This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License online at www.gutenberg.org/license
(Project Gutenberg doesn't like to be specific as to particular source edition.)
Wenn der Mensch mit regsamem Sinne die Natur
durchforscht, oder in seiner Phantasie die weiten
Räume der organischen Schöpfung misst, so wirkt unter
den vielfachen Eindrücken, die er empfängt, keiner
so tief und mächtig als der, welchen die allverbreitete
Fülle des Lebens erzeugt. Ueberall, selbst
am beeisten Pol, ertönt die Luft von dem Gesange der
Vögel, wie von dem Sumsen schwirrender Insecten.
Nicht die unteren Schichten allein, in welchen die
verdichteten Dünste schweben, auch die oberen ätherischreinen,
sind belebt. Denn so oft man den Rücken
der Peruanischen Cordilleren, oder, südlich vom
Leman-See, den Gipfel des Weissen-Berges bestieg,
hat man selbst in diesen Einöden noch Thiere entdeckt.
Am Chimborazo, sechsmal höher als der Brocken,
sahen wir Schmetterlinge und andere geflügelte
Insecten. Wenn auch, von senkrechten Luftströmen
getrieben, sie sich dahin, als Fremdlinge, verirrten,
wohin unruhige Forschbegier des Menschen sorgsame
Schritte leitet; so beweiset ihr Daseyn doch, dass die
biegsamere animalische Schöpfung ausdauert, wo die
vegetabilische längst ihre Grenze erreicht hat. Höher,
Zeigt nun schon das unbewafnete Auge den ganzen Luftkreis belebt, so enthüllt noch grössere Wunder das bewafnete Auge. Räderthiere, Brachionen, und eine Schaar mikroskopischer Geschöpfe heben die Winde aus den troknenden Gewässern empor. Unbeweglich und in Scheintod versenkt, schweben sie vielleicht jahrelang in den Lüften, bis der Thau sie zur Erde zurükführt, die Hülle löst, die ihren durchsichtigen wirbelnden Körper einschliesst, und (wahrscheinlich durch den Lebensstoff, den alles Wasser enthält) den Organen neue Erregbarkeit einhaucht.
Neben den entwickelten Geschöpfen trägt der Luftkreis auch zahllose Keime künftiger Bildungen, Insecten-Eier und Eier der Pflanzen, die durch Haar- und Feder-Kronen zur langen Herbstreise geschikt sind. Selbst den belebenden Staub, den, bei getrennten Geschlechtern, die männlichen Blüthen ausstreuen, tragen Winde und geflügelte Insecten über Meer und Land den einsamen weiblichen zu. Wohin der Blick des Naturforschers dringt, ist Leben, oder Keim zum Leben, verbreitet.
Dient aber auch das bewegliche Luftmeer, in das
wir getaucht sind, und über dessen Oberfläche wir
Unentschieden ist es, wo grössere Lebensfülle verbreitet sey; ob auf dem Continent, oder in dem unergründeten Meere. In diesem erscheinen gallertartige Seegewürme, bald lebendig, bald abgestorben, als leuchtende Sterne. Ihr Phosphorlicht wandelt die grünliche Flache des unermesslichen Ozeans in ein Feuermeer um. Unauslöschlich wird mir der Eindruck jener stillen Tropen-Nachte der Südsee bleiben, wo aus der duftigen Himmelsbläue das hohe Sternbild des Schiffes und das gesenkt untergehende Kreuz ihr mildes planetarisches Licht ausgossen, und wo zugleich in der schäumenden Meeresfluth die Delphine ihre leuchtenden Furchen zogen.
Aber nicht der Ozean allein, auch die Sumpfwasser
verbergen zahllose Gewürme von wunderbarer Gestalt.
Unserem Auge fast unerkennbar sind die Cyclidien,
die gefranzten Trichoden und das Heer der Naiden,
theilbar durch Aeste, wie die Lemna, deren
Ungleich ist der Teppich gewebt, den die blüthenreiche
Flora über den nakten Erdkörper ausbreitet;
dichter, wo die Sonne höher an dem nie bewölkten
Himmel emporsteigt; lockerer gegen die trägen
Pole hin, wo der wiederkehrende Frost bald die entwickelte
Knospe tödtet, bald die reifende Frucht erhascht.
