches Volk, kaum aus dem Naturzustande getreten,
wild, jedoch nicht barbarisch, geistesbeschränkt, nicht weil es
lange versunken war, sondern weil es eben nichts weiß. Zu diesen
so mächtig anziehenden Gegenständen kamen noch geschichtliche
Erinnerungen. Am Vorgebirge Paria sah Kolumbus zuerst das
Festland; hier laufen die Täler aus, die bald von den
kriegerischen, menschenfressenden Caraiben, bald von den
zivilisierten Handelsvölkern Europas verwüstet
Der Handel mit den kupferfarbigen Eingebornen führte
zu denselben Unmenschlichkeiten wie der Negerhandel; er hatte
auch dieselben Folgen, Sieger und Unterworfene verwilderten
dadurch. Von Stunde an wurden die Kriege unter den Eingeborenen
häufiger; die Gefangenen wurden aus dem innern
Lande an die Küste geschleppt und an die Weißen verkauft,
die sie auf ihren Schiffen fesselten. Und doch waren die
Spanier damals und noch lange nachher eines der civilisirtesten
Völker Europas. Ein Abglanz der Herrlichkeit, in der
in Italien Kunst und Literatur blühten, hatte sich über alle
Völker verbreitet, deren Sprache dieselbe Quelle hat wie die
Sprache Dantes und Petrarcas. Man sollte glauben, in
dieser mächtigen geistigen Entwicklung, bei solch erhabenem
Schwung der Einbildungskraft hätten sich die Sitten sänftigen
müssen. Aber jenseits der Meere, überall, wo der Golddurst
zum Mißbrauch der Gewalt führt, haben die europäischen
Völker in allen Abschnitten der Geschichte denselben Charakter
Der Sklavenhandel hatte dank den von Karl V. zur Geltung
gebrachten Gundsätzen auf Terra Firma längst aufgehört; aber die
Conquistadoren setzten ihre Streifzüge ins Land fort, und damit den
kleinen Krieg, der die amerikanische Bevölkerung herabbrachte, dem
Nationalhaß immer frische Nahrung gab, auf lange Zeit die Keime der
Cultur erstickte. Es war
Pflicht der Religion, daß sie der Menschheit einigen Trost
brachte für die Greuel, die in iherem Namen verübt worden; sie
führte für die Eingeborenen das Wort vor dem Richterstuhl der
Könige, sie widersetzte sich den Gewalttätigkeiten der
Pfründeninhaber, sie vereinigte umherziehende Stämme zu den
kleinen Gemeinden, die man Missionen nennt und die der
Entwickelung des Ackerbaues Vorschub leisten. So
haben sich allmählich, aber in gleichförmiger, planmäßiger
Entwicklung jene großen mönchischen Niederlassungen gebildet,
jenes merkwürdige Regiment, das immer darauf hinausgeht, sich
abzuschließen, und Länder, die vier und fünfmal größer sind als
Frankreich, den Mönchsorden unterwirft.
Einrichtungen, die trefflich dazu dienten, dem Blutvergießen
Einhalt zu thun und den ersten Grund zur gesellschaftlichen
Entwicklung zu legen, sind in der Folge dem
Sie haben mehr und mehr von der Charakterstärke und
der natürlichen Lebendigkeit eingebüßt, die aus allen Stufen
menschlicher Entwicklung die edlen Früchte der Unabhängigkeit
sind. Man hat Alles bei ihnen, sogar die unbedeutendsten
Verrichtungen des häuslichen Lebens, der unabänderlichen
Regel unterworfen, und so hat man sie gehorsam gemacht,
zugleich aber auch dumm. Ihr Lebensunterhalt ist meist
gesicherter, ihre Sitten sind milder geworden; aber der Zwang
und das trübselige Einerlei des Missionsregiments lastet auf
ihnen und ihr düsteres, verschlossenes Wesen verräth, wie
ungern sie die Freiheit der Ruhe zum Opfer gebracht haben.
Die Mönchszucht innerhalb der Klostermauern entzieht zwar
dem Staate nützliche Bürger, indessen mag sie immerhin hie
und da Leidenschaften zur Ruhe bringen, große Schmerzen
lindern, der geistigen Vertiefung förderlich seyn; aber in die
Wildnisse der neuen Welt verpflanzt, auf alle Beziehungen
des bürgerlichen Lebens angewendet, muß sie desto verderblicher
wirken, je länger sie andauert. Sie hält von Geschlecht
zu Geschlecht die geistige Entwicklung nieder, sie hemmt den
Verkehr unter den Völkern, sie weist Alles ab, was die Seele
erhebt und den Vorstellungskreis erweitert. Aus allen diesen
Ursachen zusammen verharren die Indianer in den Missionen
in einem Zustand von Uncultur, der Stillstand heißen müßte,
wenn nicht auch die menschlichen Vereine denselben Gesetzen
gehorchten, wie die Entwicklung des menschlichen Geistes
Am 4. September um 5 Uhr morgens brachen wir zu unserem Ausflug
zu den Chaymas-Indianern und in die hohe Gebirgsgruppe von
Neu-Andalusien auf. Man hatte uns geraten, wegen der sehr
beschwerlichen Wege unser Gepäck möglichst zu beschränken. Zwei
Lasttiere reichten auch hin, unseren Mundvorrat, unsere
Instrumente und das nötige Papier zum Pflanzentrocknen zu
tragen. In derselben Kiste
waren ein Sextant, ein Inclinationscompaß, ein Apparat
zur Ermittlung der magnetischen Declination, Thermometer
und ein Saussure'scher Hygrometer. Auf diese Jnstrumente
beschränkten wir uns bei kleineren Ausflügen immer. Mit
dem Barometer mußte noch vorsichtiger umgegangen werden,
als mit dem Chronometer, und ich bemerke hier, daß kein
Instrument dem Reisenden mehr Last und Sorge macht. Wir
ließen ihn in den fünf Jahren von einem Führer tragen, der
uns zu Fuß begleitete, aber selbst diese ziemlich kostspielige
Vorsicht schützte ihn nicht immer vor Beschädigung. Nachdem
wir die Zeiten von Ebbe und Fluth im Luftmeere genau
beobachtet, das heißt die Stunden, zu denen der Barometer
unter den Tropen täglich regelmäßig steigt und fällt, sahen
wir ein, daß wir das Relief des Landes mittelst des Barometers
würden aufnehmen können, ohne correspondirende Beobachtungen
in Cumana zu Hülfe zu nehmen. Die größten
Schwankungen im Luftdruck betragen in diesem Klima an der
Küste nur 1–1,3 Linien, und hat man ein einziges mal,
an welchem Ort und zu welcher Stunde es sey, die Quecksilberhöhe
beobachtet, so lassen sich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit
die Abweichungen von diesem Stand das ganze Jahr
Der Morgen war köstlich kühl. Der Weg oder vielmehr der Fußpfad
nach Cumanacoa führt am rechten Ufer des Manzanares hin über das
Kapuzinerhospiz, das in einem kleinen Gehölze von Gayacbäumen
und baumartigen Capparis liegt. Nachdem wir von Cumana
aufgebrochen, hatten wir auf dem Hügel von San Francisco in der
kurzen Morgendämmerung eine weite Aussicht über die See, über
die mit goldgelb blühender Bava [Zygophyllum arboreum, Jacq.]
bedeckte Ebene und die Berge des Brigantin.
Es fiel uns auf, wie nahe uns die Cordillere
gerückt schien, bevor die Scheibe der ausgehenden Sonne den
Horizont erreicht hatte. Das Blau der Berggipfel ist dunkler,
ihre Umrisse erscheinen schärfer, ihre Massen treten deutlicher
hervor, so lange nicht die Durchsichtigkeit der Luft durch die
Dünste beeinträchtigt wird, die Nachts in den Thälern lagern
und im Maaße, als die Luft sich zu erwärmen beginnt, in
die Höhe steigen.
Beim Hospiz Divina Pastora wendet sich der Weg nach
Nordost und läuft zwei Meilen über einen baumlosen Landstrich,
der früher Seeboden war. Man findet hier nicht
nur Cactus, Büsche des cistusblätterigen Tribulus und die
schöne purpurfarbige Euphorbie, die in Havana unter dem
Dictamno real gezogen wird, sondern auch
Aviceunia, Allionia, Peruvium, Thalinum
und die meisten
Portulaceen, die am Golf von Cariaco vorkommen. Diese
geographische Vertheilung der Gewächse weist, wie es scheint,
auf den Umriß der alten Küste hin und spricht dafür, daß,
wie oben bemerkt worden, die Hügel, an deren Südabhang
wir hinzogen, einst eine durch einen Meeresarm vom Festland
getrennte Insel bildeten.
Nach zwei Stunden Weges gelangten wir an den Fuß der hohen
Bergkette im Inneren, die vom Brigantin bis zum Cerro de San
Lorenzo von Ost nach West streicht. Hier beginnen neue
Gebirgsarten und damit ein anderer Habitus des Pflanzenwuchses.
Alles erhält einen großartigeren, malerischeren Charakter. Der
quellenreiche Boden ist nach allen Richtungen von Wasserfäden
durchzogen. Bäume von riesiger Höhe, mit Schlinggewächsen
bedeckt, steigen aus den Schluchten empor; ihre schwarze, von
der Sonnengluth und vom Sauerstoff der Luft verbrannte Rinde
sticht ab vom frischen Grün der Pothos und der Dracontien, deren
lederartige glänzende Blätter nicht selten mehrere Fuß lang
sind. Es ist nicht anders, als ob unter den Tropen die parasitischen
Monocotyledonen die Stelle des Mooses und der Flechten unserer
nördlichen Landstriche verträten.
Je weiter wir kamen, desto mehr erinnerten uns die
Gesteinmassen sowohl nach Gestalt als Gruppierung an Schweizer
und Tiroler Landschaften. In diesen amerikanischen Alpen wachsen
noch in bedeutenden Höhen Helikonien, Cosstus, Maranta und
andere Pflanzen aus der Familie der Canna-Arten, die in der Nähe
der Küste nur niedrige, feuchte Orte aufsuchen. So kommt es, daß
die heiße Erdzone und das nördliche Europa die interessante
Wir kamen in der Schlucht los Frailes und zwischen Cuesta de Caneyes und dem Rio Guriental an Hütten vorbei, die von Mestizen bewohnt sind. Jede Hütte liegt mitten in einem Gehege, das Bananenbäume, Melonenbäume, Zuckerrohr und Mais einfriedigt. Man müßte sich wundern, wie klein diese Flecke urbar gemachten Landes sind, wenn man nicht bedächte, daß ein mit Pisang angepflanzter Morgen Landes gegen zwanzigmal mehr Nahrungsstoff liefert, als die gleiche mit Getreide bestellte Fläche. In Europa bedecken unsere nahrhaften Grasarten, Weizen, Gerste, Roggen, weite Landstrecken; überall, wo die Völker sich von Cerealien nähren, stoßen die bebauten Grundstücke nothwendig an einander. Anders in der heißen Zone, wo der Mensch sich Gewächse aneignen konnte, die ihm weit reichere und frühere Ernten liefern. In diesen gesegneten Landstrichen entspricht die unermeßliche Fruchtbarkeit des Bodens der Gluthhitze und der Feuchtigkeit der Lust. Ein kleines Stück Boden, auf dem Bananenbäume, Manioc, Yams und Mais stehen, ernährt reichlich eine zahlreiche Bevölkerung. Daß die Hütten einsam im Walde zerstreut liegen, wird für den Reisenden ein Merkmal der Ueberfülle der Natur; oft reicht ein ganz kleiner Fleck urbaren Landes für den Bedarf mehrerer Familien hin.
Diese Betrachtungen über den Ackerbau in heißen Landstrichen
erinnern von selbst daran, welch inniger Verband
zwischen dem Umfang des urbar gemachten Landes und dem
gesellschaftlichen Fortschritt besteht. So groß die Fülle der
Diese Umstände, die alle Aufmerksamkeit verdienen, geben
sowohl der physischen Gestaltung des Landes als dem Charakter
der Bewohner ein eigenes Gepräge; beide erhalten
dadurch in ihrem ganzen Wesen etwas Wildes, Rohes, wie es
zu einer Natur paßt, deren ursprüngliche Physiognomie durch
die Kunst noch nicht verwischt ist.
Ohne Nachbarn, fast ohne allen Verkehr mit Menschen, erscheint
jede Ansiederfamilie wie ein vereinzelter Volksstamm. Diese
Vereinzelung hemmt
Dieselben Ursachen, deren mächtiger Einfluß uns weiterhin
noch oft beschäftigen wird, haben zur Folge, daß dem
Boden, selbst in den am stärksten bevölkerten Ländern des
tropischen Amerika, der Anstrich von Wildheit erhalten bleibt,
der in gemäßigten Klimaten sich durch den Getreidebau
verliert. Unter den Tropen nehmen die ackerbauenden Völker
weniger Raum ein; die Herrschaft des Menschen reicht nicht
so weit; er tritt nicht als unumschränkter Gebieter auf, der
die Bodenoberfläche nach Gefallen modelt, sondern wie ein
flüchtiger Gast, der in Ruhe des Segens der Natur genießt.
In der Umgegend der volkreichsten Städte starrt der Boden
noch immer von Wäldern oder ist mit einem dichten Pflanzenfilz
überzogen, den niemals eine Pflugschar zerrissen hat.
Die wildwachsenden Pflanzen beherrschen noch durch ihre Masse
die angebauten Gewächse und bestimmen allein den Charakter
der Landschaft. Allem Vermuthen nach wird dieser Zustand
nur äußerst langsam einem andern Platz machen. Wenn in
unsern gemäßigten Landstrichen es besonders der Getreidebau
ist, der dem urbaren Lande einen so trübselig eintönigen
Anstrich gibt, so erhält sich, aller Wahrscheinlichkeit nach, in
der heißen Zone selbst bei zunehmender Bevölkerung die
Großartigkeit der Pflanzengestalten, das Gepräge einer
jungfräulichen, ungezähmten Natur, wodurch diese so unendlich
Je tiefer wir in den Wald hineinkamen, desto mehr zeigte uns das
Barometer, daß der Boden mehr anstieg. Die Baumstämme boten uns
hier einen ganz eigenen Anblick; eine Grasart mit quirlförmigen
Zweigen klettert, gleich einer Liane, acht, zehn Fuß
[2,6 bis 3,25 m hoch] und
bildet über dem Wege Gewinde, die sich im Luftzuge schaukeln.
Gegen drei Uhr nachmittags hielten wir auf einer kleinen Hochebene
an, Quetepe genannt, die etwa 190 Toisen [370 m]
über dem Meere liegt.
Es stehen hier einige Hütten an einer Quelle, deren Wasser bei
den Eingeborenen als sehr kühl und gesund berühmt ist. Wir
fanden das Wasser wirklich ausgezeichnet; es zeigte 22,5° der
hundertteiligen Scale (18° R.), während das Thermometer
an der Luft auf 28,7° stand. Die Quellen, die
von benachbarten höheren Bergen herabkommen, geben häufig
eine zu rasche Abnahme der Luftwärme an. Nimmt man als
mittlere Temperatur des Wassers an der Küste von Cumana
26° an, so folgt daraus, wenn nicht andere lokale Ursachen
auf die Temperatur der Quellen Einfluß äußern, daß die
Quelle von Quetepe sich erst in mehr als 350 Toifen absoluter
Höhe so bedeutend abkühlt. Da hier von Quellen die
Rede ist, die in der heißen Zone in der Ebene oder in
unbedeutender Höhe zu Tage kommen, so sey bemerkt, daß nur in
Ländern, wo die mittlere Sommertemperatur von der
Auf einem Sandsteinhügel über der Quelle hatten wir eine
prachtvolle Aussicht auf das Meer, das Vorgebirge Macanao und
die Halbinsel Maniquarez. Ein ungeheurer Wald breitete sich zu
unseren Füßen bis zum Ocean hinab; die Baumwipfel, mit Lianen
behangen, mit langen Blüthenbüscheln gekrönt, bildeten einen
ungeheuren grünen Teppich, dessen tiefdunkle Färbung das Licht
in der Luft noch glänzender erscheinen ließ. Dieser Anblick
ergriff uns um so mehr, da uns hier zum erstenmal die Vegetation
der Tropen in ihrer Massenhaftigkeit entgegentrat. Auf dem Hügel
von
Malpighia corolloboefolia
mit stark lederartigen Blättern, in Gebüschen
von Polygala montana, brachen wir die ersten Melastomen,
namentlich die schöne Art, die unter dem Namen Melastoma
rufescens beschrieben worden. Dieser Aussichtspunkt wird uns
lange in Gedächtnis bleiben; der Reisende behält die Orte lieb,
wo er zuerst ein Pflanzengeschlecht angetroffen, das er bis
dahin nie wild wachsend gesehen.
Weiter gegen Südwest wird der Boden dürr und sandig; wir
erstiegen eine ziemlich hohe Berggruppe, welche die Küste von
den großen Ebenen oder Savannen an den Ufern des Orinoko trennt.
Der Teil dieser Berggruppe, durch den der Weg nach Cumanacoa
läuft, ist pflanzenlos und fällt gegen Nord und Süd steil ab. Er
führt den Namen Imposible, weil man meint, bei einer
feindlichen Landung würden die Einwohner von Cumana auf diesem
Gebirgskamm eine Zufluchtsstätte finden. Wir kamen kurz vor
Sonnenuntergang auf dem Gipfel an, und ich konnte eben noch ein
paar Stundenwinkel aufnehmen, um mittelst des Chronometers
die Länge des Orts zu bestimmen.
Die Aussicht auf dem Imposible ist noch schöner und
weiter als auf der Ebene Quetepe. Deutlich konnten wir
mit bloßem Auge den abgestutzten Gipfel des Brigantin,
dessen geographische Lage genau zu kennen so wichtig wäre,
den Landungsplatz und die Rhede von Cumana sehen. Die
Felsenküste von Araya lag nach ihrer ganzen Länge vor uns.
Besonders fiel uns die merkwürdige Bildung eines Hafens
auf, den man Laguna grande oder Laguna de
Obispo nennt. Ein weites, von hohen Bergen umgebenes
Becken steht durch einen schmalen Canal, durch den nur Ein
Wir konnten mit dem Chronometer den Moment beobachten, in dem die Sonnenscheibe den Meereshorizont berührte. Die erste Berührung fand statt um 6 Uhr 8 Minuten 13 Secunden, die zweite um 6 Uhr 10 Min. 26 Sec. mittlere Zeit. Diese Beobachtung, die für die Theorie der irdischen Strahlenbrechung nicht ohne Belang ist, wurde auf dem Gipfel des Berges in 296 Toisen absoluter Höhe angestellt. Mit dem Untergang der Sonne trat eine sehr rasche Abkühlung der Luft ein. Drei Minuten nach der letzten scheinbaren Berührung der Scheibe mit dem Meereshorizont fiel das Thermometer plötzlich von 25,2° auf 21,3°. Wurde diese auffallende Abkühlung etwa durch einen aufsteigenden Strom bewirkt? Die Luft war indessen ruhig und kein wagrechter Luftzug zu bemerken.
Die Nacht brachten wir in einem Hause zu, wo ein Militärposten
von acht Mann unter einem spanischen Unteroffizier liegt. Es ist
ein Hospiz, das neben einem Pulvermagazin liegt und wo der
Reisende alle Bequemlichkeit findet.
Chacras oder Pflanzungen in der Gegend
haben. Als nach
der Einnahme der Insel Trinidad durch die Engländer im
Jahr 1797 der Stadt Cumana ein Angriff drohte, flüchteten
sich viele Einwohner nach Cumanacoa und brachten ihre werthvollste
Habe in Schuppen unter, die man in der Eile auf
dem Gipfel des Imposible aufgeschlagen. Man war entschlossen,
bei einem plötzlichen feindlichen Ueberfall nach kurzem
Widerstand das Schloß San Antonio aufzugeben und die
ganze Kriegsmacht der Provinz um den Berg zusammenzuziehen,
der als der Schlüssel der Llanos anzusehen ist. Die
kriegerischen Ereignisse, deren Schauplatz nach der seitdem
eingetretenen politischen Umwälzung diese Gegend wurde, haben
bewiesen, wie richtig jener erste Plan berechnet war.
Der Gipfel des Imposible ist, soweit meine Beobachtung reicht, mit einem quarzigen, versteinerungslosen Sandstein bedeckt. Die Schichten desselben streichen hier wie auf dem Rücken der benachbarten Berge ziemlich regelmäßig von Nord-Nord-Ost nach Süd-Süd-West. Diese Richtung ist auch im Urgebirge der Halbinsel Araya und längs der Küste von Venezuela die häufigste. Am nördlichen Abhang des Imposible, bei Peñas Negras, kommt aus dem Sandstein, der mit Schieferthon wechsellagert, eine starke Quelle zu Tag. Man sieht an diesem Punkt von Nordwest nach Südost streichende, zerbrochene, fast senkrecht ausgerichtete Schichten.
Die Llaneros, das heißt die Bewohner der Ebenen, schicken ihre
Produkte, namentlich Mais, Leder und Vieh über den Imposible in
den Hafen von Cumana. Wir sahen rasch hintereinander Indianer
oder Mulatten mit Maulthieren
Ich stand Nachts auf, um die Breite des Orts nach dem Durchgang Fomahaults durch den Meridian zu bestimmen. Es war Mitternacht; ich starrte vor Kälte, wie unser Führer, und doch stand der Thermometer noch auf 19°,7 (15° R.). In Cumana sah ich ihn nie unter 21° fallen; aber das Haus auf dem Imposible, in dem wir die Nacht zubrachten, lag auch 258 Toisen über dem Meeresspiegel. Bei der Casa de la Polvora beobachtete ich die Inclination der Magnetnadel; sie war gleich 40°,5. Die Zahl der Schwingungen in zehn Minuten Zeit betrug 233; die Intensität der magnetischen Kraft hatte somit zwischen der Küste und dem Berg zugenommen, was vielleicht von eisenschüssigem Gestein herrührte, das die auf dem Alpenkalk gelagerten Sandsteinschichten enthalten mochten.
Am 5. September vor Sonnenaufgang brachen wir vom Imposible auf. Der Weg abwärts ist für Lasttiere sehr gefährlich; der Pfad ist meist nur 15 Zoll [40 cm] breit und läuft beiderseits an Abgründen hin. Im Jahr 1797 hatte man sehr zweckmäßig beschlossen, von St. Fernando bis an den Berg eine gute Straße anzulegen. Die Straße war sogar zu einem Drittheil bereits fertig; leider hatte man damit in der Ebene am Fuß des Imposible begonnen, und das schwierigste Stück des Wegs wurde gar nicht in Angriff genommen. Die Arbeit gerieth aus einer der Ursachen ins Stocken, aus denen aus allen Fortschrittsprojekten in den spanischen Colonien nichts wird. Verschiedene Civilbehörden nahmen das Recht in Anspruch, die Arbeit mit zu leiten. Das Volk bezahlte geduldig den Zoll für einen Weg, der gar nicht da war, bis der Statthalter von Cumana den Mißbrauch abstellte.
Wenn man vom Imposible herabkommt, sieht man den Alpenkalk unter dem Sandstein wieder zum Vorschein kommen. Da die Schichten meist nach Süd und Südost fallen, so kommen am Südabhang des Berges sehr viele Quellen zu Tag. In der Regenzeit werden diese Quellen zu reißenden Bergströmen, die im Schatten von Hura, Cuspa und Cecropia mit silberglänzenden Blättern niederstürzen.
Die Cuspa, die in der Umgegend von Cumana und Bordones
ziemlich häufig vorkommt, ist ein den europäischen Botanikern
noch unbekannter Baum. Er diente lange nur als Bauholz uns seit
dem Jahre 1797 unter dem Namen Cascarilla oder Quinquina von
Neuandalusien berühmt geworden. Sein Stamm wird kaum 15 bis 20 Fuß
[5 bis 6,5 m]
hoch; seine wechselständigen Blätter sind glatt, ganzrandig,
eiförmig. Seine sehr dünne, blaßgelbe Rinde ist ein
ausgezeichnetes
Als wir aus der Schlucht, die sich am Imposible hinabzieht,
herauskamen, betraten wir einen dichten Wald, durch den eine
Menge kleiner Flüsse laufen, die man leicht durchwatet. Wir
machten die Bemerkung, daß die Cecropia, die durch die Stellung
ihrer Aeste und den schlanken Stamm an den Palmenhabitus
erinnert, je nachdem der Boden dürr oder sumpfig ist, mehr oder
weniger silberfarbige Blätter treibt. Wir sahen Stämme, deren
Laub auf beiden Seiten ganz grün war. Die Wurzeln dieser Bäume
waren unter Büschen von Dorstenia versteckt, die nur feuchte,
schattige Orte liebt. Mitten im Wald, an den Ufern des Rio
Erdeño, findet man, wie am Südabhang des Cocollar, Melonenbäume
und Orangenbäume mit großen süßen Früchten wild wachsend. Es
sind wahrscheinlich Ueberbleibsel einiger Conucas oder
indianischer Pflanzungen; denn auch der Orangenbaum kann in
diesen Landstrichen nicht zu den ursprünglich hier heimischen
Gewächsen gerechnet werden, so wenig wie der Pisang, der
Wenn ein eben aus Europa angekommener Reisender zum erstenmal die
Wälder Südamerikas betritt, so hat er ein ganz unerwartetes
Naturbild vor sich. Alles was er sieht, erinnert
nur entfernt an die Schilderungen, welche berühmte Schriftsteller
an den Ufern des Mississippi, in Florida und in andern
gemäßigten Ländern der neuen Welt entworfen haben.
Bei jedem Schritt fühlt er, daß er sich nicht an den Grenzen
der heißen Zone befindet, sondern mitten darin, nicht auf
einer der antillischen Inseln, sondern auf einem gewaltigen
Continent, wo Alles riesenhaft ist, Berge, Ströme und
Pflanzenmassen. Hat er Sinn für landschaftliche Schönheit,
so weiß er sich von seinen mannigfaltigen Empfindungen kaum
Rechenschaft zu geben. Er weiß nicht zu sagen, was mehr sein
Staunen erregt, die feierliche Stille der Einsamkeit oder die
Schönheit der einzelnen Gestalten und ihrer Kontraste oder die
Kraft und die Fülle des vegetabilischen Lebens. Es ist als
hätte der mit Gewächsen überladene Boden gar nicht Raum
genug zu ihrer Entwicklung. Ueberall verstecken sich die
Baumstämme hinter einen grünen Teppich, und wollte man all die
Orchideen, die Pfeffer- und Pothosarten, die auf einem einzigen
Heuschreckenbaum oder amerikanischen Feigenbaum [Ficus
gigantea.] wachsen, sorgsam verpflanzen, so würde ein
ganzes Stück Land damit bedeckt. Durch diese wunderliche
Aufeinanderfolge erweitern die Wälder, wie die Fels und
Gebirgswände, den
Wir wanderten einige Stunden im Schatten dieser Wölbungen, durch
die man kaum hin und wieder den blauen Himmel sieht. Er schien
mir um so tiefer indigoblau, da das Grün der tropischen Gewächse
meist einen sehr kräftigen, ins Bräunliche spiegelnde Ton hat.
Zerstreute Felsmassen waren mit einem großen Baumfarn bewachsen, der sich
vom Polypodium arboreum der Antillen wesentlich unterscheidet. Hier
sahen wir zum erstenmal jene Nester in Gestalt von Flaschen oder kleinen
Taschen, die an den Aesten der niedrigsten Bäume aufgehängt sind. Es sind
Werke des bewunderungswürdigen Bautriebes der Drosseln, deren Gesang sich
mit dem heiseren Geschrei der Papageien und Aras mischte. Die letzteren,
die wegen der lebhaften Farben ihres Gefieders allgemein bekannt sind,
flogen nur paarweise, während die eigentlichen Papageien in Schwärmen von
mehreren hundert Stück umherfliegen.
Man muß in diesen Ländern, besonders in den heißen
Thälern der Anden gelebt haben, um es für möglich zu
halten, daß zuweilen das Geschrei dieser Vögel das Brausen der
Bergströme, die von Fels zu Fels stürzen, übertönt.
Eine starke Meile vor dem Dorfe San Fernando kamen
wir aus dem Walde heraus. Ein schmaler Fußpfad führt
auf mehreren Umwegen in ein offenes, aber ausnehmend
feuchtes Land. Unter dem gemäßigten Himmelsstrich hätten
Bei San Fernando war die Verdunstung unter den Strahlen der Sonne so stark,
daß wir, da wir sehr leicht gekleidet waren, durchnäßt wurden, wie in einem
Dampfbade. Am Wege wuchs eine Art Bambusrohr, das die Indianer Jagua oder
Guadua nennen und das über vierzig Fuß [13 m]
hoch wird. Nichts kann zierlicher sein als
diese baumartige Grasart. Form und Stellung der Blätter geben ihr ein
Ansehen von Leichtigkeit, das mit dem hohen Wuchs angenehm kontrastiert.
Der glatte, glänzende Stamm der Jagua ist meist den Bauchufern zugeneigt
und schwankt beim leisesten Luftzuge hin und her. So hoch auch das Rohr
[Arundo donax] im mittäglichen Europa wächst, so gibt es doch keinen
Begriff vom Aussehen der baumartigen Gräser, und wollte ich nur meine
eigene Erfahrung sprechen lassen, so möchte ich behaupten, daß
von allen Pflanzengestalten unter den Tropen keine die Einbildungskraft des
Reisenden mehr anregt als der Bambus und der Baumfarn.
Die ostindischen Bambus, die calumets des hauts
[Bambusa, oder vielmehr Nestus alpina] der
Der Weg mit dem Bambusgebüsch zu beiden Seiten führte uns zum kleinen Dorfe
San Fernando, das auf einer schmalen, von sehr steilen Kalksteinwänden
umgebenen Ebene liegt. Es war die erste Mision, die wir in Amerika
betraten.Mision oder Pueblo de
Mision ein Anzahl Wohnungen um eine Kirche herum, wo ein Missionar, der
Ordensgeistlicher ist, den Gottesdienst versieht. Die indianischen Dörfer,
die unter der Obhut von Pfarrers stehen, heißen Pueblos de Doctrina.
Man unterscheidet noch weiter den Cura doctrinero, den Pfarrer einer
indianischen Gemeinde, und den Cura rector, den Pfarrer eines von
Weißen oder Farbigen bewohnten Dorfes.Conuco de la comunidad. In diesem
arbeiten die Erwachsenen beider Geschlechter morgens und abends je eine
Stunde. In den Missionen, die der Küste zu liegen, ist der Gemeindegarten
meist eine Zucker- oder Indigoplantage, welcher der Missionar vorsteht, und
deren Ertrag, wenn das Gesetz streng befolgt wird, nur zur Erhaltung der
Kirche und zur Anschaffung von Paramenten verwendet werden darf. Auf dem
großen Platze mitten im Dorfe stehen die Kirche, die Wohnung des Missionars
und das bescheidene Gebäude, das pomphaft Case des Rey, »königliches
Haus«, betitelt wird. Es ist eine förmliche Karawanserei, wo die Reisenden
Obdach finden, und, wie wir oft erfahren, eine wahre Wohltat in einem
Lande, wo das Wort Wirtshaus noch unbekannt ist. Die Casas des Rey findet
man in allen spanischen Kolonien, und man könnte meinen, sie seyen eine
Nachahmung der nach dem Gesetze Manco-Capacs errichteten Tambos in
Peru.
Wir waren an die Ordensleute, die den Missionen der
Chaymas-Indianer vorstehen, durch ihren Syndicus in Cumana
empfohlen. Diese Empfehlung kam uns desto mehr zu statten,
als die Missionäre, sey es aus Besorgniß für die Sittlichkeit
ihrer Pfarrkinder, oder um die mönchische Zucht der zudringlichen
Neugier Fremder zu entziehen, oft an einer alten Verordnung
festhalten, nach welcher kein Weißer weltlichen Standes
sich länger als eine Nacht in einem indianischen Dorfe aufhalten
darf. Will man in den spanischen Missionen angenehm
reisen, so darf man sich meist nicht allein auf den Paß des
Madrider Staatssecretariats oder der Civilbehörden verlassen,
man muß sich mit Empfehlungen geistlicher Behörden versehen;
Der Missionar von San Fernando war ein sehr bejahrter, aber noch sehr kräftiger und munterer Kapuziner aus Aragon. Seine bedeutende Körperrundung, sein guter Humor, sein Interesse für Gefechte und Belagerungen stimmten schlecht zu der Vorstellung, die man sich im Norden vom schwärmerischen Trübsinn und dem beschaulichen Leben der Missionare macht. So viel ihm auch eine Kuh zu tun gab, die des anderen Tages geschlachtet werden sollte, empfing uns doch der alte Ordensmann ganz freundlich und erlaubte uns, unsere Hängematten in einem Gange seines Hauses zu befestigen. Er saß den größten Teil des Tages über in einem großen Armstuhle von rotem Holz und beklagte sich bitter über die Trägheit und Unwissenheit seiner Landsleute. Er richtete tausenderlei Fragen an uns über den eigentlichen Zweck unserer Reise, die ihm sehr gewagt und zum wenigsten ganz unnütz schien. Hier wie am Orinoco wurde es uns sehr beschwerlich, daß sich die Spanier mitten in den Wäldern Amerikas für die Kriege und politischer Stürme der alten Welt immer noch so lebhaft interessiren.
Unser Missionär schien übrigens mit seiner Stellung vollkommen
zufrieden. Er behandelte die Indianer gut, er sah
die Mission gedeihen, er pries in begeisterten Worten das
Wasser, die Bananen, die Milch des Landes. Als er unsere
carne
de vaca, der köstlichste; die Sinnlichkeit quillt eben überall über, wo
es an geistiger Beschäftigung fehlt. Oft bat uns unser Wirth, mit
ihm die Kuh zu besuchen, die er eben gekauft hatte, und am
andern Tage bei Tagesanbruch mußten wir sie nach Landessitte
schlachten sehen; man machte ihr einen Schnitt durch die
Häckse, ehe man ihr das breite Messer in die Halswirbel
stieß. So widrig dieses Geschäft war, so lernten wir dabei doch
die ausnehmende Fertigkeit der Chaymas kennen, deren acht
in weniger als zwanzig Minuten das Thier in kleine Stücke
zerlegten. Die Kuh hatte nur sieben Piaster gekostet, und
dieß galt für sehr viel. Am selben Tag hatte der Missionar
einem Soldaten aus Cumana, der ihm nach mehreren vergeblichen
Versuchen endlich am Fuß die Ader geschlagen, achtzehn
Piaster bezahlt. Dieser Fall, so unbedeutend er scheint,
zeigt recht auffallend, wie hoch in uncultivirten Ländern die
Arbeit dem Werth der Naturprodukte gegenüber im Preise steht.
Die Mission San Fernando wurde zu Ende des siebzehnten
Jahrhunderts an der Stelle gegründet, wo die kleinen
Flüsse Manzanares und Lucasperez sich vereinigen. Eine
Feuersbrunst, welche die Kirche und die Hütten der Indianer
in Asche legte, gab den Anlaß, daß die Kapuziner das Dorf
an dem schönen Punkt, wo es jetzt liegt, wieder aufbauten.
Die Zahl der Familien ist auf hundert gestiegen, und der
Missionar machte gegen uns die Bemerkung, daß der Brauch,
die jungen Leute im dreizehnten oder vierzehnten Jahre zu
In der Nacht vom fünften September und am andern Morgen lag ein dicker Nebel, und doch waren wir nur hundert Toisen über dem Meeresspiegel. Bevor wir aufbrachen, maß ich geometrisch den großen Kalkberg, der achthundert Toisen südlich von San Fernando liegt und nach Norden steil abfällt. Sein Gipfel ist nur 215 Toisen höher als der große Dorfplatz, aber kahle Felsmassen, die sich aus der dichten Pflanzendecke erheben, geben ihm etwas sehr Großartiges.
Der Weg von San Fernando nach Cumana führt über kleine Pflanzungen durch
ein offenes feuchtes Tal. Wir wateten durch viele Bäche. Im Schatten stand
das Thermometer nicht über 30°, wir waren ab er unmittelbar den
Sonnenstrahlen ausgesetzt, weil die Bambus am Wege nur wenig Schutz
gewähren, und wir hatten stark von der Hitze zu leiden. Wir kamen durch das
Dorf Arenas, das von Indianers desselben Stammes wie die von San Fernando
bewohnt ist; aber Arenas ist keine Mission mehr; die Eingeborenen stehen
unter einem Pfarrer und sind nicht so nackt und kultivierter als jene. Ihre
Kirche ist im Lande wegen einiger rohen Malereien bekannt; auf einem
schmalen Fries sind
In diesem Dorfe wohnt ein Landmann Namens Francisco Lozano, der eine physiologische Merkwürdigkeit ist, und der Fall macht Eindruck auf die Einbildungskraft, wenn er auch den bekannten Gesetzen der organischen Natur vollkommen entspricht. Der Mann hat einen Sohn mit seiner eigenen Milch aufgezogen. Die Mutter war krank geworden, da nahm der Vater das Kind, um es zu beruhigen, zu sich ins Bett und drückte es an die Brust. Lozano, damals zweiundreißig Jahre alt, hatte es bis dahin nicht bemerkt, daß er Milch gab, aber infolge der Reizung der Brustwarze, an der das Kind saugte, schoß die Milch ein. Dieselbe war fett und sehr süß. Der Vater war nicht wenig erstaunt, als seine Brust schwoll, und säugte fortan das Kind fünf Monate lang zwei-, dreimal des Tages. Seine Nachbarn wurden aufmerksam auf ihn, er dachte aber nicht daran, die Neugierde auszubeuten, wie er wohl in Europa getan hätte. Wir sahen das Protokoll, das über den merkwürdigen Fall aufgenommen worden. Augenzeugen desselben leben noch, und sie versicherten uns, der Knabe habe während des Stillens nichts bekommen als die Milch des Vaters. Lozano war nicht zu Hause, als wir die Missionen bereisten, besuchte uns aber in Cumana. Er kam mit seinem Sohne, der schon 13 bis 14 Jahre als war. Bonpland untersuchte die Brust des Vaters genau und fand sie runzlig, wie bei Weibern, die gesäugt haben. Er bemerkte, daß besonders die linke Brust sehr ausgedehnt war, und Lozano erklärte dies aus dem Umstande, daß niemals beide Brüste gleich viel Milch gegeben. Der Statthalter Don Vicente Emparan hat eine ausführliche Beschreibung des Falles nach Cadiz geschickt.
Es kommt bei Menschen und Thieren nicht gar selten vor, daß die Brust männlicher Individuen Milch enthält, und das Klima scheint auf diese mehr oder weniger reichliche Absonderung keinen merkbaren Einfluß zu äußern. Die Alten erzählen von der Milch der Böcke aus Lemnos und Corsica; Noch in neuester Zeit war in Hannover ein Bock, der jahrelang einen Tag um den anderen gemolken wurde und mehr Milch gab als die Ziegen. Unter den Merkmalen der vermeintlichen Schwächlichkeit der Amerikaner führen die Reisenden auch auf, daß die Männer Milch in den Brüsten haben [Man hat sogar alles Ernstes behauptet, in einem Teile Brasiliens werden die Kinder von den Männern, nicht von den Weibern gesäugt.]. Es ist indessen höchst unwahrscheinlich, daß solches bei einem ganzen Volksstamm in irgend einem der heutigen Reisenden unbekannten Landstriche Amerikas beobachtet worden sein sollte, und ich kann versichern, daß der Fall gegenwärtig in der Neuen Welt nicht häufiger vorkommt als in der Alten. Der Landmann in Arenas, dessen Geschichte wir soeben erzählt, ist nicht vom kupferfarbenen Stamm der Chaymas, er ist ein Weißer von europäischem Blut. Ferner haben Petersburger Anatomen die Beobachtung gemacht, daß Milch in den Brüsten der Männer beim niederen russischen Volke weit häufiger vorkommt, als bei südlicheren Völkern, und die Russen haben nie für schwächlich und weibisch gegolten.
Es gibt unter den mancherlei Spielarten unseres Geschlechts
eine, bei der der Busen zur Zeit der Mannbarkeit
einen ansehnlichen Umfang erhält. Lozano gehörte nicht dazu,
und er versicherte uns wiederholt, erst durch die Reizung der
Brust in Folge des Saugens sey bei ihm die Milch gekommen.
Dadurch wird bestätigt, was die Alten beobachtet haben:
Aristoteles, Historia animalium.
Lib. III. c. 20] Diese sonderbare Wirkung
eines Nervenreizes war den griechischen Schäfern bekannt; die
auf dem Berge Oeta rieben den Ziegen, die noch nicht geworfen
hatten, die Euter mit Nesseln, um die Milch herbeizulocken.