Doch überall darf der Mensch sich der nährenden
Pflanzen erfreuen. Trennt im Meeresboden
ein Vulkan die kochende Fluth, und schiebt plözlich
(wie einst zwischen den griechischen Inseln) einen
schlackigen Fels empor; oder erheben (um an eine
friedlichere Naturerscheinung zu erinnern) die einträchtigen
Portulacca,
Gomphrenen und andere niedrige Uferpflanzen. Die
Geschichte der Pflanzendecke, und ihre allmählige
Ausbreitung über die öde Erdrinde, hat ihre Epochen,
wie die Geschichte des spätern Menschengeschlechts.
Ist aber auch Fülle des Lebens überall verbreitet; ist der Organismus auch unablässig bemüht, die durch den Tod entfesselten Elemente zu neuen Gestalten zu verbinden: so ist diese Lebensfülle und ihre Erneuerung doch nach Verschiedenheit der Himmelsstriche verschieden. Periodisch erstarrt die Natur in der kalten Zone; denn Flüssigkeit ist Bedingniss zum Leben. Thiere und Pflanzen (Laubmoose und andre Cryptogamen abgerechnet) liegen hier viele Monate hindurch im Winterschlaf vergraben. In einem grossen Theile der Erde haben daher nur solche organische Wesen sich entwickeln können, welche einer beträchtlichen Entziehung von Wärmestoff widerstehen, oder einer langen Unterbrechung der Lebensfunctionen fähig sind. Je näher dagegen den Tropen, desto mehr nimmt Mannichfaltigkeit der Bildungen, Anmuth der Form und des Farbengemisches, ewige Jugend und Kraft des organischen Lebens zu.
Diese Zunahme kann leicht von denen bezweifelt
werden, welche nie unsern Welttheil verlassen, oder
das Studium der allgemeinen Erdkunde vernachlässigt
haben. Wenn man aus unsern dicklaubigen Eichenwäldern
über die Alpen oder Pyrenäen-Kette nach
Welschland oder Spanien hinabsteigt; wenn man gar
Auch die Wüsten jenseits des Atlas, und die unermesslichen
Ebenen oder Steppen von Süd-Amerika,
sind als blosse Lokalerscheinungen zu betrachten. Diese
findet man, in der Regenzeit wenigstens, mit Gras
und niedrigen, fast krautartigen, Mimosen bedeckt;
jene sind Sand-Meere im Innern des alten Continents,
grosse pflanzenleere Räume, mit ewiggrünen waldigen
Ufern umgeben. Nur einzeln stehende Fächerpalmen
erinnern den Wanderer, dass diese Einöden Theile
einer belebten Schöpfung sind. Im trügerischen Lichtspiele,
das die strahlende Wärme erregt, sieht man
bald den Fuss dieser Palmen frei in der Luft schweben,
bald ihr umgekehrtes Bild in den wogenartig-zitternden
Luftschichten wiederholt. Auch westlich von der
peruanischen Andeskette, an den Küsten des stillen
Meeres, haben wir Wochen gebraucht, um solche
wasserleere Wüsten zu durchstreichen. Der Ursprung
derselben, diese Pflanzenlosigkeit grosser Erdstrecken,
in Gegenden, wo umher die kraftvolleste Vegetation
herrscht, ist ein wenig beachtetes geognostisches Phänomen,
welches sich unstreitig in alten Naturrevoluzionen
(in Ueberschwemmungen, oder vulkanischen
Umwandelungen der Erdrinde) gründet. Hat eine
Gegend einmal ihre Pflanzendecke verloren, ist der
Sand beweglich und quellenleer, hindert die heisse,
senkrecht aufsteigende Luft den Niederschlag der
Wolken: so vergehen Jahrtausende, ehe von den grünen
Wer demnach die Natur mit Einem Blicke zu umfassen, und von Lokalphänomenen zu abstrahiren weiss, der sieht, wie mit Zunahme der belebenden Wärme, von den Polen zum Aequator hin, sich auch allmählig organische Kraft und Lebensfülle vermehren. Aber bei dieser Vermehrung sind doch jedem Erdstriche besondere Schönheiten vorbehalten: den Tropen Mannichfaltigkeit und Grösse der Pflanzenformen; dem Norden der Anblick der Wiesen, und das periodische Wiedererwachen der Natur beim ersten Wehen der Frühlingslüfte. Jede Zone hat ausser den ihr eigenen Vorzügen auch ihren eigenthümlichen Character. So wie man an einzelnen organischen Wesen eine bestimmte Physiognomie erkennt; wie beschreibende Botanik und Zoologie, im engern Sinne des Worts, fast nichts als Zergliederung der Thier- und Pflanzenformen ist: so giebt es auch eine gewisse Naturphysiognomie, welche jedem Himmelsstriche ausschliesslich zukommt.