Ueberblickt man die Lebenserscheinungen in ihrer Gesammtheit, so zeigt sich, daß keine ganz für sich allein steht. In allen Jahrhunderten werden Beispiele erzählt von jungen, nicht mannbaren Mädchen oder von bejahrten Weibern mit eingeschrumpften Brüsten, welche Kinder säugten. Bei Männern kommt solches weit seltener vor, und nach vielem Suchen habe ich kaum zwei oder drei Fälle finden können. Einer wird vom veronesischen Anatomen Alexander Benedictus angeführt, der am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts lebte. Er erzählt, ein Syrier habe nach dem Tode der Mutter sein Kind, um es zu beschwichtigen, an die Brust gedrückt. Sofort schoß die Milch so stark ein, daß der Vater sein Kind allein säugen konnte. Andere Beispiele werden von Santorellus, Feria und Robert, Bischof von Cork, berichtet. Da die meisten dieser Fälle ziemlich entlegenen Zeiten angehören, ist es von Interesse für die Physiologie, daß die Erscheinung zu unserer Zeit bestätigt werden konnte. Sie hängt übrigens genau mit dem Streit über die Endursachen zusammen. Daß auch der Mann Brüste hat, ist den Philosophen lange ein Stein des Anstoßes gewesen, und noch neuerdings hat man geradezu behauptet: »Die Natur habe die Fähigkeit zu säugen dem einen Geschlecht versagt, weil diese Fähigkeit gegen die Würde des Mannes wäre.«
In der Nähe der Stadt Cumanacoa wird der Boden ebener und das Thal nach und nach weiter. Die kleine Stadt liegt auf einer kahlen, fast kreisrunden, von hohen Bergen umgebenen Ebene und nimmt sich von außen sehr trübselig aus. Die Bevölkerung ist kaum 2300 Seelen stark; zur Zeit des Vaters Caulin im Jahr 1753 betrug sie nur 600. Die Häuser sind sehr niedrig, unsolid und, drei oder vier ausgenommen, sämmtlich aus Holz. Wir brachten indessen unsere Instrumente ziemlich gut beim Verwalter der Tabaksregie, Don Juan Sanchez, unter, einem liebenswürdigen, geistig sehr regsamen Mann. Er hatte uns eine geräumige, bequeme Wohnung einrichten lassen; wir blieben vier Tage hier und er ließ sich nicht abhalten, uns auf allen unsern Ausflügen zu begleiten.
Cumanacoa wurde im Jahre 1717 von Domingo Arias gegründet, als er von einem Kriegszuge zurückkam, den er an die Mündung des Guarapiche unternommen, um eine von französischen Freibeutern begonnene Niederlassung zu zerstören. Die Stadt hieß anfangs San Baltazar de las Arias, aber der indische Name verdrängte jenen, wie der Name Caracas den Namen Santiago de Leon, den man noch häufig auf unseren Karten sieht, in Vergessenheit gebracht hat.
Als wir den Barometer öffneten, sahen wir zu unserer
Ueberraschung das Quecksilber kaum 7,3 Linien tiefer stehen
als an der Küste, und doch schien das Instrument in ganz
gutem Stand. Die Ebene, oder vielmehr das Plateau, auf
dem Cumanacoa steht; liegt nicht mehr als 104 Toisen über
dem Meeresspiegel, und dieß ist drei oder viermal weniger,
als man in Cumana glaubt, weil man dort von der Kälte
in Cumanacoa die übertriebensten Vorstellungen hat. Aber
Der Hafen von Cumana liegt von Cumanacoa nur etwa
sieben Seemeilen. Am ersteren Orte regnet es fast nie, während
an letzterem die Regenzeit sechs bis sieben Monate dauert.
Die trockene Jahreszeit währt in Cumanacoa von der Winter-
bis zur Sommer- Tag- und Nachtgleiche. Strichregen sind im
April, Mai und Juni ziemlich häufig; später wird es wieder
sehr trocken, vom Sommersolstitium bis Ende August; nunmehr
Unser erster Aufenthalt in den Missionen fiel in die Regenzeit.
Jede Nacht war der Himmel mit schweren Wolken wie mit einem dichten
Schleier umzogen, und nur durch Ritzen im Gewölk konnte ich ein paar
Sternbeobachtungen anstellen. Das Thermometer stand auf 18,5–20°
(14°,8–16° R.), und
dies ist in der heißen Zone und für das Gefühl des Reisenden, der von der
Küste herkommt, bedeutend kühl.
In Cumana sah ich die Temperatur bei Nacht niemals unter 21°
sinken. Der Delucsche Hygrometer zeigte in Cumanacoa 85°,
und, was auffallend ist, sobald das Gewölk sich zerstreute
und die Sterne in ihrer ganzen Pracht leuchteten, ging das
Instrument aus 55° zurück. Gegen Morgen nahm die Temperatur
wegen der starken Verdunstung nur langsam zu und
noch um zehn Uhr war sie nicht über 21°. Am heißesten ist
es von Mittag bis drei Uhr, wo dann der Thermometer auf
26–27° steht. Zur Zeit der größten Hitze, etwa zwei
Stunden nach dem Durchgang der Sonne durch den Meridian,
zog fast regelmäßig ein Gewitter auf, das auch zum Ausbruch
kam. Dicke, schwarze, sehr niedrig ziehende Wolken lösten sich
in Regen auf; diese Güsse dauerten zwei bis drei Stunden,
und während derselben fiel der Thermometer um 5–6 Grad.
Gegen fünf Uhr hörte der Regen ganz auf, die Sonne kam
Die Vegetation auf der Ebene um die Stadt ist sehr einförmig, aber infolge
der großen Feuchtigkeit der Luft ungemein frisch. Ihre
Haupteigentümlichkeiten sind ein baumartiges Solanum, das 13 m hoch wird,
die Urtica baccifera und eine neue Art der Gattung Guettarda.
Der Boden ist sehr fruchtbar und er wäre auch leicht zu bewässern, wenn man
von den vielen Bächen, deren Quellen das ganze Jahr nicht versiegen, Kanäle
zöge. Das wichtigste Erzeugnis ist der Tabak, und nur diesem verdankt es
die kleine, schlecht gebaute Stadt, wenn sie einen gewissen Ruf hat. Seit
der Einführung der Pacht (Estanco real de Tabaco) im Jahre 1779 ist
der Tabaksbau in der Provinz Cumana fast ganz auf Cumanacoa beschränkt. Die
ganze Tabaksernte muß an die Regierung verkauft werden, und um dem
Schmuggel zu steuern, oder vielmehr nur ihn einzuschränken, ließ man
geradezu nur an einem Punkte
Nach dem Tabak auf der Insel Cuba und dem vom Rio Negro hat der Cumana am
meisten Arom. Er übertrifft allen aus Neuspanien und der Provinz Varinas.
Wir theilen Einiges über den Bau desselben mit, weil er sich wesentlich
vom Tabaksbau in Virginien unterscheidet. Schon der
Umstand, daß im Thale von Cumanacoa die Gewächse aus der
Familie der Solaneen so ausnehmend stark entwickelt sind,
besonders die vielen Arten von Solanum arborescens, von
Aquartia und Cestrum weisen darauf hin, daß hier der
Boden für den Tabaksbau sehr geeignet seyn muß.
Die Aussaat wird im September vorgenommen; zuweilen wartet man damit bis
zum Dezember, was aber für den Ausfall der Ernte nicht so gut ist. Die
Wurzelblätter zeigen sich am achten Tage; man bedeckt die jungen Pflanzen
mit großen Heliconien- und Bananenblättern, um sie der unmittelbaren
Einwirkung der Sonne zu entziehen, und reutet das Unkraut, das unter den
Tropen furchtbar schnell aufschießt, sorgfältig aus. Der Tabak wird sofort
einen und einen halben Monat, nachdem der Samen aufgegangen, in einen
fetten, gut gelockerten Boden versetzt. Die Pflanzen werden in geraden
Reihen drei, vier Fuß voneinander gesteckt; man jätet sie fleißig und köpft
den Hauptstengel mehrmals, bis bläulich
Reife sich zeigen. Im vierten Monat fängt man an sie
abzunehmen, und diese erste Ernte ist in wenigen Tagen vorüber. Besser wäre
es, die Blätter nacheinander abzunehmen, so wie sie trocken werden. In
guten Jahren schneiden die Pflanzer den Stock, wenn der vier Fuß hoch ist, ab,
und der Wurzelschoß treibt so rasch neue Blätter, daß sie schon am
13. oder 14. Tage geerntet werden können. Diese haben sehr
lockeres Zellgewebe; sie enthalten mehr Wasser, mehr Eiweiß
und weniger von dem scharfen, flüchtigen, im Wasser schwer
löslichen Stoff, an den die eigenthümlich reizende Wirkung
des Tabaks gebunden scheint.
Der Tabak wird in Cumanacoa nach dem Verfahren
behandelt, das bei den Spaniern de cura seca heißt. Man
hängt die Blätter an Cocuizafasern [Agave americana] auf,
löst die Rippen ab
und dreht sie zu Strängen. Der zubereitete Tabak sollte im
Juni in die königlichen Magazine geschafft werden, aber aus
Faulheit und weil sie dem Bau des Mais und des Maniok
mehr Aufmerksamkeit schenken, machen die Leute den Tabak
selten vor August fertig. Begreiflich verlieren die Blätter an
Arom, wenn sie zu lange der feuchten Luft ausgesetzt bleiben.
Der Verwalter läßt den Tabak sechzig Tage unberührt in den
königlichen Magazinen liegen; dann schneidet man die Bündel
auf, um die Qualität zu prüfen. Findet der Verwalter den
Tabak gut zubereitet, so bezahlt er dem Pflanzer für die
Aroba von fünfundzwanzig Pfund drei Piaster. Dasselbe
Gewicht wird auf Rechnung der Krone für zwölf einen halben
Piaster wieder verkauft. Der faule (potrido) Tabak, d. h.
Der Boden von Cumanacoa eignet sich für diesen Culturzweig
so ausgezeichnet, daß der Tabak überall, wo der Same
Feuchtigkeit findet, wildwächst. So kommt er beim Cerro
del Cuchivano und bei der Höhle von Caripe vor. In
Cumanacoa, wie in den benachbarten Distrikten von Aricagua
und San Lorenzo, wird übrigens nur die Tabaksart mit großen
sitzenden Blättern, der sogenannte virginische Tabak
[Nicotiana tabacum] gebaut.
Ganz unbekannt ist der Tabak mit gestielten Blättern
[Nicotiana rustica], der
eigentliche Yetl der alten Mexicaner, den man in Deutschland
sonderbarerweise türkischen Tabak nennt.
Wäre der Tabaksbau frei, so könnte die Provinz
Cumana einen großen Theil von Europa damit versehen; ja,
andere Distrikte scheinen sich für die Erzeugung dieser Colonialwaare
ganz so gut zu eignen wie das Thal von Cumanacoa,
wo der übermäßige Regen nicht selten dem Arom der Blätter
Eintrag thut. Gegenwärtig, wo der Tabaksbau auf ein paar
Quadratmeilen beschränkt ist, beträgt der ganze Ertrag der
Ernte nur 6000 Arobas. Die beiden Provinzen Cumana
und Barcelona verbrauchen aber 12,000, und der Ausfall
wird aus dem spanischen Guyana gedeckt. In der Gegend
von Cumanacoa geben sich im Durchschnitt nur 1500 Personen
mit dem Tabaksbau ab, lauter Weiße; die Eingeborenen
Beschäftigt man sich mit der Geschichte unserer Culturpflanzen, so sieht man mit Ueberraschung, daß vor der Eroberung der Gebrauch des Tabaks über den größten Theil von Amerika verbreitet war, während man die Kartoffel weder in Mexico, noch auf den Antillen kannte, wo sie doch in gebirgigen Lagen sehr gut fortkommt. Ferner wurde in Portugal schon im Jahr 1559 Tabak gebaut, während die Kartoffel erst am Ende des siebzehnten und zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts in den europäischen Ackerbau überging. Letzteres Gewächs, das für das Wohl der menschlichen Gesellschaft so bedeutsam geworden ist, hat sich auf beiden Continenten weit langsamer verbreitet, als ein Produkt, das nur für einen Luxusartikel gelten kann.
Das wichtigste Produkt nach dem Tabak ist im Thale
von Cumanacoa der Indigo. Die Pflanzungen in Cumanacoa,
San Fernando und Arenas liefern eine Waare, die im
Handel noch geschätzter ist als der Indigo von Caracas; er
kommt an Glanz und Fülle der Farbe oft dem Indigo von
Guatimala nahe. Aus letzterer Provinz ist der Samen von
Indigofera Anil die neben Indigofera tinctoria gebaut
wird, zuerst auf die Küste von Cumana gekommen. Da im
Thale von Cumanacoa sehr viel Regen fällt, so gibt eine
vier Fuß hohe Pflanze nicht mehr Farbstoff als eine dreimal
kleinere in den trockenen Thälern von Aragua, westlich von
der Stadt Caracas.
Alle Indigofabriken, die wir gesehen, sind nach demselben
Plane eingerichtet. Zwei Weichküpen, in denen das
Trotz der ausgezeichneten Beschaffenheit der Produkte und der Fruchtbarkeit des Bodens ist der Landbau in Cumanacoa noch völlig in der Kindheit. Arenas, San Fernando und Cumanacoa bringen in den Handel nur 3000 Pfund Indigo, der im Lande 4500 Piaster werth ist. Es fehlt an Menschenhänden und die schwache Bevölkerung nimmt durch die Auswanderung in die Llanos täglich ab. Diese unermeßlichen Savanen nähren den Menschen reichlich, weil sich das Vieh dort so leicht vermehrt, während der Indigo- und Tabaksbau viel Sorge und Mühe macht. Der Ertrag des letzteren ist desto unsicherer, da die Regenzeit bald länger, bald kürzer dauert. Die Pflanzer sind von der königlichen Pacht, die ihnen Vorschüsse macht, völlig abhängig, und hier, wie in Georgien und Virginien, baut man lieber Nahrungsgewächse als Tabak. Man hatte neuerdings der Regierung den Vorschlag gemacht, auf königliche Kosten fünfhundert Neger anzuschaffen und sie den Pflanzern abzugeben, die im Stande wären, in zwei oder drei Jahren den Ankaufspreis abzutragen. Dadurch hoffte man die jährliche Tabaksernte auf 15,000 Arobas zu bringen. Zu meiner Freude habe ich viele Grundeigenthümer sich gegen dieses Projekt aussprechen hören. Es stand nicht zu hoffen, daß man, nach dem Vorgang mancher Provinzen der Vereinigten Staaten, nach einer gewissen Reihe von Jahren den Schwarzen oder ihren Nachkommen die Freiheit schenken würde; desto bedenklicher schien es, zumal nach den entsetzlichen Vorgängen auf St. Domingo, die Sklavenbevölkerung in Terra Firma zu vermehren. Weise Politik hat nicht selten dieselben Folgen, wie die edelsten und seltensten Regungen der Gerechtigkeit und Menschenliebe.
Die mit Höfen und Indigo- und Tabakspflanzungen
auf den Ebenen der neuen Welt,
nördlich oder südlich vom Aequator gefunden, gehören nicht der heißen,
sondern der gemäßigten Zone an. Andererseits macht Pallas die Bemerkung,
daß in Sibirien, also auch nördlich vom Wendekreis, fossile Knochen in
den gebirgigen Landestheilen gar nicht vorkommen. Diese eng mit einander
verknüpften Thatsachen scheinen den Weg zur Auffindung eines wichtigen
geologischen Gesetzes zu bahnen.
Als wir dem südlichen Rand des Beckens von Cumanacoa zugingen, sahen wir den Turimiquiri vor uns liegen. Eine ungeheure Felswand, das Ueberbleibsel eines alten Küstenstrichs, steigt mitten im Walde empor. Weiter nach West, beim Cerro del Cuchivano, erscheint die Bergkette wie durch ein Erdbeben aus einander gerissen. Die Spalte ist über hundert fünfzig Toisen breit und von senkrechten Felsen umgeben. Tief beschattet von den Bäumen, deren verschlungene Zweige nicht Raum haben sich auszubreiten, nahm sich die Spalte aus wie eine durch einen Erdfall entstandene Grube. Ein Bach, der Rio Juagua, läuft durch die Spalte, die ungemein malerisch ist und Risco del Cuchivano heißt. Der kleine Fluß entspringt sieben Meilen weit gegen Südwest am Fuße des Brigantin und bildet schöne Fälle, ehe er in die Ebene von Cumanacoa ausläuft.
Wir besuchten öfters einen kleinen Hof, Conuco de Bermudez,
dem Erdspalt von Cuchivano gegenüber. Man baut
hier auf feuchtem Boden Bananen, Tabak und mehrere Arten
von Baumwollenbäumen, besonders die, deren Wolle nanking-gelb
ist und die auf der Insel Margarita so häufig vorkommt.
Der Eigenthümer sagte uns, der Erdspalt sey von Jaguars
bewohnt. Diese Thiere bringen den Tag in Höhlen zu und
schleichen bei Nacht um die Wohnungen. Da sie reichliche
Nahrung haben, werden sie bis sechs Fuß lang. Ein solcher
Tiger hatte im verflossenen Jahr ein zum Hof gehöriges Pferd
verzehrt. Er schleppte seine Beute bei hellem Mondschein über
die Savane unter einen ungeheur dicken Ceibabaum. Vom Winseln
des verendenden Pferdes erwachten die Sklaven im Hofe.
Sie rückten mitten in der Nacht aus, bewaffnet mit Spießen
und MachetesMachete in den Wald, sowohl
um die Lianen und Baumäste abzuhauen, die einem den Weg sperren,
als um sich gegen wilde Thiere zu vertheidigen.Felis Onca, Linné, die Buffon panthère oillée
nennt und in Afrika zu Hause glaubt. Wir werden später Gelegenheit
haben, auf diesen für die Zoologie und Thiergeographie wichtigen
Punkt zurückzukommen.] von Terra Firma, wie der Jaguarete in
Paraguay und der eigentliche asiatische Tiger, vor dem Menschen
nicht fliehen, wenn ihm dieser zu Leibe geht und die
Zahl der Angreifenden ihn nicht scheu macht. Die Zoologen
wissen jetzt, daß Buffon die größte amerikanische Katzenart
ganz falsch beurtheilt hat. Was der berühmte Schriftsteller
Dem Hofe Bermudez gegenüber liegen die Oeffnungen zweier geräumigen Höhlen im Erdspalt des Cuchivano; von Zeit zu Zeit schlagen Flammen daraus empor, die man bei Nacht sehr weit sieht. Die benachbarten Berge sind dann davon beleuchtet, und nach der Höhe der Felsen, über welche diese brennenden Dünste hinanfreichen, wäre man versucht zu glauben, daß sie mehrere hundert Fuß hoch werden. Beim letzten großen Erdbeben in Cumana war diese Erscheinung von einem unterirdischen dumpfen, anhaltenden Getöse begleitet. Sie kommt vorzüglich in der Regenzeit vor, und die Besitzer der dem Berge Cuchivano gegenüber liegenden Pflanzungen versichern, die Flammen zeigen sich seit dem December 1797 häufiger.
Auf einer botanischen Excursion nach Rinconada versuchten
wir vergeblich in die Spalte einzudringen. Wir hätten
die Felsen, die in ihrem Schoße die Ursachen dieses merkwürdigen
Feuers zu bergen schienen, gerne näher untersucht;
aber die üppige Vegetation, die in einander geschlungenen
Lianen und Dornsträucher ließen uns nicht vorwärts kommen.
Zum Glück nahmen die Bewohner des Thals lebhaften Antheil
an unsern Forschungen, nicht sowohl weil sie sich vor
einem vulkanischen Ausbruch fürchteten, als weil sie sich in
den Kopf gesetzt hatten, der Risco del Cuchivano enthalte eine
Goldgrube. Es half nichts, daß wir ihnen auseinandersetzten,
warum wir an Gold im Muschelkalk nicht glauben
Die Pflanzer bahnten mit ihren Sklaven einen Weg
durch den Wald bis zum ersten Fall des Rio Juagua,
und am 10. September machten wir unsern Ausflug nach
dem Risco del Cuchivano. Kaum hatten wir die Schlucht
betreten, so merkten wir, daß Tiger in der Nähe waren,
sowohl an einem frisch zerrissenen Stachelschwein, als am
Gestank ihres Kothes, der dem der europäischen Katze gleicht.
Zur Vorsicht gingen die Indianer nach dem Hof zurück und
brachten Hunde von sehr kleiner Race mit. Man behauptet,
wenn man dem Jaguar auf schmalem Pfad begegne, springe
er zuerst auf den Hund los, nicht auf den Menschen. Wir stiegen
nicht am Ufer des Baches, sondern an der Felswand
über dem Wasser hinauf. Man geht an einem zwei-, dreihundert
Fuß tiefen Abgrund hin auf einem ganz schmalen
Vorsprung, wie auf dem Wege von Grindelwald am Mettenberg
hin zum großen Gletscher. Wird der Vorsprung so
schmal, daß man nicht mehr weiß, wohin man den Fuß setzen
soll, so steigt man zum Bach hinunter, watet durch oder läßt
sich von einem Sklaven hinüber tragen, und klimmt an der
andern Bergwand weiter. Das Niederklettern ist ziemlich
mühselig, und man darf sich nicht auf die Lianen verlassen,
Eupatorium laevigatum, Lamarck),
die sogenannte Rose von Belveria (Brownea racemosa),
berühmt wegen ihrer herrlichen purpurrothen Blüthen,
und das einheimische Drachenblut, eine
noch nicht beschriebene Art Croton, deren rother adstringirender
Saft zur Stärkung des Zahnfleisches gebraucht wird. Sie
unterschieden die Arten durch den Geruch, besonders aber durch
Kauen der Holzfasern. Zwei Eingeborene, denen man dasselbe
Holz zu kauen gibt, sprechen, meist ohne sich zu besinnen, denselben
Namen aus. Wir konnten übrigens von den scharfen
Die angebliche Goldgrube von Cuchivano, die wir untersuchen
sollten, ist nichts als ein Loch, das man in eine der
schwarzen, an Schwefelkies reichen Mergelschichten im Kalk zu
graben angefangen. Das Loch liegt auf der rechten Seite des
Rio Inagua an einem Punkt, wohin man vorsichtig klettern
muß, weil der Bach hier über acht Fuß tief ist. Der Schwefelkies
ist hell goldgelb und man sieht ihm nicht an, daß er
Kupfer enthält. Die Mergelschicht, in der er vorkommt,
streicht über den Bach hinüber. Das Wasser spült die metallisch
glänzenden Körner aus, und deßhalb glaubt das Volk,
der Bach führe Gold. Man erzählt, nach dem großen Erdbeben
im Jahr 1766 habe das Wasser des Inagua so viel
Gold geführt, daß Männer, »die weit her gekommen, und
von denen man nicht gewußt, wo sie zu Hause seyen,« Goldwäschen
angelegt hätten; sie seyen aber bei Nacht und Nebel
verschwunden, nachdem sie eine Menge Gold gesammelt. Es
braucht keines Beweises, daß dieß ein Mährchen ist; die Kiese
in den Quarzgängen des Glimmerschiefers sind allerdings sehr
oft goldhaltig; aber nichts berechtigt bis jetzt zur Annahme,
daß der Schwefelkies im Mergelschiefer des Alpenkalks gleichfalls
Gold enthalte. Einige direkte Versuche auf nassem Weg,
Minas de Oro führen!
Wie oft sahen wir lächelnd zu, wenn Leute aller Stände,
Beamte, Dorfgeistliche, ernste Missionäre mit unermüdlicher
Geduld Hornblende oder gelben Glimmer zerstießen, um mittelst
Quecksilbers das Gold auszuziehen! Die leidenschaftliche
Gier, mit der man nach Erzen sucht, erscheint doppelt auffallend
in einem Lande, wo man den Boden kaum umzuwenden
braucht, um ihm reiche Ernten zu entlocken.
Nachdem wir den Schwefelkies am Rio Juagua untersucht,
gingen wir weiter in der Schlucht hinauf, die sich wie
ein enger, von sehr hohen Bäumen beschatteter Kanal fortzieht.
Nach sehr beschwerlichem Marsch und ganz durchnäßt,
weil wir so oft über den Bach gegangen waren, langten wir
am Fuß der Höhlen des Cuchivano an, aus denen man vor
einigen Jahren die Flammen hatte brechen sehen. Achthundert
Toisen hoch steigt senkrecht eine Felswand auf. In einem
Landstrich, wo der üppige Pflanzenwuchs überall den Boden
und das Gestein bedeckt, kommt es selten vor, daß ein großer
Wir ruhten am Fuß der Höhlen aus. Hier sah man
die Flammen hervorkommen, welche in den letzten Jahren
häufiger geworden sind. Unsere Führer und der Pächter, ein
verständiger, mit den Oertlichkeiten der Provinz wohl bekannter
Mann, verhandelten nach der Weise der Creolen über die
Gefahr, der die Stadt Cumanacoa ausgesetzt wäre, wenn der
Cuchivano ein thätiger Vulkan würde, se veniesse a reventar.
Es schien ihnen unzweifelhast, daß seit dem großen
Erdbeben von Quito und Cumana im Jahr 1797 Neu-Andalusien
vom unterirdischen Feuer immer mehr unterhöhlt
werde. Sie brachten die Flammen zur Sprache, die man in
Cumana hatte aus dem Boden schlagen sehen, und die Stöße,
die man jetzt an Orten empfindet, wo man früher nichts von
Erdbeben wußte. Sie erinnerten daran, daß man in Macarapan
seit einigen Monaten öfters Schwefelgeruch spüre. Auf
diese und ähnliche Erscheinungen, die uns damals in ihrem
Munde auffielen, gründeten sie Prophezeiungen, die fast
sämmtlich in Erfüllung gegangen sind. Entsetzliche
Zerstörungen haben im Jahr 1812 in Caracas stattgefunden, zum
Beweis, welch gewaltige Unruhe im Nordosten von Terra
Firma in der Natur herrscht.
Was ist wohl aber die Ursache der feurigen Erscheinungen,
die man am Cuchivano beobachtet? Ich weiß wohl,
daß man zuweilen die Luftsäule, die über der Mündung brennender
Vulkane aufsteigt, in hellem Lichte glänzen sieht.
Mons Albanus
bei Rom, dem heutigen Monte cavo sey zuweilen bei Nacht
Feuer gesehen worden; aber der Mons albanus ist ein erst
in neuerer Zeit erloschener Vulkan, der noch zu Catos Zeit
Rapilli auswarf [Albano monte biduum continenter lapidibus pluit.
Livius XXV. 7.], während der Cuchivano ein Kalkberg ist in
einer Gegend, wo weit und breit keine Trappbildungen vorkommen.
Kann man jene Flammen etwa daraus erklären,
daß das Wasser, wenn es mit den Kiesen im Mergelschiefer
in Berührung kommt, zersetzt wird? Ist das Feuer, das aus
den Höhlen des Cuchivano kommt, brennendes Wasserstoffgas?
Das Wasser, das durch den Kalkstein sickert und durch die
Schwefelschichten zersetzt wird, und die Erdbeben von Cumana,
die Lager gediegenen Schwefels bei Carupano und die schwefligt
sauren Dämpfe, die man zuweilen in den Savanen spürt:
zwischen all dem ließe sich leicht ein Zusammenhang denken;
es ist auch nicht zu bezweifeln, daß, wenn sich bei der starken
Affinität zwischen dem Eisenoxyd und den Erden bei hoher
Temperatur Wasser über Schwefelkiesen zersetzt, die Entbindung
von Wasserstoffgas erfolgen kann, welche mehrere neuere
Geologen eine so wichtige Rolle spielen lassen. Aber bei vulkanischen
Ausbrüchen tritt weit constanter schwefligte Säure
auf als Wasserstoff, und der Geruch, den man zuweilen bei
starken Erdstößen verspürt, ist vorzugsweise der Geruch von
schwefligter Säure. Ueberblickt man die vulkanischen Erscheinungen
und die Erdbeben im Ganzen, bedenkt man, in
Nach Meridianhöhen des südlichen Fisches, die ich in der Nacht vom 7. September beobachtet, liegt Cumanacoa unter 10° 16' 11" der Breite; die Angabe der geschätztesten Karten ist also um ¼ Grad unrichtig. Die Neigung der Magnetnadel fand ich gleich 42°,60 und die Intensität der magnetischen Kraft gleich 228 Schwingungen in zehn Zeitminuten; die Intensität war demnach um neun Schwingungen oder 1/25 geringer als in Ferrol.
Am zwölften setzten wir unsere Reise nach dem Kloster
Caripe, dem Hauptort der Chaymas-Missionen, fort. Wir
zogen der geraden Straße den Umweg über die Berge Cocollar
und Turimiquiri vor, die nicht viel höher sind als der Jura.
Der Weg läuft zuerst ostwärts drei Meilen über die Hochebene
von Cumanacoa, den alten Seeboden, und biegt dann nach
Cuesta del Cocollar zweitausend Fuß
Meereshöhe erreicht, so sieht man zu seiner Ueberraschung fast
keine Wälder, oder auch nur große Bäume mehr. Man geht
über eine ungeheure, mit Gräsern bewachsene Hochebene. Nur
Mimosen mit halbkugeliger Krone und drei bis vier Fuß
hohem Stamm unterbrechen die öde Einförmigkeit der Savanen.
Ihre Aeste sind gegen den Boden geneigt oder breiten
sich schirmartig aus. Ueberall, wo Abhänge oder halb mit
Erde bedeckte Gesteinmassen sich zeigen, breitet die Clusia oder
der Cupey mit den großen Nymphäenblüthen sein herrliches
Grün aus. Die Wurzeln dieses Baums haben zuweilen acht
Zoll Durchmesser und gehen oft schon fünfzehn Fuß über dem
Boden vom Stamme ab.
Nachdem wir noch lange bergan gestiegen waren, kamen
wir auf einer kleinen Ebene zum Hato del Cocollar. Es
ist dieß ein Hof, der 408 Toisen hoch ganz allein auf dem
Plateau liegt. In dieser Einsamkeit blieben wir drei Tage,
vortrefflich verpflegt von dem Eigenthümer [Don Mathias Yturburi,
ein geborener Biscayer], der vom Hafen
von Cumana an unser Begleiter gewesen war. Wir fanden
daselbst bei der reichen Weide Milch, vortreffliches Fleisch und
vor allem ein herrliches Klima. Bei Tag stieg der hunderttheilige
Thermometer nicht über 22 oder 23 Grad, kurz vor
So weit das Auge reicht, sieht man auf dem hohen
Punkt nichts als kahle Savanen; nur hin und wieder tauchen
aus den Schluchten kleine Baumgruppen auf, und trotz der
scheinbaren Einförmigkeit der Vegetation findet man ausnehmend
viele sehr interessante Pflanzen. Wir führen hier nur
an eine prachtvolle Lobelia mit purpurnen Blüthen, die
Brownea coccinea die über hundert Fuß hoch wird, und
vor allen den Pejoa, der im Lande berühmt ist, weil seine
Blätter, wenn man sie zwischen den Fingern zerreibt, einen
köstlichen aromatischen Geruch von sich geben. Was uns aber
am meisten am einsamen Ort entzückte, das war die Schönheit
und Stille der Nächte. Der Eigenthümer des Hofes blieb
mit uns wach. Er schien sich daran zu weiden, wie Europäer,
die eben erst unter die Tropen gekommen, sich nicht
genug wundern konnten über die frische Frühlingsluft, deren
man nach Sonnenuntergang hier aus den Bergen genießt. In
jenen fernen Ländern, wo der Mensch die Gaben der Natur
noch voll zu schätzen weiß, preist der Grundeigenthümer das
Wasser seiner Quelle, den gesunden Wind, der um den Hügel
weht, und daß es keine schädlichen Insekten gibt, wie wir in
Europa uns der Vorzüge unseres Wohnhauses oder des malerischen
Effekts unserer Pflanzungen rühmen.
Unser Wirth war mit einer Mannschaft, die an der Küste
des Meerbusens von Paria Holzschläge für die spanische Marine
einrichten sollte, in die neue Welt gekommen. In den großen
»Golfo triste«
gegeben, wurde das Grab der europäischen Seeleute.
Unser Wirth hatte das seltene Glück, diesen Gefahren zu entgehen;
nachdem er den größten Theil der Seinigen hatte hinsterben
sehen, zog er weit weg von der Küste auf die Berge
des Cocollar. Ohne Nachbarschaft, im ungestörten Besitz eines
Savanenstrichs von fünf Meilen, genießt er hier der Unabhängigkeit,
wie die Vereinzelung sie gewährt, und der Heiterkeit
des Gemüths, wie sie schlichten Menschen eigen ist, die
in reiner, stärkender Luft leben.
Nichts ist dem Eindruck majestätischer Ruhe zu vergleichen,
den der Anblick des gestirnten Himmels an diesem einsamen
Ort in einem hinterläßt. Blickten wir bei Einbruch der Nacht
hinaus über die Prairien, die bis zunm Horizont fortstreichen,
über die grün bewachsene, sanft gewellte Hochebene, so war
es uns, gerade wie in den Steppen am Orinoco, als sähen wir
weit weg das gestirnte Himmelsgewölbe auf dem Ocean ruhen.
Der Baum, unter dem wir saßen, die leuchtenden Insekten,
In der Morgenkühle machten wir uns auf, den Turimiquiri
zu besteigen. So heißt der Gipfel des Cocollar, der mit
dem Brigantin nur Einen Gebirgsstock bildet, welcher bei den
Eingeborenen früher Sierra de los Tageres hieß. Man macht
einen Theil des Wegs auf Pferden, die frei in den Savanen
laufen, zum Theil aber an den Sattel gewöhnt sind. So
plump ihr Aussehen ist, klettern sie doch ganz flink den
schlüpfrigsten Rasen hinaus. Wir machten zuerst bei einer
Quelle Halt, die nicht aus dem Kalkstein, sondern noch aus
einer Schichte quarzigen Sandsteins kommt. Ihre Temperatur
war 21°, also um 1°,5 geringer als die der Quelle von Quetepe;
der Höhenunterschied beträgt aber auch gegen 220 Toisen.
Ueberall, wo der Sandstein zu Tage kommt, ist der Boden
eben und bildet gleichsam kleine Plateaus, die wie Stufen
über einander liegen. Bis zu 700 Toisen und sogar darüber
ist der Berg, wie alle in der Nachbarschaft, nur mit Gräsern
bewachsen. In Cumana schreibt man den Umstand, daß keine
Bäume mehr vorkommen, der großen Höhe zu; vergegenwärtigt
man sich aber die Vertheilung dör Gewächse in den
Hura crepitans,
aus der Familie der Euphorbien. Dieser Baum
wird ungeheuer dick; im Thal von Curiepe zwischen Cap Codera und
Caracas maß Bonpland Kufen aus Javilloholz, die vierzehn Fuß lang und
acht breit waren. Diese Kufen aus Einem Stück dienen zur Aufbewahrung
des Guarapo oder Zuckerrohrsasts und der Melasse. Die Samen
des Javillo sind ein starkes Gift, und die Milch, die aus dem
Blüthenstengel quillt, wenn man ihn abbricht, hat uns oft
Augenschmerz verursacht, wenn zufällig auch nur ein ganz klein
wenig davon zwischen die Augenlider kam.
Das Klima auf diesen Bergen ist so mild, daß beim
Hofe auf dem Cocollar der Baumwollenbaum, der Kaffeebaum,
sogar das Zuckerrohr gut fortkommen. Trotz aller Behauptungen
der Einwohner an der Küste ist unter dem 10. Grad der
Breite auf Bergen, die kaum höher sind als der Mont d'Or
Melastoma xanthostachis und ein Strauch (Palicourea rigida),
dessen große lederartige Blätter im Wind wie Pergament
rauschen, wachsen hie und da in der Savane. Aber
die Hauptzierde des Rasens ist ein Liliengewächs mit goldgelber
Blüthe, die Marica martinicensis. Man findet sie
in den Provinzen Cumana und Caracas meist erst in 400
bis 500 Toisen Höhe. Die Gebirgsarten des Turimiquiri
sind ein Alpenkalk, ähnlich dem bei Cumanacoa, und ziemlich
dünne Schichten Mergel und quarziger Sandstein. Im
Kalkstein sind Klumpen von braunem Eisenoxyd und Spatheisen
eingesprengt. An mehreren Stellen habe ich ganz deutlich
beobachtet, daß der Sandstein dem Kalk nicht nur aufgelagert
ist, sondern daß beide nicht selten in Wechsellagerung vorkommen.
Man unterscheidet im Lande den abgerundeten Gipfel
des Turimiquiri und die spitzen Pics oder Cucuruchos, die
dicht bewaldet sind und wo es viele Tiger gibt, auf die man
wegen des großen und schönen Fells Jagd macht. Den runden
begrasten Gipfel fanden wir 707 Toisen hoch. Von diesem
Gipfel läuft nun nach West ein steiler Felskamm aus, der
eine Seemeile von jenem durch eine ungeheure Spalte unterbrochen
ist, die gegen den Meerbusen von Cariaco hinunterläuft.
An der Stelle, wo der Kamm hätte weiter laufen
sollen, erheben sich zwei Bergspitzen aus Kalkstein, von denen
die nördliche die höhere ist. Dieß ist der eigentliche Cucurucho
de Turimiquiri, der für höher gilt als der
Man genießt auf dem Turimiquiri einer der weitesten und malerischsten Aussichten. Vom Gipfel bis hinunter zum Meer liegen Bergketten vor einem, die parallel von Ost nach West streichen und Längenthäler zwischen sich haben. Da in letztere eine Menge kleiner, von den Bergwassern ausgespülter Thäler unter rechtem Winkel münden, so stellen sich die Seitenketten als Reihen gleich vieler bald abgerundeter, bald kegelförmiger Höhen dar. Bis zum Imposible sind die Berghänge meist ziemlich sanft; weiterhin werden die Abfälle sehr steil und streichen hinter einander fort bis zum Ufer des Meerbusens von Cariaco. Die Umrisse dieser Gebirgsmassen erinnern an die Ketten des Jura, und die einzige Ebene, die sich darin findet, ist das Thal von Cumanacoa. Es ist als sähe man in einen Trichter hinunter, auf dessen Boden unter zerstreuten Baumgruppen das indianische Dorf Aricagua erscheint. Gegen Nord hob sich eine schmale Landzunge, die Halbinsel Araya, braun vom Meere ab, das, von den ersten Sonnenstrahlen beleuchtet, ein glänzendes Licht zurückwarf. Jenseits der Halbinsel begrenzte den Horizont das Vorgebirge Macanao, dessen schwarzes Gestein gleich einem ungeheuren Bollwerk aus dem Wasser aufsteigt.
Der Hof auf dem Cocollar am Fuße des Turimiquiri
liegt unter 10° 9' 32" der Breite. Die Inclination der
Magnetnadel fand ich gleich 42° 10'. Die Nadel schwang
Am 14. September gingen wir vom Cocollar zur Mission
San Antonio hinunter. Der Weg führt Anfangs über Savanen,
die mit großen Kalksteinblöcken übersäet sind, und
dann betritt man dichten Wald. Nachdem man zwei sehr
steile Berggräte überstiegen, hat man ein schönes Thal vor
sich, das fünf Meilen lang fast durchaus von Ost nach West
streicht. In diesem Thale liegen die Missionen San Antonio
und Guanaguana. Erstere ist berühmt wegen einer kleinen
Kirche aus Backsteinen, in erträglichem Styl, mit zwei Thürmen
und dorischen Säulen. Sie gilt in der Umgegend für
ein Wunder. Der Gardian der Kapuziner wurde mit diesem
Kirchenbau in nicht ganz zwei Sommern fertig, obgleich er
nur Indianer aus seinem Dorfe dabei verwendet hatte. Die
Säulencapitäle, die Gesimse und ein mit Sonnen und Arabesken
gezierter Fries wurden aus mit Ziegelmehl vermischtem
Thon modellirt. Wundert man sich, an der Grenze Lapplands
Kirchen im reinsten griechischen Styl [In Skelestar bei Torneo.
S. Buch, Reise in Norwegen] anzutreffen, so überraschen
einen dergleichen erste Kunstversuche noch mehr in
einem Erdstrich, wo noch Alles den Stempel menschlicher Urzustände
trägt und von den Europäern erst seit etwa vierzig
Jahren der Grund zu künftiger Cultur gelegt wurde. Der
Statthalter der Provinz mißbilligte es, daß in Missionen
mit solchem Luxus gebaut werde, und zum großen Leidwesen
der Mönche wurde die Kirche nicht ausgebaut. Die
Indianer von San Antonio sind weit entfernt, solches gleichfalls
Ich hielt mich in der Mission San Antonio nur auf, um auf den Barometer zu sehen und ein paar Sonnenhöhen zu nehmen. Der große Platz liegt 216 Toisen über Cumana. Jenseits des Dorfs durchwateten wir die Flüsse Colorado und Guarapiche, die beide in den Bergen des Cocollar entspringen und weiter unten, ostwärts, sich vereinigen. Der Colorado hat eine sehr starke Strönnmg und wird bei seiner Mündung breiter als der Rhein; der Guarapiche ist, nachdem er den Rio Areo aufgenommen, über fünf und zwanzig Faden tief. An seinen Ufern wächst eine ausnehmend schöne Grasart, die ich zwei Jahre später, als ich den Magdalenenstrom hinausfuhr, gezeichnet habe. Der Halm mit zweizeiligen Blättern wird 15 bis 20 Fuß hoch. Unsere Maulthiere konnten sich durch den dicken Morast auf dem schmalen ebenen Weg kaum durcharbeiten. Es goß in Strömen vom Himmel; der ganze Wald erschien in Folge des starken anhaltenden Regens wie Ein Sumpf.
Gegen Abend langten wir in der Mission Guanaguana
an, die so ziemlich in derselben Höhe liegt, wie das Dorf
San Antonio. Es that sehr noth, daß wir uns trockneten.