Was der Mahler mit den Ausdrücken schweizer
Natur, italienischer Himmel, bezeichnet, gründet sich
auf das dunkle Gefühl dieses lokalen Naturcharakters.
Himmelsbläue, Beleuchtung, Duft, der auf der Ferne
ruht, Gestalt der Thiere, Saftfülle der Kräuter, Glanz
des Laubes, Umriss der Berge — alle diese Elemente
bestimmen den Totaleindruck einer Gegend. Zwar
bilden unter allen Zonen dieselben Gebirgsarten Felsgruppen,
von einerlei Physiognomie. Die Grünsteinklippen
So wie die Kenntniss der Fossilien sich von der
Gebirgslehre unterscheidet; so ist von der individuellen
Naturbeschreibung die allgemeine, oder die Physiognomik
der Natur, verschieden. Georg Forster in
seinen Reisen und in seinen kleinen Schriften; Göthe
in den Naturschilderungen, welche so manche seiner
unsterblichen Werke enthalten; Herder, Büffon, Bernardin
de St. Pierre, und selbst Chateaubriand, haben
Wenn aber auch der Charakter verschiedener Weltgegenden
von allen äusseren Erscheinungen zugleich
abhängt; wenn Umriss der Gebirge, Physiognomie der
Pflanzen und Thiere, wenn Himmelsbläue, Wolkengestalt
und Durchsichtigkeit des Luftkreises, den Totaleindruk
bewirken; so ist doch nicht zu läugnen,
dass das Hauptbestimmende dieses Eindrucks die
Pflanzendecke ist. Dem thierischen Organismus fehlt
es an Masse, und die Beweglichkeit der Individuen
entzieht sie oft unsern Blicken. Die Pflanzenschöpfung
dagegen wirkt durch stetige Grösse auf unsere Einbildungskraft.
Ihre Masse bezeichnete ihr Alter, und in
den Gewächsen allein ist Alter und Ausdruck stets
sich erneuernder Kraft mit einander gepaart. Der riesenförmige
Drachenbaum, den ich auf den kanarischen
Inseln sah, und der 16 Schuh im Durchmesser hat,
trägt noch immerdar (gleichsam in ewiger Jugend)
Blüthe und Frucht. Als französische Abentheurer,
die Bethencourts, im vierzehnten Jahrhundert die
glücklichen Inseln eroberten, war der Drachenbaum
von Oratava (den Eingeborenen heilig wie der Oelbaum
Umfasst man die verschiedenen Pflanzenarten,
welche bereits auf dem Erdboden entdeckt sind, und
von denen Willdenow's grosses Werk allein über
20,000 genau zergliedert, mit Einem Blick; so erkennt
man in dieser wundervollen Menge wenige
Hauptformen, auf welche sich alle andere zurückführen
lassen. Zur Bestimmung dieser Formen, von deren
individueller Schönheit, Vertheilung und Gruppirung
die Physiognomie der Vegetation eines Landes
abhängt, muss man nicht (wie in den botanischen
Systemen aus andern Beweggründen geschieht) auf
die kleinsten Theile der Blüthen und Früchte, sondern
nur auf das Rücksicht nehmen, was durch Masse
den Totaleindruck einer Gegend individualisirt. Unter
den Hauptformen der Vegetation giebt es allerdings
ganze Familien der sogenannten natürlichen Systeme.
Bananengewächse und Palmen werden auch in diesen
einzeln aufgeführt. Aber der botanische Systematiker
trennt eine Menge von Pflanzengruppen, welche
der Physiognomiker sich gezwungen sieht, mit einander
zu verbinden. Wo die Gewächse sich als Massen
darstellen, fliessen Umrisse und Vertheilung der Blätter,
Gestalt der Stämme und Zweige, in einander.