Der Missionär nahm uns sehr herzlich auf. Es war ein
alter Mann, der, wie es schien, seine Indianer sehr verständig
behandelte. Das Dorf steht erst seit dreißig Jahren am jetzigen
Fleck, früher lag es weiter nach Süden und lehnte sich an
einen Hügel. Man wundert sich, mit welcher Leichtigkeit man
Guanaguana hat noch keine Kirche. Der alte Geistliche,
der schon seit dreißig Jahren in den Wäldern Amerikas lebte,
äußerte gegen uns, die Gemeindegelder, d. h. der Ertrag der
Arbeit der Indianer, müßten zuerst zum Bau des Missionshauses,
dann zum Kirchenbau und endlich für die Kleidung
der Indianer verwendet werden. Er versicherte in wichtigem
Ton, von dieser Ordnung dürfe unter keinem Vorwand abgegangen
werden. Nun, die Indianer, die lieber ganz nackt
gehen als die leichtesten Kleider tragen, können gut warten, bis
die Reihe an sie kommt. Die geräumige Wohnung des Padre
war eben fertig geworden, und wir bemerkten zu unserer
Ueberraschung, daß das Haus, das ein plattes Dach hatte, mit
einer Menge Kaminen wie mit Thürmchen geziert war. Sie
sollten, belehrte uns unser Wirth, ihn an sein geliebtes Heimathland,
und in der tropischen Hitze an die aragonesischen
Almuda (1850 Quadrattoisen)
trägt in guten Jahren 25–30 Fanegas
Mais, die Fanega zu hundert Pfund. Aber hier wie überall,
wo der Segen der Natur die Entwicklung der Industrie
hemmt, macht man nur ganz wenige Morgen Landes urbar,
und kein Mensch denkt daran, mit dem Anbau der Nahrungspflanzen
zu wechseln. Die Indianer in Guanaguana
erzählten mir als etwas Ungewöhnliches, im verflossenen Jahr
seyen sie, ihre Weiber und Kinder drei Monate lang
al monte gewesen, das heißt, sie seyen in den benachbarten
Wäldern umhergezogen, um sich von saftigen Pflanzen, von
Palmkohl, von Farnwurzeln und wilden Baumfrüchten zu
nähren. Sie sprachen von diesem Nomadenleben keineswegs
Das schöne Thal von Guanaguana läuft gegen Ost in
die Ebenen von Punzere und Terecen aus. Gerne hätten
wir diese Ebenen besucht, um die Quellen von Bergöl zwischen
den Flüssen Guarapiche und Areo zu untersuchen; aber die
Regenzeit war förmlich eingetreten, und wir hatten täglich
vollauf zu thun, um die gesammelten Pflanzen zu trocknen
und aufzubewahren. Der Weg von Guanaguana nach dem
Dorfe Punzere führt entweder über San Felix, oder über
Caycara und Guahuta, wo sich ein Hato (Hof für Viehzucht)
der Missionäre befindet. An letzterem Orte findet man, nach
dem Bericht der Indianer, große Schwefelmassen, nicht in
Gips oder Kalkstein, sondern in geringer Tiefe unter der
Fläche des Bodens in Thonschichten. Dieses auffallende Vorkommen
scheint Amerika eigenthümlich; wir werden demselben
im Königreich Quito und in Neugrenada wieder begegnen.
Vor Punzere sieht man in den Savanen Säckchen von Seidengewebe
an den niedrigsten Baumästen hängen. Es ist
dieß die seda silvestre oder einheimische wilde Seide, die
einen schönen Glanz hat, aber sich sehr rauh anfühlt. Der
Nachtschmetterling, der sie spinnt, kommt vielleicht mit denen
in den Provinzen Gnanaxuato und Antioquia überein, die
gleichfalls wilde Seide liefern. Im schönen Walde von Punzere
kommen zwei Bäume vor, die unter den Namen Curucay
und Canela bekannt sind; ersterer liefert ein von den Pinches
oder indianischen Zauberern sehr gesuchtes Harz, der
zweite hat Blätter, die nach ächtem Ceylonzimmt riechen. Von
Chapapote
auf der Insel Trinidad, der in gerader Linie von Buen
Pastor nur 35 Seemeilen entfernt ist.
Nachdem wir eine Weile mit dem Verlangen gekämpft,
den Guarapiche hinunter in den Golfo triste zu fahren,
wandten wir uns gerade den Bergen zu. Die Thäler von
Guanaguana und Caripe sind durch eine Art Damm oder
Grat aus Kalkstein, der unter dem Namen Cuchilla de Guanaguana
weit und breit berühmt ist, von einander getrennt [Im ganzen
spanischen Amerika bedeutet cuchilla Messerklinge, einen
Bergkamm mit sehr steilen Abhängen.].
Wir fanden den Uebergang beschwerlich, weil wir
damals noch nicht in den Cordilleren gereist waren, aber so
gefährlich, als man ihn in Cumana schildert, ist er keineswegs.
Allerdings ist der Weg an mehreren Stellen nur 14
oder 15 Zoll breit; der Bergsattel, über den er wegläuft, ist
mit kurzem, sehr glattem Rasen bedeckt, die Abhänge zu beiden
Seiten sind ziemlich jäh, und wenn der Reisende fiele, könnte
er auf dem Grase sieben, achthundert Fuß hinunterrollen.
Indessen sind die Bergseiten vielmehr nur starke Böschungen
als eigentliche Abgründe, und die Maulthiere hier zu Lande
haben einen so sichern Gang, daß man sich ihnen ruhig anvertrauen
kann. Ihr Benehmen ist ganz wie das der Saumthiere
la mas racional.« Dieses Wort aus dem
Munde des Volks, die Frucht langer Erfahrung, widerlegt das
System, das in den Thieren nur belebte Maschinen sieht,
wohl besser als alle Beweisführung der speculativen Philosophie.
Auf dem höchsten Punkt des Kammes oder der Cuchilla von Guanaguana angelangt, hatten wir eine interessante Fernsicht. Wir übersahen mit Einem Blick die weiten Prairien oder Savanen von Maturin und am Rio Tigre, den Spitzberg Turimiquiri und zahllose parallel streichende Bergketten, die von weitem einer wogenden See gleichen. Gegen Nordost öffnet sich das Thal, in dem das Kloster Caripe liegt. Sein Anblick ist um so einladender, als es bewaldet ist und so von den kahlen, nur mit Gras bewachsenen Bergen umher freundlich absticht. Wir fanden die absolute Höhe der Cuchilla gleich 548 Toisen; sie liegt also 329 Toisen über dem Missionshaus von Guanaguana.
Steigt man auf sehr krummem Pfade vom Bergkamme nieder, so betritt man bald ein ganz bewaldetes Land. Der Boden ist mit Moos und einer neuen Art Drosera bedeckt, die im Wuchs der Drosera unserer Alpen gleicht. Je näher man dem Kloster Caripe kommt, desto dichter wird der Wald, desto üppiger die Vegetation. Alles bekommt einen andern Charakter, sogar die Gebirgsart, in der wir von Punta Delgada an gewesen waren. Die Kalksteinschichten werden dünner; sie bilden Mauern, Gesimse und Thürme wie in Peru, im Pappenheimschen und bei Dicow in Gallizien. Es ist nicht mehr Alpenkalk, sondern eine Formation, welche jenem übergelagert ist, analog dem Jurakalk.
Der Weg von der Cuchilla herab ist bei weitem nicht so lang als der hinaus. Wir fanden, daß das Thal von Caripe 200 Toisen höher liegt als das Thal von Guanaguana. Ein Bergzug von unbedeutender Breite trennt zwei Becken; das eine ist köstlich kühl, das andere als furchtbar heiß verrufen. Solchen Contrasten begegnet man in Mexico, in Neu-Grenada und Peru häufig, aber im Nordosten von Südamerika sind sie selten. Unter allen hochgelegenen Thälern in Neu-Andalusien ist auch nur das von Caripe [absolute Höhe des Klosters 412 Toisen] sehr stark bewohnt. In einer Provinz mit schwacher Bevölkerung, wo die Gebirge weder eine sehr bedeutende Masse, noch ausgedehnte Hochebenen haben, findet der Mensch wenig Anlaß, aus den Ebenen wegzuziehen und sich in gemäßigteren Gebirgsstrichen niederzulassen.
Das Kloster Caripe — Die Höhle des Guacharo — Nachtvögel
Eine Allee von Perseabäumen führte uns zum Hospiz
der aragonesischen Kapuziner. Bei einem Kreuz aus Brasilholz
mitten auf einem großen Platz machten wir Halt. Das
Kreuz ist von Bänken umgeben, wo die kranken und schwachen
Mönche ihren Rosenkranz beten. Das Kloster lehnt sich an
eine ungeheure, senkrechte, dicht bewachsene Felswand. Das
blendend weiße Gestein blickt nur hin und wieder hinter dem
Laube vor. Man kann sich kaum eine malerischere Lage
denken; sie erinnerte mich lebhaft an die Thäler der Grafschaft
Derby und an die höhlenreichen Berge bei Muggendorf
in Franken. An die Stelle der europäischen Buchen und
Ahorne treten hier die großartigeren Gestalten der Ceiba und
der Praga- und Irassepalmen. Unzählige Quellen brechen
aus den Bergwänden, die das Becken von Caripe kreisförmig
umgeben und deren gegen Süd steil abfallende Hänge tausend
Fuß hohe Profile bilden. Diese Quellen kommen meist aus
Spalten oder engen Schluchten hervor. Die Feuchtigkeit, die
sie verbreiten, befördert das Wachsthum der großen Bäume,
und die Eingeborenen, welche einsame Orte lieben, legen ihre
Conucos längs dieser Schluchten an. Bananen und Melonenbäume
stehen hier um Gebüsche von Baumfarn. Dieses Durcheinander
von cultivirten und wilden Gewächsen gibt diesen
Wir wurden von den Mönchen im Hospiz mit der größten
Zuvorkommenheit aufgenommen. Der Pater Gardian war
nicht zu Hause; aber er war von unserem Abgang von Cumana
in Kenntniß gesetzt und hatte Alles aufgeboten, um
uns den Aufenthalt angenehm zu machen. Das Hospiz hat
einen innern Hof mit einem Kreuzgang, wie die spanischen
Klöster. Dieser geschlossene Raum war sehr bequem für uns,
um unsere Instrumente unterzubringen und zu beobachten.
Wir trafen im Kloster zahlreiche Gesellschaft: junge, vor
Kurzem aus Europa angekommene Mönche sollten eben in
die Missionen vertheilt werden, während alte kränkliche Missionäre
in der scharfen gesunden Gebirgsluft von Caripe Genesung
suchten. Ich wohnte in der Zelle des Gardians, in
der sich eine ziemlich ansehnliche Büchersammlung befand. Ich
fand hier zu meiner Ueberraschung neben Feijos teatro critico
und den »erbaulichen Briefen« auch Abbé Nollets
»traité d'électricité.«
Der Fortschritt in der geistigen Entwicklung
ist, sollte man da meinen, sogar in den Wäldern Amerikas
zu spüren. Der jüngste Kapuziner von der letzten MissionMission auch
die jungen Mönche, die mit einander aus einem spanischen Hafen abgehen,
um in der neuen Welt oder auf den Philippinen die Niederlassungen der
Ordensgeistlichen zu ergänzen. Daher der Ausdruck:
»in Cadix eine neue Mission holen.«
Das Kloster liegt an einem Orte, der in alter Zeit Areocuar
hieß. Seine Meereshöhe ist ungefähr dieselbe wie die
der Stadt Caracas oder des bewohnten Strichs in den blauen
Bergen von Jamaica. Auch ist die mittlere Temperatur dieser
drei Punkte, die alle unter den Tropen liegen, so ziemlich
dieselbe. In Caripe fühlt man das Bedürfniß, sich Nachts
zuzudecken, besonders bei Sonnenaufgang. Wir sahen den
hunderttheiligen Thermometer um Mitternacht zwischen 16 und
17½ Grad (12°,8–14 R.) stehen, Morgens
zwischen 19
und 20. Gegen ein Uhr Nachmittags stand er nur auf 21°
bis 22°,5. Es ist dieß eine Temperatur, bei der die Gewächse
der heißen Zone noch wohl gedeihen; gegenüber der
Die mittlere Temperatur des Thals von Caripe scheint, nach der des Monats September zu schließen, 18°,5 zu seyn. Nach den Beobachtungen, die man in Cumana gemacht, weicht unter dieser Zone die Temperatur des Septembers von der des ganzen Jahres kaum um einen halben Grad ab. Die mittlere Temperatur von Caripe ist gleich der des Monats Juni zu Paris, wo übrigens die größte Hitze 10 Grad mehr beträgt als an den heißesten Tagen in Caripe. Da das Kloster nur 400 Toisen über dem Meere liegt, so fällt es auf, wie rasch die Wärme von der Küste an abnimmt. Wegen der dichten Wälder können die Sonnenstrahlen nicht vom Boden abprallen, und dieser ist feucht und mit einem dicken Gras- und Moosfilz bedeckt. Bei anhaltend nebligter Witterung ist von Sonnenwirkung ganze Tage lang nichts zu spüren und gegen Einbruch der Nacht wehen frische Winde von der Sierra del Guacharo ins Thal herunter.
Die Erfahrung hat ausgewiesen, daß das gemäßigte
Klima und die leichte Luft des Orts dem Anbau des Kaffeebaums,
der bekanntlich hohe Lagen liebt, sehr förderlich sind.
Der Superior der Kapuziner, ein thätiger, aufgeklärter Mann,
hat in seiner Provinz diesen neuen Kulturzweig eingeführt.
So lange wir uns in Caripe und in den andern Missionen der Chaymas aufhielten, sahen wir die Indianer überall milde behandeln. Im Allgemeinen schien uns in den Missionen der aragonesischen Kapuziner grundsätzlich eine Ordnung und eine Zucht zu herrschen, wie sie leider in der neuen Welt selten zu finden sind. Mißbräuche, die mit dem allgemeinen Geist aller klösterlichen Anstalten zusammenhängen, dürfen dem einzelnen Orden nicht zur Last gelegt werden. Der Gardian des Klosters Verkauft den Ertrag des Gemeinde-Conuco, und da alle Indianer darin arbeiten, so haben auch alle gleichen Theil am Gewinn. Mais, Kleidungsstücke, Ackergeräthe, und, wie man versichert, zuweilen auch Geld werden unter ihnen vertheilt. Diese Mönchsanstalten haben, wie ich schon oben bemerkt, Aehnlichkeit mit den Gemeinden der mährischen Brüder; sie fördern die Entwicklung in der Bildung begriffener Menschenvereine, und in den katholischen Gemeinden, die man Missionen nennt, wird die Unabhängigkeit der Familien und die Selbstständigkeit der Genossenschaftsglieder mehr geachtet, als in den protestantischen Gemeinden nach Zinzendorfs Regel.
Am berühmtesten ist das Thal von Caripe, neben der
ausnehmenden Kühle des Klimas, durch die große Cueva
oder Höhle des Guacharo. In einem Lande, wo man
so großen Hang zum Wunderbaren hat, ist eine Höhle, aus
der ein Strom entspringt und in der Tausende von Nachtvögeln
leben, mit deren Fett man in den Missionen kocht,
natürlich ein unerschöpflicher Gegenstand der Unterhaltung
Die Höhle, welche die Einwohner eine »Fettgrube« nennen,
liegt nicht im Thal von Caripe selbst, sondern drei
kleine Meilen vom Kloster gegen West-Süd-West. Sie mündet
in einem Seitenthale aus, das der Sierra des Guacharo
zuläuft. Am 18. September brachen wir nach der Sierra
auf, begleitet von den indianischen Alcaden und den meisten
Ordensmännern des Klosters. Ein schmaler Pfad führte zuerst
anderthalb Stunden lang südwärts über eine lachende, schön
beraste Ebene, dann wandten wir uns westwärts an einem
kleinen Flusse hinauf, der aus der Höhle hervorkommt. Man
geht drei Viertelstunden lang aufwärts bald im Wasser, das
nicht tief ist, bald zwischen dem Fluß und einer Felswand,
auf sehr schlüpfrigem, morastigem Boden. Zahlreiche Erdfälle,
umherliegende Baumstämme, über welche die Maulthiere
nur schwer hinüber kommen, die Rankengewächse am Boden
machen dieses Stück des Weges sehr ermüdend. Wir waren
überrascht, hier, kaum 500 Toisen über dem Meere, eine
Kreuzblüthe zu finden, den Raphanus pinnatus. Man
weiß, wie selten Arten dieser Familie unter den Tropen sind;
sie haben gleichsam einen nordischen Typus, und auf
diesen waren wir hier auf dem Plateau von Caripe, in so
geringer Meereshöhe, nicht gefaßt.
Wenn man am Fuß des hohen Guacharoberges nur noch vierhundert Schritte von der Höhle entfernt ist, sieht man den Eingang noch nicht. Der Bach läuft durch eine Schlucht, die das Wasser eingegraben, und man geht unter einem Felsenüberhang, so daß man den Himmel gar nicht sieht. Der Weg schlängelt sich mit dem Fluß und bei der letzten Biegung steht man auf einmal vor der ungeheuren Mündung der Höhle. Der Anblick hat etwas Großartiges selbst für Augen, die mit der malerischen Scenerie der Hochalpen vertraut sind. Ich hatte damals die Höhlen am Pic von Derbyshire gesehen, wo man, in einem Rachen ausgestreckt, unter einem zwei Fuß hohen Gewölbe über einen unterirdischen Fluß setzt. Ich hatte die schöne Höhle von Treshemienshiz in den Karpathen befahren, ferner die Höhlen im Harz und in Franken, die große Grabstätten sind für die Gebeine von Tigern, Hyänen und Bären, die so groß waren, wie unsere Pferde. Die Natur gehorcht unter allen Zonen unabänderlichen Gesetzen in der Vertheilung der Gebirgsarten, in der äußeren Gestaltung der Berge, selbst in den gewaltsamen Veränderungen, welche die äußere Rinde unseres Planeten erlitten hat. Nach dieser großen Einförmigkeit konnte ich glauben, die Höhle von Caripe werde im Aussehen von dem, was ich der Art auf meinen früheren Reisen beobachtet, eben nicht sehr abweichen; aber die Wirklichkeit übertraf meine Erwartung weit. Wenn einerseits alle Höhlen nach ihrer ganzen Bildung, durch den Glanz der Stalaktiten, in allem, was die unorganisches Natur betrifft, auffallende Aehnlichkeit mit einander haben, so gibt andererseits der großartige tropische Pflanzenwuchs der Mündung eines solchen Erdlochs einen ganz eigenen Charakter.
Die Cueva del Guacharo öffnet sich im senkrechten Profil
Dendrobium mit goldgelber,
schwarzgefleckter, drei Zoll langer Blüthe] wachsen in den dürrsten
Felsspalten, während vom Winde geschaukelte Rankengewächse sich
vor dem Eingang der Höhle zu Gewinden verschlingen. Wir
sahen in diesen Blumengewinden eine violette Bignonie, das
purpurfarbige Dolichos und zum erstenmal die prachtvolle
Solandra, deren orangegelbe Blüthe eine über vier Zoll lange
fleischige Röhre hat. Es ist mit dem Eingang der Höhlen,
wie mit der Ansicht der Wasserfälle; der Hauptreiz besteht
in der mehr oder weniger großartigen Umgebung, die den
Charakter der Landschaft bestimmt. Welcher Contrast zwischen
der Cueva de Caripe und den Höhlen im Norden, die von
Eichen und düstern Lerchen beschattet sind!
Aber diese Pflanzenpracht schmückt nicht allein die Außenseite
des Gewölbes, sie dringt sogar in den Vorhof der Höhle
ein. Mit Erstaunen sahen wir, daß achtzehn Fuß hohe prächtige
Heliconien mit Pisangblättern, Pragapalmen und baumartige
Arumarten die Ufer des Baches bis unter die Erde säumten.
Die Vegetation zieht sich in die Höhle von Caripe hinein, wie
in die tiefen Felsspalten in den Anden, in denen nur ein
Dämmerlicht herrscht, und sie hört erst 30–40 Schritte vom
Der Guacharo hat die Größe unserer Hühner, die
Stimme der Ziegenmelker und Procnias, die Gestalt der
geierartigen Vögel mit Büscheln steifer Seide um den krummen
Schnabel. Streicht man nach Cuvier die Ordnung der Picae
(Spechte), so ist dieser merkwürdige Vogel unter die
Schwer macht man sich einen Begriff vom furchtbaren Lärm, den Tausende dieser Vögel im dunkeln Innern der Höhle machen. Er läßt sich nur mit dem Geschrei unserer Krähen vergleichen, die in den nordischen Tannenwäldern gesellig leben und auf Bäumen nisten, deren Gipfel einander berühren. Das gellende durchdringende Geschrei der Guacharos hallt wider vom Felsgewölbe und aus der Tiefe der Höhle kommt es als Echo zurück. Die Indianer zeigten uns die Nester der Vögel, indem sie Fackeln an eine lange Stange banden. Sie stacken 60–70 Fuß hoch über unsern Köpfen in trichterförmigen Löchern, von denen die Decke wimmelt. Je tiefer man in die Höhle hinein kommt, je mehr Vögel das Licht der Copalfackeln aufscheucht, desto stärker wird der Lärm. Wurde es ein paar Minuten ruhiger um uns her, so erschallte von weither das Klaggeschrei der Vögel, die in andern Zweigen der Höhle nisteten. Die Banden lösten einander im Schreien ordentlich ab.
Jedes Jahr um Johannistag gehen die Indianer mit
Stangen in die Cueva del Guacharo und zerstören die meisten
Nester. Man schlägt jedesmal mehrere tausend Vögel todt,
wobei die Alten, als wollten sie ihre Brut vertheidigen, mit
furchtbarem Geschrei den Indianern um die Köpfe fliegen. Die
Jungen, die zu Boden fallen, werden auf der Stelle ausgeweidet.
Ihr Bauchfell ist stark mit Fett durchwachsen, und
eine Fettschicht läuft vom Unterleib zum After und bildet zwischen
den Beinen des Vogels eine Art Knopf. Daß körnerfressende
Vögel, die dem Tageslicht nicht ausgesetzt sind und
ihre Muskeln wenig brauchen, so fett werden, erinnert an
die uralten Erfahrungen beim Mästen der Gänse und des
Viehs. Man weiß, wie sehr dasselbe durch Dunkelheit und
Ruhe befördert wird. Die europäischen Nachtvögel sind mager,
weil sie nicht wie der Guacharo von Früchten, sondern vom
dürftigen Ertrag ihrer Jagd leben. Zur Zeit der »Fetternte«
(cosecha de la manteca), wie man es in Caripe nennt,
bauen sich die Indianer aus Palmblättern Hütten am Eingang
und im Vorhof der Höhle. Wir sahen noch Ueberbleibsel derselben.
Hier läßt man das Fett der jungen, frisch getödteten
Vögel am Feuer aus und gießt es in Thongefässe. Dieses
Fett ist unter dem Namen Guacharoschmalz oder Oel (manteca
oder aceite) bekannt; es ist halbflüssig, hell und geruchlos.
Es ist so rein, daß man es länger als ein Jahr aufbewahren
kann, ohne daß es ranzig wird. In der Klösterküche
zu Caripe wurde kein anderes Fett gebraucht als das aus
der Höhle, und wir haben nicht bemerkt, daß die Speisen irgend
einen unangenehmen Geruch oder Geschmack davon bekämen.
Die Menge des gewonnenen Oels steht mit dem Gemetzel,
das die Indianer alle Jahre in der Höhle anrichten, in keinem
pigeon oil kommt von
der Wandertaube, Columba migratoria.]
in Carolina, von dem früher
mehrere tausend Fässer gewonnen wurden. Der Gebrauch des
Guacharofetts ist in Caripe uralt und die Missionare haben
nur die Gewinnungsart geregelt. Die Mitglieder einer indianischen
Familie Namens Morocoymas behaupten von den ersten
Ansiedlern im Thale abzustammen und als solche rechtmäßige
Eigenthümer der Höhle zu seyn; sie beanspruchen das Monopol
des Fetts, aber in Folge der Klosterzucht sind ihre Rechte
gegenwärtig nur noch Ehrenrechte. Nach dem System der
Missionare haben die Indianer Guacharoöl für das ewige
Kirchenlicht zu liefern; das Uebrige, so behauptet man, wird
ihnen abgekauft. Wir erlauben uns kein Urtheil weder über
die Rechtsansprüche der Morocoymas, noch über den Ursprung
der von den Mönchen den Indianern auferlegten Verpflichtung.
Es erschiene natürlich, daß der Ertrag der Jagd denen
gehörte, die sie anstellen; aber in den Wäldern der neuen
Welt, wie im Schooße der europäischen Cultur, bestimmt sich
das öffentliche Recht darnach, wie sich das Verhaltniß zwischen
dem Starken und dem Schwachen, zwischen dem Eroberer und
dem Unterworfenen gestaltet.
Das Geschlecht der Guacharos ware längst ausgerottet,
wenn nicht mehrere Umstände zur Erhaltung desselben zusammenwirkten.
Aus Aberglauben wagen sich die Indianer selten
weit in die Höhle hinein. Auch scheint derselbe Vogel in
semilla del Guacharo)
ein vielberufenes Mittel gegen Wechselfieber sind. Die Alten
bringen diese Samen den Jungen zu. Man sammelt sie sorgfältig
und läßt sie den Kranken in Cariaco und andern tief
gelegenen Fieberstrichen zukommen.
Wir gingen in die Höhle hinein und am Bache fort, der daraus entspringt. Derselbe ist 28–30 Fuß breit. Man verfolgt das Ufer, so lange die Hügel aus Kalkincrustationen dieß gestatten; oft, wenn sich der Bach zwischen sehr hohen Stalaktitenmassen durchschlängelt, muß man in das Bette selbst hinunter, das nur zwei Fuß tief ist. Wir hörten zu unserer Ueberraschung, diese unterirdische Wasserader sey die Quelle des Rio Caripe, der wenige Meilen davon, nach seiner Vereinigung mit dem kleinen Rio de Santa Maria, für Piroguen schiffbar wird. Am Ufer des unterirdischen Baches fanden wir eine Menge Palmholz; es sind Ueberbleibsel der Stämme, auf denen die Indianer zu den Vogelnestern an der Decke der Höhle hinaufsteigen. Die von den Narben der alten Blattstiele gebildeten Ringe dienen gleichsam als Sprossen einer aufrecht stehenden Leiter.
Die Höhle von Caripe behält, genau gemessen, auf 472 Meter
oder 1458 Fuß dieselbe Richtung, dieselbe Breite und
die anfängliche Höhe von 60–70 Fuß. Ich kenne auf beiden
Continenten keine zweite Höhle von so gleichförmiger, regelmäßiger
Gestalt. Wir hatten viele Mühe, die Indianer zu
bewegen, daß sie über das vordere Stück hinausgingen, das
sie allein jährlich zum Fettsammeln besuchen. Es brauchte
das ganze Ansehen der Patres, um sie bis zu der Stelle zu
bringen, wo der Boden rasch unter einem Winkel von 60 Grad
ansteigt und der Bach einen kleinen unterirdischen Fall bildet.
Diese von Nachtvögeln bewohnte Höhle ist für die Indianer
ein schauerlich geheimnißvoller Ort; sie glauben, tief hinten
wohnen die Seelen ihrer Vorfahren. Der Mensch, sagen sie,
soll Scheu tragen vor Orten, die weder von der Sonne, Zis,
noch vom Monde, Nuna, beschienen sind. Zu den Guacharos
gehen, heißt so viel, als zu den Vätern versammelt
werden, sterben. Daher nahmen auch die Zauberer, Piaches,
und die Giftmischer, Imorons, ihre nächtlichen Gaukeleien
am Eingang der Höhle vor, um den Obersten der
bösen Geister, Ivorokiamo, zu beschwören. So gleichen
sich unter allen Himmelsstrichen die ältesten Mythen der Völker,
vor allen solche, die sich aus zwei die Welt regierende Kräfte,
auf den Aufenthalt der Seelen nach dem Tod, auf den Lohn
der Gerechten und die Strafe der Bösen beziehen. Die verschiedensten
und darunter die rohesten Sprachen haben gewisse
Bilder mit einander gemein, weil diese unmittelbar aus dem
Wesen unseres Denk- und Empfindungsvermögens fließen.
Finsterniß wird aller Orten mit der Vorstellung des Todes
in Verbindung gebracht. Die Höhle von Caripe ist der Tartarus
der Griechen, und die Guacharos, die unter kläglichem
Da wo der Bach den unterirdischen Fall bildet, stellt sich das dem Höhleneingang gegenüber liegende, grün bewachsene Gelände ungemein malerisch dar. Man sieht vom Ende eines geraden, 240 Toisen langen Ganges daraus hinaus. Die Stalaktiten, die von der Decke herabhängen und in der Luft schwebenden Säulen gleichen, heben sich von einem grünen Hintergrunde ab. Die Oeffnung der Höhle erscheint um die Mitte des Tages auffallend enger als sonst, und wir sahen sie vor uns im glänzenden Lichte, das Himmel, Gewächse und Gestein zumal widerstrahlen. Das ferne Tageslicht stach grell ab von der Finsterniß, die uns in diesen unterirdischen Räumen umgab. Wir hatten unsere Gewehre fast auf Gerathewohl abgeschossen, so oft wir aus dem Geschrei und dem Flügelschlagen der Nachtvögel schließen konnten, daß irgendwo recht viele Nester beisammen seyen. Nach mehreren fruchtlosen Versuchen gelang es Bonpland, zwei Guacharos zu schießen, die, vom Fackelschein geblendet, uns nachflatterten. Damit fand ich Gelegenheit, den Vogel zu zeichnen, der bis dahin den Zoologen ganz unbekannt gewesen war. Wir erkletterten nicht ohne Beschwerde die Erhöhung, über die der unterirdische Bach herunter kommt. Wir sahen da, daß die Höhle sich weiterhin bedeutend verengert, nur noch 40 Fuß hoch ist und nordostwärts in ihrer ursprünglichen Richtung, parallel mit dem großen Thale des Caripe, fortstreicht.
In dieser Gegend der Höhle setzt der Bach eine schwärzlichte
Erde ab, die große Aehnlichkeit hat mit dem Stoff, der
in der Muggendorfer Höhle in Franken »Opfererde« heißt.
Wir konnten nicht ausfindig machen, ob diese feine, schwammigte
Mit aller ihrer Autorität konnten die Missionäre die Indianer
nicht vermögen, noch weiter in die Höhle hinein zu
gehen. Je mehr die Decke sich senkte, desto gellender wurde
das Geschrei der Guacharos. Wir mußten uns der Feigheit
unserer Führer gefangen geben und umkehren. Man sah auch
Wir gingen dem Bache nach wieder zur Höhle hinaus. Ehe unsere Augen vom Tageslicht geblendet wurden, sahen wir vor der Höhle draußen das Wasser durch das Laub der Bäume glänzen. Es war, als stünde weit weg ein Gemälde vor uns und die Oeffnung der Höhle wäre der Rahmen dazu. Als wir endlich heraus waren, setzten wir uns am Bache nieder und ruhten von der Anstrengung aus. Wir waren froh, daß wir das heisere Geschrei der Vögel nicht mehr hörten und einen Ort hinter uns hatten, wo sich mit der Dunkelheit nicht der wohlthuende Eindruck der Ruhe und Stille paart. Wir konnten es kaum glauben, daß der Name der Höhle von Caripe bis jetzt in Europa völlig unbekannt gewesen seyn sollte. Schon wegen der Guacharos hätte sie berühmt werden sollen; denn außer den Bergen von Caripe und Cumanacoa hat man diese Nachtvögel bis jetzt nirgends angetroffen.
Die Missionäre hatten am Eingang der Höhle ein Mahl
zurichten lassen. Pisang- und Bijaoblätter, die seidenartig
glänzen, dienten uns, nach Landessitte als Tischtuch. Wir
wurden trefflich bewirthet, sogar mit geschichtlichen Erinnerungen
So viel wir uns auch bei den Einwohnern von Caripe,
Cumanacoa und Cariaco erkundigten, wir hörten nie, daß
man in der Höhle des Guacharo je Knochen von Fleischfressern
oder Knochenbreccien mit Pflanzenfressern gefunden hätte,
wie sie in den Höhlen Deutschlands und Ungarns oder in
den Spalten des Kalksteins bei Gibraltar vorkommen. Die
fossilen Knochen der Megatherien, Elephanten und Mastodonten,
welche Reisende aus Südamerika mitgebracht, gehören
sämmtlich dem ausgeschwemmten Land in den Thälern und auf
hohen Plateans an. Mit Ausnahme des Megalonyx,
Die interessanteste Beobachtung, welche der Physiker in
den Höhlen anstellen kann, ist die genaue Bestimmung ihrer
Temperatur. Die Höhle von Caripe liegt ungefähr unter
10° 10' der Breite, also mitten im heißen Erdgürtel, und
506 Toisen über dem Spiegel des Wassers im Meerbusen von
Cariaco. Wir fanden im September die Temperatur der Luft
im Innern durchaus zwischen 18°,4 und 18°,9 der hunderttheiligen
Scale. Die äußere Luft hatte 16°,2. Beim Eingang
der Höhle zeigte der Thermometer an der Luft 17°,6,
aber im Wasser des unterirdischen Bachs bis hinten in der
Höhle 16°,8. Diese Beobachtungen sind von großer Bedeutung,
wenn man ins Auge faßt, wie sich zwischen Wasser,
Luft und Boden die Wärme ins Gleichgewicht zu setzen strebt.
Ehe ich Europa verließ, beklagten sich die Physiker noch, daß
man so wenig Anhaltspunkte habe, um zu bestimmen, was
man ein wenig hochtrabend die Temperatur des Erdinnern
heißt, und erst in neuerer Zeit hat man mit
einigem Erfolg an der Lösung dieses großen Problems der
unterirdischen Meteorologie gearbeitet. Nur die Steinschichten,
welche die Rinde unseres Planeten bilden, sind der unmittelbaren
Forschung zugänglich, und man weiß jetzt, daß die
mittlere Temperatur dieser Schichten sich nicht nur nach der
Breite und der Meereshöhe verändert, sondern daß sie auch
je nach der Lage des Orts im Verlauf des Jahrs regelmäßige
Schwingungen um die mittlere Temperatur der benachbarten
Luft beschreibt. Die Zeit ist schon fern, wo man sich wunderte,
wenn man in andern Himmelsstrichen in Höhlen und
Brunnen eine andere Temperatur beobachtete, als in den
Kellern der Pariser Sternwarte. Dasselbe Instrument, das
in diesen Kellern 12 Grad zeigt, steigt in unterirdischen
Wir haben eben gesehen, daß in der Höhle des Guacharo das Wasser des Baches gegen 2 Grad kühler ist als die umgebende Luft im unterirdischen Raum. Das Wasser, ob es nun durch das Gestein sickert oder über ein steinigtes Bette fließt, nimmt unzweifelhaft die Temperatur des Gesteins oder des Bettes an. Die Luft in der Höhle dagegen steht nicht still, sie communicirt mit der Atmosphäre draußen. Und wenn nun auch in der heißen Zone die Schwankungen in der äußern Temperatur sehr unbedeutend sind, so bilden sich dennoch Strömungen, durch welche die Luftwärme im Innern periodische Veränderungen erleidet. Demnach könnte man die Temperatur des Wassers, also 16°,8, als die Bodentemperatur in diesen Bergen betrachten, wenn man sicher wäre, daß das Wasser nicht rasch von benachbarten höheren Bergen herabkommt.
Aus diesen Betrachtungen folgt, daß, wenn man auch
keine ganz genauen Resultate erhält, sich doch in jeder Zone
Grenzzahlen auffinden lassen. In Caripe, unter den Tropen,
ist in 500 Toisen Meereshöhe die mittlere Temperatur
der Erde nicht unter 16°,8; dieß geht aus der Messung der
Temperatur des unterirdischen Wassers hervor. So läßt sich
nun aber auch beweisen, daß diese Temperatur des Bodens nicht
höher seyn kann als 19°, weil die Luft in der Höhle im
September 18°,7 zeigt. Da die mittlere Luftwärme im heißesten
Monat 19°,5 nicht übersteigt, so würde man sehr wahrscheinlich
zu keiner Zeit des Jahres den Thermometer in der Luft
höhere mittlere Temperatur hat als die
Luft. Bringt die Kälte, welche in den Tiefen des tropischen
Meeres in Folge der Polarströme fortwährend herrscht, im
heißen Erdstrich eine merkbare Verminderung der Temperatur
des Bodens hervor? Ist diese Temperatur dort niedriger
als die der Luft? Das wollen wir in der Folge untersuchen,
wenn wir in den hohen Regionen der Cordilleren mehr Beobachtungen
zusammengebracht haben werden.
Abreise von Caripe. — Berg und Wald Santa Maria. — Die Mission Catuaro. — Hafen von Cariaco.
Rasch verflossen uns die Tage, die wir im Kapuzinerkloster
in den Bergen von Caripe zubrachten, und doch war
unser Leben so einfach als einförmig. Von Sonnenaufgang
bis Einbruch der Nacht streiften wir durch die benachbarten
Wälder und Berge, um Pflanzen zu sammeln, deren wir nie
genug beisammen haben konnten. Konnten wir des starken
Regens wegen nicht weit hinaus, so besuchten wir die Hütten
der Indianer, den Gemeinde-Conuco oder die Versammlungen,
in denen die Alcaden jeden Abend die Arbeiten für den folgenden
Tag austheilen. Wir kehrten erst ins Kloster zurück,
wenn uns die Glocke ins Refectorium an den Tisch der Missionäre
rief. Zuweilen gingen wir mit ihnen früh Morgens
in die Kirche, um der »Doctrina« beizuwohnen, das heißt
dem Religionsunterricht der Eingeborenen. Es ist ein zum
wenigsten sehr gewagtes Unternehmen, mit Neubekehrten über
Dogmen zu verhandeln, zumal wenn sie des Spanischen nur in
geringem Grade mächtig sind. Andererseits verstehen gegenwärtig
die Ordensleute von der Sprache der Chaymas so gut
wie nichts, und die Aehnlichkeit gewisser Laute verwirrt den
armen Indianern die Köpfe so sehr, daß sie sich die wunderlichsten
Vorstellungen machen. Ich gebe nur Ein Beispiel.
infierno die Hölle, und invierno der
Winter, nicht dasselbe Ding seyen, sondern so verschieden wie
Hitze und Frost. Die Chaymas kennen keinen andern Winter
als die Regenzeit, und unter der »Hölle der Weißen« dachten
sie sich einen Ort, wo die Bösen furchtbaren Regengüssen
ausgesetzt seyen. Der Missionär verlor die Geduld, aber es
half Alles nichts: der erste Eindruck, den zwei ähnliche Consonanten
hervorgebracht, war nicht mehr zu verwischen; im
Kopfe der Neophyten waren die Vorstellungen Regen und
Hölle, invierno und infierno, nicht mehr aus einander zu
bringen.
Nachdem wir fast den ganzen Tag im Freien zugebracht,
schrieben wir Abends im Kloster unsere Beobachtungen und
Bemerkungen nieder, trockneten unsere Pflanzen und zeichneten
die, welche nach unserer Ansicht neue Gattungen bildeten.
Die Mönche ließen uns volle Freiheit und wir denken mit
Vergnügen an einen Aufenthalt zurück, der so angenehm als
für unser Unternehmen förderlich war. Leider war der bedeckte
Himmel in einem Thal, wo die Wälder ungeheure
Wassermassen an die Luft abgeben, astronomischen Beobachtungen
nicht günstig. Ich blieb Nachts oft lange auf, um
den Augenblick zu benützen, wo sich ein Stern vor seinem
Durchgang durch den Meridian zwischen den Wolken zeigen
würde. Oft zitterte ich vor Frost, obgleich der Thermometer
nie unter 16 Grad fiel. Es ist dieß in unserem Klima die
Tagestemperatur gegen Ende Septembers. Die Instrumente
blieben mehrere Stunden im Klosterhof aufgestellt, und fast
immer harrte ich vergebens. Ein paar gute Beobachtungen
Fomahaults und Denebs im Schwan ergaben für Caripe
Der Verdruß, daß der bedeckte Himmel uns die Sterne entzog, war der einzige, den wir im Thal von Caripe erlebt. Wildheit und Friedlichkeit, Schwermuth und Lieblichkeit, beides zusammen ist der Charakter der Landschaft. Inmitten einer so gewaltigen Natur herrscht in unserm Innern nur Friede und Ruhe. Ja noch mehr, in der Einsamkeit dieser Berge wundert man sich weniger über die neuen Eindrücke, die man bei jedem Schritte erhält, als darüber, daß die verschiedensten Klimate so viele Züge mit einander gemein haben. Auf den Hügeln, an die das Kloster sich lehnt, stehen Palmen und Baumfarn; Abends, wenn der Himmel auf Regen deutet, schallt das eintönige Geheul der rothen Brüllaffen durch die Luft, das dem fernen Brausen des Windes im Walde gleicht. Aber trotz dieser unbekannten Töne, dieser fremdartigen Gestalten der Gewächse, all dieser Wunder einer neuen Welt, läßt doch die Natur den Menschen aller Orten eine Stimme hören, die in vertrauten Lauten zu ihm spricht. Der Rasen am Boden, das alte Moos und das Farnkraut auf den Baumwurzeln, der Bach, der über die geneigten Kalksteinschichten niederstürzt, das harmonische Farbenspiel von Wasser, Grün und Himmel, Alles ruft dem Reisenden wohlbekannte Empfindungen zurück.