Der Mahler (und gerade dem feinen Naturgefühle des
Künstlers kommt hier der Ausspruch zu!) unterscheidet
in dem Mittel- und Hintergrunde einer Landschaft
Sechszehn Pflanzenformen bestimmen hauptsächlich
die Physiognomie der Natur. Ich zähle nur diejenigen
auf, welche ich bei meinen Reisen durch beide
Welttheile, und bei einer vieljährigen Aufmerksamkeit
auf die Vegetation der verschiedenen Himmelsstriche
zwischen dem 55sten Grade nördlicher und dem
12ten Grade südlicher Breite, beobachtet habe. Die
Zahl dieser Formen wird gewiss ansehnlich vermehrt
werden, wenn man einst in das Innere der Continente
tiefer eindringt, und neue Pflanzengattungen entdeckt.
Im südöstlichen Asien, im Inneren von Afrika
und Neuholland, in Süd-Amerika vom Amazonenstrome
bis zum Gebirge Chiquitos hin, ist uns die Vegetation
noch völlig unbekannt. Wie, wenn man gar
ein Land entdeckte, in welchem holzige Schwämme,
z. B. Calvarien oder Moose, hohe Bäume bildeten?
Nekera dendroïdes, ein deutsches Laubmoos, ist in
der That baumartig, und die tropischen Farrenkräuter,
oft höher als unsere Linden und Erlen, sind für den
Europäer noch jezt ein eben so überraschender Anblick,
als dem ersten Entdecker ein Wald hoher Laubmoose
seyn würde! Grösse und Entwickelung der
Organe hängt von der Begünstigung klimatischer
Verhältnisse ab. Die kleine, aber schlanke Form unserer
Eidechse dehnt sich im Süden zu dem kolossalen
und gepanzerten Körper furchtbarer Crocodyle aus. In
den ungeheuern Katzen von Afrika und Amerika, im
Tiger, im Löwen und Jaguar, ist die Gestalt eines
Wir beginnen mit den Palmen, der höchsten
und edelsten aller Pflanzengestalten. Denn ihr haben
stets die Völker (und die früheste Menschenbildung
war in der asiatischen Palmenwelt, oder in dem Erdstriche,
der zunächst an die Palmenwelt gränzt) den
Preis der Schönheit zuerkannt. Hohe, schlanke, geringelte,
bisweilen stachliche Schäfte mit anstrebendem,
glänzendem, bald gefächertem, bald gefiedertem
Laube. Die Blatter sind oft grasartig gekräuselt.
Der glatte Stamm erreicht bis 180 Fuss Höhe. Die
Palmenform nimmt an Pracht und Grösse ab, vom
Aequator gegen die gemässigte Zone hin. Europa hat
unter seinen einheimischen Gewächsen nur einen Repräsentanten
dieser Form, die zwergartige Küstenpalme,
den Chamaerops, der in Spanien und Italien
sich nördlich bis zum 44sten Breitengrade erstreckt.
Das eigentliche Palmenklima der Erde hat 21°. mittlerer
Wärme. Aber die aus Afrika zu uns gebrachte
Dattelpalme, welche minder schön als andere Arten
dieser Gruppen ist, vegetirt noch im südlichen Europa
in Gegenden, deren mittlere Temperatur 14°.
also mehr als doppelt grösser, als die von Berlin, ist.
Palmenstämme und Elephantengerippe liegen im nördlichen
Deutschlande im Inneren der Erde vergraben,
und ihre Lage macht es wahrscheinlich, dass sie nicht
von den Tropen her gegen Norden geschwemmt wurden;
sondern, dass in den grossen Revoluzionen unseres
Planeten die Klimate, wie die durch sie bestimmte
Physiognomie der Natur, vielfach verändert
worden sind.
Zu den Palmen gesellt sich in allen Welttheilen
die Pisang oder Bananenform, die Scitamineen der
Botaniker, Heliconia, Amomum, Strelitzia. Ein
niedriger aber saftreicher, fast krautartiger Stamm,
an dessen Spitze sich dünn und lokkergewebte, zartgestreifte,
seidenartig-glänzende Blätter erheben.
Pisanggebüsche sind der Schmuck feuchter Gegenden.
Auf ihrer Frucht beruht die Nahrung aller Bewohner
des heissen Erdgürtels. Wie die mehlreichen Cerealien
oder Getreidearten des Nordens, so begleiten Pisangstämme
den Menschen seit der frühesten Kindheit
seiner Kultur. Asiatische Mythen setzen die
ursprüngliche Heimath dieser nährenden Tropenpflanze
an den Euphrat, oder an den Fuss des Himalus
in Indien. Griechische Sagen nennen die Gefilde
von Enna als das glückliche Vaterland der Cerealien.