Die Naturschönheiten dieser Berge nahmen uns völlig in
Anspruch, und so wurden wir erst am Ende gewahr, daß wir
den guten gastfreundlichen Mönchen zur Last fielen. Ihr
Vorrath von Wein und Weizenbrod war nur gering, und
wenn auch der eine wie das andere dort zu Lande bei Tisch
nur als Luxusartikel gelten, so machte es uns doch sehr verlegen,
daß unsere Wirthe sie sich selbst versagten. Bereits
Endlich am 22. September brachen wir auf mit vier Maulthieren, die unsere Instrumente und Pflanzen trugen. Wir mußten den nordöstlichen Abhang der Kalkalpen von Neu-Andalusien, die wir als die große Kette des Brigantin und Cocollar bezeichnet, hinunter. Die mittlere Höhe dieser Kette beträgt nicht leicht über 6–700 Toisen, und sie läßt sich in dieser wie in geologischer Hinsicht mit dem Jura vergleichen. Obgleich die Berge von Cumana nicht sehr hoch sind, so ist der Weg hinunter gegen Cariaco zu doch sehr beschwerlich, ja sogar gefährlich. Besonders berüchtigt ist in dieser Beziehung der Cerro de Santa Maria, an dem die Missionäre hinauf müssen, wenn sie sich von Cumana in ihr Kloster Caripe begeben. Oft, wenn wir diese Berge, die Anden von Peru, die Pyrenäen und die Alpen, dir wir nach einander besucht, verglichen, wurden wir inne, daß die Berggipfel von der geringsten Meereshöhe nicht selten die unzugänglichsten sind.
Als das Thal von Caripe hinter uns lag, kamen wir
zuerst über eine Hügelkette, die nordostwärts vom Kloster
liegt. Der Weg führte immer bergan über eine weite Savane
auf die Hochebene Guardia de San Augustin. Hier
Agave americana] (Maguey),
deren Blüthenschaft über 26 Fuß
hoch wird. Auf der Hochebene von Guardia sahen wir uns
wie auf einen alten, vom langen Aufenthalt des Wassers
wagrecht geebneten Seeboden versetzt, Man meint noch die
Krümmungen des alten Ufers zu erkennen, die vorspringenden
Landzungen, die steilen Klippen, welche Eilande gebildet. Auf
diesen früheren Zustand scheint selbst die Vertheilung der Gewächse
hinzudeuten. Der Boden des Beckens ist eine Savane,
während die Ränder mit hochstämmigen Bäumen bewachsen
sind. Es ist wahrscheinlich das höchst gelegene Thal in den
Provinzen Cumana und Venezuela. Man kann bedauern,
daß ein Landstrich, wo man eines gemäßigten Klimas genießt,
und der sich ohne Zweifel zum Getreidebau eignete, völlig
unbewohnt ist.
Von dieser Ebene geht es fortwährend abwärts bis zum
indianischen Dorf Santa Cruz. Man kommt zuerst über einen
jähen, glatten Abhang, den die Missionäre seltsamerweise das
Fegefeuer nennen. Er besteht aus verwittertem, mit Thon
bedecktem Schiefersandstein und die Böschung scheint furchtbar
steil; denn in Folge einer sehr gewöhnlichen optischen
Täuschung scheint der Weg, wenn man oben auf der Anhöhe
Montana de Santa Maria bekannt ist. Es geht
nun sieben Stunden lang in einem fort abwärts, und kaum kann
man sich einen entsetzlicheren Weg denken; es ist ein eigentlicher
chemin des échelles, eine Art Schlucht, in der
während der Regenzeit die wilden Wasser von Fels zu Fels
abwärts stürzen. Die Stufen sind zwei bis drei Fuß hoch,
und die armen Lastthiere messen erst den Raum ab, der erforderlich
ist, um die Ladung zwischen den Baumstämmen
durchzubringen, und springen dann von einem Felsblock auf
den andern. Aus Besorgniß, einen Fehltritt zu thun, bleiben
sie eine Weile stehen, als wollten sie die Stelle untersuchen,
und schieben die vier Beine zusammen wie die wilden Ziegen.
Verfehlt das Thier den nächsten Steinblock, so sinkt es bis
zum halben Leib in den weichen, ockerhaltigen Thon, der die
Zwischenräume der Steine ausfüllt. Wo diese fehlen, finden
Menschen- und Thierbeine Halt an ungeheuren Baumwurzeln.
Dieselben sind oft zwanzig Zoll dick und gehen nicht selten
hoch über dem Boden vom Stamme ab. Die Creolen vertrauen
der Gewandtheit und dem glücklichen Instinkt der
Maulthiere so sehr, daß sie auf dem langen, gefährlichen
Wege abwärts im Sattel bleiben. Wir stiegen lieber ab, da
Der Wald, der den steilen Abhang des Berges von
Santa Maria bedeckt, ist einer der dichtesten, die ich je gesehen.
Die Bäume sind wirklich ungeheuer hoch und dick.
Unter ihrem dichten, dunkelgrünen Laub herrscht beständig ein
Dämmerlicht, ein Dunkel, weit tiefer als in unsern Tannen-,
Eichen- und Buchenwäldern. Es ist als könnte die Luft trotz
der hohen Temperatur nicht all das Wasser aufnehmen, das
der Boden, das Laub der Bäume, ihre mit einem uralten
Filz von Orchideen, Peperomien und andern Saftpflanzen
bedeckten Stämme ausdünsten. Zu den aromatischen Gerüchen,
welche Blüthen, Früchte, sogar das Holz verbreiten, kommt ein
anderer, wie man ihn bei uns im Herbst bei nebligtem Wetter
spürt. Wie in den Wäldern am Orinoco sieht man auch
hier, wenn man die Baumwipfel ins Auge faßt, häufig
Dunststreifen an den Stellen, wo ein paar Sonnenstrahlen
durch die dicke Lust dringen. Unter den majestätischen Bäumen,
die 120 bis 130 Fuß hoch werden, machten uns die
Führer auf den Curucay von Terecen aufmerksam, der
ein weißlichtes, flüssiges, starkriechendes Harz gibt. Die indianischen
Völkerschaften der Cumanagotas und Tagires räucherten
einst damit vor ihren Götzen. Die jungen Zweige haben
einen angenehmen, aber etwas zusammenziehenden Geschmack.
Nach dem Curucay und ungeheuren, über 9 und 10 Fuß
dicken Hymenäastämmen nahmen unsere Aufmerksamkeit am
meisten in Anspruch: das Drachenblut (Croton sanguifluum),
Calahuala, der nicht derselbe ist wie der in
Peru, aber fast eben so heilkräftig, und die Irasse-, Macanilla-,
Corozo- und Pragapalmen. Letztere gibt einen sehr
schmackhaften »Palmkohl,« den wir im Kloster Caripe zuweilen
gegessen. Von diesen Palmen mit gefiederten, stachligten
Blättern stachen die Baumfarn äußerst angenehm ab.
Einer derselben, Cyathea speciosa wird über 35 Fuß hoch,
eine ungeheure Größe für ein Gewächs aus dieser Familie.
Wir fanden hier und im Thal von Caripe fünf neue Arten
Baumfarn; zu Linnés Zeit kannten die Botaniker ihrer nicht
vier auf beiden Continenten.
Man bemerkt, daß die Baumfarn im Allgemeinen weit seltener sind als die Palmen. Die Natur hat ihnen gemäßigte, feuchte, schattige Standorte angewiesen. Sie scheuen den unmittelbaren Sonnenstrahl, und während der Pumos, die Corypha der Steppen und andere amerikanische Palmenarten die kahlen, glühend heißen Ebenen aussuchen, bleiben die Farn mit Baumstämmen, die von weitem wie Palmen aussehen, dem ganzen Wesen cryptogamer Gewächse treu. Sie lieben versteckte Plätze, das Dämmerlicht, eine feuchte, gemäßigte, stockende Luft. Wohl gehen sie hie und da bis zur Küste hinab, aber dann nur im Schutze dichten Schattens.
Dem Fuße des Berges von Santa Maria zu wurden die Baumfarn immer seltener, die Palmen häufiger. Die schönen Schmetterlinge mit großen Flügeln, die Nymphalen, die ungeheuer hoch fliegen, mehrten sich: Alles deutete darauf, daß wir nicht mehr weit von der Küste und einem Landstrich waren, wo die mittlere Tagestemperatur 28–30 Grad der hunderttheiligen Scale beträgt.
Der Himmel war bedeckt und drohte mit einem der
Güsse, bei denen zuweilen 1 bis 1,3 Zoll Regen an Einem
Tage fällt. Die Sonne beschien hin und wieder die Baumwipfel,
und obgleich wir vor ihrem Strahl geschützt waren,
erstickten wir beinahe vor Hitze. Schon rollte der Donner in
der Ferne, die Wolken hingen am Gipfel des hohen Guacharogebirgs,
und das klägliche Geheul der Araguatos, das wir
in Caripe bei Sonnenuntergang so oft gehört hatten, verkündete
den nahen Ausbruch des Gewitters. Wir hatten hier
zum erstenmal Gelegenheit, diese Heulaffen in der Nähe zu
sehen. Sie gehören zur Gattung Alouate (Stentor, Geoffroy),
deren verschiedene Arten von den Zoologen lange verwechselt
worden sind. Während die kleinen amerikanischen
Sapajus, die wie Sperlinge pfeifen, ein einfaches, dünnes
Zungenbein haben, liegt die Zunge bei den großen Affen,
den Alouaten und Marimondas, ans einer großen Knochentrommel.
Ihr oberer Kehlkopf hat sechs Taschen, in denen
sich die Stimme fängt, und wovon zwei, taubennestförmige,
große Aehnlichkeit mit dem untern Kehlkopf der Vögel haben.
Der den Araguatos eigene klägliche Ton entsteht, wenn die
Luft gewaltsam in die knöcherne Trommel einströmt. Ich
habe diese den Anatomen nur sehr unvollständig bekannten
Organe an Ort und Stelle gezeichnet und die Beschreibung
nach meiner Rückkehr nach Europa bekannt gemacht
[Observations de zoologie].
Bedenkt man, wie groß bei den Alouatos die Knochenschachtel
ist und wie viele Heulaffen in den Wäldern von Cumana
und Guyana auf einem einzigen Baum beisammensitzen, so
wundert man sich nicht mehr so sehr über die Stärke und
den Umfang ihrer vereinigten Stimmen.
Der Araguato, bei den Tamanacas-Indianern Aravata,
bei den Maypures Marave genannt, gleicht einem jungen
Bären. Er ist vom Scheitel des kleinen, stark zugespitzten
Kopfes bis zum Anfang des Wickelschwanzes drei Fuß lang;
sein Pelz ist dicht und rothbraun von Farbe; auch Brust und
Bauch sind schön behaart, nicht nackt wie beim Mono colorado
oder Büffons Alouate roux den wir auf dem Wege
von Carthagena nach Santa-Fe de Bogota genau beobachtet
haben. Das Gesicht des Araguato ist blauschwarz, die Haut
desselben fein und gefaltet. Der Bart ist ziemlich lang, und
trotz seines kleinen Gesichtswinkels von nur 30 Grad hat
er in Blick und Gesichtsausdruck so viel Menschenähnliches
als die Marimonda (Simia Belzebuth) und der Kapuziner
am Orinoco (S. chiropotes). Bei den Tausenden von Araguatos,
die uns in den Provinzen Cumana, Caracas und
Guyana zu Gesicht gekommen, haben wir nie weder an einzelnen
Exemplaren, noch an ganzen Banden einen Wechsel im
Rothbraun des Pelzes an Rücken und Schultern wahrgenommen.
Durch die Farbe unterschiedene Spielarten schienen
mir überhaupt bei den Affen nicht so häufig zu seyn, als die
Zoologen annehmen, und bei den gesellig lebenden Arten sind
sie vollends sehr selten.
Der Araguato bei Caripe ist eine neue Art der Gattung
Stentor, die ich unter dem Namen Simia ursina bekannt
gemacht habe. Ich habe ihn lieber so benannt als nach der
Farbe des Pelzes, und zwar desto mehr, da die Griechen bereits
einen stark behaarten Affen unter dem Namen Arctopithekos
kannten. Derselbe unterscheidet sich sowohl vom
Uarino (Simia Guariba) als vom Alouate roux
(S. Seniculus). Blick, Stimme, Gang, Alles an ihm ist
trübselig.
Der Aranata de los Cumaneses hat
ein Menschengesicht, einen Ziegenbart und eine gravitätische
Haltung (honrado gesto).« Ich habe anderswo die Bemerkung
gemacht, daß die Affen desto trübseliger sind, je mehr
Menschenähnlichkeit sie haben. Ihre Munterkeit und Beweglichkeit
nimmt ab, je mehr sich die Geisteskräfte bei ihnen zu
entwickeln scheinen.
Wir hatten Halt gemacht, um den Heulaffen zuzusehen,
wie sie zu dreißig, vierzig in einer Reihe von Baum zu Baum
auf den verschlungenen wagrechten Aesten über den Weg zogen.
Während dieses neue Schauspiel uns ganz in Anspruch nahm,
kam uns ein Trupp Indianer entgegen, die den Bergen von
Caripe zuzogen. Sie waren völlig nackt, wie meistens die
Eingeborenen hier zu Lande. Die ziemlich schwer beladenen
Weiber schlossen den Zug; die Männer, sogar die kleinsten
Jungen, waren alle mit Bogen und Pfeilen bewaffnet. Sie
zogen still, die Augen am Boden, ihres Wegs. Wir hätten
gerne von ihnen erfahren, ob es noch weit nach der Mission
Santa Cruz sey, wo wir übernachten wollten. Wir waren
völlig erschöpft und der Durst quälte uns furchtbar. Die
Hitze wurde drückender, je näher das Gewitter kam, und wir
hatten auf unserem Weg keine Quelle gefunden, um den
Durst zu löschen. Da die Indianer uns immer si Padre,
no Padre zur Antwort gaben, meinten wir, sie verstehen ein
wenig Spanisch. In den Augen der Eingeborenen ist jeder
Weiße ein Mönch, ein Pater; denn in den Missionen zeichnet
si oder no, und wir konnten aus ihren
Antworten nicht klug werden. Dieß war uns um so verdrießlicher,
da ihr Lächeln und ihr Geberdenspiel verriethen, daß
sie uns gerne gefällig gewesen wären, und der Wald immer
dichter zu werden schien. Wir mußten uns trennen; die indianischen
Führer, welche die Chaymassprache verstanden, waren
noch weit zurück, da die beladenen Maulthiere bei jedem Schritt
in den Schluchten stürzten.
Nach mehreren Stunden beständig abwärts über zerstreute
Felsblöcke sahen wir uns unerwartet am Ende des Waldes
von Santa Maria. So weit das Auge reichte, lag eine Grasflur
vor uns, die sich in der Regenzeit frisch begrünt hatte.
Links sahen wir in ein enges Thal hinein, das sich dem
Guacharogebirge zuzieht und im Hintergrunde mit dichtem
Walde bedeckt ist. Der Blick streifte über die Baumwipfel
weg, die 800 Fuß tief unter dem Weg sich wie ein hingebreiteter,
dunkelgrüner Teppich ausnahmen. Die Lichtungen
im Walde glichen großen Trichtern, in denen wir an der
zierlichen Gestalt und den gefiederten Blättern Praga- und
Irassepalmen erkannten. Vollends malerisch wird die Landschaft
dadurch, daß die Sierra del Guacharo vor einem liegt.
Ihr nördlicher, dem Meerbusen von Cariaco zugekehrter Abhang
ist steil und bildet eine Felsmauer, ein fast senkrechtes
Profil, über dreitausend Fuß hoch. Diese Wand ist so schwach
bewachsen, daß man die Linien der Kalkschichten mit dem
Auge verfolgen kann. Der Gipfel der Sierra ist abgeplattet
und nur am Ostende erhebt sich, gleich einer geneigten
Die Savane, über die wir zum indianischen Dorfe Santa
Cruz zogen, besteht aus mehreren sehr ebenen Plateaus, die
wie Stockwerke über einander liegen. Diese geologische Erscheinung,
die in allen Erdstrichen vorkommt, scheint darauf
hinzudeuten, daß hier lange Zeit Wasserbecken übereinander
lagen und sich in einander ergossen. Der Kalkstein geht nicht
mehr zu Tage aus; er ist mit einer dicken Schicht Dammerde
bedeckt. Wo wir ihn im Walde von Santa Maria zum letztenmale
sahen, fanden wir Nester von Eisenerz darin, und,
wenn wir recht gesehen haben, ein Ammonshorn; es gelang
uns aber nicht, es loszubrechen. Es maß sieben Zoll im
Durchmesser. Diese Beobachtung ist um so interessanter, als
wir sonst in diesem Theile von Südamerika nirgends einen
Ammoniten gesehen haben. Die Mission Santa Cruz liegt
mitten in der Ebene. Wir kamen gegen Abend daselbst an,
halb verdurstet, da wir fast acht Stunden kein Wasser gehabt
hatten. Der Thermometer zeigte 26 Grad; wir waren
auch nur noch 190 Toisen über dem Meer. Wir brachten
die Nacht in einer der Ajupas zu, die man »Häuser des
Königs« nennt, und die, wie schon oben bemerkt, den Reisenden
als Tombo oder Caravanserai dienen. Wegen des
Regens war an keine Sternbeobachtung zu denken, und wir
setzten des andern Tags, 23. September, unsern Weg zum
Polybotria) bildet.
Von der Mission Catuaro aus wollten wir ostwärts über Santa Rosalia, Casanay, San Josef, Carupano, Rio-Carives und den Berg Paria gehen, erfuhren aber zu unserern großen Verdruß, daß der starke Regen die Wege bereits ungangbar gemacht habe und wir Gefahr laufen, unsere frisch gesammelten Pflanzen zu verlieren. Ein reicher Cacaopflanzer sollte uns von Santa Rosalia in den Hafen von Carupano begleiten. Wir hatten noch zu rechter Zeit gehört, daß er in Geschäften nach Cumana müsse. So beschlossen wir denn, uns in Cariaco einzuschiffen und gerade über den Meerbusen, statt zwischen der Insel Margarita und der Landenge Araya durch, nach Cumana zurückzufahren.
Die Mission Catuaro liegt in ungemein wilder Umgebung.
Hochstämmige Bäume stehen noch um die Kirche her und die
Tiger fressen bei Nacht den Indianern ihre Hühner und
Schweine. Wir wohnten beim Geistlichen, einem Mönche von
der Congregation der Observanten, dem die Kapuziner die
Mission übergeben hatten, weil es ihrem eigenen Orden an
Leuten fehlte. Er war ein Doktor der Theologie, ein kleiner,
magerer, fast übertrieben lebhafter Mann; er unterhielt uns
beständig von dem Proceß, den er mit dem Gardian seines
Klosters führte, von der Feindschaft seiner Ordensbrüder, von
der Ungerechtigkeit der Alcaden, die ihn ohne Rücksicht auf
seine Standesvorrechte ins Gefängniß geworfen. Trotz dieser
Abenteuer war ihm leider die Liebhaberei geblieben, sich mit
Wir trafen in der Mission Catuaro den Corregidor des
Distrikts, einen liebenswürdigen, gebildeten Mann. Er gab
uns drei Indianer mit, die mit ihren Machetes vor uns
her einen Weg durch den Wald bahnen sollten. In diesem
wenig betretenen Lande ist die Vegetation in der Regenzeit
so üppig, daß ein Mann zu Pferd auf den schmalen, mit
Schlingpflanzen und verschlungenen Baumästen bedeckten Fußsteigen
fast nicht durchkommt. Zu unserem großen Verdruß
wollte der Missionär von Catuaro uns durchaus nach Cariaco
begleiten. Wir konnten es nicht ablehnen; er ließ uns jetzt
mit seinen Faseleien über die Thierseelen und den menschlichen
freien Willen in Ruhe, er hatte uns aber nunmehr von einem
Gegenüber dem »Code noir« der meisten andern Völker,
welche Besitzungen in beiden Indien haben, ist die spanische
Gesetzgebung unstreitig sehr mild. Aber vereinzelt, auf kaum
urbar gemachtem Boden leben die Neger in Verhältnissen, daß
die Gerechtigkeit, weit entfernt sie im Leben kräftig schützen
zu können, nicht einmal im Stande ist die Barbareien zu bestrafen,
durch die sie ums Leben kommen. Leitet man eine
Untersuchung ein, so schreibt man den Tod des Sklaven seiner
Kränklichkeit zu, dem heißen, nassen Klima, den Wunden, die
man ihm allerdings beigebracht, die aber gar nicht tief und
durchaus nicht gefährlich gewesen. Die bürgerliche Behörde
ist in Allem, was die Haussklaverei angeht, machtlos, und
wenn man rühmt, wie günstig die Gesetze wirken, nach denen
die Peitsche die und die Form haben muß und nur so und so
viel Streiche auf einmal gegeben werden dürfen, so ist das
reine Täuschung. Leute, die nicht in den Colonien oder doch
nur auf den Antillen gelebt haben, sind meist der Meinung, da
es im Interesse des Herrn liege, daß seine Sklaven ihm
Der Weg durch den Wald von Catuaro ist nicht viel
anders als der vom Berge Santa Maria herab; auch sind die
schlimmsten Stellen hier eben so sonderbar getauft wie dort.