Wenn diese, durch die Kultur über die nördliche Erde
verbreitet, und dort einförmige weitgedehnte Grasfluren
bildend, wenig den Anblick der Natur verschönern,
so vervielfacht dagegen der sich ansiedelnde
Tropenbewohner durch Pisangpflanzungen
eine der herrlichsten und edelsten Gestalten.
Malvenform, Sterculia, Hibiscus, Lavatera,
Ochroma. Kurze aber kolossalisch dikke Stämme
mit zartwolligen, grossen, herzförmigen, oft eingeschnittenen
Blättern, und prachtvollen oft purpurrothen
Blüthen. Zu dieser Pflanzengruppe gehört
der Affenbrodbaum, Adansonia digitata, der bei
32 Fuss Höhe 30 Fuss Durchmesser hat, und der wahrscheinlich
das grösste und älteste organische Denkmahl
Dagegen entbehret unsere gemässigte Zone im
alten Continent leider ganz die zartgefiederten Blätter,
die Form der Mimosen, Gleditsia, Porleria,
Tamarindus. Den vereinigten Staaten von Nord-Amerika,
in denen unter gleicher Breite die Vegetation
mannichfaltiger und üppiger als in Europa ist,
fehlt diese schöne Form nicht. Bei den Mimosen ist
eine schirmartige Verbreitung der Zweige, fast wie
bei den italienischen Pinien, gewöhnlich. Die tiefe
Himmelsbläue des Tropenklimas durch die zartgefiederten
Blätter schimmernd, ist von überaus malerischem
Effekte.
Eine meist afrikanische Pflanzengruppe sind die
Heidekräuter; dahin gehören auch die Andromeda,
Passerinen und Gnidien, eine Gruppe, die
mit der der Nadelhölzer einige Aehnlichkeit hat, und
eben deshalb mit dieser durch die Fülle glokkenförmiger
Blüthen, desto reizender contrastirt. Die baumartigen
Heidekräuter, wie einige andere afrikanische
Gewächse, erreichen das nördliche Ufer des Mittelmeers.
Sie schmükken Welschland und die Cistus-Gebüsche
des südlichen Spaniens. Am üppigsten
wachsend habe ich sie auf den afrikanischen Inseln,
am Abhange des Pics von Teyde gesehen. Bei uns
in den baltischen Ländern, und noch nördlicher hin,
ist diese Pflanzenform gefürchtet, Dürre und Unfruchtbarkeit
verkündigend. Unsere Heidekräuter, Erica vulgaris
tetralix sind gesellschaftlich lebende
Gewächse, gegen deren fortschreitenden Zug die ackerbauenden
Völker seit Jahrhunderten mit wenigem
Glükke ankämpfen. Sonderbar, dass der Hauptrepräsentant
dieser Form blos einer Seite unsers Planeten
eigen ist. Von den 137 jezt bekannten Arten von
Erica findet sich auch nicht eine einzige im neuen
Continent von Pensilvanien und Labrador bis gegen
Nootka und Alaschka hin.
Dagegen ist bloss dem neuen Continent eigenthümlich
die Cactusform, bald kugelförmig, bald
gegliedert, bald in hohen, vielekkigen Säulen, wie
Orgelpfeifen, aufrechtstehend. Diese Gruppe bildet
den höchsten Contrast mit der Gestalt der Liliengewächse
und der Bananen. Sie gehört zu den Pflanzen,
welche Bernardin de St. Pierre sehr glücklich
die vegetabilischen Quellen der Wüste nennt. In den
wasserleeren Ebenen von Südamerika suchen die von
Durst geängsteten Thiere den Melonen-Cactus, eine
kugelförmige, halb im dürren Sande verborgene
Pflanze, deren saftreiches Innere unter furchtbaren
Stacheln versteckt ist. Die säulenförmigen Cactus-Stämme
erreichen bis 30 Fuss Höhe und candelaberartig
getheilt, haben sie eine auffallende Aehnlichkeit
der Physiognomie mit einigen afrikanischen Euphorbien.
Wie diese grüne Wasen in den pflanzenleeren
Wüsten bilden, so beleben die Orchideen den vom
Licht verkohlten Stamm der Tropenbäume und die
ödesten Felsenritzen. Die Vanillenform zeichnet sich
Blattlos, wie fast alle Cactusarten, ist die Form
der Casuarinen, einer Pflanzengestalt, bloss der
Südsee und Ostindien eigen. Bäume mit schachtelhalmähnlichen
Zweigen. Doch finden sich auch in
andern Weltgegenden Spuren dieses mehr sonderbaren
als schönen Typus. Plumier's Equisetum altissimum,
die Ephedra aus Nord-Afrika, die peruanischen
Colletien und das sibirische Calligonum Pallasia,
sind der Casuarinenform nahe verwandt.
So wie in den Pisanggewächsen die höchste Ausdehnung,
so ist in den Casuarinen und in den Nadelhölzern
die höchste Zusammenziehung der
Blattgefässe. Tannen, Thuja und Cypressen bilden
eine nordische Form, die in den Tropen selten ist.
Ihr ewig-frisches Grün erheitert die öde Winter-Landschaft.
Es verkündigt gleichsam den Polarvölkern,
dass, wenn Schnee und Eis den Boden bedekken,
das innere Leben der Pflanzen, wie das Prometheische
Feuer, nie auf unserm Planeten erlischt.
Parasitisch wie bei uns Moose und Flechten, überziehen
in der Tropenwelt ausser den Orchideen auch
die Pothosgewächse den alternden Stamm der
Pothos, Dracontium, Arum, leztere dem Norden
fehlend, aber in Spanien und Italien mit saftvollem
Huflattig, hohen Distelstauden und Acanthus, die
Ueppigkeit des südlichen Pflanzenwuchses bezeichnend.
Zu dieser Arumform gesellt sich die Form der
Lianen, beide in heissen Erdstrichen von Süd-Amerika
in vorzüglicher Kraft der Vegetation. Paullinia,
Banisteria, Bignonien. Unser rankender
Hopfen und unsere Weinreben erinnern an diese
Pflanzengestalt der Tropenwelt. Am Orinoco haben
die blattlosen Zweige der Bauhinien oft 40 Fuss
Länge. Sie fallen theils senkrecht aus dem Gipfel
hoher Swietenien herab; theils sind sie schräg wie
Masttaue ausgespannt, und die Tigerkatze hat eine
bewundernswürdige Geschiklichkeit, daran auf- und
abzuklettern.
Mit den biegsamen sich rankenden Lianen, mit
ihrem frischen und leichten Grün, kontrastirt die
selbstständige Form der bläulichen Aloegewächse;
Stämme, wenn sie vorhanden sind, fast ungetheilt,
enggeringelt und schlangenartig gewunden. An dem
Gipfel sind saftreiche, fleischige, lang·zugespitzte
Blätter stralenartig zusammengehäuft. Die hochstämmigen
Aloegewächse bilden nicht Gebüsche, wie andere
gesellschaftlich lebende Pflanzen. Sie stehen einzeln
in dürren Ebenen, und geben der Tropengegend
Wie die Aloeform sich durch ernste Ruhe und
Festigkeit, so charakterisirt sich die Grasform, besonders
die Physiognomie der baumartigen Gräser,
durch den Ausdruck fröhlicher Leichtigkeit und beweglicher
Schlankheit. Bambusgebüsche bilden schattige
Bogengänge in beiden Indien. Der glatte, oft
geneigt-hinschwebende Stamm der Tropen-Gräser
übertrift die Höhe unserer Erlen und Eichen. Schon
in Italien fängt im Arundo Donax diese Form an,
sich vom Boden zu erheben, und durch Höhe und
Masse den Naturcharakter des Landes zu bestimmen.
Mit der Gestalt der Gräser ist auch die der Farrenkräuter
in den heissen Erdstrichen veredelt.
Baumartige, oft 35 Fuss hohe Farrenkräuter haben
ein palmenartiges Ansehen; aber ihr Stamm ist minder
schlank, kürzer, schuppig-rauher als der der
Palmen. Das Laub ist zarter, lokker gewebt, durchscheinend,
und an den Rändern sauber ausgezakt.
Diese kolossalen Farrenkräuter sind fast ausschliesslich
den Tropen eigen, aber in diesen ziehen sie ein
gemässigtes Klima dem ganz heissen vor. Da nun die
Milderung der Hitze bloss eine Folge der Höhe ist;
so darf man Gebirge, die 2 bis 3000 Fuss über dem
Meere erhaben sind, oder die Höhe unsers deutschen
Brokkens, als den Hauptsiz dieser Form nennen.