Man geht wie in einer engen, durch die Bergwasser ausgespülten,
mit feinem, zähem Thon gefüllten Furche dahin. Bei
den jähsten Abhängen senken die Maulthiere das Kreuz und
rutschen hinunter; das nennt man nun Saca-Manteca, weil
der Koth so weich ist wie Butter. Bei der großen Gewandtheit
der einheimischen Maulthiere ist dieses Hinabgleiten ohne alle
Gefahr. Der Weg führt über die Felsschichten herab, die am
Ausgehenden Stufen von verschiedener Höhe bilden, und so ist
es auch hier ein wahrer »chemin des échelles.« Weiterhin,
Buenavista. Er verdient den Namen, denn von hier sieht
man die Stadt Cariaco in einer weiten, mit Pflanzungen,
Hütten und Gruppen von Cocospalmen bedeckten Ebene.
Westwärts von Cariaco breitet sich der weite Meerbusen aus,
den eine Felsmauer vom Ocean trennt; gegen Ost zeigen sich,
gleich blauen Wolken, die hohen Gebirge von Areo und Paria.
Es ist eine der weitesten, prachtvollsten Aussichten an der Küste
von Neu-Andalusien.
Wir fanden in Cariaco einen großen Theil der Einwohner
in ihren Hängematten krank am Wechselfieber. Diese
Fieber werden im Herbst bösartig und gehen in Ruhren über.
Bedenkt man, wie außerordentlich fruchtbar und feucht die
Ebene ist, und welch ungeheure Masse von Pflanzenstoff hier
zersetzt wird, so sieht man leicht, warum die Luft hier nicht
so gesund seyn kann wie über dem dürren Boden von Cumana.
Nicht leicht finden sich in der heißen Zone große Fruchtbarkeit
des Bodens, häufige, lange dauernde Wasserniederschläge, eine
ungemein üppige Vegetation beisammen, ohne daß diese Vortheile
durch ein Klima ausgewogen würden, das der Gesundheit
der Weißen mehr oder weniger gefährlich wird. Aus
denselben Ursachen, welche den Boden so fruchtbar machen und
die Entwicklung der Gewächse beschleunigen, entwickeln sich
auch Gase aus dem Boden, die sich mit der Luft mischen und
sie ungesund machen. Wir werden oft Gelegenheit haben, auf
die Verknüpfung dieser Erscheinungen zurückzukommen, wenn
wir den Cacaobau und die Ufer des Orinoco beschreiben, wo
es Flecke gibt, an denen sich sogar die Eingeborenen nur schwer
acclimatisiren. Im Thale von Cariaco hängt übrigens die
Ungesundheit der Luft nicht allein von den eben erwähnten
Vom Kalkgebirge des Brigantin und Cocollar läuft ein
starker Ast nach Nord und hängt mit dem Urgebirg an der
Küste zusammen. Dieser Ast heißt Sierra de Meapire; der
Stadt Cariaco zu führt er den Namen Cerro grande de Cariaco.
Er schien mir im Durchschnitt nicht über 150–200 Toisen
hoch; wo ich ihn untersuchen konnte, besteht er aus
dem Kalkstein des Uferstrichs. Mergel- und Kalkschichten
wechseln mit andern, welche Quarzkörner enthalten. Wer die
Reliefbildung des Landes zu seinem besondern Studium macht,
muß es auffallend finden, daß ein quergelegter Gebirgskamm
unter rechtem Winkel zwei Ketten verbindet, deren eine, südliche,
aus secundären Gebirgsbildungen besteht, während die
andere, nördliche, Urgebirge ist. Auf dem Gipfel des Cerro
de Meapire sieht man das Gebirge einerseits nach dem Meerbusen
von Paria, andererseits nach dem von Cariaco sich abdachen.
Ostwärts und westwärts vom Kamm liegt ein niedriger,
sumpfiger Boden, der ohne Unterbrechung fortstreicht,
und nimmt man an, daß die beiden Meerbusen dadurch entstanden
sind, daß der Boden durch Erdbeben zerrissen worden
ist und sich gesenkt hat, so muß man voraussetzen, daß der
Cerro de Meapire diesen gewaltsamen Erschütterungen widerstanden
hat, so daß der Meerbusen von Paria und der von
Cariaco nicht zu Einem verschmelzen konnten. Wäre dieser
Felsdamm nicht da, so bestünde wahrscheinlich auch die Landenge
nicht. Vom Schlosse Araya bis zum Cap Paria würde
die ganze Gebirgsmasse an der Küste eine schmale, Margarita
Im gegenwärtigen Zustand der Dinge sieht man die feuchten Ebenen, die ost- und westwärts vom Kamm streichen und uneigentlich die Thäler von San Bonifacio und Cariaco heißen, sich fortwährend in das Meer hinaus verlängern. Das Meer zieht sich zurück, und diese Verrückung der Küste ist besonders bei Cumana auffallend. Wenn die Höhenverhältnisse des Bodens darauf hinweisen, daß die Meerbusen von Cariaco und Paria früher einen weit größeren Umfang hatten, so läßt sich auch nicht in Zweifel ziehen, daß gegenwärtig das Land sich allmählich vergrößert. Bei Cumana wurde im Jahr 1791 eine Batterie, die sogenannte Bocca, dicht am Meer gebaut, im Jahr 1799 sahen wir sie weit im Lande liegen. An der Mündung des Rio Nevari, beim Morro de Nueva Barcelona, zieht sich das Meer noch rascher zurück. Diese lokale Erscheinung rührt wahrscheinlich von Anschwemmungen her, deren Zunahmeverhältnisse noch nicht gehörig beobachtet sind.
Geht man von der Sierra de Meapire, welche die Landenge
zwischen den Ebenen von San Bonifacio und von Cariaco
bildet, herab, so kommt man gegen Ost an den großen
Putacuao, der mit dem Rio Areo in Verbindung steht und
Guainas nennen,
und denen sie einen Stachel unter dem Schwanz andichten.
Geht man von der Sierra Meapire nach West hinunter, so
betritt man zuerst einen »hohlen Boden« (tierra hueca), der
bei dem großen Erdbeben des Jahres 1766 in zähes Erdöl
gehüllten Asphalt auswarf; weiterhin sieht man eine Unzahl
warmer, schwefelwasserstoffhaltiger Quellen aus dem Boden
brechen, und endlich kommt man zum See Campoma, dessen
Ausdünstungen zum Theil die Ungesundheit des Klimas von
Cariaco veranlassen. Die Eingeborenen glauben, der Boden
sey deßhalb hohl, weil die warmen Wasser sich hier aufgestaut
haben, und nach dem Schall des Hufschlags scheinen sich die
unterirdischen Höhlungen von West nach Ost bis Casanay, drei
bis viertausend Toisen weit zu erstrecken. Ein Flüßchen, der
Rio Azul, läuft durch diese Ebenen. Sie sind zerklüftet in
Folge von Erdbeben, die hier einen besondern Herd haben
und sich selten bis Cumana fortpflanzen. Das Wasser des
Rio Azul ist kalt und hell; er entspringt am westlichen Abhang
des Meapire, und man glaubt, er sey deßhalb so stark,
weil das Gewässer des Putacuao-Sees auf der andern Seite
des Gebirgszugs durchsickere. Das Flüßchen und die
schwefelwasserstoffhaltigen Quellen
ergießen sich zusammen in die Laguna
de Campoma. So heißt ein weites Sumpfland, das in der
trockenen Jahreszeit in drei Becken zerfällt, die nordwestlich
von der Stadt Cariaco am Ende des Meerbusens liegen.
Uebelriechende Dünste steigen fortwährend vom stehenden Sumpfwasser
auf. Sie riechen nach Schwefelwasserstoff und zugleich
nach faulen Fischen und zersetzten Vegetabilien.
Die Miasmen bilden sich im Thale von Cariaco gerade
wie in der römischen Campagna; aber durch die tropische Hitze
wird ihre verderbliche Kraft gesteigert. Durch die Lage der
Laguna von Campoma wird der Nordwest, der sehr oft nach
Sonnenuntergang weht, den Einwohnern der kleinen Stadt
Cariaco höchst gefährlich. Sein Einfluß unterliegt desto weniger
einem Zweifel, da die Wechselfieber dem Sumpfe zu, der
der Hauptherd der faulen Miasmen ist, immer häufiger in
Nervenfieber übergehen. Ganze Familien freier Neger, die
an der Nordküste des Meerbusens von Cariaco kleine Pflanzungen
besitzen, liegen mit Eintritt der Regenzeit siech in
ihren Hängematten. Diese Fieber nehmen den Charakter remittirender
bösartiger Fieber an, wenn man sich, erschöpft von
langer Arbeit und starker Hautansdünstung, dem feinen Regen
aussetzt, der gegen Abend häufig fällt. Die Farbigen, besonders
aber die Creolenneger, widerstehen den klimatischen Einflüssen
mehr als irgend ein anderer Menschenschlag. Man
behandelt die Kranken mit Limonade, mit dem Aufguß von
Scoparia dulcis, selten mit Euspare, das heißt mit der
Chinarinde von Angostura.
Im Ganzen ist bei den Epidemien in Cariaco die Sterblichkeit
geringer, als man erwarten sollte. Wenn das Wechselfieber
mehrere Jahre hinter einander einen Menschen befällt,
so greift es den Körper stark an und bringt ihn herunter;
aber dieser Schwächezustand, der in ungesunden Gegenden so
häufig vorkommt, führt nicht zum Tode. Auch ist es merkwürdig,
daß hier, wie in der römischen Campagna, der Glaube
herrscht, die Luft sey in dem Maße ungesunder geworden, je
mehr Morgen Landes man urbar gemacht. Die Miasmen,
die diesen Ebenen entsteigen, haben indessen nichts gemein mit
Die Stadt Cariaco ist mehreremale von den Caraiben
verheert worden. Die Bevölkerung hat rasch zugenommen,
seit die Provinzialbehörden, den Verboten des Madrider Hofs
zuwider, nicht selten dem Handel mit fremden Colonien Vorschub
geleistet haben. Sie hat sich in zehn Jahren verdoppelt
und betrug im Jahr 1800 über 6000 Seelen. Die Einwohner
treiben sehr fleißig Baumwollenbau; die Baumwolle
Nur im Innern der Provinz, ostwärts von der Sierra de
Meapire, auf dem unbebauten Boden von Carupano an durch
das Thal San Bonifacio bis zum Meerbusen von Paria entstehen
neue Cacaopflanzungen. Sie werden dort desto einträglicher,
je mehr die Luft über dem frisch urbar gemachten, von
Wäldern umgebenen Land stockt, je mehr sie mit Wasser und
mephitischen Dünsten geschwängert ist. Hier leben Familienväter,
welche, treu den alten Sitten der Colonisten, sich und
ihren Kindern langsam, aber sicher Wohlstand erarbeiten. Sie
behelfen sich bei ihrer mühsamen Arbeit mit einem einzigen
Sklaven; sie brechen mit eigener Hand den Boden um, ziehen
die jungen Cacaobäume im Schatten der Erythrina und der
Bananenbäume, beschneiden den erwachsenen Baum, vertilgen
die Massen von Würmern und Insekten, welche Rinde, Blätter
und Blüthen anfallen, legen Abzugsgräben an, und unterziehen
sich sieben, acht Jahre lang einem elenden Leben, bis
der Cacaobaum anfängt Ernten zu liefern. Dreißig tausend
Stämme sichern den Wohlstand einer Familie auf anderthalb
Generationen. Wenn durch die Baumwolle und den Kaffee
der Bau des Cacao in der Provinz Caracas und im kleinen
Thale von Cariaco beschränkt worden ist, so hat dagegen letzterer
Zweig der Colonialindustrie im Innern der Provinzen
Neubarcelona und Cumana zugenommen. Warum die
Die in Cariaco herrschenden Fieber nöthigten uns zu unserem
Bedauern, unsern Aufenthalt daselbst abzukürzen. Da
wir noch nicht recht acclimatisirt waren, so riethen uns selbst die
Colonisten, an die wir empfohlen waren, uns auf den Weg
zu machen. Wir lernten in der Stadt viele Leute kennen,
die durch eine gewisse Leichtigkeit des Benehmens, durch umfassenderen
Ideenkreis und, darf ich hinzusetzen, durch entschiedene
Vorliebe für die Regierungssorm der Vereinigten
Staaten verriethen, daß sie viel mit dem Ausland in Verkehr
gestanden. Hier hörten wir zum erstenmal in diesem Himmelsstriche
die Namen Franklin und Washington mit Begeisterung
aussprechen. Neben dem Ausdruck dieser Begeisterung bekamen
wir Klagen zu hören über den gegenwärtigen Zustand von
Neu-Andalusien, Schilderungen, oft übertriebene, des natürlichen
Reichthums des Landes, leidenschaftliche, ungeduldige
Wünsche für eine bessere Zukunft. Diese Stimmung mußte
Golfo triste ist der Boden so fruchtbar,
daß der Mais jährlich zwei Ernten und das 380ste Korn
gibt. Die Vereinzelung der Niederlassungen hat dem Handel
mit fremden Colonien Vorschub geleistet, und seit dem Jahr 1797
ist eine geistige Umwälzung eingetreten, die in ihren
Folgen dem Mutterland noch lange nicht verderblich geworden
wäre, hätte nicht das Ministerium fort und fort alle Interessen
gekränkt, alle Wünsche mißachtet, Es gibt in den
Streitigkeiten der Colonien mit dem Mutterland, wie fast in
allen Volksbewegnngen, einen Moment, wo die Regierungen,
wenn sie nicht über den Gang der menschlichen Dinge völlig
verblendet sind, durch kluge, fürsichtige Mäßigung das Gleichgewicht
herstellen und den Sturm beschwören können. Lassen
sie diesen Zeitpunkt vorübergehen, glauben sie durch physische
Gewalt eine moralische Bewegung niederschlagen zu können,
Wir schifften uns Morgens sehr früh ein, in der Hoffnung,
die Ueberfahrt über den Meerbusen von Cariaco in
Einem Tage machen zu können. Das Meer ist hier nicht
unruhiger als unsere großen Landseen, wenn sie vom Winde
sanft bewegt werden. Es sind vom Landungsplatz nach Cumana
nur zwölf Seemeilen. Als wir die kleine Stadt Cariaco
im Rücken hatten, gingen wir westwärts am Flusse Carenicuar
hin, der schnurgerade wie ein künstlicher Kanal durch Gärten
und Baumwollenpflanzungen läuft. Der ganze, etwas sumpfige
Boden ist aufs sorgsamste angebaut. Während unseres
Aufenthalts in Peru wurde hier auf trockeneren Stellen der
Kaffeebau eingeführt. Wir sahen am Flusse indianische Weiber
ihr Zeug mit der Frucht des Parapara (Sapindus saponaria)
waschen. Feine Wäsche soll dadurch sehr mitgenommen
werden. Die Schale der Frucht gibt einen starken Schaum
und die Frucht ist so elastisch, daß sie, wenn man sie auf
einen Stein wirft, drei, viermal sieben bis acht Fuß hoch
aufspringt. Da sie kugeligt ist, verfertigt man Rosenkränze
daraus.
Kaum waren wir zu Schiffe, so hatten wir mit widrigen
Winden zu kämpfen. Es regnete in Strömen und ein Gewitter
brach in der Nähe aus. Schaaren von Flamingos, Reihern
und Cormorans zogen dem Ufer zu. Nur der Alcatras,
eine große Pelicanart, fischte ruhig mitten im Meerbusen weiter.
Wir waren unser achtzehn Passagiere, und auf der engen,
Aguas calientes,
den Meerbusen von Cariaco, den Brigantin und die Thäler
von Aragua bis zu den Schneegebirgen von Merida, so findet
man auf einer Strecke von mehr als 150 Meilen eine ununterbrochene
Reihe von warmen Quellen.
Der widrige Wind und der Regen nöthigten uns bei
Pericantral, einem kleinen Hofe aus der Südküste des Meerbusens,
zu landen. Diese ganze, schön bewachsene Küste ist
fast ganz unbebaut; man zählt kaum 700 Einwohner und
Im übrigen Amerika wird der Cocosnußbaum meist nur
um die Höfe gepflanzt, und zwar um der eßbaren Frucht
willen; am Meerbusen von Cariaco dagegen sieht man eigentliche
Pflanzungen davon. Man spricht in Cumana von einer
hacienda de coco, wie von einer hacienda de caña oder
cacao. Auf fruchtbarem, feuchtem Boden fängt der Cocosbaum
im vierten Jahre an reichlich Früchte zu tragen; auf
dürrem Lande dagegen erhält man vor dem zehnten Jahre
keine Ernte. Der Baum dauert nicht über 80–100 Jahre
aus, und er ist dann im Durchschnitt 70–80 Fuß hoch.
Mauritia flexuosa) und die
Palma de Sombrero (Coripha tectorum), die sehr lange
leben, im sechzigsten Jahr oft erst 14–18 Fuß hoch sind.
In den ersten dreißig bis vierzig Jahren trägt am Meerbusen
von Cariaco ein Cocosbaum jeden Monat einen Büschel mit
10–14 Früchten, von denen jedoch nicht alle reif werden. Man
kann im Durchschnitt jährlich auf den Baum 100 Nüsse rechnen,
die acht Flascos [Der Flasco zu 70–80 Pariser Cubikzoll]
Oel geben. Der Flasco gilt zwei einen
halben Silberrealen oder 32 Sous. In der Provence gibt ein
dreißigjähriger Oelbaum zwanzig Pfund oder sieben Flascos
Oel, also etwas weniger als der Cocosbaum. Es gibt im Meerbusen
von Cariaco Haciendas mit 8000–9000 Cocosbäumen;
ihr malerischer Anblick erinnert an die herrlichen Dattelpflanzungen
bei Elche in Murcia, wo auf einer Quadratmeile
über 70,000 Palmstämme bei einander stehen. Der Cocosbaum
trägt nur bis zum dreißigsten bis vierzigsten Jahr
reichlich, dann nimmt der Ertrag ab und ein hundertjähriger
Stamm ist zwar nicht ganz unfruchtbar, bringt aber sehr
wenig mehr ein. In der Stadt Cumana wird sehr viel Cocosnußöl
geschlagen; es ist klar, geruchlos und ein gutes
Brennmaterial. Der Handel damit ist so lebhaft als auf der
Westküste von Afrika der Handel mit Palmöl, das von
Elays guinneensis kommt. Dieses ist ein Speiseöl. In Cumana
sah ich mehr als einmal Piroguen ankommen, die mit 3000
Cocosnüssen beladen waren. Ein Baum von gutem Ertrag
gibt ein jährliches Einkommen von 2½ Piastern
(14 Francs 5 Sous), da aber auf den Haciendas de Coco
Stämme
Wir verließen den Hof Pericantral erst nach Sonnenuntergang.
Die Südküste des Meerbusens in ihrem reichen
Pflanzenschmuck bietet den lachendsten Anblick, die Nordküste
dagegen ist felsigt, nackt und dürr. Trotz des dürren Bodens
und des seltenen Regens, der zuweilen fünfzehn Monate ausbleibt,
wachsen auf der Halbinsel Araya (wie in der Wüste
Canound in Indien) 30–50 Pfund schwere Patillas oder
Wassermelonen. In der heißen Zone ist die Luft etwa zu
9/10 mit Wasserdunst gesättigt und die Vegetation erhält sich
dadurch, daß die Blätter die wunderbare Eigenschaft haben,
das in der Luft aufgelöste Wasser einzusaugen. Wir hatten
auf der engen, überladenen Pirogue eine recht schlechte Nacht
und befanden uns um drei Uhr Morgens an der Mündung
des Rio Manzanares. Wir waren seit mehreren Wochen an
den Anblick der Gebirge, an Gewitterhimmel und finstere
Wälder gewöhnt, und so fielen uns jetzt die Naturverhältnisse
von Cumana, der ewig heitere Himmel, der kahle Boden, die
Masse des überall zurückgeworfenen Lichtes doppelt auf.
Bei Sonnenaufgang sahen wir Tamurosgeier (Vultur aura)
zu Vierzigen und Fünfzigen auf den Cocosnußbäumen
sitzen. Diese Vögel hocken zum Schlafen in Reihen zusammen,
wie die Hühner, und sie sind so träge, daß sie, lange ehe die
Sonne untergeht, aufsitzen und erst wieder erwachen, wenn
ihre Scheibe bereits über dem Horizont steht. Es ist, als ob
die Bäume mit gefiederten Blättern nicht minder träge wären.
Die Mimosen und Tamarinden schließen bei heiterem Himmel
ihre Blätter 25–30 Minuten vor Sonnenuntergang, und sie