Hochstämmige Farrenkräuter begleiten in Süd-Amerika
den wohlthätigen Baum, der die heilende Fieberrinde
darbietet. Beide bezeichnen die glükliche Region
Noch nenne ich die Form der Liliengewächse,
(Amaryllis, Pancratium) mit schilfartigen Blättern
und prachtvollen Blüthen, eine Form, deren Hauptvaterland
das südliche Afrika ist; ferner die Weidenform,
in allen Welttheilen einheimisch; und
wo Salix fehlt, in den Banksien und einigen Proteen
wiederholt; Myrthengewächse, (Metrosideros,
Eucalyptus, Escallonia) Melastomen- und
Lorbeerform.
Es wäre ein Unternehmen, eines grossen Künstlers werth, den Charakter aller dieser Pflanzengruppen nicht in Treibhäusern oder in den Beschreibungen der Botaniker, sondern in der grossen Tropen-Natur selbst, zu studiren. Wie interessant und lehrreich für den Landschaftsmaler ware ein Werk, welches dem Auge die aufgezählten sechszehn Hauptformen, erst einzeln, und dann in ihrem Contraste gegen einander, darstellte. Was ist malerischer, als baumartige Farrenkräuter, die ihre zartgewebten Blätter über die Mexikanischen Lorbeereichen ausbreiten! Was reizender, als Pisanggebüsche von hohen Bambusgräsern umschattet! Dem Künstler ist es gegeben, die Gruppen zu zergliedern, und unter seiner Hand löst sich (wenn ich den Ausdruk wagen darf) das grosse Zauberbild der Natur, gleich den geschriebenen Werken der Menschen, in wenige einfache Züge auf!
Am glühenden Sonnenstral des tropischen Himmels
Theobroma, wie aus der dichten und rauhen Rinde
der Crescentien und der Gustavia. Bei dieser Fülle
von Blüthen und Blättern, bei diesem üppigen
Wuchse und der Verwirrung rankender Gewächse,
wird es dem Naturforscher oft schwer zu erkennen,
welchem Stamme Blüthen und Blätter zugehören.
Ein einziger Baum mit Paullinien, Bignonien und
Dendrobium geschmükt, bildet eine Gruppe von Pflanzen,
welche, von einander getrennt, einen beträchtlichen
Erdraum bedekken würden.
In den Tropen sind die Gewächse saftstrotzender,
von frischerem Grün, mit grösseren und glänzenderen
Blättern geziert, als in den nördlichern Erdstrichen.
Gesellschaftlich lebende Pflanzen, welche die europäische
Vegetation so einförmig machen, fehlen am
Aequator beinah gänzlich. Bäume, fast zweimal so
hoch als unsere Eichen, prangen dort mit Blüthen,
welche gross und prachtvoll wie unsere Lilien sind.
An den schattigen Ufern des Madalenenflusses in Süd-Amerika
wächst eine rankende Aristolochia, deren
Die ausserordentliche Höhe, zu welcher sich unter den Wendekreisen nicht blos einzelne Berge, sondern ganze Länder erheben, und die Kälte, welche Folge dieser Höhe ist, gewähren dem Tropen-Bewohner einen seltsamen Anblik. Ausser den Palmen und Pisanggebüschen umgeben ihn auch die Pflanzenformen, welche nur den nordischen Ländern anzugehören scheinen. Cypressen, Tannen und Eichen, Berberissträucher und Erlen (nahe mit den unsrigen verwandt) bedekken die Gebirgsebenen im südlichen Mexiko, wie die Andeskette unter dem Aequator. So hat die Natur dem Menschen in der heissen Zone verliehen, ohne seine Heimath zu verlassen, alle Pflanzengestalten der Erde zu sehen; wie das Himmelsgewölbe von Pol zu Pol ihm keine seiner leuchtenden Welten verbirgt.
Diesen und so manchen andern Naturgenuss entbehren
die nordischen Völker. Viele Gestirne und
viele Pflanzenformen, von diesen gerade die schönsten,
(Palmen und Pisanggewächse, baumartige Gräser
und feingefiederte Mimosen) bleiben ihnen ewig
unbekannt. Die krankenden Gewächse, welche unsere
Treibhäuser einschliessen, gewähren nur ein
schwaches Bild von der Majestät der Tropenvegetation.
Aber in der Ausbildung unserer Sprache, in
der glühenden Phantasie des Dichters, in der darstellenden
Kunst der Maler, ist uns eine reiche Quelle
des Ersatzes geöfnet. Aus ihr schöpft unsere Einbildungskraft